Betreff
Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsverbotssatzung ZwEVS)
Vorlage
VI/028/2020
Aktenzeichen
Referat VI
Art
Mitteilung zur Kenntnis

Der Bericht der Verwaltung dient zur Kenntnis.


In der Sitzung des Sozial- und Gesundheitsausschusses am 23.09.2020 wurde ein Bericht über die Chancen und Durchgriffsmöglichkeiten der Zweckentfremdungsverbotssatzung und die Ausarbeitung genauerer Zahlen bzgl. der Durchsetzung der Zweckentfremdungssatzung und dem Wohnungsleerstand beantragt. Andernfalls kann die Notwendigkeit der zusätzlichen Stellen nicht beurteilt werden.

 

Am 07.02.2020 trat die Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsverbotssatzung ZwEVS) in Kraft.

 

Der Vollzug der Satzung wurde dem Referat für Planen und Bauen zugeordnet und wird derzeit von Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern aus dem Bereich des Referates für Planen und Bauen zusätzlich übernommen. Die Materie ist komplex und aufwändig, die bei diesen Fallzahlen mit dem derzeitigen Personalstand (Aushilfsregelung) nur sehr langsam abgearbeitet werden kann. Der organisatorische Aufbau, die Eingliederung in bestehende Prozesse und die Umsetzung der neuen Aufgabe erfolgt derzeit ohne zusätzliche Personalkapazitäten.

 

Für den Vollzug der Zweckentfremdungsverbotssatzung wurden für das Stellenplanverfahren 2021 durch das Referat für Planen und Bauen 1,5 VzÄ Planstellen (1,0 Innen- und 0,5 Ermittlungstätigkeit) beantragt. 

 

Als Maßstab für die Personalbemessung wurde die Personalausstattung der Stadt Nürnberg herangezogen. Die Stadt Nürnberg hat für den Innen- und (zentralen) Ermittlungsdienst 13 Planstellen (3,0 VzÄ für den Innendienst und 10,0 VzÄ für den (zentralen) Ermittlungsdienst, der jedoch überwiegend für andere Bereiche tätig ist).

 

Um einer Wohnraum-Zweckentfremdungssatzung Wirksamkeit zu verschaffen, bedarf es entsprechender personeller Ressourcen, da ansonsten sich kaum Erfolg einstellt.

 

Es bedarf Personal im Innendienst, das Genehmigungsanträge bearbeitet, aber vor allem die Fälle aufgreift und abarbeitet, in denen ohne Genehmigung verbotswidrig vermietet wird, und zum Beispiel Anordnungen zur Unterlassung verbotswidriger Nutzungen erlässt. Insbesondere in Fällen verbotswidriger Vermietung zur Fremdenbeherbergung muss die Stadt dem Eigentümer bzw. Vermieter nachweisen, dass die Fremdenbeherbergung mehr als acht Wochen im Kalenderjahr erfolgt.

 

Es bedarf verwaltungsrechtlichen Sachverstands und juristischer Unterstützung, allein wegen der besonderen Grundrechtsrelevanz der Wirkungen einer Zweckentfremdungssatzung (Art. 14 GG: Eingriff in die Eigentumsfreiheit oder - im Hinblick auf die Betretungsrechte für städtische Bedienstete bei Kontrollen - Art.13 GG: Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung). Wie die Erfahrungen aus München und auch Nürnberg zeigen, kann es zu juristischen Auseinandersetzungen und Streitsachen vor Gericht kommen. Auch ist der Einfallsreichtum im Hinblick auf Umgehungsversuche groß.

 

Es bedarf einer proaktiven Ermittlungstätigkeit. Bürgermeldungen als alleinige Informationsquelle reicht nicht aus und führt dazu, dass nur die Fälle infolge von Meldungen, die zumeist aus der Nachbarschaft kommen, überprüft werden. Um aber dem Sinn der Zweckentfremdungssatzung als Instrument gegen Wohnraummangel ganzheitlich nachkommen zu können, bedarf es einer adäquaten Personalausstattung. So soll eine Gleichbehandlung der verschiedenen Fallkonstellationen gewährleistet werden.

