Betreff
Bauplanungsrechtsnovelle 2021 - Neuerungen im Baugesetzbuch und in der Baunutzungsverordnung
Vorlage
611/075/2021
Aktenzeichen
VI/61
Art
Mitteilung zur Kenntnis

Der Bericht der Verwaltung dient zur Kenntnis.


Am 23.06.2021 ist das „Baulandmobilisierungsgesetz“ in Kraft getreten, durch das die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen wurden, um den Wohnungsbau zu erleichtern, die Verfahren zu vereinfachen und so die Prozesse zur Schaffung von Wohnraum zu beschleunigen. Inhaltlich wurden die Empfehlungen der sog. Baulandkommission vom 02.07.2019 umgesetzt. Durch die Novelle werden das Baugesetzbuch (BauGB) und die Baunutzungsverordnung (BauNVO) geändert. Im Folgenden werden die für Erlangen wesentlichen Änderungen aufgezeigt und erläutert.

 

1.   Sofort einsetzbare Neuerungen:

Sektoraler Bebauungsplan, § 9 Abs. 2d BauGB

Mit dem neuen Planungsinstrument für den unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) können gezielt Bebauungspläne für den (geförderten) Wohnungsbau aufgestellt werden. Es können Flächen festgesetzt werden, auf denen Wohngebäude oder Gebäude mit (einzelnen) förderfähigen Wohnungen errichtet werden dürfen. Außerdem kann festgesetzt werden, dass Vorhabenträger verpflichtet werden, die Förderbedingungen (insbesondere Miet- und Belegungsbedingungen) einzuhalten und in geeigneter Weise sicherzustellen. Die Regelung ist zeitlich befristet ins BauGB aufgenommen (Aufstellungsbeschluss bis spätestens 31.12.2024 und Satzungsbeschluss bis spätestens 31.12.2026).

 

Wiedereinführung des § 13b BauGB – Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren:

Das Verfahren wurde mit neuen Fristen wiedereingeführt (Aufstellungsbeschluss bis spätestens 31.12.2022 und Satzungsbeschluss bis spätestens 31.12.2024). Sollten nach der alten Regelung bereits eingeleitete Verfahren nicht bis zum Stichtag 31.12.2021 abgeschlossen werden können, empfiehlt es sich für die Rechtssicherheit, einzelne Verfahrensschritte auf Basis der neuen Regelung zu wiederholen.

 

Grundlage für städtebauliche Konzepte der Innenentwicklung (§ 176 a BauGB)

Es wurde ein Instrument in das Baugesetzbuch eingeführt, das die Entwicklung und bauliche Nutzbarmachung ungenutzter Grundstücke und die Schließung von Baulücken auch bei unzusammenhängend im Gemeindegebiet verteilt liegenden Grundstücken erleichtern soll. Die Gemeinde kann das städtebauliche Entwicklungskonzept zum Bestandteil der Begründung eines Bebauungsplans machen.

 

Neue Baugebietskategorie: dörfliche Wohngebiete (§5a BauNVO)

Es wurde eine neue Baugebietskategorie eingeführt, um das Zusammenleben in sich wandelnden ländlichen Räumen und ein einvernehmliches Miteinander von Wohnen (Neubau und Bestand), landwirtschaftlichen Betrieben und gewerblicher Nutzung zu erleichtern. § 5 a BauNVO erhält eine stärkere wohnbauliche Prägung. Die Nutzungsmischung muss nicht gleichgewichtig sein. Das dörfliche Wohngebiet kann wie das Urbane Gebiet (MU) nicht als faktisch Gebietskategorie im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB herangezogen werden.

 

Orientierungswerte statt Obergrenzen (§17 BauNVO)

Bisher galten die festgelegten Obergrenzen bezüglich des Maßes der baulichen Nutzung hinsichtlich der Grundflächenzahl (GRZ), Geschossflächenzahl (GFZ) und Baumassenzahl (BMZ). Aus städtebaulichen Gründen konnten diese Obergrenzen überschritten werden (Absatz 2). Dies musste im Bebauungsplanverfahren ausführlich begründet werden. Durch die Umwandlung der Maßobergrenzen in Orientierungswerte entfällt die Ausnahmeregelung des Absatz 2, so dass bei Überschreitungen der Werte Erleichterungen in Bezug auf die bisher erforderliche Begründungstiefe in Bebauungsplanverfahren zu erwarten sind.

 

2.   Einsetzbare Instrumente nach Inkrafttreten der Landesverordnung über angespannte Wohnungsmärkte

Der neu eingeführte § 201 a BauGB ermächtigt die Länder Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt festzulegen. Es kann davon ausgegangen werden, dass Erlangen analog zur Mieterschutzverordnung (MiSchuV vom 9.7.2019) wieder als angespannter Wohnungsmarkt erklärt wird. Bisher liegt noch keine entsprechende Landesverordnung für Bayern vor. Sobald diese Verordnung in Kraft getreten ist, können folgende neu eingeführte Planungsinstrumente angewendet werden:

 

Erweiterte Befreiungsmöglichkeiten zugunsten des Wohnungsbaus (§ 31 Abs. 2. Nr. 1 und Abs. 3 BauGB)

Die Aufnahme der „Wohnbedürfnisse der Bevölkerung“ in § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB konkretisiert bzw. stellt die Gründe des Wohls der Allgemeinheit, klar. Als weiterer Befreiungstatbestand wird der neue Absatz 3 eingeführt. Er erlaubt eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans unabhängig davon, ob die Grundzüge der Planung berührt sind. Eine Würdigung der nachbarlichen Interessen und die Vereinbarkeit mit den öffentlichen Belangen muss weiterhin beachtet werden.

 

Ausweitung kommunaler Vorkaufsrechte (§§ 24, 25, 28 BauGB)

Den Gemeinden werden für Problemimmobilien und brachliegende Grundstücke Vorkaufsrechte eingeräumt. Als Eigentümer können sie so Einfluss auf die Bebauung der Grundstücke mit bezahlbarem Wohnraum nehmen. Kommunen können zudem Grundstücke in Zukunft leichter zum Verkehrswert erwerben. Die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts wird außerdem von zwei auf drei Monate verlängert.

 

Erweiterung des Baugebots (§ 176 BauGB)

Um Baulücken und ungenutzte Grundstücke leichter schließen zu können und so die Innenentwicklung zu stärken, wurde das Baugebot in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt erweitert. Künftig besteht dort die Möglichkeit, dem Eigentümer eine Wohnbebauung vorzuschreiben. Kann der Eigentümer hingegen glaubhaft machen, dass ihm die Durchführung des Vorhabens nicht zuzumuten ist, so ist von dem Baugebot abzusehen.

 

Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen (§ 250 BauGB)

Mit der Vorschrift wird in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt bei bestehenden Gebäuden die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nach § 1 WEG einem Genehmigungsvorbehalt unterstellt. Zudem müssen gesondert mit Landesverordnung (§ 250 BauGB ist hier die Ermächtigungsgrundlage) die Gebiete bestimmt werden, in denen das Erfordernis einer Umwandlungsgenehmigung gelten soll. Die Genehmigungspflicht soll maximal bis zum 31.12.2025 gelten.

 

3.   Ergänzungen des Festsetzungskatalogs

·      Elektromobilität: Ergänzung im Belange-Katalog unter § 1 Abs. 6 Nr. 9 BauGB und im Festsetzungskatalog unter § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB („Ladeinfrastruktur“); Ziel: Betonung der Bedeutung neuerer Entwicklungen für Kraftfahrzeuge, u.a. die Elektromobilität, als Bestandteil einer nachhaltigen Mobilität

·      Grün- und Freiflächen: Ergänzung im Belange-Katalog unter § 1 Abs. 6 Nr. 14 BauGB; Ziel: Hervorhebung der Bedeutung von Grün- und Freiflächen als Bestandteil einer nachhaltigen Stadtentwicklung

·      Naturerfahrungsräume: Ergänzung im Festsetzungskatalog unter § 9 Abs. 1 Nr. 14 BauGB nach „Dauerkleingärten“

 

Fazit:

Auf Antrag der SPD-Fraktion (Nr. 266/2020) wurde am 17.11.2020 im UVPA beschlossen, dass nach Erlass des Gesetzes die Verwaltung prüfen wird, welche rechtlichen Möglichkeiten des Baulandmobilisierungsgesetztes in Erlangen zu Anwendung kommen können. Die Prüfung hat folgendes ergeben:

·        Der sektorale Bebauungsplan ist zwar nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere für die angespannten Innenstadtlagen von Ballungszentren gedacht, da in Erlangen jedoch in der Innenstadt kaum unbeplante Bereiche vorhanden sind, wäre das neue Planungsinstrument hier eher von untergeordneter Bedeutung.

·        Das § 13 b BauGB-Verfahren wurde in der Vergangenheit bereits im Stadtgebiet angewendet (u.a. Bebauungsplan Nr. E 466 – Noetherstraße). Die Wiederaufnahme als Planungsinstrument wird von Seiten der Verwaltung begrüßt. Das Instrument liefert insbesondere in Ballungsräumen mit angespannten Wohnungsmarkt einen positiven Effekt, um bei bestehender Flächenkonkurrenz die Inanspruchnahme von landwirtschaftlichen Flächen niedrig zu halten.

·        Ob die erweiterte Befreiungsmöglichkeit nach § 31 Abs. 3 BauGB tatsächlich einen Effekt haben wird, ist fraglich, da die bisher eingezogenen Grenzen (nachbarliche Interessen und öffentliche Belange) weiterhin zu beachten sind.

·        Ob die Ausweitung der kommunalen Vorkaufsrechte einen positiven Beitrag zur Generierung von Bauland leisten kann, muss sich aus Sicht der Verwaltung noch erweisen, da in Erlangen kaum sog. „Schrottimmobilien“ vorhanden sind und zudem auf den Verkehrswert der Immobilie abzustellen ist.

·        Durch die Erweiterung des Baugebots ergibt sich aus Sicht der Verwaltung keine nennenswerte Erleichterung in der kommunalen Praxis, um Bauland zu aktivieren. Es wäre im Einzelfall zu prüfen, ob das Instrument angewendet werden kann. Da der Bezug auf die Zumutbarkeit nicht weiter im Gesetz konkretisiert wurde, wird sich erst im Wege der Rechtsprechung zeigen, welche Maßstäbe an die Zumutbarkeit geknüpft werden müssen.

·        Von Seiten der Verwaltung wird begrüßt, dass künftig nicht nur in Gebieten, in denen eine Milieuschutzsatzung gilt, sondern im gesamten Stadtgebiet die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen einem Genehmigungsvorbehalt unterliegt.

 


Anlagen: