Betreff
Monitoring von Nachhaltigkeitsindikatoren in der Stadt- und Verkehrsplanung
Vorlage
611/262/2018
Aktenzeichen
VI/61
Art
Mitteilung zur Kenntnis

Der Bericht der Verwaltung dient zur Kenntnis.


Hintergrund

Im September 2015 hat sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen auf die Agenda 2030 mit den Sustainable Development Goals (SDGs, siehe Anlage 1) geeinigt. Darin sind 17 Ziele mit Unterzielen zur nachhaltigen Entwicklung enthalten. Neben den nationalen Regierungen sind auch die Kommunen angesprochen, zur Erreichung der sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Ziele beizutragen.

 

Um den Beitrag der deutschen Kommunen zur Agenda 2030 aufzeigen zu können, haben die kommunalen Spitzenverbände, gemeinsam mit weiteren Partnern, das Gemeinschaftsprojekt „SDG-Indikatoren für Kommunen“ initiiert. 47 Kernindikatoren dienen der quantitativen Abbildung jener Ziele und Unterziele, die für Kommunen relevant sind.

 

Das Präsidium des Deutschen Städtetags empfiehlt den Mitgliedsstädten ein indikatorgestütztes Monitoring. Die 47 Indikatoren stellen dafür eine Basis dar, die aber flexibel zu handhaben und anzupassen ist. Zudem wird betont, dass die Erhebung freiwillig bleiben muss. (Siehe Anlage 2).

 

Der vorliegende Katalog an SDG-Indikatoren wird vom Projektträger selbst als erster Vorschlag verstanden. Die einzelnen Kommunen können und sollen vor Ort selbst entscheiden, welche Indikatoren zur Abbildung ihres Beitrags zum SDG am besten geeignet sind. Die vorgeschlagenen Indikatoren stehen eher am Anfang und sollen stetig weiterentwickelt werden.

 

Relevante Indikatoren

Im Aufgabenbereich des Amts für Stadtentwicklung und Stadtplanung sind die folgenden Indikatoren angesiedelt:

 

1. Modal Split (SDG 11 – Nr. 31)

Unter dem Modal Split versteht man die Anteile einzelner Verkehrsarten am Gesamtverkehrsaufkommen in einem bestimmten räumlichen Umgriff. Um den Modal Split als empirischen Wert berechnen zu können, werden Befragungen zum Verkehrsverhalten durchgeführt. Damit werden Wege oder Distanzen einschließlich der genutzten Verkehrsmittel an einem Stichtag erhoben. Repräsentative Werte können beispielsweise mit Haushaltsbefragungen oder sog. Kordonbefragungen (Verkehrsteilnehmer werden an einem bestimmten Standort über ihr Verkehrsverhalten befragt) in Form einer Zufallsstichprobe erhoben und berechnet werden.

 

Modal-Split-Werte haben in der verkehrspolitischen Diskussion einen hohen Stellenwert, können aber aus verschiedenen Gründen missverstanden oder fehlinterpretiert werden.

 

In Erlangen werden regelmäßig Indikatoren zur Verkehrsmittelwahl und damit auch zum Modal-Split erhoben. In der Regel geschieht dies mit Hilfe von repräsentativen Haushaltsbefragungen. Hierbei kann jedoch nur das Verkehrsverhalten der Erlanger Bürger/-innen, aber nicht der Einpendler abgebildet werden. Die letzten Bürgerbefragungen zur Mobilität in Erlangen durch die Statistikstelle haben in den Jahren 2010, 2014 und 2018 stattgefunden. Die Ergebnisse ermöglichen eine Zeitreihenbetrachtung zur Entwicklung des Modal Splits der Erlanger Bürger (vgl. Anlage 3). Wie sich das Gesamtverkehrsaufkommen in Erlangen darstellt, kann auf dieser Basis nicht analysiert werden, da hierfür Werte von über die Stadtgrenze einpendelnden Personen fehlen.

 

Weiterhin besteht die Möglichkeit, das Verkehrsverhalten einzelner Nutzergruppen statistisch zu erfassen. So wurde wurde im Zeitraum von Oktober 2012 bis Februar 2013 bei den acht größten Erlanger Arbeitgebern (Areva, Erlanger Stadtwerke, Friedrich-Alexander-Universität, Klinikum am Europakanal, Siemens, Sparkasse-Erlangen, Stadt Erlangen und Universitätsklinikum) eine Mitarbeiterbefragung zur Pendelmobilität durchgeführt. Die Ergebnisse können nachfolgendem Link entnommen werden. https://www.erlangen.de/desktopdefault.aspx/tabid-1768/3974_read-28701/

 

2. Flächenbezogene Indikatoren (SDG 11 – Nr. 33 u. 34)

Als Indikatoren werden

  • „Flächenverbrauch“, gemeint ist: der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche an der Gesamtfläche und
  • Naherholungsflächen (pro Einwohner)

benannt.

 

Die flächenbezogenen Daten werden vom Bayerischen statistischen Landesamt auf Basis des Amtlichen Liegenschaftskatasterinformationssystem, kurz ALKIS als „Art der tatsächlichen Nutzung“ erhoben.

 

Die aktuelle Entwicklung der Werte in Erlangen ist der folgenden Tabelle zu entnehmen:

 

 

2015

2016

2017

Fläche Stadtgebiet in ha

7.696,29

7.696,29

7.696,29

Einwohnerzahl[1]

110.257

112.023

112.846

Siedlungs- und
Verkehrsfläche in ha

3.173,10

3.189,56

3.193,33

Anteil

41,2 %

41,4 %

41,5 %

Sport-, Freizeit- und
Erholungsfläche[2] in ha

245,56

248,49

245,87

pro Einwohner in m²

22,3 m²

22,2 m²

21,8 m²

 

Auswertung der Art der tatsächlichen Nutzung (nach ALKIS)

 

Der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche verzeichnet leichte Zuwächse von 0,3 % (2015 – 2017). Im selben Zeitraum hat die Einwohnerzahl um 2,3 % zugenommen, ebenso steigt die Zahl der Erwerbstätigen. Diese Steigerungen gehen damit erkennbar auf die im Stadtgebiet realisierten Nachverdichtungen zurück.

 

Der sparsame und schonende Umgang mit Grund und Boden wird von der Stadt Erlangen als wichtiger Grundsatz bei allen Planungen berücksichtigt. Er findet seinen Ausdruck u.a. in den vielfältigen Projekten der Innenentwicklung. Seit dem Jahr 2000 konnten rund zwei Drittel der städtischen Bebauungspläne im Rahmen der Innenentwicklung, d.h. ohne Inanspruchnahme neuer Flächen, realisiert werden (vgl. Vorlage 611/206/2017).

 

Während die absoluten Zahlen zu den Sport-, Freizeit- und Erholungsflächen keinen eindeutigen Trend aufweisen, sind deren Werte pro Einwohner leicht rückläufig. Dies ist ebenfalls primär in der Bevölkerungszunahme begründet. Um den Anforderungen einer wachsenden Stadtbevölkerung gerecht zu werden, wurde u.a. das Grünkonzept Erlangen (vgl. Vorlage EB77/030/2018) erstellt. Der Sportentwicklungsplan befindet sich aktuell in Bearbeitung (vgl. Vorlage 52/190/2018).

 

3. Informelle Bürgerbeteiligung (SDG 16 – Nr. 45)

Der Indikator bezieht sich laut Definition auf „unterschiedliche Formen des bürgerschaftlichen Engagements“, die nicht gesetzlich geregelt sind. Beispielhaft genannt werden Bürgerinitiativen, Unterschriftensammlungen, Bürgerversammlungen und Runde Tische.

 

Die Verwaltung bemüht sich auf verschiedenen Feldern um eine Stärkung von Beteiligungsformaten und des bürgerschaftlichen Engagements:

 

Information über die bestehenden  Möglichkeiten sich in Gremien zu beteiligen

Handbuch Bürgerbeteiligung

Information über Vorhaben und Planungen in der Stadt, interaktiv

Vorhabenliste (laufend aktualisiert)

Möglichkeiten mitzureden und Ideen anzubringen

Infoveranstaltungen zu stadtteilrelevanten Projekten vor Ort, Bürgerversammlungen, Workshops, Foren und Arbeitskreise, Onlinebeteiligungen, Bürgersprechstunden, Mängelmelder, gesetzlich geregelte Beteiligungen

Institutionalisierte Schnittstelle in die Politik

Stadtteilbeiräte, Meinungsträgerkreis

 

Eine quantitative Erfassung der Beteiligungsformate (im Sinne des Indikators: jährliche Anzahl / 1000 Einwohner) erfolgt derzeit nicht.

 

Bewertung

Ein explizites Monitoring auf Basis des SDG-Indikatorensets findet bisher nicht statt. Die davon adressierten Themen sind aber im Verwaltungshandeln stets präsent. Die entsprechenden Daten werden bereits jetzt in den jeweiligen Arbeitszusammenhängen beachtet, ausgewertet und publiziert.

 

Neben dem damit erzeugten Mehraufwand erscheint eine zusätzliche Institutionalisierung der Berichterstattung derzeit auch aus fachlicher Sicht nicht angezeigt:

 

  1. Modal Split (SDG 11 – Nr. 31)

Ein Zeitreihenvergleich (s.o.) ist zwar möglich, der Vergleich mit anderen Kommunen oder Durchschnittswerten anhand der Indikatoren aber nicht unproblematisch. Auf die oben bereits dargestellten Fehlerquellen und Missverständnisse bei der vergleichenden Interpretation von Modal-Split-Zeitreihen wird nochmals hingewiesen.

 

  1. Flächenbezogene Indikatoren (SDG 11 – Nr. 33 u. 34)

Ein Zeitreihenvergleich (s.o.) ist zwar möglich, der Vergleich mit anderen Kommunen oder Durchschnittswerten anhand der Indikatoren aber nicht unproblematisch. Neben allgemeinen Definitionsfragen hängen die Werte stark von den natürlichen Voraussetzungen und administrativen Grenzen ab.

 

  1. Informelle Bürgerbeteiligung (SDG 16 – Nr. 45)

Die Definition und Operabilität des Indikators dürfte in der Praxis schwierig sein. Die Stadtverwaltung kann i.d.R. nur die selbst durchgeführten „Beteiligungen“ erfassen. Weitere „Beteiligungen“ können von sonstigen Akteuren oder Planungsträgern ausgehen. Inwieweit sich Initiativen aus der Bürgerschaft selbst ergeben, kann nicht beeinflusst bzw. statistisch ausgewertet werden

 

Da sich ähnliche Fragestellungen auch in anderen Kommunen ergeben dürften, ist zu erwarten, dass für die aufgeworfenen Fragen künftig allgemein übertragbare Lösungen erarbeitet werden. Die Verwaltung wird daher die weitere Entwicklung der Fachdiskussion verfolgen und zu gegebener Zeit einen Vorschlag für ein praktikables und effizientes Monitoring unterbreiten. Sinnvollerweise ist dieses in eine Gesamtbetrachtung aller 17 Nachhaltigkeitsziele bzw. 47 Indikatoren einzubinden.

 



[1] lt. Statistischem Jahrbuch Erlangen 2017

[2] Die SDG Definition für „Erholungsfläche“ entspricht nach ALKIS-Schlüssel der Kategorie Sport-,Freizeit- und Erholungsfläche.


Anlagen:            

Anlage 1: Übersicht Ziele der nachhaltigen Entwicklung

Anlage 2: Beschluss des Präsidiums des Deutschen Städtetags

Anlage 3: Verkehrsmittelwahl der Erlanger Bürger