Betreff
Kommunale Verpackungssteuer
hier: Anträge der Klimaliste Erlangen vom 12.06.2023, Nr. 085/2023 und der SPD Fraktion vom 14.06.2023, Nr. 086/2023
sowie Antrag aus der Bürgerversammlung Altstadt/Zentrum vom 13.06.2023 und aus der Bürgerversammlung Gesamtstadt 22.11.2023
Vorlage
20/050/2023
Aktenzeichen
II/20
Art
Beschlussvorlage

1) Von der Einführung der Verpackungssteuer wird Abstand genommen. Anzustreben ist eine bundes- bzw. landesrechtlich einheitliche Regelung, die allen beteiligten Akteuren Rechtssicherheit bietet und ressourcenschonend umgesetzt werden kann.

 

2.) Die Anträge der Klimaliste Erlangen vom 12.06.2023, Nr. 085/2023 und der SPD Fraktion vom 14.06.2023, Nr. 086/2023 sowie der Antrag aus der Bürgerversammlung Altstadt/Zentrum vom 13.06.2023 (TOP 17) sind damit abschließend bearbeitet.

 


1.   Ergebnis/Wirkungen
(Welche Ergebnisse bzw. Wirkungen sollen erzielt werden?)

Rechtmäßigkeit der Verpackungssteuer

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Urteil vom 24.05.2023 (Az. 9 CN 1.22) entschieden, dass die Satzung der Stadt Tübingen über die Erhebung einer kommunalen Einweg-Verpackungssteuer grundsätzlich rechtmäßig ist.

Das BVerwG ordnet die Verpackungssteuer als eine örtliche Verbrauchssteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG ein. Die beim Endverkäufer erhobene Steuer sei auf Überwälzung auf den privaten Endverbraucher angelegt. Auch in Bezug auf den Verkauf als mitnehmbares take-away-Gericht oder -Getränk sei die Steuer nicht als Aufwandssteuer zu verstehen.

Weiter stellt das BVerwG dar, dass es keinen Widerspruch zum Abfallrecht des Bundes erkenne. Insbesondere verweist das Gericht auf die Abfallhierarchie, in deren Einklang die Steuer stehe. Abfallvermeidung sei sowohl nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz wie auch nach dem Verpackungsgesetz oberstes Ziel des Abfallrechts. Genau hierauf ziele die Verpackungssteuer.

 

Erfahrungen der Stadt Tübingen

Nach Angaben der Stadt Tübingen hat die Verpackungssteuer dazu geführt, dass das Müllaufkommen abgenommen hat. Auswirkungen auf das Konsumverhalten sind bisher nicht zu erkennen.

 

 

 

 

 

Vorgehen auf Städteachse-Ebene

Wirksame Instrumente zur Abfallvermeidung und gegen das achtlose Entsorgen von Abfällen im öffentlichen Raum werden aktuell in den Städten, aber auch im Bund intensiv diskutiert. Die Zielsetzung der diskutierten Instrumente ist identisch, die Ansätze von Verpackungssteuer und Mehrwegpflicht bzw. Einwegverbot sind in ihren Ansätzen unterschiedlich.

 

Eine Verpackungssteuer kann nur ein ergänzendes lokales Instrument zu einem Abfallvermeidungskonzept sein. Jede Kommune muss dabei abwägen, ob die Erhebung einer derartigen Steuer den zusätzlichen Verwaltungsaufwand und den Aufwand bei den Gewerbetreibenden rechtfertigt und ob das Ziel der Abfallvermeidung nicht anderweitig oder besser erreicht werden kann.

Innerhalb der Städteachse hat bereits im Rahmen der 168. Nachbarschaftskonferenz der Städte Nürnberg, Fürth, Erlangen und Schwabach am 04.07.2023 ein Austausch über die weitere Vorgehensweise stattgefunden. Es bestand Einigkeit über die Einbringung des Themas in den Bayerischen Städtetag und die Abstimmung weiterer Schritte auf Städteachse-Ebene. Eine bayern- oder bundesweite Lösung sei anzustreben.

In Bayern bedürfen Satzungen über örtliche Verbrauchs- und Aufwandssteuern nach Art. 3 des Kommunalabgabengesetzes der Genehmigung durch die Rechtsaufsichtsbehörde, wenn durch die Satzung erstmalig eine in Bayern bisher nicht erhobene Steuer eingeführt wird. Die Genehmigung bedarf der Zustimmung des Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration. Hier wird von einer Positionierung der Staatsregierung analog zur sog. Bettensteuer ausgegangen.

 

Die Einführung einer Verpackungssteuer würde derzeit vor folgendem Hintergrund erfolgen:

 

·         Verfassungsbeschwerde

Am 08.09.2023 hat ein Franchise-Unternehmen des Fast-Food-Konzerns Mc Donald’s Verfassungsbeschwerde gegen die Tübinger Verpackungssteuer eingereicht.

 

·         Aktueller Stand der Verpackungsnovelle auf Bundesebene

Zu den vom Bundesumweltministerium im Frühsommer veröffentlichten Eckpunkten für eine Novelle des Verpackungsgesetzes liegen aktuell keine neuen Entwicklungen vor.

