Betreff
CSU-Antrag 073/2019 Bessere Flächenabdeckung mit Defibrillatoren im Stadtgebiet; hier: aktueller Sachstand
Vorlage
52/058/2021
Aktenzeichen
I/52
Art
Mitteilung zur Kenntnis

Der Bericht der Verwaltung dient zur Kenntnis.


1.      Ausgangssituation

Die Stadt Erlangen setzt sich als Kommune für die Gesundheit ihrer Bürgerinnen und Bürger ein. Im Amt für Sport und Gesundheitsförderung wurden bereits existierende Projekte der Gesundheitsförderung und Prävention seit 2020 im neu geschaffenen Sachgebiet Kommunale Gesundheitsförderung zusammengeführt.

Auf einen Antrag der CSU-Stadtratsfraktion vom 7. Mai 2019 zur besseren Flächenabdeckung mit Defibrillatoren im Stadtgebiet Erlangen hin befasst sich das Amt für Sport und Gesundheitsförderung mit der Entwicklung eines Konzeptes zu automatisierten externen Defibrillatoren (AED) im öffentlichen Raum.

1.1   Begriffsbestimmungen

·         AED = automatisierter externer Defibrillator

Gerät, das den Herzrhythmus eines Patienten selbstständig analysiert. Im Fall von Herzkammerflimmern wird ein Elektroschock verabreicht, um einen regelmäßigen Herzrhythmus wiederherzustellen.  Das Gerät gibt zudem Anweisungen zur Herzdruckmassage. Analysiert das Gerät einen Herzstillstand werden nur die Anweisungen zur Herzdruckmassage gegeben (IQWiG 2017)

Verschiedene Personenkreise können AED anwenden:

o   Fachpersonal aus Medizin und Rettungsdienst (à Mobile AEDs in Einsatzfahrzeugen)

o   First Responder (professionalle ehrenamtliche Ersthelfer, z. T. organisiert in Gruppen)

o   Geschulte Ersthelfer oder Laien (à PAD)

·         PAD = Public access defibrillation (Laiendefibrillation)

Vorhaltung von AEDs an öffentlichen Orten mit hohem Personenaufkommen. Ziel ist es, durch Erweiterung der AED-Anwenderkreise auf medizinische Laien soll die Defibrillation zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt (möglichst innerhalb von 5 Minuten) erfolgen. (Institut für Notfallmedizin und Medizinmanagement, Klinikum der Universität München 2004, Deutsche Gesellschaft für Kardiologie 2005)

 

1.2   Defibrillatoren und PAD-Programme in Deutschland

AED spielen eine zunehmende Rolle in der Notfallrettung bzw. in der Ersten Hilfe. Zum einen sind AED im Rahmen der betrieblichen Ersten Hilfe bereits vielerorts etabliert. Zum anderen machen sich Kommunen und Landkreise auf den Weg, öffentlich zugängliche AED zur Laiendefibrillation bzw. PAD-Programme zu etablieren. Beispiele sind Initiativen wie die „Herzsicheren Regionen“ der Björn Steiger Stiftung[1] oder die öffentlichkeitswirksame Kampagne „Bamberg schockt“, die die Bevölkerung mittels einer App über vorhandene AED-Standorte informiert.[2] Programme von Hilfsorganisationen, beispielsweise „Berlin schockt“ vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) kombinieren in ihrer App die AED-Standortermittlung mit einer Alarmierung von ausgebildeten ehrenamtlichen Ersthelfern (First Responder) in der Nähe oder sind mit der jeweiligen Rettungsleitstelle verknüpft.[3]

Für AED gibt es in Deutschland jedoch derzeit keine Registerpflicht. Sogenannte Public Access Defibrillation-Programme (PAD-Programme), die die Vorhaltung von AEDs an öffentlichen Orten mit hohem Personenaufkommen vorsehen, werden nicht einheitlich umgesetzt. Ziel von PAD ist es, durch Erweiterung der AED-Anwenderkreise auf medizinische Laien die außerklinische Defibrillation im Notfall zum frühestmöglichen Zeitpunkt, möglichst noch vor Eintreffen der Einsatzkräfte, zu ermöglichen. Etwa 15 bis 20 Prozent aller außerklinischen Herzkreislaufstillstände finden im öffentlichen Raum statt, ca. 80 Prozent ereignen sich im häuslichen Umfeld (Institut für Notfallmedizin und Medizinmanagement, Klinikum der Universität München 2004, Deutsche Gesellschaft für Kardiologie 2005). Die Aussagen zur Wirksamkeit von PAD-Programmen im Rahmen von wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen kein einheitliches Bild. Einerseits gibt es Erkenntnisse, dass eine Reanimation bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand nur relativ selten, bei ca. 15 Prozent der Patientinnen und Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand von Laien vorgenommen wird. Als Gründe werden aufgeführt: „fehlende Geräte in greifbarer Nähe, mangelnde Aufgeschlossenheit, Unklarheit des Verfahrens sowie organisatorische und juristische Probleme“ (Deutsche Gesellschaft für Kardiologie 2005).

