Die Dieseltankstelle des städtischen Bauhofs
(Betriebstankstelle EB77) wird auf nachhaltig erzeugten und mit den
entsprechenden Lieferkettennachweisen versehenen HVO100-Kraftstoff umgestellt.
Die Mehrkosten im Vergleich zum normalen Dieselpreis werden bis Jahresende aus
dem Klimabudget des EB77 finanziert; ab 2024 werden die Kosten auf die
nutzenden städtischen Fachbereiche der Tankstelle umgelegt.
1. Ergebnis/Wirkungen
Mit dem Stadtratsbeschluss vom November 2020 (31/040/2020) wurde der sog. „Fahrplan Klima-Aufbruch“ zur Erreichung des 1,5° Ziels des Pariser Klima Abkommens und generell der städtischen Klimaneutralität vor 2030 beschlossen. Daraus resultierte auch ein Maßnahmenkatalog, der insgesamt 41 Maßnahmen zur Umsetzung dieses Vorhabens umfasst. Mit der Maßnahme S1a „klimaneutrale Verwaltung vor 2030“ werden alle Maßnahmen gebündelt, die die Stadtverwaltung als solches in ihrer Vorbildfunktion betreffen. Diese umfasst auch den Ausbau der Elektromobilität und des städtischen Fuhrparks inkl. Ladeinfrastruktur. Bis 2027 sollen möglichst 75% der städtischen Fahrzeuge emissionsfrei fahren.
Im Eigenbetrieb für Stadtgrün, Abfallwirtschaft und Straßenreinigung (EB77) wird bereits seit einigen Jahren versucht gerade im Innenstadtbereich nur emissionsfreie Fahrzeuge einzusetzen. Bei Neubeschaffungen wird stets der Markt nach alternativen Antrieben sondiert. Dies stellt insbesondere im Bereich schwerer Nutzfahrzeuge und Sondernutzungsfahrzeuge noch eine große Herausforderung dar, die neben der technischen Umsetzung auch mit hohen Kosten verbunden ist. Auch die Doppelnutzung im Winterdienst und Gewährleistung der Einsatzbereitschaft muss gegeben sein und ist insbesondere bei E-Fahrzeugen oft noch nicht realisierbar.
Der Einsatz von alternativen Kraftstoffen, wie dem HVO Kraftstoff („Hydrated Vegetable Oils“ - hydriertes Pflanzenöl aus Altspeisefett), ist hier eine gute Übergangslösung, sofern dieser nachhaltig, energieeffizient und sozial verträglich hergestellt wird.
Nicht zuletzt muss die Stadt Erlangen die Quoten über emissionsfreie und -arme Fahrzeuge des Saubere Fahrzeuge Beschaffungsgesetzes (SaubFahrzeugBeschG, auch Clean Vehicles Directive - CVD) für Neuanschaffungen seit August 2021 erfüllen.
Fahrzeuge, die
mit HVO Kraftstoff betrieben werden, können zur Erfüllung der Quote gemäß
SaubFahrzeugBeschG vom 9. Juni 2021 herangezogen werden.
Hinweis: E-Fahrzeuge (in bestimmten Bereichen auch Fahrzeuge mit Brennstoffzelle) haben bei Neuanschaffungen Priorität, HVO Kraftstoff stellt ausdrücklich eine Übergangslösung dar. Parallel dazu wird der Ausbau der Ladeinfrastruktur mit großem Einsatz vorangetrieben.
2. Programme / Produkte / Leistungen / Auflagen
HVO-Kraftstoff
Definition
HVO steht für
„Hydrated Vegetable Oils“ – hydrierte Pflanzenöle und wird aus erneuerbaren
Rohstoffen, wie Altspeisefetten aus Restaurants, Altfettsammlungen, oder der
Lebensmittelindustrie, hergestellt. Bei der Herstellung wird kein zusätzlicher
Kohlenstoff in die Atmosphäre freigesetzt. Der Einsatz von HVO verursacht über
den Produktlebenszyklus hinweg 80- 90% weniger THG Emission* (CO2) Äquivalent
und hat eine wesentlich geringere Feinstaubemission (NOx).
* Die Methode zur Berechnung der Lebenszyklus-Emissionen
und der Emissionsreduzierung entspricht der EU-Richtlinie für erneuerbare
Energien II (2018/2001/EU)
HVO ist als sog. Drop-in Kraftstoff ohne Umbaumaßnahmen an Fahrzeugen oder Tankstellen technisch gesehen einsetzbar, da der Kraftstoff chemisch nahezu identisch zu herkömmlichem Dieselkraftstoff ist.
Rechtliche
Vorgaben
Auf Grund der etwas geringeren Dichte von HVO (775-785 g/m3) im Vergleich zu Diesel (820 g/m3) ist der HVO Kraftstoff nicht nach der EN 590 zugelassen. Hier wird eine Dichte von mind. 820 g/m3 gefordert. Seit 2016 gilt die neue DIN 15940 für paraffinische Dieselkraftstoffe, die HVO für alle Fahrzeuge ab einer Zulassung im Jahr 2016 freigibt. Jedoch haben viele große Hersteller HVO auch ältere Fahrzeuge inkl. Oldtimern (nach internen Testreihen) freigegeben.
Auf dem Markt ist auch der sog. „R33 Diesel“ erhältlich, der im Mischungsverhältnis von 33% HVO die zugelassene Dichte der EN509 erreicht und somit für alle Fahrzeuge zugelassen ist.
Interner
Testbetrieb in der Abfallwirtschaft und technische Vorteile
Der EB 77 hat den 100% HVO Kraftstoff von November 2022 bis Januar 2023 in zwei älteren Sperrmüllfahrzeugen getestet und Abgasuntersuchungen durchgeführt. Nach eingehender Diskussion unter Einbindung des Fuhrparkleiters und der KFZ Werkstatt wurde der HVO Kraftstoff für geeignet erklärt. Sollten wider Erwarten bei einzelnen Fahrzeugen Probleme auftreten, kann jederzeit auf Diesel zurück gewechselt werden.
Durch die etwas höhere Cetanzahl des HVO von ca. 71 weist HVO Kraftstoff auch eine etwas höhere Leistung im Vergleich zu herkömmlichem Diesel auf. Der Feinstaubanteil ist wesentlich geringer bzw. fast nicht vorhanden, was den Verschleiß und Tausch der kostenintensiven NOx Sonde um mind. 1/3 reduziert und demzufolge auch den ebenfalls kostenintensiven AdBlue Verbrauch reduziert (nicht getestet, da Langzeitmessreihe erforderlich). Zudem ist der HVO Kraftstoff bis -22 °C kälteverträglich und somit auch für den Winterdienst geeignet.
Auch ein Nachtanken mit Diesel wäre zur Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft (z.B. Winterdienst oder Lieferengpässe) möglich, da der HVO Kraftstoff chemisch zu herkömmlichem Diesel nahezu identisch ist und gemischt werden kann.
Kritikpunkte
•
Die Verwendung von Palmölfettresten (PFAD) wird
zum Teil kritisch gesehen, da PFAD zum Preis von ca. 80% des Palmölpreises
gehandelt wird und die Befürchtung besteht, dass der Anbau von Ölpalmen dadurch
ansteigt.
Hier wäre strikt auf Nachhaltigkeitskriterien und Lieferkettennachweise zu
achten. Im Vergleich muss deutlich gemacht werden, dass dem derzeit
eingesetzten, herkömmlichen Diesel bis zu 7% Biodiesel beigemischt werden muss
(EG-Richtlinie 98/70/EG und Biokraftstoffquotengesetz), der noch bis 2030
(schrittweise Ausstieg) Palmöl aus nicht nachhaltigem und/oder nicht sozial
verträglichem Anbau enthält (ca. 30% des Biodieselanteils).
Derzeit wird noch ein Anteil von ca. 7% an zertifiziertem Palmöl zur
Herstellung von HVO100 verwendet. Der Ausstieg ist bis Ende 2023 vorgesehen.
• Die Herstellung von HVO Diesel ist im Vergleich zur Herstellung von Biodiesel etwas energieintensiver, hat jedoch nicht den Nachteil, dass landwirtschaftliche Flächen zum Anbau von Lebensmitteln für die Erzeugung der Rohstoffe genutzt werden („Tank und Teller Problem“).
Ergebnis
Der 100% HVO Diesel, als nachhaltig hergestellter synthetischer Kraftstoff, soll in der Betriebstankstelle zur Betankung der städtischen Dieselfahrzeuge (vornehmlich Transporter, LKW und schwere Nutzfahrzeuge z.B. Mülllabfuhr, Straßenreinigung, Tiefbauamt, Stadtgrün, Winterdienst) eingesetzt werden. Er stellt ausdrücklich eine Übergangslösung zum Erreichen der Klimaneutralität dar. Dies betrifft nur Fahrzeuge, die aufgrund des hohen Energieverbrauchs oder der Einsatzbereitschaft derzeit noch nicht gegen Fahrzeuge mit E-Antrieb bzw. in bestimmten Fällen Brennstoffzellenantrieb (Wasserstoff) ersetzt werden können, oder im Sinne der Nachhaltigkeit vorerst weiter eingesetzt und nicht entsorgt werden.
Die Betankung des 40.000l Tanks der Betriebstankstelle erfolgt derzeit ca. alle 1-2 Monate (jeweils ca. 30.000l). In Zukunft ist mit tendenziell größeren Zeitintervallen aufgrund der zunehmenden Elektrifizierung des Fuhrparks zu rechnen.
3. Prozesse und Strukturen
Die benötigten Mengen an HVO Kraftstoff werden (wie bisher die Diesel-Lieferungen auch) je Lieferung einzeln ausgeschrieben und an den wirtschaftlichsten Bieter vergeben. Die betriebseigene Tankstelle soll per Tankwagen beliefert werden. Die Beschaffung und Koordinierung erfolgt durch den EB77. Derzeit können drei Kraftstofflieferanten den HVO 100 Kraftstoff mit den erforderlichen Lieferkettennachweisen und nachhaltig erzeugt, anbieten.
4. Klimaschutz:
Entscheidungsrelevante Auswirkungen auf den
Klimaschutz:
ja, positiv*
ja, negativ*
nein
Wenn ja, negativ:
Bestehen alternative Handlungsoptionen?
ja*
nein*
*Erläuterungen dazu sind in der Begründung
aufzuführen.
Falls es
sich um negative Auswirkungen auf den Klimaschutz handelt und eine alternative
Handlungsoption nicht vorhanden ist bzw. dem Stadtrat nicht zur Entscheidung
vorgeschlagen werden soll, ist eine Begründung zu formulieren.
5. Ressourcen
Kraftstoffe sind generell erheblichen Preisschwankungen unterworfen. Die Preisdifferenz zwischen herkömmlichen Diesel und zertifizierten HVO100-Kraftstoff bewegt sich in einer Bandbreite von 0,15 bis 0,45 €/l. Bei einem jährlichen Durchschnittsverbrauch von rd. 400.000 Litern Dieselkraftstoff entspricht dies einer Differenz bzw. Mehrkosten von 60-180 T€.
Investitionskosten: |
€ |
bei IPNr.: |
Sachkosten/Mehrkosten: |
€ 60.000-180.000 |
bei Sachkonto: EB77 |
Personalkosten (brutto): |
€ |
bei Sachkonto: |
Folgekosten |
€ |
bei Sachkonto: |
Korrespondierende Einnahmen |
€ |
bei Sachkonto: |
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Haushaltsmittel
werden nicht benötigt für 2023 (Deckung der Mehrkosten aus Klimabudget EB77)
sind vorhanden auf IvP-Nr.
bzw. im Budget auf Kst/KTr/Sk
sind
evtl. bei bestimmten Fachbereichen nicht vorhanden:
Anmeldung der Mehrkosten
durch die betroffenen Fachbereiche zum Haushalt 2024ff.
Anlagen: