Der Bericht der Verwaltung dient zur Kenntnis.
Ausgangslage:
Für
Steuernachforderungen und Steuererstattungen sind nach den Vorschriften der §§
233a, § 239 AO Zinsen zu erheben. Diese betragen für jeden Monat ein halbes
Prozent (§ 238 Abs. 1 AO).
Der Bundesfinanzhof
zweifelt an der Verfassungsmäßigkeit der Zinsen von 0,5% pro Monat (6,0% pro
Jahr) für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015 (Beschluss des BFH vom
25.04.2018, Az.: IX B 21/18).
Das
Bundesverfassungsgericht wird sich voraussichtlich noch im Jahr 2018 mit zwei
Verfassungsbeschwerden befassen zu der Frage, ob der gesetzliche Zinssatz des §
238 Abs. 1 AO mit 0,5% für jeden Monat für Verzinsungszeiträume nach dem
31.12.2009 bzw. nach dem 31.12.2011 verfassungswidrig ist (1 BvR 2237/14, 1 BvR
2422/17).
Der 3. Senat des
BFH wiederum hat am 09.11.2017 entschieden, dass Nachforderungszinsen in der
gesetzlichen Höhe für in das Jahr 2013 fallende Verzinsungszeiträume weder
gegen Gleichheitssatz noch gegen das Übermaßverbot verstoßen (III R 10/16).
Der Gesetzgeber hat
bisher nichts unternommen, die in § 238 Abs. 1 AO geregelte gesetzliche Höhe
der Zinsen (bei der dauerhaften Verfestigung des Niedrigzinsniveaus) herab zu
setzen.
Es ist davon
auszugehen, dass es aufgrund des BFH-Beschlusses vom 25.04.2018 massenhaft zu
Widersprüchen gegen die Festsetzungsbescheide über Nachzahlungszinsen kommen
wird. Mit dem Widerspruch werden regelmäßig die Nachforderungszinsen
angefochten. Erstattungszinsen jedoch wären bis zu einer Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts bestandskräftig und könnten bei einem geänderten
Zinssatz nicht mehr berichtigt werden. Erstattete Zinsen wären „verloren“.
Handlungsempfehlung
Deutscher Städtetag
Der Deutsche
Städtetag hat am 30.05.2018 folgende Handlungsempfehlung herausgegeben:
„Für den Bereich
der Gewerbesteuer wird aufgrund der potenziell hohen Fallzahlen eine vorläufige
Festsetzung nach § 165 Abs. 1 AO i.V.m. § 239 Abs. 1 AO von Erstattungs- und
Nachzahlungszinsen (§§ 233a, 238 AO) für Veranlagungszeiträume nach dem
31.12.2009 empfohlen.
Eine Aussetzung der
Vollziehung (AdV) sollte im Regelfall nicht gewährt werden, um mit Blick auf
die Haushaltswirkungen einen Gleichlauf bei Erstattungs- und Nachzahlungszinsen
sicherzustellen. Härtefallregelungen bleiben unberührt. Eine
Vorläufigkeitserklärung kann auch noch im Widerspruchsverfahren dem Bescheid
hinzugefügt werden. Alternativ kann mit Zustimmung des Pflichtigen die
Entscheidung über den Widerspruch bis zu einer höchstrichterlichen Klärung
aufgeschoben werden.“
In der Zwischenzeit hat sich auch die Finanzverwaltung zum weiteren Vorgehen in
dem BMF-Schreiben vom 14.06.2018 positioniert: die Finanzverwaltung wird für
Verzinsungszeiträume nach dem 01.04.2015 auf Antrag generell Aussetzung der
Vollziehung gewähren. Der Deutsche Städtetag sieht jedoch keine Veranlassung
die bisherige Handlungsempfehlung (siehe oben) zu veränderung (Schreiben des
Deutschen Städtetages vom 15.06.2018). Dieser Meinung schließen wir uns an.
Auswirkungen
Seit dem 11.06.2018
verschickte die Stadtkämmerei entsprechend der Handlungsempfehlung des
Deutschen Städtetages Gewerbesteuerbescheide, die hinsichtlich der Festsetzung
der Zinsen vorläufig sind.
Seit dem 10.07.2018
wird auf den flächendeckenden Vorläufigkeitsvermerk verzichtet. Wie die meisten
anderen Kommunen auch werden nur die mit Widerspruchsbescheid angegriffenen
Zinsbescheide mit einem Vorläufigkeitsvermerk versehen. Bei den
Erstattungszinsen gebe es keine „Verböserung“.
Festgesetzte und
vereinnahmte Nachzahlungszinsen sind
ggf. zurückzuzahlen (Mindereinnahmen bei Sachkonto 469201).
Entscheidungen über
eingegangene und noch eingehenden Widersprüche werden bis zu einer
abschließenden Klärung der Zinshöhe mit Zustimmung der Steuerpflichtigen
aufgeschoben.
Die finanziellen
Auswirkungen können nicht abgeschätzt werden. Diese sind abhängig davon,
welcher Zinssatz zukünftig gilt, und vor allem, ab welchem Zeitpunkt dieser
anzuwenden ist (Übergangsregelung, Rückwirkung?), und selbstverständlich davon,
ob Sachverhalte auftreten, die die Festsetzung von Erstattungs- oder
Nachzahlungszinsen auslösen.
Anlagen: