Betreff
Sachstandsberichte von Sozialamt und GGFA zum SGB II-Vollzug in der Stadt Erlangen
Vorlage
50/053/2011
Aktenzeichen
V/50/VOA-2249
Art
Beschlussvorlage

1. Die Sachstandsberichte von Sozialamt und GGFA zum SGB II-Vollzug in Erlangen werden zur Kenntnis genommen.

 

2. Die Bereitschaft des Deutschen Städtetages sich künftig stärker als bisher auch für die Belange und Interessen optierender Städte zu engagieren, wird begrüßt. Die bisher dazu von der Stadt Erlangen vertretene inhaltliche Position (formuliert im Schreiben des Oberbürgermeisters vom 28.07.2011 an das geschäftsführende Präsidialmitglied, Herrn Dr. Articus), wonach ein Sonderbeitrag der Optionsstädte zur Finanzierung dieser Aktivität des Deutschen Städtetages von der Stadt Erlangen abgelehnt wird, wird ausdrücklich begrüßt 


1.      Aktuelle Zahlen / Entwicklung

 

Bei den Zahlen der SGB II-Empfänger in Erlangen (Bedarfsgemeinschaften, erwerbsfähige- und nichterwerbsfähige Hilfeempfänger) hat sich im letzten Quartal der leichte Trend nach unten verstetigt. Bei den Sozialgeldempfängern (0-14 Jahre) wurde sogar erstmals die Zahl von 1.300 unterschritten.

 

Bei den SGB II-Arbeitslosenzahlen hat sich durch den leichten, saisonbedingten Anstieg im August (Ferienzeit, Auslaufen von Maßnahmen) eine Stagnation ergeben. Für die Herbstmonate rechnen wir wieder mit einem leichten Rückgang der Arbeitslosenzahlen. Insgesamt waren die Bewegungen bisher aber so minimal, dass die SGB II-Arbeitslosenquote von 2,3 % nunmehr nahezu im gesamten laufenden Jahr stabil geblieben ist.

 

In einem bundesweiten Fünfjahresvergleich (August 2006 – August 2011) kommt der Deutsche Landkreistag zu dem Ergebnis, dass die Anzahl der SGB II-Empfänger bundesweit in diesem Zeitraum von 6,8 Millionen auf 6,3 Millionen Menschen reduziert werden konnte (Rückgang um 14,6 %). Die Hilfebedürftigkeit im SGB II spreizt sich dabei zwischen 3,5 % der Einwohner in Bayern und 17,0 % der Einwohner in Berlin. Andererseits ist die Arbeitslosigkeit insgesamt (SGB III und SGB II) im gleichen Fünfjahreszeitraum von 4,37 Millionen auf 2,95 Millionen Personen zurückgegangen (-32,6 %) und damit wesentlich stärker als die Abhängigkeit vom Transfersystem SGB II. Diese Zahlen bestätigen, dass Hartz IV-Empfänger nur deutlich weniger vom Rückgang der Arbeitslosigkeit, bzw. von der Aufnahmefähigkeit des ersten Arbeitsmarktes profitieren, als die Kurzzeitarbeitslosen und arbeitsmarktnahen Kunden im SGB III.

 

2.      Stärkeres Engagement des Deutschen Städtetages für die Optionsstädte

 

Im Zuge der im vergangenen Jahr erfolgten Grundgesetzänderung war nicht nur die dauerhafte Existenz von Optionskommunen und gemeinsamen Einrichtungen gesichert worden – ebenso wurde festgelegt, dass die Anzahl der Optionskommunen ab dem 01.01.2012 von bisher 67 auf künftig 108 Optionskommunen ansteigt und dabei künftig auch 15, anstatt bisher 6, kreisfreie Optionsstädte beteiligt sind. Angesichts dieser Tatsache hat sich der Deutsche Städtetag dazu entschlossen, seine bisherige Zurückhaltung aufzugeben und die 15 Optionsstädte stärker als bisher die 6 Optionsstädte zu unterstützen.

 

In den bisherigen Gesprächen zwischen dem Deutschen Städtetag und den 15 Optionsstädten wurde dies heftig begrüßt. Angesichts der bisherigen, allseits als hervorragend empfundenen Betreuungsarbeit durch den Deutschen Landkreistag komme es nun entscheidend darauf an, dass bei der Interessensvertretung für die optierenden Städte und Landkreise gegenüber dem Ministerium und dem Gesetzgeber in Berlin eine enge inhaltliche Abstimmung und Koordination zwischen Städtetag und Landkreistag stattfindet. Diese Erwartung wurde auch von Seiten der Stadt Erlangen gegenüber dem Deutschen Städtetag formuliert.

 

Von Seiten des Deutschen Städtetages ist zur intensiveren Betreuung der 15 Optionsstädte auch eine personelle Verstärkung im Verband geplant (zusätzliche Kosten von ca. 128.000,00 € pro Jahr), die nach den Vorstellungen des Deutschen Städtetages jedoch in Form eines Sonderbeitrags ausschließlich von den 15 Optionsstädten aufgebracht werden sollen, während die Interessen nicht optierender Städte durch den Deutschen Städtetag weiterhin ohne finanziellen Sonderbeitrag vertreten werden. Darüber hinaus soll diese personelle Verstärkung nach den Vorstellungen des Deutschen Städtetages nicht in Berlin, sondern in Köln angesiedelt werden, um speziell die Interessen der sechs nordrheinwestfälischen Optionsstädte gegenüber dem NRW Arbeitsministerium zu unterstützen – die spezielle NRW-Beteiligung an den Kosten soll jedoch nur ca. 20 % dieses zusätzlichen Kostenaufwandes abdecken, die restlichen 80 % der benötigten zusätzlichen Personalkosten soll von allen 15 Optionsstädten finanziert werden.

 

In seinem Schreiben vom 28.07.2011 an das geschäftsführende Präsidialmitglied des Deutschen Städtetages, Herrn Dr. Articus, hat Herr Oberbürgermeister Dr. Balleis jedoch deutlich gemacht, dass die Stadt Erlangen die Belastung der Optionsstädte mit einem finanziellen Sonderbeitrag nicht für gerechtfertigt hält. Optierende Städte sind ebenso Städtetagsmitglieder wie die nicht optierenden Städte. Eine finanzielle Sonderbelastung einer Gruppe von Mitgliedsstädten wird deshalb von der Stadt Erlangen abgelehnt (siehe hierzu das, als Anlage abgedruckte OBM-Schreiben vom 28.07.2011). Darüber hinaus erscheint es uns nicht sachdienlich, die personelle Verstärkung zur Unterstützung der Optionsstädte in Köln, und nicht in Berlin anzusiedeln – denn „die Musik spielt hier ausschließlich in Berlin“.

 

3.      Kommunale Verfassungsbeschwerden wegen Nichtzulassung zur Option

 

Für die Neuzulassung zur Option zum 01.01.2012 hatten sich bundesweit insgesamt 76 Kommunen beworben, von denen 73 nach den Feststellungen der zuständigen Landesministerien alle Voraussetzungen erfüllt hatten. Nach dem neuen Artikel 91e Grundgesetz war lediglich gefordert, dass zwischen gemeinsamen Einrichtungen und Optionskommunen ein Regel- und Ausnahmeverhältnis zum Ausdruck kommt. Durch einfaches Bundesgesetz wurde dieses Regel- und Ausnahmeverhältnis so konkretisiert, dass der Anteil der Optionskommunen maximal 25 % betragen dürfe (also nur 41 zusätzliche Optionskommunen und nicht 73 oder 76), wobei die zahlenmäßige Verteilung über Länderkontingente einer einvernehmlichen Absprache der Bundesländer überlassen wurde. Dadurch hatte es sich ergeben, dass in einigen Bundesländern alle antragstellenden Kommunen zum Zuge kamen, während in anderen Bundesländern zum Teil zahlreiche Ablehnungen erfolgten (zum Beispiel Bayern 8, Baden-Württemberg 7, Nordrhein-Westfalen 7).

 

Wie jetzt bekannt wurde, liegen aus dem Kreis der abgelehnten Optionsbewerber mittlerweile von insgesamt 13 Landkreisen und einer kreisfreien Stadt kommunale Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht vor, in denen eine willkürliche Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes und eine Verletzung des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung gerügt werden. Die Bildung von Länderkontingenten hätten unterschiedlich hohe Erfolgschancen – je nach Landeszugehörigkeit – bewirkt. Daneben sei die Festlegung einer 25-%-Quote nicht erforderlich gewesen, um das vom Grundgesetz allein geforderte Regel- und Ausnahmeverhältnis zu gewährleisten (die Zulassung aller 73 geeigneten Bewerber hätte eine Optionsquote von lediglich 31,8 % erbracht).

 

Es bleibt abzuwarten, ob nicht doch noch eine politische Lösung (nachträgliche Öffnung des Kontingents für die nicht zugelassenen Antragssteller) gelingt oder ob die kommunalen Verfassungsbeschwerden vom Bundesverfassungsgericht streitig entschieden werden müssen. Auswirkungen auf den Fortbestand der bisher zugelassenen 108 Optionskommunen sind jedoch – egal wie die eingelegten Rechtsmittel entschieden werden – nicht zu erwarten.

 

4.      Bemühungen des BMAS zur „Steuerung“ der SGB II-Umsetzung in den Optionskommunen

 

In der rückwirkend zum 01.01.2011 in Kraft getretenen Gesetzesfassung des SGB II sind mit den abzuschließenden Zielvereinbarungen und mit den zu veröffentlichenden sog. „48a-Kennzahlen“ für das BMAS neue Möglichkeiten zur „Steuerung“ der SGB II-Umsetzung durch gemeinsame Einrichtungen und Optionskommunen vorgesehen.

 

·           Hinsichtlich der Zielvereinbarungen soll mittlerweile in den Bund- Ländergesprächen (gegen den Widerstand der BA) festgelegt worden sein, dass künftig keine konkreten zahlenmäßigen Vorgaben mehr hinsichtlich der nicht zu überschreitenden Passivausgaben gemacht werden sollen. Im übrigen warten wir noch auf die Vorlage des Zielvereinbarungsentwurfs für 2012 – offenkundig sind die vorher erforderlichen Abklärungen zwischen BMAS, BA und den Bundesländern noch nicht abgeschlossen.

·           Die sogenannten 48a-Kennzahlen werden mittlerweile regelmäßig veröffentlicht. Da sich diese Kennzahlen nur unwesentlich von den schon bisher von der BA veröffentlichten Zahlen unterscheiden, ist es aus unserer Sicht nicht überraschend, dass sich das öffentliche Echo (und die „Steuerungswirkung“) bisher in Grenzen zu halten scheint. Darüber hinaus erscheinen die veröffentlichten Kennzahlen nach unserer Einschätzung plausibel zu sein – allerdings unter dem Vorbehalt, dass uns nach wie vor von der BA unter Hinweis auf angebliche Erfordernisse des Datenschutzes eine Nachprüfung unserer eigenen Kennzahlen verweigert wird.

·           Darüber hinaus überlegen derzeit Bund und Länder, ob und in welcher Form hinsichtlich behördeninterner Arbeitsabläufe in den Optionskommunen bestimmte verfahrenstechnische Mindestanforderungen vorgegeben werden können oder sollen (z. B. Verbescheidung von SGB II-Anträgen spätestens drei Wochen ab Vorlage sämtlicher erforderlicher Unterlagen, z. B. Stattfinden eines Erstgespräches mit dem Fallmanager spätestens drei Wochen nach der Antragsstellung usw.) Solche Mindestanforderungen wurden in den Jahren 2006 und 2007 von der BA den ARGEn  auferlegt als „Gegenleistung“ dafür, dass die BA sich nicht mehr als alleinverantwortlich für die Entscheidung aller Arbeitsabläufe in den ARGEn empfand und die Organisation der alltäglichen Arbeitsabläufe in den ARGEn dem jeweiligen ARGE-Geschäftsführer überlassen hat. Aus unserer Sicht ist dieses Vorhaben entschieden abzulehnen, da es die Neueinführung zahlreicher Statistikpflichten zur umfassenden Dokumentation des jeweiligen Status von internen Arbeitsabläufen mit sich bringt – die inhaltlichen Festlegungen dieser Mindestanforderungen liegen ohnehin weit jenseits dessen, was bei uns als normaler Standard längst üblich ist. Darüber hinaus übersieht dieses Instrument dieser sog. Mindestanforderungen, dass es sich bei uns um eine Kommunalbehörde, und nicht um eine Bundesbehörde handelt.

 

 

5.      Instrumentenreform 2012

 

       Das derzeit wohl wichtigste SGB II- Gesetzgebungsvorhaben ist der Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt (Instrumentenreform 2012), das im Mai im Bundeskabinett beschlossen wurde und seit Juni dem Bundestag und seit Juli 2011 dem Bundesrat zur Beratung vorliegt. Das Gesetz soll abschließend im Bundestag Ende September und im Bundesrat Mitte Oktober behandelt werden und zum 01.04.2012 in Kraft treten.

 

       Anstelle einer Kritik verschiedener Einzelregelungen (siehe hierzu den Sachstandsbericht der GGFA) soll hier nur die Stellungnahme des Deutschen Vereins auszugsweise wiedergegeben werden (der Deutsche Verein ist eine Art inoffizieller Spitzenverband aller im Sozialbereich tätigen, öffentlichen und privaten Akteure, Verbände und Träger):

 

       „… die geplante Instrumentenreform setzt sich nur wenig mit dem Personenkreis des SGB II auseinander, obwohl dem SGB II mit ca. 4,8 Millionen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im Verhältnis zum SGB III, dem ca. 1 Millionen Leistungsberechtigte zuzuordnen sind, allein zahlenmäßig eine wesentlich größere Bedeutung zukommt als dem Versicherungssystem. Bei einem großen Teil der hilfebedürftigen Personen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende stellen sich andere Herausforderungen als bei den Arbeitslosen, die im Rechtskreis des SGB III betreut werden. Um den heterogenen Problemlagen im SGB II besser gerecht zu werden, sind auch in diesem System Umstrukturierungen und eine Neuausrichtung der Instrumente erforderlich. Der Deutsche Verein befürchtet, dass sowohl im Rechtskreis des SGB II, als auch im SGB III einige wertvolle Instrumente durch geplante Zusammenlegungen gänzlich wegfallen, während zum Teil kostenintensive und ineffektive Maßnahmen erweitert werden.“

 

       Der Gesetzesentwurf zur Instrumentenreform 2012 hat aber nicht nur vom Deutschen Verein, sondern von nahezu allen fachlich betroffenen Akteuren viel Kritik erfahren. So war es nicht überraschend, dass in der ersten Lesung des Gesetzes im Bundesrat am 08.07.2011 eine ganze Reihe von wichtigen Änderungsvorschlägen beschlossen wurde (wegen der Einzelheiten wird auf den GGFA-Bericht verwiesen).

 

       Besonders erfreulich – und den Leistungsbereich betreffend – ist jedoch, dass unser Vorschlag vom Bundesrat aufgegriffen wurde, die umfassend – individualisierte Datenerfassungspflicht für alle Bildungs- und Teilhabeleistungen nach der sog. „51b-Verordnung“ spürbar zu lockern. Nach den, zum 01.01.2011 rückwirkend in Kraft gesetzten, neuen Bildungs- und Teilhabevorschriften gab es nämlich in bescheidenem Umfang auch einige Möglichkeiten für vereinfachte, pauschalierte Abrechnungen (zum Beispiel beim Mittagessen in Schulen und Kitas). Unabhängig davon gilt jedoch nach derzeitiger Gesetzeslage hinsichtlich der Datenübermittlung für die monatliche Arbeitsmarktstatistik die strenge Verpflichtung zur individuellen Einzelverfassung und Einzelübermittlung jeder einzelnen Bildungs- und Teilhabeleistung für jede einzelne Person (obwohl in der Arbeitsmarktstatistik diese Daten dann nur noch als Gesamtsummen erscheinen). Sämtliche vom Gesetz erlaubten Möglichkeiten, Bildungs- und Teilhabeleistungen in vereinfachter Form pauschaliert erbringen und abrechnen zu können, würden über diese, streng individualisierte Datenübermittlungsverpflichtung komplett ausgehebelt und wieder zunichtegemacht werden. So ist es sehr erfreulich, dass in diesem Bundesratsbeschluss vom 08.07.2011 eine entsprechende Änderung der 51b-Verordnung vorgeschlagen wird, um wenigstens diese bescheidene Vereinfachungsmöglichkeit bei der Erbringung von Bildungs- und Teilhabeleistungen zu retten.

