Der Bericht der Verwaltung dient zur Kenntnis.
Im Jahr 2015 haben alle im
damaligen Stadtrat vertretenen Fraktionen und Gruppierungen die Schaffung eines
„Ortes der Erinnerung“ an die Ermordung von Menschen mit psychischer Erkrankung
der Heil- und Pflegeanstalt Erlangen (HuPfla) beantragt und die Verwaltung
gebeten, dazu in den Dialog zu treten (Fraktionsantrag 001/2015).
Die Stadt hat in der Folge
einen Beirat zur Errichtung einer Gedenkstätte für die „Euthanasie“-Opfer ins
Leben gerufen. Dem Beirat gehören die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg,
das Universitätsklinikum Erlangen, der Bezirk Mittelfranken, das
Bezirksklinikum und die Stadt Erlangen sowie weitere Organisationen, z.B. das
Zentrum für Selbstbestimmtes Leben Behinderter e.V., das Max-Planck-Institut
und die jüdische Kultusgemeinde, an. Der Beirat tagte seit Februar 2017
insgesamt siebzehn Mal, zuletzt am 24.01. und am 18.05.2020 (per
Videokonferenz). Im November 2018 wurden im Rahmen einer öffentlichen
Podiumsdiskussion durch Vertreter verschiedener Gedenkstätten unterschiedliche
Formen der Erinnerungsarbeit vorgestellt und im Anschluss diskutiert.
Wie zuletzt in
Vorlage 13/298/2019 dargestellt, ist der Nordcampus des
Universitätsklinikums Gegenstand umfassender Planungen zur Ansiedelung weiterer
Einrichtungen der medizinischen Spitzenforschung, die zu Ausbau und
Profilierung des Medizinstandorts Erlangen beitragen. Konkret plant das
Klinikum die Errichtung des Translational Research Center (TRC) IV im Westen
und, direkt angrenzend, die Max-Planck-Gesellschaft das Zentrum für Physik und
Medizin (ZPM). Baubeginn soll noch in diesem Jahr sein. Auch die Neubauten TRC
II und TRC III sind Bestandteil dieser Planungen. Durch die Bauvorhaben war in
der Vergangenheit der vollständige Abriss des Gebäudes Schwabachanlage 10
vorgesehen. Der Stadtrat hat die Vorhaben mit großer Mehrheit begrüßt (Vorlage
611/155/2016) und mehrfach bekräftigt, zuletzt mit Vorlage 13/298/2019. Nach
der Erteilung verschiedener Vorbescheide wurden im Dezember 2019 bzw. Februar
2020 entsprechende Teilabbruch- und Baugenehmigungen für die Vorhaben ZPM und
TRC IV erteilt.
Im Verlauf der
Diskussion in der Stadtöffentlichkeit rückte
das Universitätsklinikum Ende 2018 mit Blick auf den Symbolwert des Gebäudes
Schwabachanlage 10 als einzig verbliebenes Gebäude, welches mit den Opfern
verknüpft ist, von der Notwendigkeit des vollständigen Abrisses des Gebäudes ab
(vgl. Vorlage 13/283/2018), um dem Beirat und der Stadtgesellschaft eine
ergebnisoffene Diskussion über die Verortung der Gedenkstätte zu ermöglichen.
Im Raum stand damals der Erhalt des sog. Ostkopfes, also des östlichen
Abschlusses des Gebäudes Schwabachanlage 10. Im Juli 2019 wurden der
renommierte Gedenkstättenexperte Dr. Jörg Skriebeleit, Leiter der
KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Julius
Scharnetzky mit der Erstellung eines Rahmenkonzepts für einen künftigen Lern-
und Gedenkort beauftragt.
Das Rahmenkonzept soll im Juni
2020 vorliegen und in geeigneter Form öffentlich vorgestellt werden. Schon bei
der öffentlichen Auftaktveranstaltung im November 2019 haben Dr. Skriebeleit
und Herr Scharnetzky dargelegt, dass bei den NS-Verbrechen in der Stadt auch
andere Orte eine Rolle gespielt haben, der Fokus also erweitert werden müsse.
Das Rahmenkonzept wird daher sowohl erste Aussagen zu Möglichkeiten des
Gedenkens auf dem eigentlichen Areal der HuPfla, aber auch an anderen Orten in
der Stadt enthalten, die mit Blick auf die Verbrechen eine Rolle gespielt
haben. Anschließend wird das Rahmenkonzept den Ausgangspunkt für die Erarbeitung
der Gesamtkonzeption des Gedenkens in der Stadt bilden. Mit Blick auf das Areal
der HuPfla hat sich aus Sicht der Gedenkstättenexperten schon früh im Prozess herausgestellt, dass der bislang zum
Abriss vorgesehene Mittelrisalit des Gebäudes Schwabachanlage 10 für das
künftige Gedenken aus verschiedenen Gründen eine herausgehobene Rolle spielt.
Aus Anlass
einer Petition des Stadtheimatpflegers beim Bayerischen Landtag zum Erhalt des
Gebäudes Schwabachanlage 10 fand im November 2019 eine Sitzung des Ausschusses
für Wissenschaft und Kunst des bayerischen Landtags statt. Im Ergebnis wurde
das Klinikum beauftragt zu prüfen, inwiefern eine Umplanung der Gebäude TRC II
und TRC III so möglich ist, dass das nach den Teilabbrüchen verbleibende
Restgebäude (Mittelrisalit und Osthälfte) erhalten werden kann.
Unterdessen
bemüht sich das Universitätsklinikum derzeit um die Akquise von Drittmitteln
für die geplanten Forschungsgebäude TRC II und TRC III.
Angesichts
dieser Entwicklungen - der aus Sicht der Gedenkstättenexperten herausgehobenen
Rolle des Mittelrisalit und der vom Landtagsausschuss geforderten Umplanung -
hat das Universitätsklinikum seine Planungen in den vergangenen Monaten
überarbeitet. Im Ergebnis können die Gebäude TRC II und TRC III so angeordnet
werden, dass für den Lern- und Gedenkort der Mittelrisalit des Gebäudes sowie
jeweils ein kurzer Ost- und ein Westflügel (jeweils drei Fensterachsen, jeweils
ca. 14 m Länge) erhalten bleiben können.
Infolgedessen
hat die Max-Planck-Gesellschaft im April 2020 mit Blick auf die westliche
Gebäudehälfte einen veränderten Abbruchantrag bei der Stadt eingereicht. Ein
Bescheid steht noch aus. Der Abbruchantrag sieht entsprechend der erfolgten
Umplanung eine Verschiebung der Abbruchkante um ca. 14 m nach Westen vor.
Parallel dazu läuft seit
Oktober 2019 ein zunächst auf zwei Jahre angesetztes Forschungsprojekt in
Kooperation von Stadtarchiv und Lehrstuhl für Geschichte der Medizin an der
FAU, das sich mit dem Thema NS-„Euthanasie“ in Erlangen beschäftigt und dessen
Ergebnisse auch in die Vorbereitung des Lern- und Gedenkortes einfließen
sollen. Es wird von der Stadt Erlangen, der FAU, dem Universitätsklinikum, dem
Bezirk und den Bezirkskliniken Mittelfranken gemeinsam finanziert (siehe dazu
Vorlage 13/298/2019).
Zu den aktuellen Entwicklungen,
dem Rahmenkonzept und den ersten Überlegungen zur Trägerschaft des Gedenkorts
wird die Verwaltung dem Stadtrat noch vor der Sommerpause einen Beschluss
vorlegen.
Anlagen: Historischer Geländeplan der Heil- und Pflegeanstalt von 1897
Lageplan Vorschlag Universitätsklinikum Erlangen Mai 2020