Betreff
Stellungnahme zur Anfrage der Erlanger Linke vom 28.02.2022
Vorlage
13-4/002/2022
Aktenzeichen
OBM/13-4
Art
Mitteilung zur Kenntnis

Der Sachbericht dient zur Kenntnis.


Dieser Bericht nimmt Stellung zur Anfrage der Erlanger Linke vom 28.02.2022 zum Sozialbericht 2021.

Die Beantwortung der statistischen Fragestellungen erfolgte durch die Statistik und Stadtforschung, die weiteren Ausführungen wurden durch die entsprechenden Fachämter beigetragen.

 

Welche der im Sozialbericht 2021 dargestellten Daten und Analysen basieren auf Daten von Erlanger*innen mit Hauptwohnsitz in Erlangen, welche auf Daten von Erlanger*innen mit Zweitwohnsitz in Erlangen und welche auf Daten aus beiden Gruppen?

Sämtliche Daten und Analysen beziehen sich ausschließlich auf die Bevölkerung mit Hauptwohnsitz in Erlangen.

 

Falls die Daten ausschließlich von Erlanger*innen mit Hauptwohnsitz stammen: Liegen Daten zu Erlanger*innen mit Zweitwohnsitz vor? Welche? Falls nein: Welche Maßnahmen sind vorgesehen, um die vorliegende Datenlücke zu schließen? Falls Daten aus beiden Gruppen vorliegen: Welche Unterschiede bestehen zwischen beiden Gruppen?

Über Personen, die lediglich mit Zweitwohnsitz in Erlangen gemeldet sind, existieren nur Grundinformationen aus dem Einwohnermeldewesen, also demografische Merkmale. Es sind aktuell keine Maßnahmen vorgesehen, um zusätzliche Informationen über Menschen mit Nebenwohnsitz in Erlangen zu ermitteln. Zwar existiert jeder gemeldete Nebenwohnsitz im Erlanger Einwohnermeldewesen, aber es ist weitgehend unklar, wie relevant diese Personen in Bezug auf das Erlanger Stadtgeschehen sind. Es ist davon auszugehen, dass es sich bei einem nicht quantifizierbaren Teil der mit Nebenwohnsitz Gemeldeten um „Karteileichen“ handelt, also Personen, die längst weggezogen sind, jedoch ihren Nebenwohnsitz nicht abgemeldet haben. Um hier Klarheit zu verschaffen, müsste das Bürgeramt sämtliche Personen mit Nebenwohnsitz anschreiben, um deren Status zu klären. Die im Sozialbericht dargestellten soziostrukturellen Merkmale resultieren aus Bürgerbefragungen, in denen grundsätzlich nur Menschen mit Hauptwohnsitz angeschrieben werden. Wer seinen Lebensmittelpunkt in Erlangen hat, sollte dort auch mit Hauptwohnsitz gemeldet sein.

Ein Vergleich der Altersverteilungen von Menschen mit Haupt- und Nebenwohnsitz verdeutlicht, dass es sich bei einem großen Teil der Personen mit Nebenwohnsitz um Studierende handelt. Im Alter zwischen 25 und 30 Jahren ist eine Abmeldewelle bei den Nebenwohnsitzen zu verzeichnen, allerdings verbleibt die Zahl der Nebenwohnungsbevölkerung im Alter ab 30 Jahren auf einem relativ hohen Niveau (ca. 150 bis 200 Personen pro Altersjahr) und sinkt erst ab 60 Jahren.

 

 

 

Zu Abb. 4.4: Streuung des Nettoäquivalenzeinkommens

Wie ist die Streuung des Nettoäquivalenzeinkommens definiert? Welche Kenngrößen werden verwendet, um eine Kategorisierung der Streuung vorzunehmen? Handelt es sich um normalverteilte Streuung? Falls nein: In welchen Bezirken gibt es andere Verteilungen, wie sehen sie aus?

In Abbildung 4.4 wurde die Standardabweichung der Nettoäquivalenzeinkommen verwendet. Die statistische Analyse der Verteilungsfunktion (verwendetes Instrument: Q-Q-Plot) zeigt bei der Verteilung der Nettoäquivalenzeinkommen eine starke Übereinstimmung mit der Gaußschen Normalverteilung. Es geht bei Abbildung 4.4 allerdings nicht darum, Einkommensverteilungen zu quantifizieren, sondern um die Veranschaulichung der Heterogenität der Bevölkerung innerhalb der Bezirke. An dieser wie auch an anderen Stellen im Sozialbericht dient dies der besseren Einordnung von kleinräumigen Ergebnissen. Insbesondere im Zentrum zeigt sich eine hohe Streuung, was auf den hohen Anteil an Studierenden zurückzuführen ist.

