Der aktuelle Sachstandsbericht des Sozialamtes und der GGFA zur SGB II Umsetzung in Erlangen wird zur Kenntnis genommen.
1.
Aktuelle
Zahlenentwicklung
Im September und Oktober hat sich bei der
Zahl der SGB II Bezieher in Erlangen (Bedarfsgemeinschaften, erwerbsfähige
Leistungsberechtigte, Sozialgeldempfänger) endlich wieder einmal ein spürbarer
Rückgang ergeben. Diese, von der BA veröffentlichten Zahlen sind allerdings
erst nach 3 monatiger Wartezeit stabil und nicht mehr korrigierbar – endgültig
valide sind also nur die Empfängerzahlen bis einschließlich Juli 2014.
Ein ähnliches positives Bild zeigt sich bei
den Arbeitslosenzahlen und Arbeitslosenquoten in Erlangen. Die
Arbeitslosenquote der SGB II Bezieher beträgt in Erlangen allerdings nach wie
vor 2,6 %, während die allgemeine Arbeitslosenquote in Erlangen wieder auf 4,0
% zurückgegangen ist.
2.
Neue
Regelsätze ab 01.01.2015
Im Bundesgesetzblatt vom 17.10.2014 wurde die
Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2015 verkündet. Danach werden die
maßgeblichen Regelsätze im SGB II und im SGB XII ab 01.01.2015 um 2,12 %
angehoben.
Ab 01.01.2015 gelten somit folgende Beträge:
SGB XII |
SGB II |
derzeit |
2015 |
Regelbedarfsstufe 1 |
Alleinstehende,
Alleinerziehende oder Leistungsberechtigte, deren Partner minderjährig ist |
391 € |
399 € |
Regelbedarfsstufe 2 |
Volljährige Partner der
Bedarfsgemeinschaft |
353 € |
360 € |
Regelbedarfsstufe 3 |
Sonstige erwerbsfähige
Angehörige der Bedarfsgemeinschaft über 18 Jahre |
313 € |
320 € |
Regelbedarfsstufe 4 |
Sonstige erwerbsfähige Angehörige
der Bedarfsgemeinschaft unter 18 Jahre und für Leistungsberechtigte im 15.
Lebensjahr |
296 € |
302 € |
Regelbedarfsstufe 5 |
Kinder vom Beginn des siebten
bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres |
261 € |
267 € |
Regelbedarfsstufe 6 |
Kinder bis zur Vollendung des
sechsten Lebensjahres |
229 € |
234 € |
3.
Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts vom 07.10.2014 über die Verfassungsbeschwerden
von 16 Städten und Landkreisen
Zum 01.01.2005 trat das SGB II in Kraft – die
Umsetzung erfolgte zunächst durch die Bundesagentur für Arbeit und die Kommunen
gemeinsam oder in getrennter Aufgabenwahrnehmung, sowie in 69 Fällen allein
durch die Kommunen (Optionskommunen, darunter auch die Stadt Erlangen). Nachdem
das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 20.12.2007 die Mischverwaltung
zwischen Bundesagentur und Kommunen für verfassungswidrig erklärt hatte, wurde
im Juli 2010 ein neuer Artikel 91e in das Grundgesetz aufgenommen. Darin wurde
die Mischverwaltung zwischen Bundesagentur und Kommune zum SGB II Vollzug
ausdrücklich zugelassen. Gleichzeitig wurde diese Mischverwaltung in Form der
gemeinsamen Einrichtung für den SGB II Vollzug zum Regelfall erklärt und
Optionskommunen dauerhaft als zweite mögliche Organisationsform zugelassen
(quasi als Ausnahme von der Ausnahme). Als weiterer politischer Kompromiss
wurde gesetzlich festgelegt, dass die Anzahl der Optionskommunen max. 25 %
betragen dürfe und dass deshalb zum 01.01.2011 bundesweit maximal 41 Kommunen
als Optionskommunen neu zugelassen werden könnten.
In diesem Zulassungsverfahren hatten sich 73
Kommunen für die Zulassung zur Option beworben, wegen der gesetzlichen
Beschränkung auf die Zahl 41 kamen dabei jedoch 32 Kommunen nicht zum Zug. Aus
dem Kreis der abgelehnten Kommunen erhoben 16 Städte und Landkreise im Jahr
2011 Kommunalverfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht, über die jetzt
am 07.10.2014 entschieden wurde.
Inhaltlich ging es dabei um die drei
folgenden Fragenkomplexe:
·
Die Beschränkung
der Anzahl der Optionskommunen auf 25 % aller Kommunen wurde für
verfassungsgemäß angesehen. Die Verfassungsbeschwerden wurden insoweit
zurückgewiesen.
·
Die
gesetzliche Festlegung, wonach ein Antrag auf Zulassung zur Option durch
den Stadtrat oder Kreistag nicht nur mit einfacher Mehrheit, sondern mit
einer 2/3-Mehrheit zustande gekommen sein muss, wurde für verfassungswidrig
erklärt. Die Regelung der Willensbildung in kommunalen Gremien ist Teil des
Kommunalrechts, für das ausschließlich den Ländern die Gesetzgebungskompetenz
zusteht. Der Bund war folglich nicht berechtigt das Erfordernis einer
2/3-Mehrheit für den Antrag auf Zulassung zur Option vorzuschreiben. Die
Verfassungsbeschwerde eines der beteiligten Landkreise war insoweit
erfolgreich. Die weitere Gültigkeit dieser verfassungswidrigen Vorschrift für
die Vergangenheit wurde jedoch angeordnet, um die bestehenden
Optionszulassungen nicht in Frage zu stellen.
·
Schließlich
war vom Bundesverfassungsgericht noch der Umfang der Prüfbefugnisse des
Bundes gegenüber Optionskommunen zu klären. Da der Bund zum überwiegenden
Teil die Kosten der Optionskommunen zu finanzieren hat, bestätigte das Bundesverfassungsgericht
auch die Befugnis des Bundes, die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsgemäßheit der
verausgabten Bundesmittel anhand der vorgelegten Jahresabrechnungen zu prüfen
und erforderlichenfalls auch öffentlich rechtliche Erstattungsansprüche geltend
zu machen, bzw. zu verrechnen. Die Prüfungspraxis des Bundes darf jedoch nicht
faktisch eine aufsichtsgleiche Wirkung entfalten (die Aufsicht über die
Tätigkeit der Optionskommunen wird von den Ländern ausgeübt). Die Prüfbefugnisse
des Bundes erlauben es deshalb nicht, vertretbare Rechtsauffassungen der
Optionskommunen zu beanstanden und auf dieser Grundlage Mittel vorzuenthalten
oder Erstattungsansprüche durchzusetzen. Der Bund ist auch nicht berechtigt, einzelne
Optionskommunen vom automatisierten Mittelabruf (HKR Verfahren) auszuschließen,
da diese Maßnahme einen vom Gesetz nicht gedeckten Sanktionscharakter besitzt.
Sanktionen seien kennzeichnend für die Rolle der Aufsichtsbehörden – dazu ist
der Bund jedoch nach Art. 91e Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz nicht ermächtigt.
4.
Aktueller
Stand der Jahresabrechnung und des dazu anhängigen Rechtsstreits zwischen der
Stadt Erlangen und dem Bund
Aus den abschließend geprüften
Jahresabrechnungen 2010 und 2011 hatte der Bund wegen angeblich fehlerhafter
Zuordnung der Personalkosten für zwei Mitarbeiterinnen eine Rückzahlung in Höhe
von ca. 52.000 € gegen die Stadt Erlangen verlangt. Da die Stadt Erlangen diese
Zuordnung der Personalkosten nach wie vor für korrekt hält, wurde diese
Rückforderung nicht anerkannt und nicht erfüllt. Statt aber – wie es normal
gewesen wäre – die Erfüllung dieser Rückforderung einzuklagen – entschied sich
der Bund im Dezember 2013 – soweit ersichtlich bundesweit zum ersten Mal – eine
Sanktion nach § 32 KoA-VV gegen die Stadt Erlangen zu verhängen: um die
Erfüllung seiner Rückforderungen in Höhe von ca. 52.000 € zu erzwingen,
enthielt er im Dezember 2013 laufende Betriebsmittel zur Finanzierung der
Kosten des Jobcenters in Höhe von ca. 170.000 € der Stadt Erlangen vor.
