1. Die Stadt Erlangen erlässt keine
Informationsfreiheitssatzung.
2. Der Antrag der Erlanger Linke Nr. 125/2020 vom 08.07.2020 ist damit bearbeitet.
Für den Erlass einer Informationsfreiheitssatzung, wie im Antrag der
Erlanger Linke gefordert, besteht zum einen kein gesteigertes Bedürfnis (siehe Ausführungen unter 1. und 2.) und zum
anderen bestehen für den Erlass einer kommunalen Informationsfreiheitssatzung
im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
(BayVGH) nach wie vor Bedenken, ob eine solche überhaupt mit Blick auf den
Gesetzesvorrang bestehen kann (siehe Ausführungen unter 3.).
Auch der Ältestenrat der Stadt Erlangen hat in seiner Sitzung vom
14.10.2020 mehrheitlich empfohlen, keine Informationsfreiheitssatzung zu
erlassen.
1. Mit einer
städtischen Satzung kann, im Gegensatz zu den noch unten bezeichneten
Informationsansprüchen aus den gesetzlichen Regelungen, nur ein begrenzter sachlicher Anwendungsbereich
geregelt werden: es können ausschließlich
Tatbestände in Angelegenheiten des eigenen
Wirkungskreises erfasst werden, da die Ermächtigungsgrundlage zum
Satzungserlass nach Art. 23 Gemeindeordnung (GO) nur solche Angelegenheiten
umfasst.
Davon umfasst sind also z.B. nicht
Informationsansprüche bezüglich der Aufgaben der Bauaufsichtsbehörden, Aufgaben
im Bereich des Ausländerrechts, Pass- und Meldewesen, Naturschutz,
Denkmalschutz, Grundsicherung, SGB II u. a..
Auch ist es nicht
möglich, in der Satzung Informationsrechte gegenüber städtischen Unternehmen
mitaufzunehmen. Eine unmittelbare Verpflichtung der Gesellschaften aufgrund
einer satzungsmäßigen Regelung ist nicht zulässig, da Art. 23 GO, wonach die
Gemeinden „ihre Angelegenheiten“ durch Satzung regeln können, keine
Rechtsgrundlage für einen Auskunftsanspruch gegen eine juristische Person des
Privatrechts, wie es eine städtische GmbH bzw. AG darstellt, bieten kann.
Ein solcher Anspruch besteht aber bereits nach Art. 39 BayDSG, soweit es sich
um Beteiligungsunternehmen im Sinne des Art. 1 Abs. 2 BayDSG handelt, also
soweit Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen werden.
2. Entscheidend
gegen den Erlass einer städtischen Informationsfreiheitssatzung spricht aus
Sicht der Verwaltung auch, dass es kein gesteigertes Bedürfnis nach einer
solchen zusätzlichen Regelung
gibt. Denn es gibt bereits umfangreiche Möglichkeiten des Informationszugangs.
So bestehen jetzt
schon folgende Rechte:
-
Akteneinsichtsrecht durch Beteiligte (Art. 29 Bay. Verwaltungsverfahrensgesetz)
- Anspruch auf
freien Zugang nach Maßgabe des Bay. Umweltinformationsgesetzes (BayUIG)
-
Informationsansprüche nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG)
- presserechtliche
Auskunftsansprüche, Art. 4 BayPrG
- und nicht
zuletzt, seit Dezember 2015, ein allgemeines Recht auf Auskunft nach
Art. 39 (früher Art. 36) BayDSG
Sämtliche
Großstädte Bayerns, die in dem Antrag der Stadtratsgruppe der Erlanger Linke
genannt werden, haben ihre Satzungen vor
Inkrafttreten des allgemeinen Rechts nach Auskunft nach Art. 36 BayDSG a. F.
(jetzt Art. 39 BayDSG) erlassen. So haben die Kolleg*innen aus diesen Städte im
Rahmen von Treffen der Jurist*innen der Bay. Großstädte und auch in der Rückantwort
zu einer aktuellen Anfrage des Rechtsamts mehrfach die Frage aufgeworfen, ob
aktuell eine Informationsfreiheitssatzung neben dem Informationsanspruch aus
Art. 39 BayDSG überhaupt noch erforderlich ist und haben dabei darauf
hingewiesen, dass ihre Satzungen ja zu einem Zeitpunkt erlassen wurden, zu dem
es diese Vorschrift mit einem allgemeinen Informationsanspruch noch nicht gab.
