Betreff
Sachstandsbericht des Sozialamtes und der GGFA zur SGB II Umsetzung in der Stadt Erlangen
Vorlage
50/019/2014
Aktenzeichen
V/50/VOA T. 2249
Art
Beschlussvorlage

Der aktuelle Sachstandsbericht des Sozialamtes und der GGFA zur SGB II Umsetzung in Erlangen wird zur Kenntnis genommen.


1.    Aktuelle Zahlenentwicklung

Im September und Oktober hat sich bei der Zahl der SGB II Bezieher in Erlangen (Bedarfsgemeinschaften, erwerbsfähige Leistungsberechtigte, Sozialgeldempfänger) endlich wieder einmal ein spürbarer Rückgang ergeben. Diese, von der BA veröffentlichten Zahlen sind allerdings erst nach 3 monatiger Wartezeit stabil und nicht mehr korrigierbar – endgültig valide sind also nur die Empfängerzahlen bis einschließlich Juli 2014.

Ein ähnliches positives Bild zeigt sich bei den Arbeitslosenzahlen und Arbeitslosenquoten in Erlangen. Die Arbeitslosenquote der SGB II Bezieher beträgt in Erlangen allerdings nach wie vor 2,6 %, während die allgemeine Arbeitslosenquote in Erlangen wieder auf 4,0 % zurückgegangen ist.

 

2.    Neue Regelsätze ab 01.01.2015

Im Bundesgesetzblatt vom 17.10.2014 wurde die Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2015 verkündet. Danach werden die maßgeblichen Regelsätze im SGB II und im SGB XII ab 01.01.2015 um 2,12 % angehoben.

 

Ab 01.01.2015 gelten somit folgende Beträge:

SGB XII

SGB II

derzeit

2015

Regelbedarfsstufe 1

Alleinstehende, Alleinerziehende oder Leistungsberechtigte, deren Partner minderjährig ist

391 €

399 €

Regelbedarfsstufe 2

Volljährige Partner der Bedarfsgemeinschaft

353 €

360 €

Regelbedarfsstufe 3

Sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft über 18 Jahre

313 €

320 €

Regelbedarfsstufe 4

Sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft unter 18 Jahre und für Leistungsberechtigte im 15. Lebensjahr

296 €

302 €

Regelbedarfsstufe 5

Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres

261 €

267 €

Regelbedarfsstufe 6

Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres

229 €

234 €

 

3.    Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 07.10.2014 über die Verfassungsbeschwerden von 16 Städten und Landkreisen

Zum 01.01.2005 trat das SGB II in Kraft – die Umsetzung erfolgte zunächst durch die Bundesagentur für Arbeit und die Kommunen gemeinsam oder in getrennter Aufgabenwahrnehmung, sowie in 69 Fällen allein durch die Kommunen (Optionskommunen, darunter auch die Stadt Erlangen). Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 20.12.2007 die Mischverwaltung zwischen Bundesagentur und Kommunen für verfassungswidrig erklärt hatte, wurde im Juli 2010 ein neuer Artikel 91e in das Grundgesetz aufgenommen. Darin wurde die Mischverwaltung zwischen Bundesagentur und Kommune zum SGB II Vollzug ausdrücklich zugelassen. Gleichzeitig wurde diese Mischverwaltung in Form der gemeinsamen Einrichtung für den SGB II Vollzug zum Regelfall erklärt und Optionskommunen dauerhaft als zweite mögliche Organisationsform zugelassen (quasi als Ausnahme von der Ausnahme). Als weiterer politischer Kompromiss wurde gesetzlich festgelegt, dass die Anzahl der Optionskommunen max. 25 % betragen dürfe und dass deshalb zum 01.01.2011 bundesweit maximal 41 Kommunen als Optionskommunen neu zugelassen werden könnten.

In diesem Zulassungsverfahren hatten sich 73 Kommunen für die Zulassung zur Option beworben, wegen der gesetzlichen Beschränkung auf die Zahl 41 kamen dabei jedoch 32 Kommunen nicht zum Zug. Aus dem Kreis der abgelehnten Kommunen erhoben 16 Städte und Landkreise im Jahr 2011 Kommunalverfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht, über die jetzt am 07.10.2014 entschieden wurde.

Inhaltlich ging es dabei um die drei folgenden Fragenkomplexe:

·         Die Beschränkung der Anzahl der Optionskommunen auf 25 % aller Kommunen wurde für verfassungsgemäß angesehen. Die Verfassungsbeschwerden wurden insoweit zurückgewiesen.

·         Die gesetzliche Festlegung, wonach ein Antrag auf Zulassung zur Option durch den Stadtrat oder Kreistag nicht nur mit einfacher Mehrheit, sondern mit einer 2/3-Mehrheit zustande gekommen sein muss, wurde für verfassungswidrig erklärt. Die Regelung der Willensbildung in kommunalen Gremien ist Teil des Kommunalrechts, für das ausschließlich den Ländern die Gesetzgebungskompetenz zusteht. Der Bund war folglich nicht berechtigt das Erfordernis einer 2/3-Mehrheit für den Antrag auf Zulassung zur Option vorzuschreiben. Die Verfassungsbeschwerde eines der beteiligten Landkreise war insoweit erfolgreich. Die weitere Gültigkeit dieser verfassungswidrigen Vorschrift für die Vergangenheit wurde jedoch angeordnet, um die bestehenden Optionszulassungen nicht in Frage zu stellen.

·         Schließlich war vom Bundesverfassungsgericht noch der Umfang der Prüfbefugnisse des Bundes gegenüber Optionskommunen zu klären. Da der Bund zum überwiegenden Teil die Kosten der Optionskommunen zu finanzieren hat, bestätigte das Bundesverfassungsgericht auch die Befugnis des Bundes, die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsgemäßheit der verausgabten Bundesmittel anhand der vorgelegten Jahresabrechnungen zu prüfen und erforderlichenfalls auch öffentlich rechtliche Erstattungsansprüche geltend zu machen, bzw. zu verrechnen. Die Prüfungspraxis des Bundes darf jedoch nicht faktisch eine aufsichtsgleiche Wirkung entfalten (die Aufsicht über die Tätigkeit der Optionskommunen wird von den Ländern ausgeübt). Die Prüfbefugnisse des Bundes erlauben es deshalb nicht, vertretbare Rechtsauffassungen der Optionskommunen zu beanstanden und auf dieser Grundlage Mittel vorzuenthalten oder Erstattungsansprüche durchzusetzen. Der Bund ist auch nicht berechtigt, einzelne Optionskommunen vom automatisierten Mittelabruf (HKR Verfahren) auszuschließen, da diese Maßnahme einen vom Gesetz nicht gedeckten Sanktionscharakter besitzt. Sanktionen seien kennzeichnend für die Rolle der Aufsichtsbehörden – dazu ist der Bund jedoch nach Art. 91e Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz nicht ermächtigt.


4.    Aktueller Stand der Jahresabrechnung und des dazu anhängigen Rechtsstreits zwischen der Stadt Erlangen und dem Bund

Aus den abschließend geprüften Jahresabrechnungen 2010 und 2011 hatte der Bund wegen angeblich fehlerhafter Zuordnung der Personalkosten für zwei Mitarbeiterinnen eine Rückzahlung in Höhe von ca. 52.000 € gegen die Stadt Erlangen verlangt. Da die Stadt Erlangen diese Zuordnung der Personalkosten nach wie vor für korrekt hält, wurde diese Rückforderung nicht anerkannt und nicht erfüllt. Statt aber – wie es normal gewesen wäre – die Erfüllung dieser Rückforderung einzuklagen – entschied sich der Bund im Dezember 2013 – soweit ersichtlich bundesweit zum ersten Mal – eine Sanktion nach § 32 KoA-VV gegen die Stadt Erlangen zu verhängen: um die Erfüllung seiner Rückforderungen in Höhe von ca. 52.000 € zu erzwingen, enthielt er im Dezember 2013 laufende Betriebsmittel zur Finanzierung der Kosten des Jobcenters in Höhe von ca. 170.000 € der Stadt Erlangen vor.

Nach Zustimmung durch den Stadtrat erhob die Stadt Erlangen am 09.05.2014 gegen diese Vorenthaltung laufender Betriebsmittel nach § 32 KoA-VV gegen den Bund Klage zum Landessozialgericht Bayern. Am 27.08.2014 wurde die ausführliche (47 Seiten) Klageerwiderung des Bundes mit dem Antrag auf Klageabweisung dem Gericht vorgelegt. Zeitgleich wurde vom Bund auch ein Teilbetrag in Höhe von ca. 70.000 € an die Stadt Erlangen nachgezahlt und insoweit eine Erledigungserklärung abgegeben.

Zwei Tage zuvor wurde jedoch von Seiten des Bundes die prozessuale Lage grundlegend geändert: mit Schreiben vom 25.08.2014 erfolgte die abschließende Prüfung der Jahresabrechnungen für 2012 und 2013. Durch diese abschließende Prüfung für das Jahr 2013 ist der von der Stadt Erlangen erhobenen Klage gegen die Verweigerung von Vorauszahlungen für Dezember 2013 die rechtliche Grundlage entzogen. Die Verwaltung (Rechtsamt und Sozialamt) beabsichtigt deshalb durch Klageänderung den Klageantrag umzustellen gegen den abschließenden Prüfungsbescheid des Bundes für die Jahresabrechnung 2013 in Höhe der noch strittigen Summe von ca. 100.000 €.

Darüber hinaus wird für die weiteren Schriftsätze an das LSG Bayern auch noch eine intensive Auswertung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 07.10.2014 erforderlich sein. Denn darin sind grundsätzliche Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zu Art und Umfang des Prüfungsrechtes des Bundes gegenüber Optionskommunen getroffen worden. Inhaltlich werden wir uns bei unseren weiteren Schriftsätzen wie bisher eng mit den Rechtsauffassungen der kommunalen Spitzenverbände (Deutscher Landkreistag und Deutscher Städtetag) abstimmen.

Die Höhe der im anhängigen Klageverfahren noch strittigen Summe von ca. 100.000 € erklärt sich dadurch, dass in den geprüften Jahresabrechnungen 2012 und 2013 die gleiche Zuordnung von Personalkosten für zwei Mitarbeiterinnen vom Bund als angeblich fehlerhaft kritisiert wird, wie in den Jahresabrechnungen für 2010 und 2011, und entsprechende Einbehaltungen vorgenommen wurden.

 

5.    Das ungelöste Problem der Erstattung kommunaler B+T-Ausgaben in Bayern

Was in andern Bundesländern längst gang und gebe ist, ist in Bayern immer noch nicht gelungen: die sachgerechte Weiterleitung der B+T Bundeserstattungen an die bayerischen Kommunen.

Zur Erinnerung: 2011 hatte der Bundesgesetzgeber mit den B+T Leistungen eine völlig neue Sozialleistung für Kinder aus armen Familien eingeführt, die Kommunen mit der Umsetzung beauftragt und den Kommunen die vollständige Kostenerstattung aus Bundesmitteln zugesichert. Die korrekte Verteilung dieser vom Bund bereitgestellten Gelder an die bayerischen Kommunen wird vom BayStMAS aber weiterhin verweigert. So hat die Stadt Erlangen für 2013 vom Freistaat Bayern nur Erstattungsmittel des Bundes in Höhe von ca. 45 % des tatsächlichen B+T Aufwandes erhalten. Nur aufgrund einer besonderen Berücksichtigung im „Gnadenweg“ (also ohne rechtliche Grundlage) bei der Verteilung einer Nachzahlung des Bundes kamen im Ergebnis für 2013 letztendlich Bundeserstattungen in Höhe von ca. 73,9 % der tatsächlichen B+T Ausgaben bei der Stadt Erlangen an.

In ihrer schriftlichen Antwort auf einer entsprechenden Landtagsanfrage unserer Erlanger Landtagsabgeordneten Alexandra Hiersemann vom 04.10.2014 hat die bayerische Sozialministerin Emilia Müller diese ungerechte Praxis erneut verteidigt (die Antwort der Ministerin ist als Anlage abgedruckt).

Die Ministerin betont darin, dass die Verteilung der Bundesmittel auf die bayerischen Kommunen allein im freien Ermessen des Ministeriums liege. Eine sachgerechte Verteilung – also entsprechend dem jeweils tatsächlich angefallenen örtlichen B+T Aufwand – sei nicht nur „fehleranfällig“ und mit großem Verwaltungsaufwand verbunden. Sie sei sogar als nicht erwünscht anzusehen, da dies zu „Fehlanreizen“ und zu „unwirtschaftlichem Verhalten“ führe. Es sei „strukturell problematisch, die politischen Entscheidungsträger vor Ort in die Lage zu setzen, auf fremde Rechnung, also ohne jedes finanzielle Eigenrisiko, unlimitierte sozialpolitische Wunschvorstellungen umsetzen zu können“.

Nach der Auskunft der Ministerin hat die derzeitige Verteilungspraxis in Bayern im Jahr 2013 dazu geführt, dass ¾ der bayerischen Kommunen geringere B+T Erstattungen erhalten haben, als sie tatsächlich für B+T Leistungen ausgegeben hatten. Dagegen profitiert ein Viertel der bayerischen Kommunen (überwiegend aus Ober- und Niederbayern) von dieser Verteilungsmethode, weil an sie höhere Erstattungsmittel geflossen sind, als sie vorher für B+T überhaupt Ausgaben hatten.

An der landesgesetzlichen Regelung einer gerechten Verteilung der Erstattungsmittel des Bundes (so wie das viele andere Bundesländer längst getan haben) sehe sich das Staatsministerium unter anderem auch durch die – sich selbst auferlegte, imaginäre – „Paragraphenbremse“ gehindert. Den Haushalt der Stadt Erlangen hat dies im Jahr 2013 die bescheidene Summe von 160.662,65 € gekostet.

 

6.    Aktuelle Entwicklungen in der Abteilung 501

Unser derzeit schwierigstes Problem ist der nach wie vor bestehende personelle Engpass. Auch die dritte aufeinanderfolgende Ausschreibung für die Besetzung freier Sachbearbeiter Stellen brachte nicht das gewünschte Ergebnis. So werden auch in der näheren Zukunft mehrere Sachbearbeiter Stellen unbesetzt bleiben mit der Folge

·         dass die Betreuung der betroffenen Bedarfsgemeinschaften als zusätzliche Belastung durch die übrigen Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter erfolgen muss

·         dass dort der weitere Anfall von Überstunden unvermeidlich ist und

·         dass im Budgetergebnis dadurch auch weitere Einnahmeverluste entstehen (trotz weiterhin anfallender Arbeitsplatzkosten bezahlt der Bund nach den Regeln der KoA-VV die entsprechenden Pauschalbeträge nur für besetzte Arbeitsplätze).

Aus diesem Grund, wegen der weiterhin leicht ansteigenden Fallzahlen, aber auch wegen der seit 01.08.2014 geltenden neuen Mietobergrenzen rechnet die Verwaltung für den bevorstehenden Budgetabschluss 2014 mit einem spürbarem Defizit im Bereich des kommunal zu tragenden Kostenaufwandes im Jobcenter.

 


Anlagen:        1. Eckwerte

                        2. Mittelverbrauch

                        3. Bekanntmachung über die Höhe der Regelsätze 2015

                        4. Schreiben der Staatsministerin Emilia Müller vom 04.10.2014

                        5. Sachstandsbericht der GGFA