Nach Zustimmung durch den Stadtrat erhob die
Stadt Erlangen am 09.05.2014 gegen diese Vorenthaltung laufender Betriebsmittel
nach § 32 KoA-VV gegen den Bund Klage zum Landessozialgericht Bayern. Am
27.08.2014 wurde die ausführliche (47 Seiten) Klageerwiderung des Bundes mit
dem Antrag auf Klageabweisung dem Gericht vorgelegt. Zeitgleich wurde vom Bund
auch ein Teilbetrag in Höhe von ca. 70.000 € an die Stadt Erlangen nachgezahlt
und insoweit eine Erledigungserklärung abgegeben.
Zwei Tage zuvor wurde jedoch von Seiten des
Bundes die prozessuale Lage grundlegend geändert: mit Schreiben vom 25.08.2014
erfolgte die abschließende Prüfung der Jahresabrechnungen für 2012 und 2013.
Durch diese abschließende Prüfung für das Jahr 2013 ist der von der Stadt
Erlangen erhobenen Klage gegen die Verweigerung von Vorauszahlungen für
Dezember 2013 die rechtliche Grundlage entzogen. Die Verwaltung (Rechtsamt und
Sozialamt) beabsichtigt deshalb durch Klageänderung den Klageantrag umzustellen
gegen den abschließenden Prüfungsbescheid des Bundes für die Jahresabrechnung
2013 in Höhe der noch strittigen Summe von ca. 100.000 €.
Darüber hinaus wird für die weiteren
Schriftsätze an das LSG Bayern auch noch eine intensive Auswertung des Urteils
des Bundesverfassungsgerichts vom 07.10.2014 erforderlich sein. Denn darin sind
grundsätzliche Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zu Art und Umfang des
Prüfungsrechtes des Bundes gegenüber Optionskommunen getroffen worden.
Inhaltlich werden wir uns bei unseren weiteren Schriftsätzen wie bisher eng mit
den Rechtsauffassungen der kommunalen Spitzenverbände (Deutscher Landkreistag
und Deutscher Städtetag) abstimmen.
Die Höhe der im anhängigen Klageverfahren
noch strittigen Summe von ca. 100.000 € erklärt sich dadurch, dass in den
geprüften Jahresabrechnungen 2012 und 2013 die gleiche Zuordnung von
Personalkosten für zwei Mitarbeiterinnen vom Bund als angeblich fehlerhaft
kritisiert wird, wie in den Jahresabrechnungen für 2010 und 2011, und
entsprechende Einbehaltungen vorgenommen wurden.
5.
Das
ungelöste Problem der Erstattung kommunaler B+T-Ausgaben in Bayern
Was in andern Bundesländern längst gang und
gebe ist, ist in Bayern immer noch nicht gelungen: die sachgerechte
Weiterleitung der B+T Bundeserstattungen an die bayerischen Kommunen.
Zur Erinnerung: 2011 hatte der
Bundesgesetzgeber mit den B+T Leistungen eine völlig neue Sozialleistung für
Kinder aus armen Familien eingeführt, die Kommunen mit der Umsetzung beauftragt
und den Kommunen die vollständige Kostenerstattung aus Bundesmitteln zugesichert.
Die korrekte Verteilung dieser vom Bund bereitgestellten Gelder an die
bayerischen Kommunen wird vom BayStMAS aber weiterhin verweigert. So hat die
Stadt Erlangen für 2013 vom Freistaat Bayern nur Erstattungsmittel des Bundes
in Höhe von ca. 45 % des tatsächlichen B+T Aufwandes erhalten. Nur aufgrund
einer besonderen Berücksichtigung im „Gnadenweg“ (also ohne rechtliche
Grundlage) bei der Verteilung einer Nachzahlung des Bundes kamen im Ergebnis
für 2013 letztendlich Bundeserstattungen in Höhe von ca. 73,9 % der
tatsächlichen B+T Ausgaben bei der Stadt Erlangen an.
In ihrer schriftlichen Antwort auf einer
entsprechenden Landtagsanfrage unserer Erlanger Landtagsabgeordneten Alexandra
Hiersemann vom 04.10.2014 hat die bayerische Sozialministerin Emilia Müller
diese ungerechte Praxis erneut verteidigt (die Antwort der Ministerin ist als
Anlage abgedruckt).
Die Ministerin betont darin, dass die
Verteilung der Bundesmittel auf die bayerischen Kommunen allein im freien
Ermessen des Ministeriums liege. Eine sachgerechte Verteilung – also
entsprechend dem jeweils tatsächlich angefallenen örtlichen B+T Aufwand – sei
nicht nur „fehleranfällig“ und mit großem Verwaltungsaufwand verbunden. Sie sei
sogar als nicht erwünscht anzusehen, da dies zu „Fehlanreizen“ und zu
„unwirtschaftlichem Verhalten“ führe. Es sei „strukturell problematisch, die
politischen Entscheidungsträger vor Ort in die Lage zu setzen, auf fremde
Rechnung, also ohne jedes finanzielle Eigenrisiko, unlimitierte sozialpolitische
Wunschvorstellungen umsetzen zu können“.
Nach der Auskunft der Ministerin hat die
derzeitige Verteilungspraxis in Bayern im Jahr 2013 dazu geführt, dass ¾ der
bayerischen Kommunen geringere B+T Erstattungen erhalten haben, als sie
tatsächlich für B+T Leistungen ausgegeben hatten. Dagegen profitiert ein
Viertel der bayerischen Kommunen (überwiegend aus Ober- und Niederbayern) von
dieser Verteilungsmethode, weil an sie höhere Erstattungsmittel geflossen sind,
als sie vorher für B+T überhaupt Ausgaben hatten.
An der landesgesetzlichen Regelung einer
gerechten Verteilung der Erstattungsmittel des Bundes (so wie das viele andere
Bundesländer längst getan haben) sehe sich das Staatsministerium unter anderem
auch durch die – sich selbst auferlegte, imaginäre – „Paragraphenbremse“
gehindert. Den Haushalt der Stadt Erlangen hat dies im Jahr 2013 die
bescheidene Summe von 160.662,65 € gekostet.
6.
Aktuelle
Entwicklungen in der Abteilung 501
Unser derzeit schwierigstes Problem ist der
nach wie vor bestehende personelle Engpass. Auch die dritte aufeinanderfolgende
Ausschreibung für die Besetzung freier Sachbearbeiter Stellen brachte nicht das
gewünschte Ergebnis. So werden auch in der näheren Zukunft mehrere
Sachbearbeiter Stellen unbesetzt bleiben mit der Folge
·
dass die
Betreuung der betroffenen Bedarfsgemeinschaften als zusätzliche Belastung durch
die übrigen Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter erfolgen muss
·
dass
dort der weitere Anfall von Überstunden unvermeidlich ist und
·
dass im
Budgetergebnis dadurch auch weitere Einnahmeverluste entstehen (trotz weiterhin
anfallender Arbeitsplatzkosten bezahlt der Bund nach den Regeln der KoA-VV die
entsprechenden Pauschalbeträge nur für besetzte Arbeitsplätze).
Aus diesem Grund, wegen der weiterhin leicht
ansteigenden Fallzahlen, aber auch wegen der seit 01.08.2014 geltenden neuen
Mietobergrenzen rechnet die Verwaltung für den bevorstehenden Budgetabschluss
2014 mit einem spürbarem Defizit im Bereich des kommunal zu tragenden
Kostenaufwandes im Jobcenter.
Anlagen: 1. Eckwerte
2. Mittelverbrauch
3. Bekanntmachung über die Höhe der Regelsätze 2015
4. Schreiben der Staatsministerin Emilia Müller vom 04.10.2014
5. Sachstandsbericht der GGFA