Der Bericht der Verwaltung dient zur Kenntnis.
1. Ausgangssituation
Die Stadt Erlangen setzt sich als Kommune für die Gesundheit ihrer Bürgerinnen und Bürger ein. Im Amt für Sport und Gesundheitsförderung wurden bereits existierende Projekte der Gesundheitsförderung und Prävention seit 2020 im neu geschaffenen Sachgebiet Kommunale Gesundheitsförderung zusammengeführt.
Auf einen Antrag der CSU-Stadtratsfraktion vom 7. Mai 2019 zur besseren Flächenabdeckung mit Defibrillatoren im Stadtgebiet Erlangen hin befasst sich das Amt für Sport und Gesundheitsförderung mit der Entwicklung eines Konzeptes zu automatisierten externen Defibrillatoren (AED) im öffentlichen Raum.
1.1
Begriffsbestimmungen
·
AED = automatisierter externer
Defibrillator
Gerät,
das den Herzrhythmus eines Patienten selbstständig analysiert. Im Fall von
Herzkammerflimmern wird ein Elektroschock verabreicht, um einen regelmäßigen
Herzrhythmus wiederherzustellen. Das
Gerät gibt zudem Anweisungen zur Herzdruckmassage. Analysiert das Gerät einen
Herzstillstand werden nur die Anweisungen zur Herzdruckmassage gegeben (IQWiG
2017)
Verschiedene
Personenkreise können AED anwenden:
o
Fachpersonal aus Medizin und Rettungsdienst (à
Mobile AEDs in Einsatzfahrzeugen)
o
First Responder (professionalle ehrenamtliche Ersthelfer, z. T.
organisiert in Gruppen)
o
Geschulte Ersthelfer oder Laien (à PAD)
·
PAD = Public access defibrillation (Laiendefibrillation)
Vorhaltung
von AEDs an öffentlichen Orten mit hohem Personenaufkommen. Ziel ist es, durch Erweiterung
der AED-Anwenderkreise auf medizinische Laien soll die Defibrillation zu einem
frühestmöglichen Zeitpunkt (möglichst innerhalb von 5 Minuten) erfolgen. (Institut für Notfallmedizin und
Medizinmanagement, Klinikum der Universität München 2004, Deutsche
Gesellschaft für Kardiologie 2005)
1.2
Defibrillatoren und PAD-Programme in Deutschland
AED spielen eine zunehmende
Rolle in der Notfallrettung bzw. in der Ersten Hilfe. Zum einen sind AED im
Rahmen der betrieblichen Ersten Hilfe bereits vielerorts etabliert. Zum anderen
machen sich Kommunen und Landkreise auf den Weg, öffentlich zugängliche AED zur
Laiendefibrillation bzw. PAD-Programme zu etablieren. Beispiele sind
Initiativen wie die „Herzsicheren Regionen“ der Björn Steiger Stiftung[1]
oder die öffentlichkeitswirksame Kampagne „Bamberg schockt“, die die
Bevölkerung mittels einer App über vorhandene AED-Standorte informiert.[2]
Programme von Hilfsorganisationen, beispielsweise „Berlin schockt“ vom
Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) kombinieren in ihrer App die
AED-Standortermittlung mit einer Alarmierung von ausgebildeten ehrenamtlichen
Ersthelfern (First Responder) in der Nähe oder sind mit der jeweiligen
Rettungsleitstelle verknüpft.[3]
Für AED gibt es in Deutschland
jedoch derzeit keine Registerpflicht. Sogenannte Public Access
Defibrillation-Programme (PAD-Programme), die die Vorhaltung von AEDs an
öffentlichen Orten mit hohem Personenaufkommen vorsehen, werden nicht
einheitlich umgesetzt. Ziel von PAD ist es, durch Erweiterung der AED-Anwenderkreise
auf medizinische Laien die außerklinische Defibrillation im Notfall zum
frühestmöglichen Zeitpunkt, möglichst noch vor Eintreffen der Einsatzkräfte, zu
ermöglichen. Etwa 15 bis 20 Prozent aller außerklinischen
Herzkreislaufstillstände finden im öffentlichen Raum statt, ca. 80 Prozent
ereignen sich im häuslichen Umfeld (Institut für Notfallmedizin und Medizinmanagement, Klinikum der
Universität München 2004, Deutsche Gesellschaft für Kardiologie 2005). Die Aussagen zur Wirksamkeit von PAD-Programmen im
Rahmen von wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen kein einheitliches Bild.