 

Zu 6.3 Sozialwohnungen (speziell: Abb. 6.10):

Welche Gründe gibt es, dass Sozialwohnungen stark ungleich über die Stadtteile verteilt sind?

Warum werden wenige Sozialwohnungen in einkommensstarken Bezirken (z.B. 20 Burgberg) und viele in bereits einkommensschwachen Bezirken (z.B. 40 Anger) vergeben?

Sieht die Stadtverwaltungen Maßnahmen vor, um Sozialwohnungen stärker über das Stadtgebiet zu verteilen? Welche?

Wo sozial geförderte Wohnungen entstehen und damit vergeben werden können, hängt von verschiedenen Faktoren ab, v.a.

-       von zur Verfügung stehenden freien Baugrundstücken für Wohnungsbau;

-       von den Planungen der Bauträger hinsichtlich der Lage und des Umfangs der Wohneinheiten bei einem Neubau;

-       eine seit 2018 bestehende Quote von 30 Prozent gefördertem Wohnraum besteht nur für Wohnanlagen, die 24 und mehr Wohneinheiten umfassen; damit entsteht geförderter Wohnraum v.a. in größeren Bauvorhaben, d.h. dort, wo entsprechend großes Bauland (oder Baulücken) zur Verfügung steht.

-       hinzu kommt, dass geförderte Wohnungen mit bestehender Sozialbindung zum Teil bereits vor vielen Jahren oder sogar Jahrzehnten unter damals anderen baulichen und planerischen Rahmenbedingungen erstellt wurden; so liegen in Büchenbach-Nord die Bindungsabläufe der geförderten Wohnungen fast ausschließlich ab 2041 und später;

-       mit der 1994 eingeführten einkommensorientierten Förderung (EOF) erfolgte seit etwa dem Jahr 2000 eine leichte geringfügige Neuverteilung von geförderten Wohnungen auch auf andere statistische Bezirke;

-       während die Wohnungen aus dem 1. Förderweg überwiegend in den Bezirken 76, 77 und 78 (Büchenbach-Dorf, Nord, -West) liegen, liegen die EOF-geförderten Wohnungen überwiegend im Bereich der Bezirke Röthelheim/Röthelheimpark und Bachfeld; dies sind die Gebiete, die lt. Wohnungsbericht 2020 (Amt für Stadtentwicklung und Stadtplanung) mit dem größten Zuwachs an Wohnungsbestand haben;

 

Entsprechend des Wohnungsberichts 2020 des Amtes für Stadtentwicklung und Stadtplanung stehen aktuell im Stadtgebiet keine großflächigen Baulandflächen mehr in der Vermarktung. Im Wesentlichen findet der individuelle Wohnungsbau und der Geschosswohnungsbau deshalb aktuell auf Baulücken bzw. auf freigelegten Bestandsgrundstücken statt.

Beim Neubau einkommensgeförderten Wohnraums erfolgen zwar nach Möglichkeit im Vorfeld Abstimmungsprozesse der GEWOBAU und anderer Wohnungsbaugesellschaften mit der Abteilung Wohnungswesen im Sozialamt hinsichtlich der Bedarfe, der sozialen „Durchmischung“ und der Anteile geförderter Wohnungen je nach Einkommensstufe I bis III.

Auf die sozialräumliche Verteilung des sozialen Wohnungsbaus und belegungsgebundener Wohnungsbestände hat das Sozialamt jedoch keinen Einfluss.

Bei der Frage nach einer stärkeren sozialen „Durchmischung“ von Wohnvierteln stellt sich deshalb die Frage, wo weitere Baugebiete bestehen oder Verdichtungen überhaupt möglich sind, aber auch, wie dies im Hinblick auf andere Bedarfe und Interessen (z.B. Klimaschutzziele, Vermeiden von zunehmender „Versiegelung“ von Boden, Vorbehalte der angestammten Bewohnerschaft gegenüber Verdichtung) abgewogen werden kann.

 

Zu 6.5 Aspekte des Wohnumfelds:

Liegen Daten zur Zufriedenheit mit der Mobilität und ÖPNV Anbindung vor? Welche?

Wenn keine Daten vorliegen: Welche Maßnahmen plant die Stadtverwaltung, um die Datenlücke zu schließen?