 

       Dessen ungeachtet hat uns die BA Anfang September die genauen Modalitäten zur Datenerfassung von B+T-Leistungen „auf Basis der geltenden Rechtslage“ übermittelt. Es bleibt abzuwarten, ob es zur dringend notwendigen Änderung der „51b-Verordnung“ kommt, bzw. was sich anderenfalls dann die Jobcenter einfallen lassen, um diese völlig überzogenen und überflüssigen Anforderungen zur Datenerhebung zu erfüllen.

 

6.      Weitere Aktivitäten des Gesetzgebers

 

Zum 01.07.2011 ist die fünfte Verordnung zur Änderung der Arbeitslosengeld II- / Sozialgeldverordnung in Kraft getreten. Aus den wenigen Rechtsänderungen sei hier nur auf folgenden Punkt hingewiesen: bei der Teilhabeleistung „gemeinschaftliches Mittagessen in Schule oder Kita“ sieht das Gesetz einen verbleibenden Eigenanteil der leistungsbeziehenden Familie in Höhe von 1,00 € pro Mittagessen vor. In vielen Kommunen – auch in Erlangen – wird dieser Eigenanteil von 1,00 € ebenfalls, und zwar aus kommunalen Mitteln, übernommen. Denn in vielen Kommunen war schon vor Einführung des Bildung- und Teilhabepakets eine kostenfreie Mittagessensversorgung für Kinder aus armen Familien in weiten Teilen üblich, sodass durch die Einführung eines Eigenanteils eine verstärkte Nichtteilnahme gerade ärmerer Kinder an der gemeinschaftlichen Mittagessensversorgung zu befürchten gewesen wäre. In der neuen ALG II‑Verordnung vom 01.07.2011 wird nunmehr klargestellt, dass die kommunale Übernahme dieses Eigenanteils bei der Mittagessensversorgung den betroffenen Familien gegenüber nicht als Einkommen auf die SGB II-Leistung angerechnet werden muss.

 

Am 12.07.2011 hat der Bayerische Landtag das „4. Gesetz zur Änderung Gesetzes zur Ausführung des Sozialgesetzes“ beschlossen. Darin wird – wie vorher angekündigt – die Zuständigkeit zum Vollzug der Bildungs- und Teilhabeleistungen für Kinder aus solchen Familien geregelt, die Wohngeld oder den Kinderzuschlag erhalten. Dies ist nunmehr Aufgabe der kreisfreien Städte und Landkreise – und zwar im übertragenen Wirkungskreis. Dies wiederum hat zur Folge, dass bei der Einlegung von Rechtsmitteln durch Wohngeld- und Kinderzuschlagsfamilien zuständige Widerspruchsbehörde die jeweilige Regierung ist (und nicht wie bei Widersprüchen von SGB II-Familien die Stadt Erlangen). Weiter folgt aus diesem bayerischen Gesetz, dass die Auszahlung der Schulbeihilfe (neuerdings 70,00 € zum Schuljahresanfang und 30,00 € zum Zwischenzeugnis) für Wohngeld- und Kinderzuschlagskinder nur auf ausdrücklichen Antrag erfolgen darf (und nicht wie bei SGB II-Kindern von Amts wegen).

 

Zu der möglichen KdU-Satzungsregelung nach dem neuen § 27 SGB II (Festsetzung einer Mietobergrenze, eventuell sogar Pauschalierung der Kosten von Unterkunft und Heizung, durch eine kommunale Satzung) gibt es in Bayern noch keinen neuen Sachstand. Bisher hat Hessen als einziges Bundesland von der Möglichkeit Gebrauch gemacht den kreisfreien Städten und Landkreisen den Erlass einer solchen kommunalen Satzung zu erlauben. In Bayern ist hierzu noch keine Entscheidung gefallen. Aus Sicht der Verwaltung besteht hierfür auch kein Bedarf, da wir uns von der Möglichkeit zum Satzungserlass keinerlei Erleichterung versprechen. Denn die entscheidende Hürde – sowohl im Fall eines Ratsbeschlusses, wie auch im Fall einer kommunalen Satzung – besteht in den diffusen und überhöhten inhaltlichen Anforderungen des Bundessozialgerichts an eine solche Ermittlung von Mietobergrenzen.

 

In der Zwischenzeit wurde ein erster Verordnungsentwurf zur Anhebung der Regelsätze zum 01.01.2012 bekannt. Danach werden die Regelbedarfe nach dem neuen gesetzlichen Mischindex angepasst (zu einem Anteil von 70 % entsprechend der Preisentwicklung aller regelbedarfsrelevanten Güter und Dienstleistungen, zu einem Anteil von 30 % entsprechend der Entwicklung der Nettolöhne und –gehälter). Die Entwicklung der geplanten Regelbedarfshöhe ergibt sich aus der nachstehenden Tabelle. Dabei errechnet sich für die Regelbedarfsstufen 4 und 5 deshalb keine Anhebung, bzw. bei der Regelbedarfsstufe 6 eine geringere Anhebung, weil bei der letzten Regelbedarfsermittlung 2011 hier eigentlich eine Absenkung hätte stattfinden müssen, auf die seinerzeit jedoch aus Gründen der Besitzstandswahrung verzichtet wurde.

 

                                                               Regelbedarfshöhe

 

2011

2012

 

Regelbedarfsstufe 1

364

374

alleinstehend, alleinerziehend

Regelbedarfsstufe 2

328

337

erwachsene Partner

Regelbedarfsstufe 3

291

299

sonst. Erwachsene HH-Angehörige

Regelbedarfsstufe 4

287

287

15 - 17 Jahre

Regelbedarfsstufe 5

251

251

7 - 14 Jahre

Regelbedarfsstufe 6

215

219

0 - 6 Jahre

 

7.      Zwischenstand bei den Bildungs- und Teilhabeleistungen

 

Die organisatorischen Strukturen zur Abwicklung der Bildungs- und Teilhabeleistungen in allen Rechtskreisen (SGB II, SGB XII, Wohngeld, Kinderzuschlag, Asylbewerberleistungsgesetz) sind mittlerweile eingerichtet. Es hat sich eine sehr differenzierte Aufgabenstruktur ergeben, je nachdem wer die Leistung am unkompliziertesten erbringen kann. Die Aufgabenerfüllung erfolgt zum Teil durch die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter der Abteilung 501 und 502, zum Teil unter Mitwirkung des Jugendamtes, zum Teil aber auch zentral für alle Rechtskreise durch zwei zusätzliche Mitarbeiterinnen. Die notwendige Rückabwicklung der Mittagessenskosten für vergangene Zeiträume (das Gesetz wurde Ende März beschlossen, begründete aber Leistungsansprüche rückwirkend ab 01.01.2011) ist gegenüber dem Schulamt bereits komplett abgeschlossen – gegenüber dem Jugendamt wegen des Mittagessens in Kitas läuft die rückwirkende Abrechnung noch.

 

Bei der Inanspruchnahme von Bildungs- und Teilhabeleistungen (Stand: Anfang August) kann insgesamt eine Nutzerquote von ca. 40 % festgestellt werden – diese Zahl ist allerdings nur vorläufig, da die Teilnehmer an der Mittagessensverpflegung in Kitas noch nicht einbezogen sind. Auffallend ist dabei, dass sich im Bereich der SGB II-Kinder mit ca. 30 % (612) nur eine halb so hohe Nutzerquote ergibt wie bei den Kindern aus Wohngeldfamilien (ca. 60 %, 396 Kinder). Aus den übrigen Bereichen (zum Beispiel Kinderzuschlag, sonstige Geringverdiener ohne Transferleistungsbezug) gibt es mit 15 Kindern, bzw. 10 Kindern ebenfalls nur vergleichsweise geringe Benutzerzahlen.