Einerseits gibt es Erkenntnisse, dass eine Reanimation bei Patienten mit
Herz-Kreislauf-Stillstand nur relativ selten, bei ca. 15 Prozent der
Patientinnen und Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand von Laien vorgenommen
wird. Als Gründe werden aufgeführt: „fehlende Geräte in greifbarer Nähe,
mangelnde Aufgeschlossenheit, Unklarheit des Verfahrens sowie organisatorische
und juristische Probleme“ (Deutsche
Gesellschaft für Kardiologie 2005).
Andererseits gibt es Hinweise,
dass PAD-Programme unter Einbindung von organisierten ehrenamtlichen
Ersthelferstrukturen (First-Responder-Strukturen) gute Erfolge in der
Steigerung der Überlebenschancen erzielen. (Institut für Notfallmedizin und Medizinmanagement, Klinikum der
Universität München 2004, Deutsche Gesellschaft für Kardiologie 2005).
Als entscheidende
Einflussfaktoren für die Effektivität von AED-Programmen können folgende
Bereiche identifiziert werden: zum einen die Aufklärung und Ausbildung der
Bevölkerung, zum anderen die Verfügbarkeit von AED und deren Verteilungsmuster.
1.3
Standortauswahl bzw. Verteilungsmuster von AED
Zur Frage, an welchen Orten im öffentlichen Raum die
Implementierung von AED sinnvoll ist und welche Verteilungsmuster
empfehlenswert sind, gibt es verschiedene Ansätze:
· Die Leitlinien des European Resuscitation Council (ERC) und der American Heart Association (AHA) empfehlen, AED im Rahmen von PAD-Programmen an solchen Orten zu installieren, an denen sich mindestens ein beobachteter Herz-Kreislauf-Stillstand alle zwei Jahre ereignet.
·
Die AHA empfiehlt darüber hinaus, AED im Rahmen von PAD-Programmen
an solchen Orten vorzuhalten, an denen sich über 16 h am Tag ≥250
Personen mit einem Alter ≥50 Jahre (1000 Personen-Jahre) aufhalten.
· Der Göttinger AED-Score kombiniert verschiedene Faktoren, beispielsweise die Inzidenz von Herzkreislaufstillständen und die Eintreffzeit der Rettungsdienste (Reinhart et al. 2010)
· Der Verein Definetz e. V. entwickelte ein Standortplanungsinstrument für AED in Zusammenarbeit mit Stadtplanern, die u.a. die Verkehrswege berücksichtigen.
Eine einfachere Annäherung an
die Bedarfsabschätzung für Kommunen bietet der Richtwert des Vereins Definetz
e.V., dass ein AED je 1.000 Einwohnerinnen und Einwohnern eingeplant werden
sollte. Bei einer Einwohnerzahl von ca. 112.000 werden für die Stadt Erlangen
also etwa 112 AED empfohlen.
1.4
Aktueller Stand in Erlangen
Aktuell gibt es in der Stadt
Erlangen keine verlässliche Übersicht über vorhandene AED. Zwar bestehen
verschiedene Initiativen, die öffentlich zugängliche AED-Standorte erfassen –
hauptsächlich in Form von Apps, beispielsweise das Defikataster von Definetz
e.V.[4]
oder regional gepflegte Apps von Hilfsorganisationen wie die
Rotkreuz-Defi-und-Notfall-App des BRK. Eine zentral organisierte und
einheitliche Lösung gibt jedoch derzeit noch nicht. Die Übersicht im
Defikataster von Definetz e.V. und die Erfahrungen der mit Notfallrettung und
Erste-Hilfe-Ausbildung betrauten Stellen und Hilfsorganisationen zeigen jedoch,
dass bereits eine relativ gute AED-Abdeckung vorhanden ist. Es existieren
Übersichten, wo welche Geräte innerhalb der städtischen Dienstgebäude, Schulen
und Sportstätten und innerhalb der Liegenschaften der
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg vorgehalten werden. Zudem
sind große Betriebe sowie schätzungsweise ca. 50 Prozent der mittelständischen
Betriebe mit AED ausgestattet. Lediglich in außenliegenden Ortsteilen gibt es
nach aktuellem Kenntnisstand bislang kaum solche Geräte.
2. Ziele und
Maßnahmen
2.1
Übergeordnete Zielstellung
Zielstellung ist die Schaffung eines flächendeckenden Netzes öffentlich zugänglicher AED im Stadtgebiet, um in Notfällen im Zusammenhang mit Herzkammerflimmern und Herz-Kreislauf-Stillstand die Überlebenschancen durch eine Frühdefibrillation zu steigern.
2.2
Detailziele und Maßnahmen
Aus dem Ist-Zustand in Erlangen können folgende Detailziele und Maßnahmen abgeleitet werden (vgl. Tabelle 1 AED/Defibrillatoren im öffentlichen Raum: Detailziele und Maßnahmen im Anhang).
3. Umsetzung
3.1 Erste
Ergebnisse der Bestandsaufnahme der öffentlich zugänglichen AED
Aktuell sind etwa 68 AED-Standorte im Stadtgebiet zu
ermitteln, davon 23 in Dienstgebäuden der Stadt Erlangen und 33 auf
Liegenschaften der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Darüber hinaus wurden zwei AED im Rahmen der
Sportförderung der Stadt Erlangen durch Sportvereine angeschafft.
Anhand der derzeit verfügbaren Informationen sind
also 70 AED in Erlangen vorhanden. Allerdings fehlen noch Angaben weiterer
großer Organisationen wie der Uniklinik und privatwirtschaftliche Unternehmen.
Zusätzlich zu den „stationären AED“ verfügen Feuerwehren (Alterlangen,
Eltersdorf, Hüttendorf) und Rettungsorganisationen über mobile AED vorhanden.
In Planung sind jeweils ein AED in Frauenaurach und
Kriegenbrunn, die über das AED- Förderprogramm des Bayerischen Innenministeriums
beantragt wurden.
Abb. 1: Kartenausschnitt Erlangen
im Defi-Kataster von Definetz e. V. (Online unter: http://definetz.online/defikataster-hp; Stand: 17.09.2021)
3.2 Erste
Bedarfseinschätzung
Geht man von einem Richtwert von 112 AED für das
Erlanger Stadtgebiet aus, müssten etwa 40 AED-Standorte ergänzt werden. Es ist
jedoch davon auszugehen, dass die Validierung der Bestandsaufnahme die erste
Einschätzung noch verändert.
Im Hinblick auf mögliche Standorte für neue AED,
zeigt die Übersichtkarte derzeit Leerstellen in folgenden Bereichen:
·
Alterlangen
·
Anger
·
Bruck
·
Büchenbach
·
Eltersdorf
·
Rathenau
3.3 Finanzierung
Neben Kosten für Öffentlichkeitsarbeit ist die Anschaffung von AED die größte
zu erwartende Kostenposition. Empfehlenswert ist ein Kostenvergleich zwischen
dem Gerätekauf und der Gerätemiete.
Ausgehend von
einem geschätzten Bedarf von ca. 40 AED besteht ein Finanzierungsbedarf von
etwa 100.000 €. Folgekosten für Wartung sind dabei noch nicht berücksichtigt.
Weitere
Finanzierungsoptionen für die Anschaffung von AED:
·
Sportförderung Stadt Erlangen
Für Erlanger Sportvereine ist es aktuell bereits möglich, über die
Sportförderung im Bereich Großgeräte eine Förderung der Stadt für AED zu
beziehen.
·
AED-Förderprogramm des Bayerischen Innenministeriums
Im Jahr 2021 fordert das Bayerische Innenministerium im Rahmen der AED-Förderrichtlinie die Anschaffung von AED in den Gesundheitsregionenplus. Für die Stadt Erlangen wurden Ausgabemittel in Höhe von 5.756 EUR zugewiesen. Bewilligungsbehörde ist die Regierung Mittelfranken.
Zwei Förderanträge wurden bereits gestellt. Für einen AED in Frauenaurach
wurde die Höchstsumme von 1.620 € bewilligt. Die Entscheidung über den
Förderantrag aus Kriegenbrunn steht derzeit noch aus.
Mit dem Restbetrag der zugewiesenen Mittel können bis Jahresende 2021
noch etwa 1,5 AED im Stadtgebiet angeschafft werden. Es ist zwar denkbar, dass
künftig nochmals Mittel für die Förderrichtlinie bereitgestellt werden.
Konkrete Planungen dazu sind allerdings noch nicht bekannt.
·
Stiftungsmittel und Sponsoren
Eine bundesweit tätige Stiftung, die sich für die Laiendefibrillation
einsetzt, ist die Björn Steiger Stiftung. Auch die Zusammenarbeit mit weiteren
(lokalen) Sponsoren und Stiftungen ist denkbar.
[2] https://www.bamberg-schockt.de/ (16.09.2021)
[4] Online unter: http://definetz.online/defikataster-hp
Anlagen: AED/Defibrillatoren im öffentlichen Raum: Detailziele und Maßnahmen