 

Selbst wenn Online-Plattformen, Nachbarn, Initiativen etc. Fälle melden, müssen diese geprüft, Eigentümer bzw. Vermieter angeschrieben und angehört, etwaige Genehmigungs- und Bußgeldverfahren oder Verfahren zur Beendigung der Zweckentfremdung und damit verbundene juristische Auseinandersetzungen geführt werden.

 

Das Zweckentfremdungsrecht dient der Erhaltung des Gesamtwohnraumangebots in Gebieten,

in denen die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist (Gemeinden mit Wohnraummangel) und in denen dem Wohnraummangel nicht mit anderen Mitteln abgeholfen werden kann. Damit kann vor allem Gebieten, in denen fortlaufend Wohnraummangel herrscht, die Umwandlung von Wohn- in Gewerberaum oder zum Zwecke der Fremdenbeherbergung sowie dessen Abriss oder Leerstand verhindert werden.

 

Eine Zweckentfremdung liegt vor, wenn der Wohnraum überwiegend anderen als Wohnzwecken dient. Das Zweckentfremdungsgesetz nennt dafür in Art. 1 Abs. 2 als Beispiele für eine Zweckentfremdung, wenn der Wohnraum

 

·         zu mehr als 50 % der Gesamtfläche für gewerbliche oder berufliche Zwecke verwendet oder überlassen wird,

·         baulich derart verändert oder in einer Weise genutzt wird, dass er für Wohnzwecke nicht mehr geeignet ist,

·         mehr als insgesamt acht Wochen im Kalenderjahr für Zwecke der Fremdenbeherbergung genutzt wird, 

·         länger als drei Monate leer steht oder

·         beseitigt wird.

 

Auch andere Fälle, die nicht ausdrücklich im Gesetz genannt sind, können eine Zweckentfremdung von Wohnraum darstellen. Wird ein Einfamilienhaus z. B. als Schlafunterkunft genutzt, in der sich dort Arbeiter nur nachts aufhalten und auf ausgelegten Matratzen übernachten, ohne dass ihnen etwas Privatsphäre möglich ist, dann ist das ebenfalls eine Nutzung zu anderen als Wohnzwecken.

 

Neben der Vermietung als Ferienwohnung zur Fremdenbeherbergung (teils auch an Geschäftsreisende und Handwerker), d.h. hier wird Wohnraum mehr als insgesamt acht Wochen im Kalenderjahr für Zwecke der Fremdenbeherbergung genutzt (Art. 1 Abs. 2 Nr. 3 ZwEWG), wären Maßnahmen gegen Wohnungsleerstand als ein wichtiger Anwendungsfall der Satzung zu nennen.

 

Auch hier muss aber von Amts wegen der Sachverhalt stichhaltig ermittelt werden können, ob eine verbotswidrige Zweckentfremdung vorliegt. Hier ist insbesondere zu prüfen, ob geeignete und über längere Zeit Bemühungen zur Vermietung nachgewiesen werden können, der Wohnraum lediglich vorübergehend unbewohnbar ist (z.B. wegen Modernisierung) oder ob in dem Wohnraum möglicherweise dauerndes Bewohnen zwischenzeitlich unzulässig oder unzumutbar geworden ist. Die Ermittlungstätigkeit kann sich in diesen Fällen aufgrund der zu ermittelnden und zu prüfenden Umstände des Einzelfalls oder auch des mangelnden Mitwirkungsinteresses der Wohnungseigentümer ebenfalls langwierig gestalten.

 

Mit Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum vom 19. Juni 2017 (GVBl. S. 182) wurde der Anwendungsbereich einer Zweckentfremdung konkretisiert und das Vorliegen einer genehmigungspflichtigen Fremdenbeherbergung durch Festlegung einer Obergrenze (8 Wochen) klargestellt. Darüber hinaus wurde der Kreis der Auskunftspflichtigen auf Verwalter und Vermittler sowie Diensteanbieter im Sinne des Telemediengesetzes erweitert, eine neue Anordnungsbefugnis (Aufforderung zur Beendigung der Zweckentfremdung) eingeführt sowie der Bußgeldtatbestand geändert und dessen Rahmen erhöht.

 

Die Zweckentfremdungssatzung der Stadt Erlangen regelt u.a.:

 

·         Nutzungen von Wohnungen zu anderen als Wohnzwecken sind grundsätzlich verboten und werden nur mit einer Genehmigung der Gemeinde zugelassen (Art. 2 ZwEWG).

Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn vorrangige öffentliche Interessen oder schutzwürdige private Interessen das Interesse an der Erhaltung des Wohnraums überwiegen.

Ferner kann die Genehmigung erteilt werden, wenn dem Interesse an der Erhaltung des Wohnraums durch Ausgleichsmaßnahmen in verlässlicher und angemessener Weise Rechnung getragen wird; dies kann durch Bereitstellung von Ersatzwohnraum oder durch eine Ausgleichszahlung geschehen.

 

·         Die dinglich Verfügungsberechtigten, Besitzer, Verwalter und Vermittler der Wohnung sind gegenüber der Gemeinde zur Erteilung von Auskünften und Vorlage von Unterlagen verpflichtet, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Vorschriften des Gesetzes zu überwachen. Sie haben dazu auch den von der Gemeinde beauftragten Personen zu ermöglichen, zu angemessener Tageszeit Grundstücke, Gebäude, Wohnungen und Wohnräume zu betreten. Die Auskunftspflichtigen haben auch Tatsachen zu offenbaren, die geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit herbeizuführen (Art. 3 Abs.1 ZwEWG).

 

·         Die Gemeinde kann anordnen, dass eine nicht genehmigungsfähige Zweckentfremdung beendet und der Wohnraum wieder Wohnzwecken zugeführt wird (Art. 3 Abs. 2 ZwEWG).

 

·         Mit Geldbuße bis zu fünfhunderttausend Euro kann belegt werden, wer ohne die erforderliche Genehmigung Wohnraum für andere als Wohnzwecke verwendet oder überlässt (Art. 4 ZwEWG).

 

·         Mit Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro kann belegt werden, wer entgegen § 11 Abs. 1 ZwEVS Auskünfte nicht, nicht richtig oder nicht vollständig erteilt oder Unterlagen nicht oder nicht vollständig vorlegt.

 

 

 

Übersicht der Zweckentfremdungsvorgänge:

 

Seit Inkrafttreten der Satzung liegen 91 Zweckentfremdungsvorgänge vor (Stand: 31.10.2020).

 

Das Referat für Planen und Bauen vollzieht derzeit die Zweckentfremdungsverbotssatzung im Rahmen der begrenzten personellen Möglichkeiten und arbeitet die vorliegenden Fälle nach Priorität ab.

 

 

 

 

 

Die o.g. Fälle gliedern sich wie folgt auf:

 

Fallkategorie

Anträge

Aufgriffe

Anfragen

Insgesamt

Nutzungsänderung

16

11

13

39

Beseitigung

30

 

 

30

Leerstand

 

20

 

20

Negativattest

2

 

 

2

Summe

46

32

13

91

 

      

 

Insgesamt wurden 27 Vorgänge abgeschlossen (13 Nutzungsänderungen, 12 Beseitigungen und 2 Negativatteste). Die Leerstandmitteilungen sowie die weiteren Vorgänge sind noch in Bearbeitung.  

 

Die Fallbearbeitung erfolgt derzeit durch eine Abordnung mit 8 Wochenstunden und durch die Anordnung Mehrarbeit von einer Mitarbeiterin. Mit dem derzeit zur Verfügung stehenden Stundenmaß konnten erst rd. 30 % der vorliegenden Fälle bearbeitet werden. Um die weiteren vorliegenden Fälle, aber auch die eingehenden Fälle, die umfassende Recherche und Nachverfolgung für Leerstand, Ferienwohnungen, Abbruch etc. vornehmen zu können, ist die beantragte Personalausstattung zwingend erforderlich.

 


Anlagen:        Anlage 1: Protokollvermerk vom 23.09.2020