Betreff
Sachstand zum Leerstand von Wohngebäuden;
Beantwortung einer Anfrage der Grüne Liste Stadtratsfraktion
Vorlage
VI/087/2021
Aktenzeichen
Referat VI
Art
Mitteilung zur Kenntnis

Der Bericht der Verwaltung dient zur Kenntnis.


Die Grüne Liste-Stadtratsfraktion stellte eine Anfrage an den Oberbürgermeister bezüglich des Sachstands zum Leerstand von acht konkret benannten Objekten. Die einzelnen Fragen hierzu werden im Folgenden wiedergegeben und von der Verwaltung, soweit datenschutzrechtlich zulässig, wie folgt beantwortet:

·      Wurde Kontakt zu den Besitzer*innen der angegebenen oder weiteren betroffenen Immobilien aufgenommen?
Mit den Eigentümer*innen bzw. zuständigen Stellen wurde – teilweise auch bereits in anderem Zusammenhang – Kontakt aufgenommen.

In zwei Fällen steht eine Veräußerung zeitnah bevor bzw. wurde bereits vollzogen; anschließend sollen die Objekte abgerissen und neuer Wohnraum am gleichen Ort geschaffen werden. Bei zwei Fällen wird die tatsächliche Wohnsituation eruiert. In einem Fall muss die bauliche Situation noch näher betrachtet werden. Bei einem Fall ist die Erbsituation noch ungeklärt, in einem weiteren Fall laufen die Kontaktaufnahmen noch. Ein Fall wurde beendet, da es sich um keinen Wohnraum i.S.d. Zweckentfremdungsverbotssatzung (ZwEVS) handelt.
Im Zuge der Sachbearbeitung werden ggf. auch weitere betroffene Immobilien recherchiert und abgehandelt.

·      Welche Instrumente kann die Stadt nutzen, um diese Gebäude wieder einer Wohnnutzung zukommen zu lassen?
Aufgrund der Zweckentfremdungsverbotssatzung (ZwEVS) besteht für die Zweckentfremdung von Wohnraum ein präventives Verbot mit dem Vorbehalt der Genehmigung durch die Stadt. Dies stellt bereits das erste Instrument auf Basis des Zweckentfremdungsrechts dar. Der Antrag auf Genehmigung muss schriftlichen mit den erforderlichen Unterlagen gestellt werden – hierin kann bereits ein zweites Instrument gesehen werden.
Grundsätzlich stellen die Informationen der Öffentlichkeit über das Thema Zweckentfremdung von Wohnraum und Kontaktaufnahmen im Rahmen des Verwaltungsvollzugs zu Eigentümer*innen, Nutzer*innen und Planungsbüros als auch das Verbreiten der Informationen unter den Betroffenen daneben wichtige, niederschwellige Instrumente dar. Die Satzung schafft hierfür aber erst die Grundlage, um auf diesem Gebiet als Stadtverwaltung tätig werden zu können und ermöglicht so auch erst ein durchsetzbares Verwaltungshandeln. Daneben erfolgen interne Erfahrungs- und Informationsaustausche, mit anderen Dienststellen, Kommunen usw., um mögliche Zweckentfremdungen zu erkennen, hierfür zu sensibilisieren und diesen zu begegnen.
Im Rahmen der Fallbearbeitung wird jeweils geprüft, ob es sich im Sinne der Satzung überhaupt um Wohnraum und eine Zweckentfremdung handelt und wenn ja, ob diese genehmigungsfähig ist. Als weitere Instrumente sind die dinglich Verfügungsberechtigten, Besitzer*innen, Verwalter*innen und Vermittler*innen der Wohnung – sowie grds. auch Diensteanbieter i.S.d. Telemediengesetzes – gegenüber der Stadt zur Erteilung von Auskünften und Vorlage von Unterlagen verpflichtet, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Vorschriften des Zweckentfremdungsgesetzes (ZwEWG) und darauf erlassener Satzungen zu überwachen. Sie haben dazu auch den von der Stadt beauftragten Personen zu ermöglichen, zu angemessener Tageszeit Grundstücke, Gebäude, Wohnungen und Wohnräume zu betreten.
Im Falle eines negativen Prüfergebnisses muss vor Erlass eines ablehnenden Bescheides eine förmliche Anhörung im Verwaltungsverfahren erfolgen. Hierin wird den Antragsteller*innen auch mitgeteilt, welche weiteren Maßnahmen, z.B. Anordnung der Beendigung einer nicht genehmigungsfähigen Zweckentfremdung und Wiederzuführung des Wohnraumes zu Wohnzwecken, von Seiten der Verwaltung als weitere Instrumente beabsichtigt sind. Hierzu wird Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Die Genehmigung zur Zweckentfremdung von Wohnraum kann befristet, bedingt oder unter Auflagen erteilt werden, insbesondere um Genehmigungshindernisse auszuräumen oder die Zweckentfremdung so gering wie möglich zu halten. Von diesen Instrumenten wird in jeder Fallbearbeitung Gebrauch gemacht. Die Genehmigung, deren Nebenbestimmungen oder Anordnungen können mit Mitteln des Verwaltungszwangs durchgesetzt werden.
Darüber hinaus kann mit Geldbuße bis zu fünfhunderttausend Euro belegt werden, wer ohne die erforderliche Genehmigung Wohnraum für andere als Wohnzwecke verwendet oder überlässt. Mit Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro kann belegt werden, wer Auskünfte nicht, nicht richtig oder nicht vollständig erteilt oder Unterlagen nicht oder nicht vollständig vorlegt.

·      Führt die Stadt eine vollständige Auflistung von Leerständen in Bezug auf Wohnen und Gewerbe? Warum greift hier die Zweckentfremdungssatzung nicht?
In Bezug auf Wohnen besteht verwaltungsintern eine fallbezogene Auflistung von Leerständen. Diese umfasst alle abgeschlossenen, laufenden und noch zu bearbeitenden Fälle.
Sie könnte aus Sicht der Verwaltung aber nicht ohne erheblichen personellen und finanziellen Aufwand mit dem vermutlich implizierten bzw. erwarteten Vollständigkeits- und Aktualitätsgrad geführt werden. Gleichwohl werden aber natürlich alle uns bekannt werdenden Objekte aufgenommen, sukzessive geprüft und dem Sachstand entsprechend bearbeitet.
Darüber hinaus wird angemerkt, dass auf Basis der ZwEVS so eine – vollständige und anlasslose – Datenerhebung nicht gestützt werden kann. Einer generellen und flächendeckenden Auskunftsberechtigung begegnet gemäß Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. August 2019 (Az.: 12 ZB 19.333) nämlich durchgreifenden Bedenken. Die Datenerhebung ist demnach lediglich im jeweiligen Einzelfall zulässig. Erforderlich ist immer ein konkreter personen- oder objektbezogener Anfangsverdacht, dem auf Grundlage der Satzung nachgegangen wird. Andere Rechtsgrundlagen hierfür sind der Verwaltung auch nicht bekannt.
Bezogen auf Gewerbe kann mitgeteilt werden, dass hierfür die ZwEVS auch inhaltlich keine Grundlage darstellen würde. Unter Federführung der Wirtschaftsförderung in enger Koordination mit dem City Management wird jedoch ein Leerstandsmanagement systematisiert und intensiviert. Ziel ist es, einen engeren Kontakt zu Eigentümer*innen/Vermieter*innen aber auch Mieter*innen zu etablieren und so drohenden Leerständen besser entgegenwirken zu können. Erfasst werden erdgeschossige Gewerbeeinheiten in der Innenstadt (= von der Nördlichen Stadtmauerstraße bis Werner-von-Siemens-Straße und Westliche Stadtmauerstraße bis Bismarckstraße). Der Leerstand beträgt rund 7,9 % (Stand 08/2020).

·      Könnte eine Leerstandssteuer oder Leerstandsabgabe eingeführt werden?
Die Verwaltung kann hierzu folgendes mitteilen:
Die Zulässigkeit der Erhebung örtlicher Verbrauchs- oder Aufwandssteuern ist im Freistaat Bayern an den Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes (KAG) messen. Eine Steuer auf leerstehende Wohnungen wäre als Aufwandssteuer zu qualifizieren, so dass diese grundsätzlich Art. 3 KAG unterfallen würde. Auch höherrangiges Recht würde durch eine Einführung nicht verletzt, da diese Steuer den in Art. 105 und 106 GG genannten Steuertypen nicht widerspräche. Die Einführung einer derartigen Steuer bedürfe allerdings einer rechtsaufsichtlichen Genehmigung und einer Zustimmung des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren, für Sport und Integration (Art. 2 Abs. 3 Satz 2 KAG).
Jedoch hat der bayerische Gesetzgeber in Gebieten, in denen Wohnraummangel besteht, die Gemeinden zum Erlass einer Zweckentfremdungssatzung ermächtigt, die Wohnungsleerstände mit Geldbußen belegt (Art. 4 Satz 1 ZwEWG). Eine entsprechende Satzung hat die Stadt Erlangen bereits erlassen. Der Freistaat Bayern hat sich für die Sanktionierung des Leerstandes von Wohnungen bereits für die Einordnung als Ordnungswidrigkeit und Erhebung von Geldbußen entschieden. Für eine zusätzliche „Wohnungsleerstandssteuer“ ist daher kein Raum mehr (Widerspruch gegen höherrangiges Recht, Art. 2 Abs. 3 Satz 3 KAG), so dass die Rechtsaufsichtsbehörde eine solche Steuer nicht genehmigen würde.

 


Anlagen: