Der Bericht der Verwaltung dient zur Kenntnis.
Die im Jahr 2021 vom Bundestag verabschiedete Gesetzesreform widmet sich vielen, immer wieder monierten Problempunkten in der Betreuung und Vormundschaft und soll überkommene Defizite im Umgang mit (Pflege-)Kindern und Betreuungsbedürftigen ausräumen. Außerdem soll aus dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen das Gebot größtmöglicher Selbstbestimmung besser als bisher umgesetzt werden. Die Reform tritt zum 01.01.2023 in Kraft.
Die Schwerpunkte:
· Maßgebliche Verbesserung des Rechts betreuter Volljähriger auf Selbstbestimmung.
- Deutliche Stärkung der Rechte der Kinder Im Vormundschafts- und Sorgerecht.
- Stärkung der Rechte von Pflegeeltern bzw. Pflegekindern.
- Einführung eines außerordentlichen Notvertretungsrechts für Ehegatten im medizinischen Bereich.
Änderungen im
Betreuungsrecht:
Die Reform zielt auf eine Stärkung des Selbstbestimmungsrechts und der Autonomie unterstützungsbedürftiger Menschen. Es herrscht der strikte Grundsatz der Erforderlichkeit einer Betreuungsanordnung. Dieser Grundsatz besagt, dass eine Betreuung nur angeordnet werden darf, wenn sämtliche, einer Betreuungsanordnung vorgelagerten sozialrechtlichen Hilfen, nicht mehr aussichtsreich sind, um den Betroffenen ausreichend zu versorgen. Das Selbstbestimmungsrecht von Betroffenen soll gestärkt werden, indem diese in sämtlichen Stadien eines Betreuungsverfahrens persönlich eingebunden werden, ein Recht auf Information haben sowie ein Mitspracherecht bei der gerichtlichen Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ einer Betreuer*innenbestellung. Die Betroffenen sollen bei der Auswahl ihre Vorstellungen einbringen können und hierbei so weit wie möglich in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Gegen den freien Willen eines Volljährigen darf ein*e Betreuer*in nicht bestellt werden.
Die Wünsche der betreuten Personen haben grundsätzlich Vorrang und bestimmen das Betreuer*innenhandeln. Das Mittel der Stellvertretung soll der/die Betreuer*in nur dann einsetzen dürfen, wenn dies unbedingt erforderlich ist, weil die betreute Person im konkreten Fall zu einer eigenen vernunftbestimmten Handlung nicht (mehr) in der Lage ist.
Neues
Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG):
Sämtliche öffentlich-rechtlich geprägten Vorschriften zu
Betreuungsbehörden, Betreuungsvereinen sowie ehrenamtlichen und beruflichen
Betreuern werden nun im neuen BtOG zusammengefasst. Dieses regelt die
Zuständigkeit der Betreuungsbehörden und verpflichtet diese zur Ausschöpfung
von Beratungs- und Unterstützungsangeboten, um die Anordnung einer Betreuung
nach Möglichkeit zu vermeiden. Zur Verbesserung des Informations- und
Kenntnisniveaus ehrenamtlicher Betreuer*innen wird die Möglichkeit einer
Anbindung an einen anerkannten Betreuungsverein
(Betreuungsverein der Arbeiterwohlfahrt -ARWO-, Betreuungsnetz und Sozialdienst
katholischer Frauen -SkF- in Erlangen) sowie deren Verfahrensbegleitung und
Unterstützung durch diesen Verein neu eingeführt. Um die hierzu nötige
Planungssicherheit zu gewährleisten, erhalten sie einen gesetzlichen Anspruch
auf eine bedarfsgerechte finanzielle Ausstattung mit öffentlichen Mitteln durch
die Länder und Kommunen zur Wahrnehmung der ihnen zugewiesenen Aufgaben. Hier
wie auch beim neu einzuführenden formalen Registrierungsverfahren für
Berufsbetreuer*innen haben die Betreuungsstellen eine Schlüsselrolle. Diese
werden eigenständige Sozialbehörde und sog. Stammbehörde zur Überwachung
persönlicher und fachlicher Mindesteignungsvoraussetzungen, die
Berufsbetreuer*innen erfüllen müssen. Hier wird überprüft, ob die Betreuer*innen
die erforderliche persönliche Eignung und Zuverlässigkeit sowie eine
ausreichende Sachkunde für die Tätigkeit besitzen, bevor sie im neu zu
schaffenden Betreuer*innenregister aufgenommen werden. Hierüber hat die
Betreuungsstelle einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erlassen.
Änderungen im
Vormundschaftsrecht:
Im Vordergrund der bisherigen Regelungen steht vor allem die Vermögenssorge. Dies wird mit der Reform nun grundlegend geändert und das Mündel als Träger von Rechten mehr in den Vordergrund gerückt. Hierzu sieht die Reform u.a. vor, die verschiedenen Vormundschaftstypen zu einem Gesamtsystem zusammenzufügen und lediglich noch ehrenamtliche Vormünder vorrangig zu bestellen. Zwischen den übrigen Vormündern, also den beruflichen Vormündern einschließlich des Jugendamtes als Amtsvormund, wird künftig Gleichrangigkeit bestehen. Ähnlich dem Betreuungsrecht wird auch das Mündel künftig mehr Mitspracherechte erhalten, was natürlich die Verfahrensführung zeitintensiver machen wird.
Stärkung der Rechte der Pflegeeltern bzw. des Kindesrechts gegenüber Elternrechten:
Das Recht des Kindes soll gegenüber dem Recht der leiblichen Eltern gestärkt und Pflegeeltern unter bestimmten Voraussetzungen eher die Vormundschaft eingeräumt werden.
Eherechtliches Notvertretungsrecht:
Die Vertretungsmöglichkeiten des anderen Ehegatten in gesundheitlichen Notsituationen werden deutlich erweitert. In Fällen, in denen ein Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit bzw. einer Erkrankung vorübergehend nicht in der Lage ist, die Angelegenheiten seiner Gesundheitssorge zu regeln, erhält der andere Ehegatte ein auf drei Monate begrenztes gesetzliches Vertretungsrecht. Dem/der Notvertreter*in gegenüber sind die Ärzte für die Dauer der Vertretungszeit von der Schweigepflicht entbunden. Das Notvertretungsrecht besteht nicht bei getrenntlebenden Ehegatten, wenn dem behandelnden Arzt bekannt ist, dass der vertretene Ehegatte eine Vertretung durch den anderen Ehegatten nicht wünscht oder er bereits eine andere Person zu seiner Vertretung bevollmächtigt hat bzw. eine gerichtliche Betreuung angeordnet wurde.
Die mit der Gesetzesreform verbundenen erheblichen Aufgabenmehrungen können nur mit zusätzlichem Personal bewältigt werden. Als erster Schritt wurde dazu im Stellenplan 2022 eine Vollzeitstelle für eine*n Sachbearbeiter*in in der Betreuungsstelle geschaffen.
Anlagen: