Antrag Nr. 373/2020 der CSU-Stadtratsfraktion
Der Bericht der Verwaltung wird zur Kenntnis
genommen.
Der Antrag Nr. 373/2020 der CSU-Stadtratsfraktion ist damit bearbeitet.
Zu
1:
Das
Fernwärmenetz der ESTW erfüllt neben der Versorgung der Kunden mit Wärme zur
Gebäudeheizung auch die Funktion der Trinkwassererwärmung. Anders als beim
Energie- bzw. Wärmebedarf zu Heizungszwecken sind hier keine saisonalen
Schwankungen gegeben, d.h. der Bedarf steht permanent, zu allen Jahreszeiten
(und somit auch in den Sommermonaten, außerhalb der Heizperiode) eines
Kalenderjahres an.
Hierbei
sind neben der reinen Versorgung mit Energie auch Grundsätze der
Trinkwasserhygiene zu beachten: Zur Bekämpfung von Legionellen in den
angeschlossenen Warmwasserinstallationen ist eine Mindesttemperatur von 75°C an
der Kundenanlage zur Verfügung zu stellen, um die sogenannte Thermische
Desinfektion der kundeneigenen Warmwasserinstallation zu ermöglichen. Diese Anforderung
ist ganzjährig zu erfüllen und in den „Technischen Anschlussbedingungen
Fernwärme“ geregelt. Das Umschalten von Wärme – auf Kältebetrieb in einem
System bzw. Netz ist daher nicht möglich.
Zu
2:
Das
Dampf-Fernwärmenetz der ESTW ist im Rückbau begriffen. Aufgrund der erreichten
maximalen Betriebslebensdauer und der Störungsanfälligkeit dieses Systems
findet eine sukzessive Umstellung der Dampfanschlüsse auf Fernwärme statt.
Diese Entwicklung ist auch bei vielen anderen Versorgungsunternehmen feststellbar.
Durch
die hohen Betriebstemperaturen des Dampfnetzes (bis 200°C) entstehen hohe
Wärmeverluste, die den Gesamtwirkungsgrad von Absorptionskälteanlagen im
Vergleich zu elektrisch betriebenen Kompressionskälteanlagen verschlechtern.
Darüber hinaus haben diese Anlagen einen wesentlich größeren Platzbedarf.
Ein
weiterer Nachteil des Systems „Kälte aus Dampf“ ist der Saisonbetrieb. Die
meisten Anwendungsfälle in der Klimatisierung sehen die Einstellung des
Dampf-Bezuges in den Wintermonaten vor. Während dieser Phase müsste das
Dampfnetz vollständig außer Betrieb genommen werden, da durch den
Auskühlungsprozess bei geringem (oder vollständig eingestelltem) Bezug der
Dampf in den Leitungen kondensieren und seinen Aggregatzustand ändern würde.
Aus Dampf wird Wasser, welches aufwändig abgeführt werden müsste. Auch dabei
würden große Mengen an Energie ungenutzt ‚verloren‘ gehen.
Grundsätzlich
sind Absorptionskälteanlagen mit ihrem schlechten Wirkungsgrad nur dann
sinnvoll, wenn Dampf zur Verfügung stellt, der anderweitig nicht genutzt werden
kann (z. B. im Zusammenhang mit einer Müllverbrennungsanlage). Im HKW der ESTW
muss der Dampf jedoch extra erzeugt werden und steht dann damit zur Verstromung
nicht zur Verfügung.
Zu
3:
Der
Aufbau eines (neuen) Fernkältenetzes ist grundsätzlich nur dort möglich, wo im
öffentlichen Straßenraum ausreichende Platzverhältnisse zur Leitungsverlegung
bestehen und der Zugang für die umfangreichen Tiefbauarbeiten gegeben ist. Die
Situation in Erlangen, insbesondere im innerstädtischen Bestand, zeigt aber in
großen Teilen auf, dass dieses Platzangebot äußerst angespannt bzw. nicht in
ausreichendem Maße gegeben ist, da die bereits vorhandenen Sparten Strom, Gas,
Wasser, konventionelle Fernwärme, Telekommunikation, Glasfaser, aber auch Kanalisation,
Straßenentwässerung, Baumbestand dort bereits eng belegt beieinander vorhanden
sind. Für ein zusätzlich (Fernkältenetz-)System, welches aus 2 Rohrsträngen
(Vor- und Rücklaufleitung) besteht, eher nicht der benötigte Platz vorhanden
ist.
Im
Neubaubereich von Quartieren oder auch innerstädtischen Arealen sehen die
Voraussetzungen jedoch anders aus und werden entsprechend auch genutzt, wenn
eine Infrastruktur komplett neu entwickelt wird, wie z.B. beim Aufbau des
Fernkältesystems für den neuen SIEMENS Campus in Erlangen.
Exkurs:
Im Stadtratsantrag wird auf das
Kältesystem der Stadtwerke München (SWM) verwiesen, daher soll hier kurz auf
die Besonderheiten in München eingegangen werden:
Quelle: SWM
Die Münchner Stadtwerke betreiben mehrere
Kältezentralen und nutzen geschickt und effizient die örtlichen Gegebenheiten,
um die sonst üblichen Rückkühler auf, z.B. dem Dach einer Kältezentrale
einzusparen.
SWM nutzt zum einen, einen unterirdischen
Stadtbach für die (Rück-)Kühlung. So etwas liegt in Erlangen leider nicht vor.
Weiterhin wird Sickerwasser aus U-Bahn-Düker als Rückkühlmedium verwendet. Auch
diese Option ist in Erlangen nicht vorhanden.
Als weitere Möglichkeit werden eigens
gebohrte Brunnen genutzt und über Schluckbrunnen dann dem potenziellem
Trinkwasserreservoir wieder zu gefügt. Das wäre in Erlangen – theoretisch -
auch denkbar: Allerdings müssten dazu u.a. die geologischen Bedingungen vor Ort
genauestens geprüft werden. In Erlangen sind im Gegensatz zu München in der
Regel im Grundwasser hohe Eisen- und Mangangehalte anzutreffen. Bei
Sauerstoffkontakt kommt es zu starken Ausfällungen, die dann bei den
Schluckbrunnen weitere, große Probleme bereiten und einen vernünftigen Betrieb
verhindern könnten. Gleichfalls müsste das langfristige Wasser-Dargebot
eingehend geprüft werden.
Auch
in Erlangen wird bei zentralen Fernkälteanlagen auf eine möglichst hohe
Effizienz geachtet. Wie bereits erwähnt, gibt es in Erlangen bereits ein
Fernkältenetz mit einer Länge von fast 2 km. Eine weitere Ausdehnung des Netzes
ist bereits in Planung. (Anmerkung: Erlangen muss sich daher, im Vergleich der
Einwohnerzahlen gegenüber München mit 14 km Kältenetz, nicht „verstecken“.)
Die
Effizienzorientierung bei der dauerbetriebenen Anlage beim SIEMENS Campus
widerspiegelt sich durch die Errichtung eines entsprechenden Kältespeichers bei
der Kältezentrale, der gemeinsam mit der Nutzung der freien Umgebungskühlung in
Frühjahr, Herbst und Winter einen optimalen Betrieb ohne Kälteerzeugerbetrieb
ermöglicht.
Weiterhin
wurde bereits beim Bau der Anlage, entsprechender Platz für eine mögliche
Hochtemperaturwärmepumpe vorgesehen. Sie soll zukünftig die über die Rückkühler
abgegebenen Wärme für die Fernwärme nutzbar machen, was eine deutliche
Effizienzsteigerung bedeuten würde. Ein erster Entwurf für die hydraulische
Anbindung, wird derzeit auch extern wissenschaftlich begleitet.
Klimaschutz:
Entscheidungsrelevante
Auswirkungen auf den Klimaschutz:
ja, positiv*
ja, negativ*
X
nein
Anlagen: Fraktionsantrag Nr. 373/2020