Betreff
Schaffung eines "Ortes der Erinnerung" an die Ermordung von Menschen mit psychischer Erkrankung der Heil- und Pflegeanstalt Erlangen;
Zwischenbericht zu Antrag 001/2015 der CSU-Fraktion, SPD-Fraktion, Fraktion Grüne Liste, FDP-Fraktion sowie der Erlanger Linken, der ödp und der FWG im Erlanger Stadtrat;
Antrag Nr. 3 aus der Bürgerversammlung Gesamtstadt am 29.11.2018
Vorlage
13/283/2018
Aktenzeichen
OBM/13
Art
Beschlussvorlage

1.    Der Vortrag von Herrn Prof. Dr. Iro, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums, sowie der Sachbericht der Verwaltung wird zur Kenntnis genommen.

2.    Die Verwaltung wird beauftragt, die Bemühungen des eingerichteten Beirats zur Schaffung eines Gedenkortes an die Ermordung von Menschen mit psychischer Erkrankung der Heil- und Pflegeanstalt Erlangen weiterhin zu unterstützen.

3.    Der Stadtrat begrüßt die Chance, weitere Spitzenforschungseinrichtungen in Erlangen anzusiedeln. Die Etablierung einer weltweit einmaligen Forschungskooperation ist für die zukünftige Entwicklung der Stadt Erlangen von hoher Bedeutung. Die geplanten Bauvorhaben im Universitäts-Nordgelände werden zur Kenntnis genommen. Die Verwaltung wird beauftragt, die Umsetzung der Bauvorhaben zu unterstützen.

4.      Der Stadtrat begrüßt darüber hinaus die Bereitschaft des Klinikums, einen Teil der ehemaligen Psychiatrischen Klinik zu erhalten und es in die weiteren Pläne für das Gelände zu integrieren. Damit könnte ein Teil der ehemaligen Patienteneinrichtung als Gedenkort erhalten werden.

5.      Der Antrag Nr. 3 der Bürgerversammlung Gesamtstadt am 29.11.2018, mit dem die Genehmigung des Abrisses des unter Denkmalschutz stehenden Nordflügels der ehemaligen HuPflA verhindert werden soll, ist damit erledigt

 


1.   Sachbericht

Vor dem Hintergrund der „nationalsozialistischen Rassenhygiene“ erfolgten auch in Erlangen systematische Zwangssterilisierungen und die systematische Deportation und Ermordung von Menschen mit psychischer und geistiger Behinderung. Während die Zwangssterilisierungen schon bald nach der Machtübernahme begannen, wurden zwischen 1939 und 1941 über 900 Patientinnen und Patienten der Erlanger Heil- und Pflegeanstalt (HuPflA) deportiert und ermordet; die Zahl der in den Kriegsjahren durch „Hungerkost“ Getöteten ist gegenwärtig noch nicht zu ermessen. Täter und Opfer gleichermaßen waren oftmals Erlanger Bürgerinnen und Bürger.


 

An die Geschehnisse erinnert in Erlangen ein Gedenkstein sowie „Stolpersteine“ für die getöteten jüdischen Patientinnen und Patienten. Darüber hinaus gibt es bis heute keinen zentralen und wirkungsvollen Gedenkort. Im Jahr 2015 haben alle im Stadtrat vertretenen Fraktionen und Gruppierungen die Schaffung eines „Ortes der Erinnerung“ an die Ermordung von Menschen mit psychischer Erkrankung der Heil- und Pflegeanstalt Erlangen beantragt und die Verwaltung gebeten, dazu in den Dialog zu treten (Fraktionsantrag 001/2015).

 

Das Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der FAU Erlangen-Nürnberg und das Stadtarchiv werden in einem gemeinsamen Projekt in den kommenden Jahren die Geschehnisse wissenschaftlich untersuchen und umfassend darstellen. Parallel dazu hat auch der Bezirk Mittelfranken begonnen, die Geschehnisse in seinen Einrichtungen während der NS-Zeit aufzuarbeiten.

 

Bereits im Februar 2017 konstituierte sich der Beirat für die Gedenkstätte der Euthanasie-Opfer in der Heil- und Pflegeanstalt Erlangen, dem Vertreter der Universität, des Universitätsklinikums, des Bezirks Mittelfranken, des Bezirksklinikums und der Stadt Erlangen angehören. Darüber hinaus sind auch weitere Vertreterinnen und Vertreter im Beirat vertreten, z.B. Zentrum Selbstbestimmtes Leben e.V., Max-Planck-Institut, die jüdische Gemeinde. An den Sitzungen des Beirates nehmen auch der Oberbürgermeister, die Referentin für Bildung, Kultur und Jugend sowie der Referent für Planen und Bauen teil. Aufgabe des Beirates ist es, ein angemessenes Gedenken für die Opfer zu entwickeln und zu gestalten.

 

Auf dem Gelände der HuPfla sind in den vergangenen Jahrzehnten verschiedene Einrichtungen des Universitätsklinikums Erlangen angesiedelt worden. Der Großteil der Gebäude der HuPflA wurde abgetragen. Von der HuPflA erhalten geblieben sind bis heute die Gebäude:



·         Maximiliansplatz 2 (ehemalige Verwaltung der Heil- und Pflegeanstalt, heute Kaufmännische Direktion des Universitätsklinikums)

·         Maximiliansplatz 3 (ehemaliges Direktorenwohnhaus der Heil- und Pflegeanstalt, heute radiologisches Institut des Universitätsklinikums)

·         Katholischer Kirchenplatz 9 – blaue Villa (ehemaliges Ärztehaus II, heute Sachgebiet Arbeitssicherheit der FAU und Lehrstuhl für Buchwissenschaft)

·         Schwabachanlage 10 (Nordflügel der HuPflA, ehemalige Psychiatrische Klinik, heute durch das Universitätsklinikum genutzt)

 

Das Universitätsklinikum Erlangen ist ein Klinikum der Maximalversorgungsstufe. Mit seinen Einrichtungen ist es Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten aus ganz Nordbayern. Darüber hinaus kommt dem Universitätsklinikum am Medizinstandort Erlangen auch im Bereich der Wissenschaft und Forschung große Bedeutung zu.

 

In den kommenden Jahren soll auf dem Gelände ein Forschungszentrum von weltweit herausragender wissenschaftlicher Bedeutung angesiedelt werden. Es handelt sich dabei um das „Zentrum für Physik und Medizin“ (ZPM), mit dem die Max-Planck-Gesellschaft das Ziel verfolgt, modernste physikalische und mathematische Forschung auf patientenrelevante Fragestellungen in der Medizin anzuwenden. Die wenigen vergleichbaren Projekte, die weltweit existieren, zeigen, dass ein solches Zentrum nur dann wissenschaftlich funktioniert, wenn es wirklich in unmittelbarer Nachbarschaft zu weiteren patienten- und forschungsbezogenen Einrichtungen liegt.


 

Bereits heute befinden sich auf dem Gelände verschiedene forschungsbezogene Einrichtungen des Universitätsklinikums, darunter das Translational Research Center 1 (TRC 1). Im TRC forschen ursprünglich getrennt voneinander agierende Bereiche in einem hochmodernen Umfeld an der Diagnostik und der Therapie von Erkrankungen. Eine intensive Zusammenarbeit zwischen spezialisierten Naturwissenschaftlern, Ingenieuren und Medizinern und eine Infrastruktur, die diese Zusammenarbeit fördert, sind dabei erforderlich und charakteristisch. In den kommenden Jahren soll das TRC 1 um die Bauteile TRC 2, TRC 3 und TRC 4 erweitert werden.

 

Im Zusammenspiel beider Entwicklungen handelt es sich um eine weltweit einmalige Forschungszusammenarbeit im Bereich der Medizin. Die einzelnen Bestandteile erfordern engste räumliche und funktionale Nähe zueinander. Die angestrebten wissenschaftlichen Synergieeffekte können an einem alternativen Standort nicht oder nicht in gleicher Weise erreicht werden. Für die zukünftige Entwicklung der Stadt Erlangen und für die weitere Schärfung des Profils als Gesundheits-, Medizin- und Wissenschaftsstadt sind diese Vorhaben von hoher Bedeutung. Der Stadtrat hat die Vorhaben mit Vorlage 611/155/2016 zur Kenntnis genommen und mit großer Mehrheit begrüßt. Die Verwaltung wurde beauftragt, die Umsetzung der Bauvorhaben zu unterstützen.

 

Im Interessenkonflikt steht diese Entwicklung mit dem Bestand der HuPflA und damit auch mit dem Belang des Denkmalschutzes. In den vergangenen Jahren war aus Sicht von Stadtspitze und Stadtverwaltung davon auszugehen, dass aufgrund der oben genannten Forschungsanforderungen der Erhalt des Gebäudes Schwabachanlage 10 und die Realisierung der Forschungseinrichtungen nicht miteinander vereinbar sind. Es gab also bisher nur die Optionen: „Erhalt des Gebäudes Schwabachanlage 10“ oder „Ansiedelung neuer medizinischer Spitzenforschungseinrichtungen“.

 

Unter Abwägung der unterschiedlichen Belange wurde mit Bescheid vom 12.09.2017 dem Abbruch des westlichen Bauteils der HuPflA (Schwabachanlage 10, Teilabbruch 1) zur Errichtung des ZPM mit Baubeginn zugestimmt. Der Teilabbruch 2 ist derzeit beantragt. Die Bearbeitung ist abgeschlossen. Die Genehmigung wird nach der heutigen Behandlung im Stadtrat erteilt.

 

Der Beirat hat parallel dazu in den vergangenen Monaten begonnen, sich auf aktueller wissenschaftlicher Basis mit Konzepten und Orten des Erinnerns zu befassen.

 

Mit Blick auf das Konzept geht es dabei unter anderem um die Frage, ob und wenn ja wie der zu schaffende Gedenkort mehr als ein reiner Erinnerungsort sein kann und wie es gelingen kann, beim Gedenken den Blick auch auf aktuelle und künftige medizinethische Fragen zu richten. Gerade der letzte Aspekt drängt sich in Erlangen, wo das Institut für Geschichte und Ethik der Medizin beheimatet ist, auf.

 

Intensiv beschäftigt sich der Beirat außerdem mit der Frage, wo ein solcher Gedenkort sein muss und wie authentisch er sein muss. Natürlich erfolgt die Diskussion dieser Frage vor dem Hintergrund der bekannten vergangenen und angestrebten baulichen Entwicklungen.

·         Wie kann es gelingen, an einem historischen Ort, welcher heute und künftig eine derart zentrale Funktion einnimmt, angemessen zu erinnern?

·         Welche Aufgaben soll ein öffentlicher Gedenkort innerhalb der städtischen und universitären Erinnerungskultur erfüllen?

·         Reicht es aus, an und mit Orten, an denen Täter ihre Entscheidungen über die Opfer der Euthanasie getroffen haben, zu erinnern? Oder braucht es für ein angemessenes Erinnern auch einen Ort mit Bezug zu den Opfern?


 

Auf all diese Fragen hat der Beirat noch keine fertigen Antworten. Einen ersten öffentlichen Einblick in die Arbeit des Beirats gab es aber im Rahmen einer Podiumsdiskussion am 20. November 2018. Zum öffentlichen Auftakt des Prozesses zur Entscheidungsfindung über einen geeigneten Gedenkort und ein Konzept für eine angemessene Erinnerungskultur haben Vertreter verschiedener Gedenkstätten in Erlangen verschiedene Formen der Erinnerungsarbeit vorgestellt und im Anschluss mit Anwesenden diskutiert.

 

Ende 2018 erfolgte vor dem Hintergrund der im Beirat diskutierten Fragestellungen einerseits und der angestrebten medizinischen Spitzenforschungseinrichtungen andererseits ein Austausch zwischen Oberbürgermeister Dr. Janik und dem ärztlichen Direktor des Universitätsklinikums, Prof. Dr. Heinrich Iro. Das Universitätsklinikum signalisierte dabei erstmals größtmögliche Offenheit in der Frage, wo ein authentischer Gedenkort angesiedelt werden könnte. Das Universitätsklinikum ist von der Notwendigkeit eines vollständigen Abrisses des Gebäudes Schwabachanlage 10 abgerückt.

 

Somit kommen im Hinblick auf die Arbeit des Beirats zur Schaffung eines Gedenkortes alle vier verbliebenen Gebäude der HuPflA grundsätzlich in Betracht.

 

 

2.   Ressourcen
(Welche Ressourcen sind zur Realisierung des Leistungsangebotes erforderlich?)

Investitionskosten:

bei IPNr.:

Sachkosten:

bei Sachkonto:

Personalkosten (brutto):

bei Sachkonto:

Folgekosten

bei Sachkonto:

Korrespondierende Einnahmen

bei Sachkonto:

Weitere Ressourcen

 

 

Haushaltsmittel

              werden nicht benötigt

              sind vorhanden auf IvP-Nr.      

                        bzw. im Budget auf Kst/KTr/Sk        

                    sind nicht vorhanden


Anlagen:        1.         Antrag 001/2015 der CSU-Fraktion, SPD-Fraktion, Fraktion Grüne Liste,

 FDP-Fraktion sowie der Erlanger Linken, der ödp und der FWG im

 Erlanger Stadtrat

                        2.         Antrag Nr. 3 der Bürgerversammlung Gesamtstadt vom 29.11.2018

                        3.          Lageplan Nordgelände Unikversitätsklinikum