Betreff
Umsetzung der Zweckentfremdungsverbotssatzung (ZwEVS)
Vorlage
VI/115/2022
Aktenzeichen
Referat VI
Art
Mitteilung zur Kenntnis

Der Bericht der Verwaltung dient zur Kenntnis.


 

1.   Rechtlicher Rahmen und Aufbauorganisation
Mit dem Inkrafttreten der Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsverbotssatzung – ZwEVS) am 07.02.2020 steht der Stadt Erlangen ein wichtiges Instrument zur Sicherung des Wohnraumbestands zur Verfügung. Hierdurch besteht für zweckfremde Wohnraumnutzung ein präventives Verbot mit Genehmigungsvorbehalt. Der Vollzug der Satzung ist derzeit im Referat für Planen und Bauen zugeordnet. Seit Mai 2021 steht hierfür eine Planstelle (mit kw-Vermerk zum 31.12.2023) zur Verfügung. Mit personalwirtschaftlichen Maßnahmen wird seit Inkrafttreten der ZwEVS zusätzlich unterstützt.

 

2.   Statistische Gesamtbetrachtung

Seit Inkrafttreten der ZwEVS bis zum Stichtag 31.12.2021 waren insgesamt 206 Fälle erfasst, die sich wie folgt in die verschiedenen Bereiche der Zweckentfremdung aufgliedern:

 

 

Von den 206 Gesamtfällen konnten bisher 127 Fälle abgeschlossen werden; dies entspricht einer Quote von rd. 61,7 %. 79 Fälle aus den vorangegangenen Jahren konnten noch nicht abschließend bearbeitet werden, dies entspricht einer Quote von rd. 38,3 %. Hinzu kommen weitere Fälle, die nach dem Stichtag fortlaufend eröffnet wurden.

 

Insgesamt konnten im Vollzug der ZwEVS bis zum vorgenannten Stichtag eine Gesamtwohnfläche von rd. 8.750 m² wieder dem Wohnungsmarkt zugeführt werden. Hiervon resultieren rd. 7.650 m² als beauflagte Kompensation durch Ersatzwohnraum aufgrund des Abbruchs von Bestandswohnraum. Bei weiteren rd. 1.100 m² konnte die zweckfremde Nutzung aufgrund anderer Zweckentfremdungstatbestände unterbunden bzw. verhindert werden.

 

Das Fallzahlaufkommen stellte sich in den Jahren 2020 und 2021 wie folgt dar:

 

Das Fallzahlaufkommen stieg von 92 Fällen im Jahr 2020 auf 114 Fälle im Jahr 2021. Auch unter Berücksichtigung des unterjährigen Beginns des Erfassungszeitraums zum 07.02.2020 ist ein deutlicher Fallzahlanstieg ersichtlich. Dieser resultiert vor allem aus vermehrten Aufgriffen und Meldungen von Leerständen. Da mit den Beseitigungen immer auch Baugenehmigungsverfahren verbunden sind, wurde bisher ein deutlicher Fokus auf diese Fälle gelegt, um auch die zeitnahe Wiederbebauung zu ermöglichen. Im Zuge dessen wurde i.d.R. sogar noch weit mehr neuer Wohnraum geschaffen.

 

3.   Herausforderungen, Zusammenarbeit und Außenwirkung

Bei Genehmigungsanträgen, v.a. für Beseitigungen, stellen die Eigentümer*innen grundsätzlich alle nötigen Unterlagen und Informationen zur Verfügung. Dem gegenüber stellt sich die Situation bei Aufgriffen und Meldungen von Leerständen und die Nutzungsänderungen weit komplexer dar. Die Mitwirkungsbereitschaft ist hier oftmals relativ gering. Sachverhalte und relevante Detailangaben müssen zeitaufwändig recherchiert sowie akribisch ermittelt und dokumentiert werden. Diese Ermittlungstätigkeit ist daher keine bloße Routine- oder Dokumentationstätigkeit, sondern erfordert in hohem Maß Sach- und Rechtskenntnis sowie Beurteilungsfähigkeit, um angemessen reagieren zu können.

