Der Stadtrat beschließt folgende Resolution:
Der Erlanger Stadtrat fordert
den Bundesgesetzgeber auf, den Beschluss für die Einführung eines
Betreuungsgeldes zurück zu nehmen und die dadurch frei werdenden
Haushaltsmittel dauerhaft für den weiteren Ausbau der Kinderbetreuung zur Verfügung
zu stellen. Insbesondere die aufgrund des Ausbaus der Infrastruktur künftig
deutlich höheren Betriebskosten der Kindertageseinrichtungen bedürfen einer höheren
Förderung durch den Bund.
Sachverhalt:
Bundestag hat am 09.11.2012
ein Betreuungsgeldgesetz verabschiedet. Demnach sollen ab 01.08.2013 Eltern die
ihre Kinder im Alter vom 13. bis 36. Lebensmonat nicht in öffentlich geförderte
Krippen betreuen lassen 100 Euro und ab 01.08.2014 150 Euro erhalten. Administrieren sollen das
Betreuungsgeld diejenigen Stellen, die auch das Elterngeld ausbezahlen. Die
Kosten werden seitens des Bundes auf 1,2 Milliarden beziffert, könnten nach
Meinung vieler Experten in Wirklichkeit jedoch weit höher ausfallen.
Gegen das Betreuungsgeld gibt
es eine Reihe verfassungsrechtlicher Bedenken. Die Opposition prüft eine
Verfassungsklage.
In Bayern soll das
Betreuungsgeld durch das Zentrum Bayern Familie und Soziales umgesetzt werden.
Nach Auskunft des BayStMAS soll dazu das bayerische Ausführungsgesetz zum SGB
entsprechend geändert werden. Dafür werden bayernweit über 100 Stellen
zusätzlich benötig. Dennoch kann sich im Verwaltungsvollzug ein Problem dadurch ergeben,
dass die Kommunen an der Auszahlung des Betreuungsgeldes beteiligt werden
müssen. Für die dadurch den Städten entstehenden Mehrkosten ist das
Konnexitätsprinzip zwingend anzuwenden. Verbindliche Regelungen dafür liegen
jedoch bisher nicht vor.
Nach den derzeitigen
Überlegungen soll die Versicherung der Eltern, dass das Kind keine öffentlich
geförderte Krippe besucht, für die Beantragung ausreichend sein. Das ist ein
Novum im Bereich der Transferleistungen, für die sonst entsprechende
Anspruchsvoraussetzungen nachgewiesen werden müssen. Dies ist aber hier nicht möglich,
weil es keine „Zentralregister“ für den Besuch einer öffentlich geförderten
Einrichtung gibt.
Das
Betreuungsgeld, wie es derzeit vorgesehen ist, betrifft Eltern von Kindern von
Beginn des 13. Lebensmonats bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres (In Ausnahmen
auch davor. Da die maximale Gesamtbezugsdauer auf 24 Monate ist, bleibt dies
hier unberücksichtigt.) Somit ist es nicht hinreichend, die Nachfrage nach Krippenplätzen
von 50-55%, die sich aus der Elternbefragung 2012 ergibt, einfach hochzurechnen,
da sich diese Quote auf drei Jahrgänge bezieht. Eltern von Kindern unter einem
Jahr, bei denen die Nachfrage nach einem Betreuungsplatz besonders niedrig ist,
sind nicht von der Regelung zum Betreuungsgeld betroffen. Betrachtet man die zu
erwartende Nachfrage ausschließlich bezogen auf die beiden Jahrgänge, die auch
von der Regelung zum Betreuungsgeld betroffen sind, so liegt diese im Mittel
bei ca. 70%- 75%.
Gerechnet
auf ca. 940 Kinder pro Jahrgang bedeutet dies, dass nach aktuellem
Prognosestand im kommenden Jahr ca. 570 Kinder im Alter von einem, bis unter
drei Jahren keinen Betreuungsplatz in einer Krippe oder einer
Tagespflege in Anspruch nehmen wollen.
Ab
dem 1.8.2013 soll das Elterngeld 100€ pro Kind und Monat betragen, ab dem 1.