Andererseits gibt es Hinweise, dass PAD-Programme unter Einbindung von organisierten ehrenamtlichen Ersthelferstrukturen (First-Responder-Strukturen) gute Erfolge in der Steigerung der Überlebenschancen erzielen. (Institut für Notfallmedizin und Medizinmanagement, Klinikum der Universität München 2004, Deutsche Gesellschaft für Kardiologie 2005).

Als entscheidende Einflussfaktoren für die Effektivität von AED-Programmen können folgende Bereiche identifiziert werden: zum einen die Aufklärung und Ausbildung der Bevölkerung, zum anderen die Verfügbarkeit von AED und deren Verteilungsmuster.

 

1.3   Standortauswahl bzw. Verteilungsmuster von AED

Zur Frage, an welchen Orten im öffentlichen Raum die Implementierung von AED sinnvoll ist und welche Verteilungsmuster empfehlenswert sind, gibt es verschiedene Ansätze:

·         Die Leitlinien des European Resuscitation Council (ERC) und der American Heart Association (AHA) empfehlen, AED im Rahmen von PAD-Programmen an solchen Orten zu installieren, an denen sich mindestens ein beobachteter Herz-Kreislauf-Stillstand alle zwei Jahre ereignet.

·         Die AHA empfiehlt darüber hinaus, AED im Rahmen von PAD-Programmen an solchen Orten vorzuhalten, an denen sich über 16 h am Tag ≥250 Personen mit einem Alter ≥50 Jahre (1000 Personen-Jahre) aufhalten.

·         Der Göttinger AED-Score kombiniert verschiedene Faktoren, beispielsweise die Inzidenz von Herzkreislaufstillständen und die Eintreffzeit der Rettungsdienste (Reinhart et al. 2010)

·         Der Verein Definetz e. V. entwickelte ein Standortplanungsinstrument für AED in Zusammenarbeit mit Stadtplanern, die u.a. die Verkehrswege berücksichtigen.

Eine einfachere Annäherung an die Bedarfsabschätzung für Kommunen bietet der Richtwert des Vereins Definetz e.V., dass ein AED je 1.000 Einwohnerinnen und Einwohnern eingeplant werden sollte. Bei einer Einwohnerzahl von ca. 112.000 werden für die Stadt Erlangen also etwa 112 AED empfohlen.

 

1.4   Aktueller Stand in Erlangen

Aktuell gibt es in der Stadt Erlangen keine verlässliche Übersicht über vorhandene AED. Zwar bestehen verschiedene Initiativen, die öffentlich zugängliche AED-Standorte erfassen – hauptsächlich in Form von Apps, beispielsweise das Defikataster von Definetz e.V.[4] oder regional gepflegte Apps von Hilfsorganisationen wie die Rotkreuz-Defi-und-Notfall-App des BRK. Eine zentral organisierte und einheitliche Lösung gibt jedoch derzeit noch nicht. Die Übersicht im Defikataster von Definetz e.V. und die Erfahrungen der mit Notfallrettung und Erste-Hilfe-Ausbildung betrauten Stellen und Hilfsorganisationen zeigen jedoch, dass bereits eine relativ gute AED-Abdeckung vorhanden ist. Es existieren Übersichten, wo welche Geräte innerhalb der städtischen Dienstgebäude, Schulen und Sportstätten und innerhalb der Liegenschaften der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg vorgehalten werden. Zudem sind große Betriebe sowie schätzungsweise ca. 50 Prozent der mittelständischen Betriebe mit AED ausgestattet. Lediglich in außenliegenden Ortsteilen gibt es nach aktuellem Kenntnisstand bislang kaum solche Geräte.

 

2.      Ziele und Maßnahmen

2.1   Übergeordnete Zielstellung

Zielstellung ist die Schaffung eines flächendeckenden Netzes öffentlich zugänglicher AED im Stadtgebiet, um in Notfällen im Zusammenhang mit Herzkammerflimmern und Herz-Kreislauf-Stillstand die Überlebenschancen durch eine Frühdefibrillation zu steigern.

2.2   Detailziele und Maßnahmen

Aus dem Ist-Zustand in Erlangen können folgende Detailziele und Maßnahmen abgeleitet werden (vgl. Tabelle 1 AED/Defibrillatoren im öffentlichen Raum: Detailziele und Maßnahmen im Anhang).

 

3.      Umsetzung

3.1  Erste Ergebnisse der Bestandsaufnahme der öffentlich zugänglichen AED

Aktuell sind etwa 68 AED-Standorte im Stadtgebiet zu ermitteln, davon 23 in Dienstgebäuden der Stadt Erlangen und 33 auf Liegenschaften der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Darüber hinaus wurden zwei AED im Rahmen der Sportförderung der Stadt Erlangen durch Sportvereine angeschafft.

Anhand der derzeit verfügbaren Informationen sind also 70 AED in Erlangen vorhanden. Allerdings fehlen noch Angaben weiterer großer Organisationen wie der Uniklinik und privatwirtschaftliche Unternehmen. Zusätzlich zu den „stationären AED“ verfügen Feuerwehren (Alterlangen, Eltersdorf, Hüttendorf) und Rettungsorganisationen über mobile AED vorhanden.

In Planung sind jeweils ein AED in Frauenaurach und Kriegenbrunn, die über das AED- Förderprogramm des Bayerischen Innenministeriums beantragt wurden.

 

Abb. 1: Kartenausschnitt Erlangen im Defi-Kataster von Definetz e. V. (Online unter: http://definetz.online/defikataster-hp; Stand: 17.09.2021)

 

3.2  Erste Bedarfseinschätzung

Geht man von einem Richtwert von 112 AED für das Erlanger Stadtgebiet aus, müssten etwa 40 AED-Standorte ergänzt werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Validierung der Bestandsaufnahme die erste Einschätzung noch verändert.

 

Im Hinblick auf mögliche Standorte für neue AED, zeigt die Übersichtkarte derzeit Leerstellen in folgenden Bereichen:

·         Alterlangen

·         Anger

·         Bruck

·         Büchenbach

·         Eltersdorf

·         Rathenau

 

3.3  Finanzierung

Neben Kosten für Öffentlichkeitsarbeit ist die Anschaffung von AED die größte zu erwartende Kostenposition. Empfehlenswert ist ein Kostenvergleich zwischen dem Gerätekauf und der Gerätemiete.

Ausgehend von einem geschätzten Bedarf von ca. 40 AED besteht ein Finanzierungsbedarf von etwa 100.000 €. Folgekosten für Wartung sind dabei noch nicht berücksichtigt.

Weitere Finanzierungsoptionen für die Anschaffung von AED:

·         Sportförderung Stadt Erlangen

Für Erlanger Sportvereine ist es aktuell bereits möglich, über die Sportförderung im Bereich Großgeräte eine Förderung der Stadt für AED zu beziehen.

 

·         AED-Förderprogramm des Bayerischen Innenministeriums

Im Jahr 2021 fordert das Bayerische Innenministerium im Rahmen der AED-Förderrichtlinie die Anschaffung von AED in den Gesundheitsregionenplus. Für die Stadt Erlangen wurden Ausgabemittel in Höhe von 5.756 EUR zugewiesen. Bewilligungsbehörde ist die Regierung Mittelfranken.

Zwei Förderanträge wurden bereits gestellt. Für einen AED in Frauenaurach wurde die Höchstsumme von 1.620 € bewilligt. Die Entscheidung über den Förderantrag aus Kriegenbrunn steht derzeit noch aus.

Mit dem Restbetrag der zugewiesenen Mittel können bis Jahresende 2021 noch etwa 1,5 AED im Stadtgebiet angeschafft werden. Es ist zwar denkbar, dass künftig nochmals Mittel für die Förderrichtlinie bereitgestellt werden. Konkrete Planungen dazu sind allerdings noch nicht bekannt.

·         Stiftungsmittel und Sponsoren

Eine bundesweit tätige Stiftung, die sich für die Laiendefibrillation einsetzt, ist die Björn Steiger Stiftung. Auch die Zusammenarbeit mit weiteren (lokalen) Sponsoren und Stiftungen ist denkbar.

 


Anlagen:        AED/Defibrillatoren im öffentlichen Raum: Detailziele und Maßnahmen