Mit dem geplanten Gesetz für weniger Verpackungsmüll sollen überflüssige Verpackungen vermieden, Einweg-Produkte zurückgedrängt und Mehrwegverpackungen gefördert werden. Das Gesetz soll Maßnahmen beinhalten wie die Stärkung von Mehrwegalternativen im Einzelhandel, verbesserte Rückgabemöglichkeiten für Mehrwegflaschen und die Erweiterung des Mehrwegangebots für to-Go-Verpackungen.

 

·         Einweg-Kunststofffondsgesetz

Das BVerw führt in seinem Urteil in Randziffer 28 seiner Urteilsgründe aus, dass sich die Rechtmäßigkeit bezogen auf die Widerspruchsfreiheit zum abfallrechtlichen Bundesrecht auf die zurzeit geltenden gesetzlichen Regelungen bezieht. Künftige Rechtsänderungen wie etwa das in seinen wesentlichen Teilen zum 01.01.2024 in Kraft tretende Einweg-Kunststofffondsgesetz vom 11.05.2023 (BGBl I Nr. 124), welches ebenfalls eine Sonderabgabe für die Hersteller bestimmter Einweg-Kunststoffprodukte vorsieht, können dagegen - so das Bundesverwaltungsgericht - zum gegenwärtigen Zeitpunkt (noch) nicht für die Rechtmäßigkeitsprüfung der Prüfungsmaßstab sein.
In Anbetracht dessen bleibt somit offen, ob nach dem Inkrafttreten des Einweg-Kunststofffondsgesetzes am 01.01.2024 eine kommunale Verpackungssteuer in Bezug auf bestimmte Einweg-Kunststoffprodukte zulässig sein kann oder ob hier nicht das Verbot der Doppelbesteuerung des gleichen Steuergegenstandes entgegenstehen könnte.

Es wird außerdem derzeit davon ausgegangen, dass das Bundesverfassungsgericht erneut angerufen wird. Nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine kommunale Einweg-Verpackungssteuersatzung nach dem Inkrafttreten des Einweg-Kunststofffondgesetze am 01.01.2024 wiederum als nicht zulässig eingestuft werden könnte. Eine endgültige Klärung kann hier nur im Rahmen einer erneuten Befassung des Bundesverfassungsgerichts mit der gesamten Rechtsmaterie erreicht werden.

 

Mit dem Gesetz über den Einwegkunststofffonds vom 11.05.2023 (BGBl. 2023 Teil I, Nr. 124, S. 1) werden die Vorgaben der EU-Einwegkunststoffrichtlinie über die Schaffung eines Regimes der erweiterten Herstellerverantwortung für bestimmte Einwegprodukte aus Kunststoff in deutsches Recht umgesetzt.

Kostentragungspflichtig für kommunale Reinigungsleistungen sind danach die Hersteller von Lebensmittelverpackungen (To-go-Verpackungen), Getränkebechern und Getränkebehältern. Zudem geht es um leichte Kunststofftaschen und Tabakprodukte mit Filtern.

Die Funktionsweise des Einwegkunststofffonds basiert darauf, zwei Zahlungsströme zu implementieren und sie über die Fondsstruktur zu einem Ausgleich zu bringen. Die Hersteller der Einwegkunststoffprodukte zahlen in Abhängigkeit von den in Verkehr gebrachten Mengen an Einwegkunststoffprodukten eine Einwegkunststoffabgabe, die anspruchsberechtigten öffentlichen Körperschaften erhalten Zahlungen aus dem Einwegkunststofffonds. Diese Zahlungen können den Gebührenzahlern gutgebracht werden, den Allgemeinanteil aus Haushaltsmitteln reduzieren oder für die Ausweitung und Intensivierung kommunaler Reinigungsleistungen verwendet werden.

Aus der Sicht des Verbands kommunaler Unternehmen ist der Einwegkunststofffonds ein wesentliches Instrument, um Abfälle im öffentlichen Raum und das Littering zurückzudrängen.

 

·         Personal- und Sachaufwand

Nicht zu unterschätzen ist der zusätzliche Verwaltungsaufwand. Mit den bestehenden Ressourcen in der Steuerabteilung ist die Einführung und laufende Bearbeitung (Veranlagung) nicht möglich. Die Stadt Tübingen hat bisher mit zusätzlichen 1,5 VZÄ gerechnet. Ob das ausreichen wird ist bisher nicht bekannt.

 

 

Fazit

Im Interesse einer einheitlichen bundes- bzw. landesrechtlichen Regelung und eines innerhalb der Städteachse abgestimmten Vorgehens sowie in Anbetracht der erheblichen Rechtsunsicherheit sollte auch zur Vermeidung von nicht unerheblichem Personal- und Sachaufwand von der Einführung einer Verpackungssteuer abgesehen werden. Die Wirkung des Einweg-Kunststofffondsgesetzes kann beobachtet werden.

 


Anlagen:

1. Antrag der Klimaliste Erlangen Nr. 085/2023

2. Antrag der SPD Fraktion Nr. 086/2023

3. Antrag aus der Bürgerversammlung Altstadt/Zentrum vom 13.06.2023 (TOP 17)