Betreff
ÖDP-Dringlichkeitsantrag Nr. 20/2017 zur Stadtratssitzung am 13.02.2017: Barrierefreiheit in der Erlanger Stadtverwaltung und bei Wahlen: Leichte Sprache und barrierefreie Zugänge
Vorlage
331/009/2017
Aktenzeichen
III/33
Art
Beschlussvorlage
Referenz-Antrag

1.    Die amtlichen Wahlunterlagen werden bis auf weiteres nicht in „Leichte Sprache“ übersetzt.

2.    Alternative a) Die Unterrichtungen für die Bürgerentscheide am 7. Mai 2017 werden nicht in „Leichte Sprache“ übersetzt.

oder

Alternative b) Die Unterrichtungen für die Bürgerentscheide am 7. Mai 2017 werden in „Leichte Sprache“ übersetzt.

3.    Der Bericht der Verwaltung zu Ziffer 4 des ÖDP-Dringlichkeitsantrages Nr. 20/2017 wird zur Kenntnis genommen.

4.    Die Ziffern 1, 2 und 4 des ÖDP-Dringlichkeitsantrages Nr. 20/2017 sind damit bearbeitet.

 


Zu Ziffer 1 des ÖDP-Dringlichkeitsantrages Nr. 20/2017:

 

Die amtlichen Wahlbenachrichtigungen, die Wahlscheinanträge, die verschiedenen Umschläge für die Briefwahl sowie die Merkblätter und Wegweiser für die Briefwahl sind bei Bundestags-, Landtags-, Bezirks- und Kommunalwahlen jeweils inhaltlich verbindlich vorgeschrieben (vgl. z. B.    § 19 BWO i. V. m. Anlage 3 und 4 oder § 16 GLKrWO i. V. m. Nr. 22 GLKrWBek i. V. m. Anlage 1 und 2). Gemäß § 1 Abs. 2 der Satzung der Stadt Erlangen zur Durchführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden sind diese Vordrucke auch bei Bürgerentscheiden zu verwenden.

Es ist deshalb nicht zulässig, die amtlichen Wahlunterlagen inhaltlich zu verändern und in einer sog. „Leichten Sprache“ abzufassen.

Auch eine erläuternde Beilage stößt auf erhebliche rechtliche Bedenken. „Leichte Sprache“ vereinfacht sehr stark. Deshalb kann auch bei zertifizierter Übersetzung nicht gewährleistet werden, dass eine solche Beilage den Inhalt der amtlichen Wahlunterlagen vollinhaltlich und rechtssicher wiedergibt. Der Nutzer muss sich jedenfalls mit den amtlichen Unterlagen auseinandersetzen, die er benutzen bzw. ausfüllen muss.

Die Regierung von Mittelfranken und das Bay. Staatsministerium des Innern weisen deshalb nachdrücklich darauf hin, dass Missverständnisse zu Wahlanfechtungen und damit zu einer Wiederholung der Wahl/Abstimmung führen können.

Die Verwaltung schlägt deshalb vor, die Auswirkungen der geplanten Novellierung des Bayerischen Behindertengleichstellungsgesetzes (BayBGG) auf das Wahlrecht abzuwarten.

 

Zu Ziffer 2 des ÖDP-Dringlichkeitsantrages Nr. 20/2017:

 

Gleichzeitig mit der Abstimmungsbenachrichtigung werden die Bürgerinnen und Bürger über den Gegenstand und die Durchführung des Bürgerentscheids schriftlich unterrichtet. Im Anschluss an diese Unterrichtung legen sowohl die Vertretungsberechtigten des Bürgerbegehrens als auch der Stadtrat seine Auffassung zum Gegenstand des Bürgerbegehrens in gleichem Umfang bündig dar (Art. 18a Abs. 15 GO, § 3 Abs. 2 der Satzung).

Vor dem Stadtratsbeschluss über die Unterrichtungen müssen die Texte mit den Stadtratsfraktionen und den Vertretungsberechtigten der Bürgerbegehren abgestimmt werden. Der gesetzliche Zeitrahmen ist dafür sehr eng.

Übersetzungen in „Leichte Sprache“ erfordern viel Zeit, weil umfangreiche Tests mit Probanden stattfinden müssen. Für die Übersetzung einer Unterrichtung im Umfang von 3 Seiten DIN A4 sind mindestens 3 Wochen zu veranschlagen. Bei zwei Bürgerentscheiden verlängert sich diese Zeit. Die Dauer für die Erstellung der Übersetzungen hängt ferner auch davon ab, wie viele unterschiedliche Sprachniveaus angefertigt werden sollen. Eine zuverlässige zeitliche Abschätzung ist derzeit kaum möglich. Dies hat die Nachfrage der Verwaltung bei der Firma capito Nordbayern,
Rummelsberg 20a, Schwarzenbruck, ergeben. Sie bietet als einzige Einrichtung in Nordbayern TÜV-zertifizierte Übersetzungen in „Leichte Sprache“ an.

Somit ist es auch in Zukunft jedenfalls nicht möglich, Übersetzungen bis zum maßgeblichen Stadtratsbeschluss über die Unterrichtungen zu erstellen und mit den Abstimmungsbenachrichtigungen zu versenden.

Eine daran anschließende Übersetzung der Unterrichtungen würde zwingend eine weitere Abstimmung mit den Vertretungsberechtigten des Bürgerbegehrens und einen zusätzlichen Stadtratsbeschluss erfordern. Erst dann könnten die Übersetzungen im Internet veröffentlicht werden. Den Vertretungsberechtigten des Bürgerbegehrens stünde es zudem frei, die Übersetzung ergebnisabhängig abzulehnen.

Abgesehen davon, dass die Zeit für die Erstellung von Übersetzungen für zwei Bürgerentscheide im aktuellen Fall ohnehin äußerst kurz ist, wären in dem sehr engen Zeitfenster vorab noch andere wichtige Fragen zu entscheiden, z. B. ob mehrere und ggf. welche Sprachniveaus überhaupt angeboten werden sollen. Die Zielgruppe innerhalb der Abstimmungsberechtigten ist sehr heterogen, z. B. Senioren, Menschen mit Lernschwierigkeiten oder funktionalem Analphabetismus.

Die Verwaltung schlägt deshalb vor, im Rahmen des Modell-Projekts „Kommune inklusiv“ zunächst Standards für Veröffentlichungen in „Leichter Sprache“ festzulegen und ein entsprechendes Konzept zu entwickeln, das dann abhängig von der weiteren rechtlichen Entwicklung auch für den Wahlbereich gelten kann.

 

Zu Ziffer 4 des ÖDP-Dringlichkeitsantrages Nr. 20/2017:

 

Wahlräume befinden sich überwiegend in Schulen, weil diese für die Bürgerinnen und Bürger einfach zu erreichen sind. Das Bürgeramt aktualisiert vor jeder Abstimmung bzw. Wahl sein Verzeichnis der Wahlräume und prüft, wo barrierefrei Räume hinzugewonnen werden können. So konnte die Zahl der barrierefreien Wahlräume in den letzten Jahren auf 67% (64 von 95) gesteigert werden, u. a. zuletzt in der Grundschule Tennenlohe, wo durch die neue Mensa nun beide Wahlräume barrierefrei erreichbar sind. In anderen Schulen ist ein barrierefreier Zugang bisher leider nicht realisiert (vgl. Anlage). Das Bürgeramt hat darauf keinen Einfluss. Ein Verzicht auf diese Wahlräume ist mangels Alternativen allerdings auch nicht möglich.

Ob ein Wahlraum barrierefrei ist oder nicht, geht aus der amtlichen Wahlbenachrichtigung hervor.

Betroffenen Bürgerinnen und Bürgern wird empfohlen, ggf. Briefwahlunterlagen zu beantragen oder mit dem Wahlschein in einem barrierefreien anderen Wahlraum abzustimmen. Auskünfte dazu erteilt das Wahlamt.

 


Anlagen:        Liste der barrierefreien/nicht barrierefreien Wahlräume