Betreff
Informationsfreiheitssatzung; Antrag Nr. 125/2020 der Stadtratsgruppe Erlanger Linke vom 08.07.2020
Vorlage
30/013/2020
Aktenzeichen
III/30
Art
Beschlussvorlage

1. Die Stadt Erlangen erlässt keine Informationsfreiheitssatzung.

 

2. Der Antrag der Erlanger Linke Nr. 125/2020 vom 08.07.2020 ist damit bearbeitet. 


Für den Erlass einer Informationsfreiheitssatzung, wie im Antrag der Erlanger Linke gefordert, besteht zum einen kein gesteigertes Bedürfnis (siehe Ausführungen unter 1. und 2.) und zum anderen bestehen für den Erlass einer kommunalen Informationsfreiheitssatzung im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) nach wie vor Bedenken, ob eine solche überhaupt mit Blick auf den Gesetzesvorrang bestehen kann (siehe Ausführungen unter 3.).

 

Auch der Ältestenrat der Stadt Erlangen hat in seiner Sitzung vom 14.10.2020 mehrheitlich empfohlen, keine Informationsfreiheitssatzung zu erlassen.

 

1. Mit einer städtischen Satzung kann, im Gegensatz zu den noch unten bezeichneten Informationsansprüchen aus den gesetzlichen Regelungen, nur ein begrenzter sachlicher Anwendungsbereich geregelt werden: es können ausschließlich Tatbestände in Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises erfasst werden, da die Ermächtigungsgrundlage zum Satzungserlass nach Art. 23 Gemeindeordnung (GO) nur solche Angelegenheiten umfasst.
Davon umfasst sind also z.B. nicht Informationsansprüche bezüglich der Aufgaben der Bauaufsichtsbehörden, Aufgaben im Bereich des Ausländerrechts, Pass- und Meldewesen, Naturschutz, Denkmalschutz, Grundsicherung, SGB II u. a..

 

Auch ist es nicht möglich, in der Satzung Informationsrechte gegenüber städtischen Unternehmen mitaufzunehmen. Eine unmittelbare Verpflichtung der Gesellschaften aufgrund einer satzungsmäßigen Regelung ist nicht zulässig, da Art. 23 GO, wonach die Gemeinden „ihre Angelegenheiten“ durch Satzung regeln können, keine Rechtsgrundlage für einen Auskunftsanspruch gegen eine juristische Person des Privatrechts, wie es eine städtische GmbH bzw. AG darstellt, bieten kann.
Ein solcher Anspruch besteht aber bereits nach Art. 39 BayDSG, soweit es sich um Beteiligungsunternehmen im Sinne des Art. 1 Abs. 2 BayDSG handelt, also soweit Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen werden.

 

2. Entscheidend gegen den Erlass einer städtischen Informationsfreiheitssatzung spricht aus Sicht der Verwaltung auch, dass es kein gesteigertes Bedürfnis nach einer solchen zusätzlichen Regelung gibt. Denn es gibt bereits umfangreiche Möglichkeiten des Informationszugangs.

 

 

So bestehen jetzt schon folgende Rechte:

 

- Akteneinsichtsrecht durch Beteiligte (Art. 29 Bay. Verwaltungsverfahrensgesetz)

- Anspruch auf freien Zugang nach Maßgabe des Bay. Umweltinformationsgesetzes (BayUIG)

- Informationsansprüche nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG)

- presserechtliche Auskunftsansprüche, Art. 4 BayPrG

- und nicht zuletzt, seit Dezember 2015, ein allgemeines Recht auf Auskunft nach Art. 39 (früher Art. 36) BayDSG

 

Sämtliche Großstädte Bayerns, die in dem Antrag der Stadtratsgruppe der Erlanger Linke genannt werden, haben ihre Satzungen vor Inkrafttreten des allgemeinen Rechts nach Auskunft nach Art. 36 BayDSG a. F. (jetzt Art. 39 BayDSG) erlassen. So haben die Kolleg*innen aus diesen Städte im Rahmen von Treffen der Jurist*innen der Bay. Großstädte und auch in der Rückantwort zu einer aktuellen Anfrage des Rechtsamts mehrfach die Frage aufgeworfen, ob aktuell eine Informationsfreiheitssatzung neben dem Informationsanspruch aus Art. 39 BayDSG überhaupt noch erforderlich ist und haben dabei darauf hingewiesen, dass ihre Satzungen ja zu einem Zeitpunkt erlassen wurden, zu dem es diese Vorschrift mit einem allgemeinen Informationsanspruch noch nicht gab.

 

Das Rechtsamt hat bei diesen Städten auch nach den Zahlen der Anfragen und nach den Erfahrungen nachgefragt. Dabei hat sich folgendes Bild ergeben:

Die Anfragen, die nach der Informationsfreiheitssatzung gestellt werden, sind sehr gering. Darüber hinaus könnten die allermeisten Anfragen auch über Art. 39 BayDSG gestellt werden.

In Fürth sind seit dem Inkrafttreten der Satzung im Jahr 2012 bisher insgesamt 22 Anfragen dazu eingegangen; jährlich immer so um die 4. In der Stadt Würzburg liegen die Anfragen in einem einstelligen Bereich pro Jahr. In Regensburg werden jährlich unter 5 Anfragen gestellt. In Augsburg wurde einmal im Mai 2017 die Anzahl der Anträge ermittelt; für den Zeitraum ab Inkrafttreten der Informationsfreiheitssatzung am 1.10.2014 bis Mai 2017 wurden insgesamt 7 Anträge gestellt. Vom Rechtsamt der Stadt Nürnberg wurde mitgeteilt, dass sie zwar keine Statistik führen, dass sich jedoch die Anfragen „im ganz niedrigen 2-stelligen Bereich bewegen“. In München wurden im Jahr 2018 stadtweit 35 Fälle erfasst, für 2019 zentral 56 Fälle, davon 21 von einer einzigen Antragstellerin.

 

Soweit in dem Antrag der Stadtratsgruppe sinngemäß ausgeführt wird, dass nach Art. 39 BayDSG ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht werden muss, wird darauf hingewiesen, dass dieses nach ganz überwiegender Auffassung sehr weit zu fassen ist. Damit ist grundsätzlich jedes rechtliche, wirtschaftliche oder ideelle, der Rechtsordnung nicht widersprechende Interesse geeignet und je nach Fallgestaltung ausreichend, um ein anspruchsbegründendes Auskunftsinteresse darzulegen. Daraus ergibt sich, dass allenfalls einzelne Informationsbegehren, die von vornherein allein mit einem von der Rechtsordnung offenkundig nicht gebilligten Ausspähungsinteresse motiviert werden, keinen Anspruch auf Auskunft gemäß Art. 39 BayDSG begründen.

 

3. Und letztlich ist es zwar zutreffend, dass nach Auffassung der Bay. Staatsregierung Art. 39 BayDSG kommunalen Informationsfreiheitssatzungen (IFS) nicht entgegensteht. Dabei hat die Staatsregierung im Jahr 2017 aber vor allem darauf hingewiesen, dass die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes aus dem Jahr 2017 solchen, den Vorbehalt des Gesetzes wahrenden Satzungen nicht entgegenstehe, da der Gerichtshof diese Frage offengelassen habe. Ein „Offenlassen“ bedeutet aber gerade nicht, dass dem auch so ist. Vielmehr hat der BayVGH in einer weiteren, neueren Entscheidung aus dem Jahr 2019 erneut diese Frage aufgeworfen, aber auch hier letztlich darauf hingewiesen, dass er in dem zu entscheidenden Fall die Frage, ob das allgemeine Auskunftsrecht des Art. 39 BayDSG als abschließende Regelung unter dem Gesichtspunkt des rechtsstaatlichen Gesetzesvorrangs Sperrwirkung für kommunale Informationsfreiheitssatzungen entfalten könne, offenlassen könne, da hier nicht entscheidungserheblich. Diese Frage ist damit nach wie vor gerichtlich nicht entschieden.

 

Auch das Argument, dass eine Auskunft nach Art. 39 BayDSG kostenpflichtig sei, greift nicht. Denn auch in einer Informationsfreiheitssatzung müsste eine Regelung aufgenommen werden, dass für Amtshandlungen auf Grund dieser Satzung Kosten (Gebühren und Auslagen) nach der Kostensatzung der Stadt Erlangen erhoben werden.

 

Klimaschutz:

 

Entscheidungsrelevante Auswirkungen auf den Klimaschutz:

 

             ja, positiv*

             ja, negativ*

X          nein

 


Anlagen:        Antrag der Erlanger Linke Nr. 125/2020 vom 08.07.2020