Betreff
Alternative zum Betreuungsgeld, SPD-Fraktionsantrag Nr. 011/2013 vom 05.02.2013
Vorlage
IV/040/2013
Aktenzeichen
IV/1020
Art
Beschlussvorlage

Der Stadtrat beschließt folgende Resolution:

 

Der Erlanger Stadtrat fordert den Bundesgesetzgeber auf, den Beschluss für die Einführung eines Betreuungsgeldes zurück zu nehmen und die dadurch frei werdenden Haushaltsmittel dauerhaft für den weiteren Ausbau der Kinderbetreuung zur Verfügung zu stellen. Insbesondere die aufgrund des Ausbaus der Infrastruktur künftig deutlich höheren Betriebskosten der Kindertageseinrichtungen bedürfen einer höheren Förderung durch den Bund.

 

 


Sachverhalt:

 

Bundestag hat am 09.11.2012 ein Betreuungsgeldgesetz verabschiedet. Demnach sollen ab 01.08.2013 Eltern die ihre Kinder im Alter vom 13. bis 36. Lebensmonat nicht in öffentlich geförderte Krippen betreuen lassen 100 Euro und ab 01.08.2014  150 Euro erhalten. Administrieren sollen das Betreuungsgeld diejenigen Stellen, die auch das Elterngeld ausbezahlen. Die Kosten werden seitens des Bundes auf 1,2 Milliarden beziffert, könnten nach Meinung vieler Experten in Wirklichkeit jedoch weit höher ausfallen.

Gegen das Betreuungsgeld gibt es eine Reihe verfassungsrechtlicher Bedenken. Die Opposition prüft eine Verfassungsklage.

 

In Bayern soll das Betreuungsgeld durch das Zentrum Bayern Familie und Soziales umgesetzt werden. Nach Auskunft des BayStMAS soll dazu das bayerische Ausführungsgesetz zum SGB entsprechend geändert werden. Dafür werden bayernweit über 100 Stellen zusätzlich benötig. Dennoch kann sich im Verwaltungsvollzug ein Problem dadurch ergeben, dass die Kommunen an der Auszahlung des Betreuungsgeldes beteiligt werden müssen. Für die dadurch den Städten entstehenden Mehrkosten ist das Konnexitätsprinzip zwingend anzuwenden. Verbindliche Regelungen dafür liegen jedoch bisher nicht vor.

 

Nach den derzeitigen Überlegungen soll die Versicherung der Eltern, dass das Kind keine öffentlich geförderte Krippe besucht, für die Beantragung ausreichend sein. Das ist ein Novum im Bereich der Transferleistungen, für die sonst entsprechende Anspruchsvoraussetzungen nachgewiesen werden müssen. Dies ist aber hier nicht möglich, weil es keine „Zentralregister“ für den Besuch einer öffentlich geförderten Einrichtung gibt.

 

Das Betreuungsgeld, wie es derzeit vorgesehen ist, betrifft Eltern von Kindern von Beginn des 13. Lebensmonats bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres (In Ausnahmen auch davor. Da die maximale Gesamtbezugsdauer auf 24 Monate ist, bleibt dies hier unberücksichtigt.) Somit ist es nicht hinreichend, die Nachfrage nach Krippenplätzen von 50-55%, die sich aus der Elternbefragung 2012 ergibt, einfach hochzurechnen, da sich diese Quote auf drei Jahrgänge bezieht. Eltern von Kindern unter einem Jahr, bei denen die Nachfrage nach einem Betreuungsplatz besonders niedrig ist, sind nicht von der Regelung zum Betreuungsgeld betroffen. Betrachtet man die zu erwartende Nachfrage ausschließlich bezogen auf die beiden Jahrgänge, die auch von der Regelung zum Betreuungsgeld betroffen sind, so liegt diese im Mittel bei ca. 70%- 75%.

 

Gerechnet auf ca. 940 Kinder pro Jahrgang bedeutet dies, dass nach aktuellem Prognosestand im kommenden Jahr ca. 570 Kinder im Alter von einem, bis unter drei Jahren keinen Betreuungsplatz in einer Krippe oder einer Tagespflege in Anspruch nehmen wollen.

 

Ab dem 1.8.2013 soll das Elterngeld 100€ pro Kind und Monat betragen, ab dem 1. August 2014 sind 150€ pro Kind und Monat geplant. Wird näherungsweise vereinfachend von einer gleichbleibenden Nachfrage ausgegangen, ergibt sich folgendes geschätztes Auszahlungsvolumen an Betreuungsgeld für Erlangen:

 

570 Kinder x 100€ x 12 Monate = 685.000 € für den Zeitraum August 2013 bis Juli 2014

570 Kinder x 150€ x 12 Monate = 1.025.000 € pro Jahr ab August 2014

 

Zum Vergleich: Der laufende Betrieb einer Krippengruppe mit 12 Plätzen bei einem freien Träger wird durch die Stadt Erlangen jährlich mit einem Betrag von ca. 85.000€ (städtischer und staatlicher Anteil) bezuschusst.

 

Rein rechnerisch entspricht das volle Auszahlungsvolumen (bei 150 Euro) also einem Zuschuss für 12 Krippengruppen (Variante A). Geht man davon aus, dass aus den Bundesmitteln nur der staatliche Anteil finanziert würde und die Kommune den städtischen Anteil zusätzlich aufbringt (also entsprechend der üblichen Verteilung rund 1 Million Euro), könnte man mit dem Betreuungsgeld 24 Krippengruppen finanzieren (Variante B).

 

Von diesem Ansatz müssten jedoch noch die Leistungsempfänger nach SGB II bzw. Sozialhilfe abgezogen werden, bei denen das Betreuungsgeld auf ihre Regelbezüge angerechnet werden soll. Nach der Regel, dass Bundesleistung vor Kommunalleistung kommt, müsste das Betreuungsgeld auf die Bundesleistungen angerechnet werden, so dass diese Beträge wieder herausgerechnet werden müssten, insgesamt nach Schätzung des Jugendamtes 160.000 Euro. Bei Berechnung nach Variante A müssten damit etwa 2 Gruppen, bei Variante B etwa eine Gruppe abgezogen werden.

 

Fazit:

Verrechnet man die Bundesmittel für das Betreuungsgeld mit dem staatlichen Förderanteil für Krippen und bringt die kommunale Beteiligung in normalem Umfang auf, könnten unter Berücksichtigung der SGB II-Abzüge ca. 20 Krippengruppen zusätzlich errichtet und damit 240 Kinder zusätzlich betreut werden.

Fordert man vom Bund für diese Zusatzleistung auch die Übernahme des kommunalen Anteils ein, könnte der Betrieb von zusätzlichen immer noch 10 Gruppen für 120 Kinder finanziert werden.

Soweit der Bedarf an Krippenplätzen durch das Ausbauprogramm gedeckt ist, ließe sich mit den frei werdenden Mitteln auch eine quantitative und damit pädagogisch-qualitative Verbesserung der Erziehungs- und Bildungsfunktion der Einrichtung ermöglichen. Auch hierzu wäre jedoch eine Gesetzesänderung erforderlich.

 

Nach Auffassung des Jugendreferenten und in Anbetracht des Krippenausbaus als Leitziel der Erlanger Jugendpolitik wäre es sinnvoller, das für häusliche Betreuung vorgesehene Geld, von dem keine relevanten Impulse für Bildung und Entwicklung von Kindern zu erwarten sind, in den weiteren Ausbau von Kindertageseinrichtungen und Elternbildung zu investieren. Es ist jedoch anzumerken, dass diese Verrechnung angesichts der unterschiedlichen Zuordnung der Mittel fiktiv bzw. nur durch politische Neuorientierung realistisch ist. Zudem ist nach dem Ausgang der Landtagswahl in Niedersachsen und mit Blick auf die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat ohnehin nicht mit einer Realisierung des Betreuungsgeldes zu rechnen.

 

Sollte der Stadtrat dennoch eine Resolution zu diesem Thema beschließen wollen, schlägt Referat IV im Kern den Text vor, der im Nürnberger Stadtrat am 30. Januar 2013 mit 40 zu 21 Stimmen beschlossen wurde. Diese Resolution, die eine Umlenkung der für das Betreuungsgeld vorgesehenen Bundesmittel nicht nur zum Ausbau der Infrastruktur, sondern auch zum dauerhaften Ausgleich der damit deutlich höheren Betriebskosten fordert, reagiert auch auf die Information des Kämmerers im Stadtrat, der auf die deutliche Steigerung dieser Folgekosten hingewiesen hat.

 

 

 

 


Anlagen:

1) Antrag 011/2013 der SPD-Stadtratsfraktion Erlangen

2) Stellungnahme der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände an den
    Deutschen Bundestag vom 28. 8. 2012

3) Presseerklärung der Stadt Nürnberg vom 16. 11. 2012