Hier liegen Ergebnisse aus Befragungen vor:

Statistik aktuell 02/2019: Fuß- und Radverkehr in Erlangen

Statistik aktuell 01/2017: Wohnsituation und Wohnumgebung aus Sicht der Erlanger Bevölkerung

Statistik aktuell 02/2017: Nahversorgung in Erlangen

Ähnliche Erhebungen sind wiederkehrend Bestandteil der Erlanger Bürgerbefragungen, welche in zweijährigen Abständen durchgeführt werden. Sämtliche Befragungsergebnisse stehen auf der städtischen Homepage unter www.erlangen.de/statistik unter der Rubrik „Veröffentlichungen“ zum Download bereit.

 

Zu 8. Gesellschaftliche Partizipation (speziell Abb. 8.11 und Abb. 8.14):

Welche Maßnahmen sieht die Stadtverwaltung vor, um die Bürgerbeteiligung zu erhöhen?

Welche Maßnahmen sieht die Stadtverwaltung vor, um dem erhöhten Informationsbedarf von Studierenden und Auszubildenden zu begegnen?

Laut Bürgerbefragung „Leben in Erlangen 2020“ (Statistik aktuell 02/2021) haben 83 Prozent der Erlangerinnen und Erlanger angegeben, sie seinen „sehr zufrieden oder zufrieden “ mit den Möglichkeiten zur Bürgerbeteiligung. Das ist ein sehr erfreuliches Umfrageergebnis – dennoch gibt es also noch 17 Prozent, die wir noch nicht gut erreichen oder die nicht zufrieden mit den Angeboten sind. Wichtig ist dabei zu wissen, dass in Erlangen eine große Zahl von Menschen leben, die Erlangen nur „streifen“, für zwei Jahre hier sind und sich nicht auf die Stadt und Ihre Entwicklung einlassen.
Es gibt vor allem zwei Momente, die Menschen motivieren, sich zu beteiligen. Das ist zum einen die persönliche Betroffenheit und zum anderen das ganz persönliche Interesse. Wer direkt von städtischen Baumaßnahmen oder Planungen betroffen ist, weil er/sie dort wohnt, wird sich interessierter zeigen als jemand, der überhaupt nicht unmittelbar betroffen ist. Wer unmittelbar betroffen ist, will möglicherweise aktiv teilnehmen und mitgestalten – will entweder verhindern oder unterstützen und mitgestalten. Wer sich grundsätzlich für das Thema Verkehrswende interessiert oder den Naturschutz bedeutsam findet, wird sich für Planungen und Vorhaben interessieren, die diese Themen berühren.
Wenn die beiden genannten Motive nicht gegeben sind, dann können verschiedene Marketingansätze die Formate von Bürgerbeteiligung bewerben. Frühzeitige, transparente Information sind Basis der Bewerbung. Interessante Begleitprogramme, gute Social-Media-Kampagnen und dann vor allem aufsuchende Arbeit und Kommunikation dort, wo andere Kanäle nicht wahrgenommen oder genutzt werden, sind weitere Maßnahmen.

Auffallend ist, dass mangelnde Information häufig als Grund genannt wird, wenn die Frage gestellt wird, warum einzelne sich nicht beteiligen. Dass diese Antwort vor allem Vertreter*innen der jüngeren Generation genannt haben, ist aufschlussreich. Die Generation der Studierenden oder Auszubildenden sind „digital Natives“, aufgewachsen mit einer selbstverständlichen Nutzung von digitalen Endgeräten: geschult, sich Informationen zu verschaffen und im Netz zu suchen, was sie wissen wollen.
Was gibt es also zu tun?
Mit dem Relaunch der städtischen Homepage ist die Darstellbarkeit auf Smartphones deutlich verbessert und das Thema Bürgerbeteiligung wird dort einen prominenten Platz einnehmen. Wir werden ein Onlinetool bereitstellen, dass es ermöglicht, Stimmungsbilder zu ganz vielen unterschiedlichen Fragestellung zu erzeugen. Das sollte mit Social-Media-Kampagnen beworben werden.

Die städtische Vorhabenliste muss stärker beworben und bekannt gemacht werden. Dort können sich die Bürger*innen einen Überblick über alle Vorhaben und Planungen verschaffen. Es kann gefiltert werden, eine Themen - oder stadtteilspezifische Suche ist möglich. Wir sehen hier ebenfalls im neuen städtischen Internetauftritt Chancen.

Wir werden weiter das tun, was wir begonnen haben - aufsuchend arbeiten, vor Ort gehen. Ziel der Arbeit ist, Momente der Selbstwirksamkeit zu erzeugen und erfahrbar zu machen, dass es sich lohnt, sich in der Stadt einzubringen.


Anlagen:             Anfrage der Erlanger Linken vom 28.02.2022