Betreff
Sachstandsberichte zum SGB II-Vollzug in der Stadt Erlangen
Vorlage
50/026/2010
Aktenzeichen
V/50/VOA - 2249
Art
Beschlussvorlage

Die Sachstandsberichte von Sozialamt und GGFA zum SGB II-Vollzug in der Stadt Erlangen werden zur Kenntnis genommen.


1. Entwicklung der Fallzahlen

Nachdem bei der Arbeitslosenquote der SGB II-Empfänger in Erlangen im August und September mit 2,3% wieder der niedrigste, bisher gemessene Wert erreicht war (wie vor dem jüngsten Konjunktureinbruch zur Jahreswende 2008/2009), ging die Anzahl der arbeitslos gemeldeten SGB II-Empfänger in Erlangen im Oktober weiter zurück. Nach den zum Stichtag zur Monatsmitte an die Bundesagentur übermittelten Zahlen kann davon ausgegangen werden, dass die SGB II-Arbeitslosenquote in Erlangen im Oktober auf den bisher noch nie erreichten Tiefstwert von 2,2% abgesunken ist.

 

Erfreulicherweise zeigt sich die gleiche Entwicklung auch bei den anderen Zahlen: Sowohl bei der Anzahl der SGB II-Bedarfsgemeinschaften, der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, der Sozialgeldempfänger – und damit natürlich auch bei der Anzahl der in Erlangen wohnenden, von Hartz IV-Leistungen abhängigen Personen insgesamt konnten im Oktober 2010 weitere Rückgänge in den Fallzahlen erreicht werden.

 

 

2. Das aktuelle Gesetzgebungsvorhaben in Berlin

Der Referentenentwurf des Bundesarbeitsministeriums zur Ermittlung von Regelbedarfen und weiterer Änderungen des SGB II und des SGB XII wurde mittlerweile am 20.10. 2010 im Bundeskabinett beschlossen. Er bedarf der Zustimmung des Bundesrats. Die abschließende Sitzung des Bundesrats ist für den 17.12.2010 vorgesehen. Den Verwaltungen vor Ort werden anschließend zur Umsetzung des umfangreichen Änderungsgesetzes gerade einmal zwei Wochen (inklusive der Weihnachtsfeiertage) verbleiben.

 

Der wichtigste Teil des Änderungsgesetzes besteht in der transparenten Neuberechnung der Regelsätze für Erwachsene und Kinder – in Konsequenz des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom 09.02.2010 – über die in der Öffentlichkeit derzeit intensiv diskutiert wird. Ebenfalls heftig diskutiert werden die neu geplanten Teilhabeleistungen für Kinder (die zum Teil gar nicht neu sind) mit einem Kostenaufwand von bis zu 250 € pro Kind und Jahr. Darin ist zum einen das sog. Schulbasispaket mit 100 € pro Schuljahr enthalten, das es unter der Bezeichnung „Schulstarterpaket“ bereits seit 2009 im Gesetz gibt und das künftig in zwei Teilbeträgen zu Beginn eines jeden Schulhalbjahres überwiesen werden soll. Tatsächlich neu ist dagegen ein Teilhabepaket für Vereinsmitgliedschaften usw. in Höhe von 10 € monatlich (also 120 € jährlich) sowie die Finanzierung eintägiger Klassenfahrten mit je 3 € für 10 Schulmonate (also 30 € pro Jahr). Relativ unklar sind allerdings noch die konkreten Modalitäten, wie diese Leistungen vor Ort im Detail umzusetzen sind (von der Chipkarte ist kaum noch die Rede – die Herstellerfirma Sodexo für die Karten und Lesegeräte gibt sich allerdings optimistisch). Nicht zuletzt auf Drängen Bayerns scheint der Bund allerdings von seiner starren Position abgegangen zu sein, wonach Leistungserstattungen nur gegenüber solchen Anbietern (z. B. Sportvereinen) erfolgen dürfen, mit denen vorher das Jobcenter eine entsprechende Rahmenvereinbarung abgeschlossen hat.

 

In der Zwischenzeit sind natürlich auch im umfangreichen Gesetzentwurf einige Punkte ausfindig gemacht worden, bei denen noch ein erheblicher Klarstellungsbedarf besteht: So gibt es z. B. bereits unterschiedliche Rechtsauffassungen darüber, ob in der Folge der Einkommensanrechnung des Bundeserziehungsgeldes auch das jeweilige Landeserziehungsgeld ebenfalls als Einkommen anzurechnen ist oder nicht. Auch bei der neuen Hinzuverdienstregelung (bei anrechenbaren Erwerbseinkünften zwischen 800 € und 1.000 € pro Monat bleiben nicht mehr wie bisher 10% sondern 20% anrechnungsfrei) gibt es eine Übergangsregelung, die Fragen aufwirft: Die Neuregelung soll nämlich nur für Bewilligungszeiträume gelten, die nach dem 01.07.2011 beginnen – das würde zwingend bedeuten, dass wir bis maximal Dezember 2011 mit zwei unterschiedlichen Hinzuverdienstregelungen arbeiten müssten.

 

Insgesamt zeichnet sich der Gesetzentwurf durch eine Vielzahl von Detaillösungen aus, bei denen aber die bestmöglichen Umsetzungswege noch zum Teil höchst unklar, bzw. zum Teil höchst umstritten sind. Dazu zählt nicht nur die Frage, inwieweit sinnvollerweise kommunale Strukturen in die Umsetzung eingebunden werden sollten oder können (z. B. bei der finanziellen Beteiligung des Bundes an den Mittagessenskosten in KiTas und Schulen). Dazu zählt auch die Frage, mit welchen konkreten Abläufen der Bund die Finanzierung von Nachhilfekosten vor Ort abgewickelt haben will. Klar ist mittlerweile lediglich, dass der Verwaltungsaufwand für diese neuen Teilhabeleistungen vom Bund nur zum Teil erstattet wird: Obwohl über die konkrete Umsetzung noch keine klaren Vorstellungen existieren, fühlt sich der Bund in der Lage die dabei anfallenden Verwaltungskosten im Gesetzentwurf mit 135 Mio. € zu beziffern. Gleichwohl sollen die Bundesmittel für den Verwaltungsaufwand der SGB II-Stellen dafür nur um 90 Mio. € aufgestockt werden.

 

Zu diesen Unklarheiten zählt schließlich auch die Frage, wie sich der Bund die kommunale Satzungslösung bei der Festlegung der angemessenen Kosten der Unterkunft vorstellt – wird hier etwa nur der schwarze Peter an die Länder weitergereicht?

 

Aufgrund dieser und anderer, zahlreicher offener Einzelfragen hatten die kommunalen Spitzenverbände vorgeschlagen, den jetzt vorliegenden Gesetzesvorschlag auf den Komplex der Neufestlegung der Regelsätze und der Regelsatzfortschreibung zu beschränken – nur für diesen Teilbereich besteht die enge Fristsetzung des Bundesverfassungsgerichts für eine Neureglung zum 31.12.2010. Nach dem Vorschlag der kommunalen Spitzenverbände könnten alle anderen Teile des Gesetzentwurfes ausgiebig und in Ruhe im nächsten Jahr diskutiert und geklärt werden. Diesen Vorschlag hat der Bund jedoch abgelehnt. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Fülle der vielen offenen Fragen bewusst in die jetzt anstehenden Verhandlungen zwischen Bund und Länder hineingenommen werden sollen, um dabei möglichst viel Verhandlungsmasse zu haben. So verständlich diese Verhandlungsstrategie sein mag, umso schwieriger wird es jedoch für die Dienststellen an der Basis eine rechtzeitige und sachgerechte Umsetzung der Gesetzesänderung zum 01.01.2011 hinzubekommen.

 

 

3. Datenerhebung zum Migrationshintergrund

In der Zwischenzeit ist auch die schon vor längerer Zeit angekündigte Verordnung zur Erhebung der Merkmale des Migrationshintergrundes – MighEV – im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Danach liegt Migrationshintergrund vor, wenn

 

·       die Person nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt

·       die Person als Aussiedler oder Spätaussiedler, als dessen Ehegatte oder Abkömmling die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat und nach 1949 zugewandert ist

·       der Geburtsort außerhalb der heutigen deutschen Grenzen liegt und die Person nach 1949 zugewandert ist

·       der Geburtsort mindestens eines Elternteiles der Person außerhalb der heutigen deutschen Grenzen liegt und nach 1949 zugewandert ist.

 

Das Erstaunliche an dieser Datenerhebung ist, dass ausschließlich die Bundesagentur für Arbeit die erhobenen Daten auswerten und verwenden darf. Die Stadt Erlangen, bzw. das Sozialamt als erhebende Stelle ist nicht – auch nicht zu rein statistischen Zwecken – zur Auswertung der erhobenen Daten berechtigt. Wir sind verpflichtet, die entsprechenden Daten getrennt von den SGB II-Daten zu erheben und unverzüglich für eine Nutzung durch das Sozialamt oder Statistikamt zu sperren. Nach Übermittlung an die BA sind die Daten zu löschen. Es erscheint äußerst fragwürdig, dass durch diese Regelungen eine Nutzung der erhobenen Daten durch die Stadt Erlangen für sozialplanerische und stadtplanerische Zwecke unmöglich gemacht wird.

 

 

4. Beratung für optionswillige Kommunen

Im Übrigen wird derzeit bei uns viel Zeitaufwand damit verbracht, Informations- und Beratungswünsche anderer optionswilliger Kommunen zu erfüllen. Für die zusätzlichen 41, zum 01.01.2012 an den Start gehenden Optionskommunen sind bis zum 31.12.2010 umfangreiche Antragsunterlagen zu erarbeiten und beim Land vorzulegen. Die Länder werden dann ihre Auswahl bis zum 31.03.2011 treffen.

 

Nach den bisherigen, noch nicht verbindlichen Absprachen unter den Ländern ist damit zu rechnen, dass es aus Bayern insgesamt 6 zusätzliche Optionskommunen geben wird. Nach den bisherigen Informationen könnten dabei auch weitere Kommunen aus Mittelfranken, bzw. auch weitere kreisfreie Städte in Bayern sein – außerhalb Bayerns könnten auch große Städte, wie z. B. Essen oder Stuttgart, in den Kreis der Optionskommunen dazukommen und damit auch die bisher skeptische Rolle des deutschen Städtetages zur kommunalen Eigenverantwortung beim SGB II-Vollzug verändern.

 

 


Anlagen:        1: Anlage Eckwerte

                        2: Anlage Monatlicher Mittelverbrauch

                        3: Anlage Text der Migrationshintergrunderhebungsverordnung

                        4: Sachstandsbericht der GGFA