 

Aufgeteilt auf die einzelnen Leistungsarten der Bildungs- und Teilhabeleistungen ergibt sich folgendes Bild:

Ausflüge: 339 Anträge

Klassenfahrten: 331 Anträge

Schülerbeförderung: 69 Anträge

Schulbeihilfe: wird erst im September relevant

Lernförderung: 156 Anträge

Mittagessen in Schulen: 653 Anträge

Mittagessen in Kitas: wird zahlenmäßig erst noch ausgewertet

Soziale und kulturelle Teilhabe: 401 Anträge

Auffallend ist dabei – neben der relativ häufigeren Nutzung durch Wohngeldkinder im Vergleich zu SGB II-Kindern – dass die Teilnehmerzahlen am gemeinschaftlichen Mittagessen in Schulen deutlich angestiegen sind. Im Vergleich zur früheren bayerischen Regelung einer gemeinsamen Bezuschussung durch Land und Kommune haben sich die Teilnehmerzahlen grob verdoppelt. Dies könnte möglicherweise auf die örtlichen und überörtlichen Werbeaktionen für das Bildungs- und Teilhabepaket zurückzuführen sein.

 

Auffallend ist aber auch in manchen Bereichen die hohe Anzahl von Ablehnungen (zum Beispiel bei der Schülerbeförderung). Hier sind wohl auch falsche Erwartungen geweckt worden, weil - jedenfalls für Fachleute von vorne herein ersichtlich war, dass echte Anwendungsfälle sich nur in Ausnahmesituationen ergeben können.

 

Darüber hinaus sind auch zahlreiche Ablehnungsfälle darauf zurückzuführen, dass die Mitwirkung der Eltern sich manchmal mit dem Ankreuzen auf dem Antragsformblatt erschöpft hatte, die weiter erforderliche Mitarbeit aber dann ausblieb. Dies zeigt sich zum Beispiel bei der Lernförderung. So wurden für SGB II­-Kinder insgesamt 99 Anträge auf Lernförderung gestellt, von denen insgesamt 84 aus den verschiedensten Gründen abgelehnt werden mussten (zum Beispiel fehlende weitere Mitwirkung der Eltern, zum Beispiel unschlüssige Stellungnahme der Schule, zum Beispiel Ablauf des Schuljahres usw.). Besonders ernüchternd ist jedoch die Feststellung, dass von den insgesamt 15 ausgesprochenen Fällen einer Kostenerstattung für Nachhilfe nur in fünf Fällen tatsächlich davon Gebrauch gemacht wurde.

 

Insgesamt wurden bis Anfang August (ohne Mittagessenskosten in Kitas) insgesamt ca. 65.000,00 € für Bildungs- und Teilhabeleistungen ausgegeben. Dem gegenüber wurden aus der gesetzlichen Bundesfinanzierung (entsprechend erhöhte KdU-Bundesbeteiligung) für den Zeitraum 01.01. – 19.08.2011 ca. 330.000,00 € für die Finanzierung von Bildungs- und Teilhabeleistungen, ca. 73.000,00 € für die Finanzierung von Verwaltungskosten, sowie ca. 171.000,00 € für die Finanzierung von Mittagessen in Horten und Schulsozialarbeit eingenommen.

 

8.      Aufgabenerledigung im Sozialamt

 

Die vom Stadtrat im Juli 2011 beschlossene Änderung der Öffnungszeiten in den Abteilungen 501 und 502 des Sozialamtes hat sich bewährt und wird von der Mitarbeiterschaft auch als Entlastung empfunden. Durch die kooperative Zusammenarbeit mit dem Personalamt und durch die Zuweisung von Mitarbeitern aus dem aktuellen Abschlusslehrgang hat sich erfreulicherweise auch der schwierige personelle Engpass in der Abteilung 501 deutlich entspannt.

 

Zur künftigen Straffung der Arbeitsabläufe insbesondere bei Neuantragsstellungen überarbeitet die GGFA die eingespielten, bisherigen Abläufe in Sozialamt und GGFA (im Einzelnen siehe dazu den GGFA-Sachstandsbericht) nach dem Prinzip der sog. „Werkakademie“. Es handelt sich dabei um eine veränderte Prioritätensetzung, die vor allem von Optionskommunen in Hessen und Niedersachsen bereits seit einiger Zeit mit Erfolg angewandt wird und vor allem darauf abzielt, den Kunden möglichst schnell mit Profilinggespräch und Eingliederungsangeboten in Kontakt zu bringen und nicht erst die Klärung der finanziellen Leistungsfragen abzuwarten. Die Verwaltung erhofft sich von dieser geplanten Umstellung nicht nur eine schnellere und intensivere Befassung der Neukunden mit Integrationsangeboten. Nach den praktischen Erfahrungen anderer Optionskommunen mit dem System „Werkakademie“ erhofft sich die Verwaltung auch einen höheren Integrationserfolg – und damit auch eine finanzielle Entlastung des städtischen Haushalts mit KdU-Ausgaben. Näheres hierzu wird in den Vorlagen zum Haushalts-SGA im November enthalten sein.

 

In den nächsten Wochen wird die Verwaltung damit beginnen, die sog. „Migrationshintergrunderhebungsverordnung“ vom 29.09.2010 umzusetzen. Danach müssen alle ca. 4500 SGB II-Empfänger per Interview oder per Fragebogen nach Merkmalen für das Vorliegen des Migrationshintergrundes befragt werden (Staatsangehörigkeit, eigene Zuwanderung nach Deutschland nach 1949, Zuwanderung eines Elternteils nach Deutschland nach 1949, Status als Aussiedler oder Spätaussiedler). Nach Eingabe der Daten in die Software und nach Übermittlung der Daten zur BA müssen alle eingegebenen Daten wieder gelöscht werden – eine Nutzung dieser Daten durch städtische Stellen ist in der Verordnung ausdrücklich untersagt. Dies ist nicht nur deswegen sehr fragwürdig, weil nicht nur die BA Aufgabenträger nach dem SGB II ist, sondern ebenso auch die Stadt, die die Daten im Rahmen des SGB II-Vollzugs erhebt. Darüber hinaus erscheint es vorstellbar, dass diese Daten zum Migrationshintergrund für die Zwecke der Stadtstatistik (Stadtplanung, Wohnungsbau, Schulplanung, Jugendhilfeplanung, Sozialplanung usw.) wesentlich wichtiger und bedeutsamer sein könnten, als sie für die BA für die Arbeitsmarktpolitik jemals sein können. Nach allen bisherigen Erfahrungen ist es letztlich aber nicht verwunderlich, dass Interessen des kommunalen SGB II-Aufgabenträgers in Berlin keine Berücksichtigung finden.

 

Im Auftrag des Bundesversicherungsamtes hat sich der Landesverband der Betriebskrankenkassen Baden-Württemberg zu einer örtlichen Prüfung über die korrekte Abführung von Krankenversicherungsbeiträgen im SGB II seit 2009 angekündigt (seit 01.01.2009 existiert der Gesundheitsfond in der Verwaltung des Bundesversicherungsamtes, an den seitdem die Krankenversicherungsbeiträge zu überweisen sind). Die örtliche Prüfung soll gleich von sieben Prüfern über einen Zeitraum von drei Wochen vorgenommen werden. Vermutlich wird sich die Prüfung zum Teil auch auf die Umsetzung des neuen § 37, Abs. 2, Satz 2 SGB II  erstrecken, wonach alle SGB II-Anträge automatisch auf den jeweiligen Monatsersten zurückwirken (wenn z. B. am 31.01. ein SGB II-Antrag gestellt wurde, müssen bei positiver Entscheidung Leistungen ab dem 01.01. gewährt werden – dies gilt selbstverständlich auch für Krankenkassenbeiträge, womit sich das vermutete Prüfungsinteresse des Bundesversicherungsamtes erklärt). Da allerdings dieser neue § 37, Abs. 2, Satz 2 vom Gesetzgeber erst Ende März beschlossen, jedoch rückwirkend zum 01.01. in Kraft gesetzt wurde, mussten zwangsläufig mit großem Aufwand sämtliche Neuanträge aus dem ersten Quartal neu überarbeitet und erhebliche Nachzahlungen geleistet werden.

 


Anlagen:         1. Anlage Eckwerte

                        2. Anlage monatlicher Mittelverbrauch

                        3. Schreiben an den Deutschen Städtetag

                        4. Sachstandsbericht der GGFA