Das Rechtsamt hat
bei diesen Städten auch nach den Zahlen der Anfragen und nach den Erfahrungen
nachgefragt. Dabei hat sich folgendes Bild ergeben:
Die Anfragen, die
nach der Informationsfreiheitssatzung gestellt werden, sind sehr gering.
Darüber hinaus könnten die allermeisten Anfragen auch über Art. 39 BayDSG
gestellt werden.
In Fürth sind seit
dem Inkrafttreten der Satzung im Jahr 2012 bisher insgesamt 22 Anfragen dazu
eingegangen; jährlich immer so um die 4. In der Stadt Würzburg liegen die
Anfragen in einem einstelligen Bereich pro Jahr. In Regensburg werden jährlich
unter 5 Anfragen gestellt. In Augsburg wurde einmal im Mai 2017 die Anzahl der
Anträge ermittelt; für den Zeitraum ab Inkrafttreten der
Informationsfreiheitssatzung am 1.10.2014 bis Mai 2017 wurden insgesamt 7 Anträge gestellt. Vom
Rechtsamt der Stadt Nürnberg wurde mitgeteilt, dass sie zwar keine Statistik
führen, dass sich jedoch die Anfragen „im ganz niedrigen 2-stelligen Bereich
bewegen“. In München wurden im Jahr 2018 stadtweit 35 Fälle erfasst, für 2019 zentral 56 Fälle, davon
21 von einer einzigen Antragstellerin.
Soweit in dem
Antrag der Stadtratsgruppe sinngemäß ausgeführt wird, dass nach Art. 39 BayDSG
ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht werden muss, wird darauf
hingewiesen, dass dieses nach ganz überwiegender Auffassung sehr weit zu fassen
ist. Damit ist grundsätzlich jedes rechtliche, wirtschaftliche oder ideelle,
der Rechtsordnung nicht widersprechende Interesse geeignet und je nach
Fallgestaltung ausreichend, um ein anspruchsbegründendes Auskunftsinteresse
darzulegen. Daraus ergibt sich, dass allenfalls einzelne Informationsbegehren, die
von vornherein allein mit einem von der Rechtsordnung offenkundig nicht
gebilligten Ausspähungsinteresse motiviert werden, keinen Anspruch auf
Auskunft gemäß Art. 39 BayDSG begründen.
3. Und letztlich
ist es zwar zutreffend, dass nach Auffassung der Bay. Staatsregierung Art. 39
BayDSG kommunalen Informationsfreiheitssatzungen (IFS) nicht entgegensteht.
Dabei hat die Staatsregierung im Jahr 2017 aber vor allem darauf hingewiesen,
dass die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes aus dem Jahr
2017 solchen, den Vorbehalt des Gesetzes wahrenden Satzungen nicht
entgegenstehe, da der Gerichtshof diese Frage offengelassen habe. Ein
„Offenlassen“ bedeutet aber gerade nicht, dass dem auch so ist. Vielmehr hat
der BayVGH in einer weiteren, neueren Entscheidung aus dem Jahr 2019 erneut
diese Frage aufgeworfen, aber auch hier letztlich darauf hingewiesen, dass er
in dem zu entscheidenden Fall die Frage, ob das allgemeine Auskunftsrecht des
Art. 39 BayDSG als abschließende Regelung unter dem Gesichtspunkt des
rechtsstaatlichen Gesetzesvorrangs Sperrwirkung für kommunale
Informationsfreiheitssatzungen entfalten könne, offenlassen könne, da hier
nicht entscheidungserheblich. Diese Frage ist damit nach wie vor gerichtlich
nicht entschieden.
Auch das Argument, dass eine Auskunft nach Art. 39 BayDSG
kostenpflichtig sei, greift nicht. Denn auch in einer
Informationsfreiheitssatzung müsste eine Regelung aufgenommen werden, dass für
Amtshandlungen auf Grund dieser Satzung Kosten (Gebühren und Auslagen) nach der
Kostensatzung der Stadt Erlangen erhoben werden.
Klimaschutz:
Entscheidungsrelevante
Auswirkungen auf den Klimaschutz:
ja, positiv*
ja, negativ*
X nein
Anlagen: Antrag der Erlanger Linke Nr. 125/2020 vom 08.07.2020