August 2014 sind 150€ pro Kind und Monat geplant. Wird näherungsweise vereinfachend
von einer gleichbleibenden Nachfrage ausgegangen, ergibt sich folgendes
geschätztes Auszahlungsvolumen an Betreuungsgeld für Erlangen:
570
Kinder x 100€ x 12 Monate = 685.000 € für den Zeitraum August 2013 bis Juli
2014
570
Kinder x 150€ x 12 Monate = 1.025.000 € pro Jahr ab August 2014
Zum
Vergleich: Der laufende Betrieb einer Krippengruppe mit 12 Plätzen bei einem
freien Träger wird durch die Stadt Erlangen jährlich mit einem Betrag von ca.
85.000€ (städtischer und staatlicher Anteil) bezuschusst.
Rein
rechnerisch entspricht das volle Auszahlungsvolumen (bei 150 Euro) also einem
Zuschuss für 12 Krippengruppen (Variante A). Geht man davon aus, dass aus den
Bundesmitteln nur der staatliche Anteil finanziert würde und die Kommune den
städtischen Anteil zusätzlich aufbringt (also entsprechend der üblichen
Verteilung rund 1 Million Euro), könnte man mit dem Betreuungsgeld 24
Krippengruppen finanzieren (Variante B).
Von
diesem Ansatz müssten jedoch noch die Leistungsempfänger nach SGB II bzw.
Sozialhilfe abgezogen werden, bei denen das Betreuungsgeld auf ihre Regelbezüge
angerechnet werden soll. Nach der Regel, dass Bundesleistung vor Kommunalleistung
kommt, müsste das Betreuungsgeld auf die Bundesleistungen angerechnet werden,
so dass diese Beträge wieder herausgerechnet werden müssten, insgesamt nach
Schätzung des Jugendamtes 160.000 Euro. Bei Berechnung nach Variante A müssten
damit etwa 2 Gruppen, bei Variante B etwa eine Gruppe abgezogen werden.
Fazit:
Verrechnet
man die Bundesmittel für das Betreuungsgeld mit dem staatlichen Förderanteil
für Krippen und bringt die kommunale Beteiligung in normalem Umfang auf,
könnten unter Berücksichtigung der SGB II-Abzüge ca. 20 Krippengruppen zusätzlich
errichtet und damit 240 Kinder zusätzlich betreut werden.
Fordert
man vom Bund für diese Zusatzleistung auch die Übernahme des kommunalen Anteils
ein, könnte der Betrieb von zusätzlichen immer noch 10 Gruppen für 120 Kinder
finanziert werden.
Soweit
der Bedarf an Krippenplätzen durch das Ausbauprogramm gedeckt ist, ließe sich
mit den frei werdenden Mitteln auch eine quantitative und damit
pädagogisch-qualitative Verbesserung der Erziehungs- und Bildungsfunktion der
Einrichtung ermöglichen. Auch hierzu wäre jedoch eine Gesetzesänderung
erforderlich.
Nach
Auffassung des Jugendreferenten und in Anbetracht des Krippenausbaus als
Leitziel der Erlanger Jugendpolitik wäre es sinnvoller, das für häusliche
Betreuung vorgesehene Geld, von dem keine relevanten Impulse für Bildung und
Entwicklung von Kindern zu erwarten sind, in den weiteren Ausbau von
Kindertageseinrichtungen und Elternbildung zu investieren. Es ist jedoch
anzumerken, dass diese Verrechnung angesichts der unterschiedlichen Zuordnung
der Mittel fiktiv bzw. nur durch politische Neuorientierung realistisch ist.
Zudem ist nach dem Ausgang der Landtagswahl in Niedersachsen und mit Blick auf
die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat ohnehin nicht mit einer Realisierung des
Betreuungsgeldes zu rechnen.
Sollte der Stadtrat dennoch
eine Resolution zu diesem Thema beschließen wollen, schlägt Referat IV im Kern
den Text vor, der im Nürnberger Stadtrat am 30. Januar 2013 mit 40 zu 21
Stimmen beschlossen wurde. Diese Resolution, die eine Umlenkung der für das
Betreuungsgeld vorgesehenen Bundesmittel nicht nur zum Ausbau der
Infrastruktur, sondern auch zum dauerhaften Ausgleich der damit deutlich höheren
Betriebskosten fordert, reagiert auch auf die Information des Kämmerers im
Stadtrat, der auf die deutliche Steigerung dieser Folgekosten hingewiesen hat.
Anlagen:
1) Antrag 011/2013 der
SPD-Stadtratsfraktion Erlangen
2) Stellungnahme der
Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände an den
Deutschen Bundestag vom 28. 8. 2012
3) Presseerklärung der Stadt
Nürnberg vom 16. 11. 2012