 

Auf Initiative der Stadt Erlangen wird vom Bayerischen Städtetag ein regelmäßiger Erfahrungsaustauch organisiert. Verwaltungsintern finden ebenfalls fallbezogene Informationsaustausche mit anderen Dienststellen statt. Meldungen von möglichen Zweckentfremdungen durch Bürger*innen und Initiativen werden kontinuierlich entgegengenommen und entsprechend den Vorgaben der ZwEVS überprüft. Daneben führt aber auch der Austausch mit Verfahrensbeteiligten, z.B. Antragsteller*innen, Planungsbüros, Bau- und Immobilienunternehmen, zu einer weiteren Sensibilisierung für das Thema Zweckentfremdung als wesentlicher Bestandteil wohnungspolitischer Einwirkungsmöglichkeiten der Verwaltung.

 

4.   Erfolgsfaktoren, Potentiale und Ausblick

Wie vorgenannt, stellen die Kontaktaufnahmen im Rahmen des Verwaltungsvollzugs und damit auch das Verbreiten der Informationen unter den Betroffenen einen ersten wichtigen wie niederschwelligen Baustein dar. Nichtsdestotrotz sind für einen wirksamen Verwaltungsvollzug aber auch die zur Verfügung stehenden Ressourcen entscheidend. Die komplexen und zeitintensiven Fallkonstellationen erfordern es, dass die Fälle wiederkehrend und beharrlich verfolgt werden müssen bis eine satzungskonforme tatsächliche und dauerhafte Wohnnutzung nachgewiesen ist. Schnelle Erfolgsspitzen sind somit nicht zu erwarten. Es bedarf daher dauerhafter Anstrengungen, um die ersten aufgezeigten Erfolge zu verstetigen und soweit möglich zu steigern.

 

Da Mitteilungen über mögliche Zweckentfremdungen häufig nur mit geringen Angaben zum Sachverhalt erfolgen, prüft die Verwaltung aktuell auch die Möglichkeiten und Rahmenbedingungen zur Einführung eines strukturierten Melde-Tools für potentielle Zweckentfremdungen. Von Initiativen wurden sog. Leerstandsmelder-Portale angeregt, die teilweise aber mit nicht verifizierten Informationen oder außerhalb des Verwaltungseinflusses betrieben werden (siehe https://www.freiburg.de/pb/1379970.html).

Dem gegenüber steht eine Lösung von Seiten der Verwaltung, wie dies z.B. bereits seit längerem durch die Landeshauptstadt München praktiziert wird (siehe Raum für München (muenchen.de)). In dieser Variante können bereits alle Formen von Zweckentfremdungen – nicht nur Leerstände – mitgeteilt werden. Im Rahmen des interkommunalen Erfahrungsaustauschs wurden auch die Vorteile dieser Mitteilungsmöglichkeit, insb. Online-Funktion, konkretere Daten zum potentiellen Fall, herausgestellt. Es wurde aber auch deutlich darauf hingewiesen, dass hierdurch mit einem erhöhten Fallaufkommen zu rechnen ist. Die Einführung und der Betrieb solch eines Tools sollte daher immer im Einklang mit einer entsprechenden Personalausstattung stehen.

Da sich für die Bearbeitung von Beseitigungsfällen inzwischen eine sichere Verwaltungspraxis entwickelt hat, wird bezugnehmend auf die Entwicklung der Fallzahlen der Fokus in der Fallbearbeitung für das laufende Kalenderjahr hin zu den Leerständen und Nutzungsänderungen ausgerichtet.

 

5.   Beantwortung der Anfrage der Stadtratsgruppe der Erlangen Linken vom 28.02.2022

Die Verwaltung beantwortet in diesem Zuge auch die Anfrage der Stadtratsgruppe der Erlanger Linken vom 28.02.2022 – ebenso bezogen auf den Stichtag 31.12.2021 – wie folgt:

1.   Wie viele Wohnobjekte wurden seit Bestehen der ZwEVS durch Zutun der Stadtverwaltung wieder dem Wohnungsmarkt zugeführt?

Insgesamt wurden seit Bestehen der ZwEVS 85 Wohnobjekte wieder dem Wohnungsmarkt zugeführt.

2.   Wie viele unbearbeitete Fälle von Zweckentfremdung gibt es in Erlangen?

Es liegen keine gänzlich unbearbeiteten Fälle vor; von Seiten der Verwaltung werden immer erste Sachverhaltsermittlungen eingeleitet. Um die Fallbearbeitungszeiten weiter zu verbessern und auch aktiv Fälle aufzugreifen, bedarf es entsprechender personeller Ressourcen (s. Ziffer 4 Abs. 1 dieser Mitteilung zur Kenntnis).

3.   In wie vielen Fällen wurden die Wohnungseigentümer angeschrieben?

Grundsätzlich erfolgen in allen Fällen Anschreiben an die Wohnungseigentümer*innen oder -besitzer*innen. Lediglich in 12 Fällen wurden aufgrund des Ermittlungsstands des Sachverhalts bzw. aus verfahrensrechtlichen Gründen noch keine Anschreiben versandt.

4.   Wie oft wurde ein Bußgeld aufgrund von Zweckentfremdung verhängt? Wie hoch fielen diese aus?

Bisher wurde noch in keinem Fall ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eröffnet und somit auch keine Bußgelder verhängt. Alle Sachverhalte ließen sich bisher noch im regulären Ausgangsverfahren klären.

5.   Welche Arten der Zweckentfremdung kamen bisher wie häufig vor? (Gewerbliche Fremdenbeherbergung, Leerstand etc.)

Hierzu wird auf die Ausführungen zur statistischen Gesamtbetrachtung unter Ziffer 1 dieser Mitteilung zur Kenntnis verwiesen.

6.   In wie vielen Fällen wurde seit Bestehen der ZwEVS eine Genehmigung gem. §4 dieser Satzung erteilt. Gerne aufgeschlüsselt nach Grund der Genehmigung (siehe §5-7)

Die Anzahl der Genehmigungen nach gliedern sich wie folgt auf:

  4 Genehmigungen nach § 4 Abs. 2 i.V.m. § 5 als gebundene Entscheidung aufgrund vor-
   rangiger öffentlicher Interessen

56 Genehmigungen nach § 4 Abs. 3 i.V.m. § 6 als Ermessensentscheidung aufgrund von 

     Bereitstellung von Ersatzwohnraum

  0 Genehmigungen nach § 4 Abs. 3 i.V.m. § 7 als Ermessensentscheidung aufgrund von

     Entrichtung einer Ausgleichsgebühr

7.   Gemäß §4 (6) gilt eine Genehmigung nach einer Frist von 12 Monaten als erteilt. Bekanntlich ist die personelle Ausstattung zum Vollzug der Satzung jedoch nach wie vor sehr bescheiden. Kam es seit dem Bestehen der ZwEVS bereits zu Fällen von Genehmigungsfiktion?

Dieser Fristenlauf beginnt nicht nur mit einer bloßen Antragstellung, sondern erst ab Vorlage der vollständigen Unterlagen. Hierzu werden natürlich alle Antragstellenden rechtzeitig aufgefordert und auf die Vollständigkeit der Unterlagen hingewirkt. Anschließend erfolgt immer eine fristgerechte Bearbeitung. Somit kam es bisher noch zu keinen Fällen von Genehmigungsfiktion.

8.   Kann die Stadtverwaltung zusichern, dass mit dem vorhandenen Personal alle Anträge mit der gebotenen Sorgfalt innerhalb der geg. Frist bearbeitet werden können?

Alle Anträge werden auch weiterhin mit der gebotenen Sorgfalt und firstgerecht bearbeitet. Allerdings kann aus Sicht der Verwaltung bei dieser Prioritätensetzung ein umfassender Vollzug der ZwEVS und somit ein wirksames Einschreiten gegen alle Formen der Zweckentfremdung, insb. Aufgriffe von Leerstand oder Fremdenbeherbergung, nicht erreicht werden.

9.   Kann die Stadtverwaltung zusichern, dass rechtzeitig auch kurzfristig Stellenneuschaffungen (ggf. z.b.V.) erfolgen, bevor es zu Genehmigungsfiktion kommt?

Die Verwaltung wird die adäquate Personalausstattung im Blick behalten. Aufgrund der oben beschriebenen Fallzahl- und Tätigkeitsentwicklung und auch vorgenommenen Priorisierung (s. Ziffer 4 dieser Mitteilung zur Kenntnis) beabsichtigen wir auf Grundlage der anstehenden Personalbemessung Anträge für den Stellenplan 2023 sowohl auf Stellenneuschaffung als auch Wegfall des kw-Vermerks der jetzigen Planstelle einzubringen.

 

 


Anlagen:        Anfrage der Stadtratsgruppe der Erlanger Linken vom 28.02.2022