Betreff
Verbesserung der Kinderbetreuung in Randzeiten
Vorlage
51/108/2016
Aktenzeichen
IV/51/MMM
Art
Beschlussvorlage

Der Fraktionsantrag 033/2015 der SPD vom 24.02.2015 ist durch den Sachbericht der Verwaltung des Jugendamts abschließend bearbeitet.


1. Bisherige Anträge und Stellungnahmen

 

Die SPD hat mit ihren Anträgen Nr. 042/2012 vom 27.03.2012 und Nr. 141/2013 vom 10.09.2013 „Verbesserung der Kinderbetreuung“ ein Expertengespräch für die Ermittlung des Bedarfs für erweiterte Öffnungszeiten sowie eine Arbeitgeberanhörung beantragt.

 

Dem Jugendhilfeausschuss wurde am 17.10.2013 ein ausführlicher Sachbericht des Stadtjugendamts zum qualitativen Ausbau der Kinderbetreuung vorgelegt. In diesem wurden die Ergebnisse der Elternbefragung 2012, des Expertengesprächs und der Arbeitgebergespräche präsentiert. Der Fraktionsantrag der SPD 14/2013 wurde damit abschließend behandelt.

 

Das Jugendamt machte im Sachbericht deutlich, dass es die Bedarfs- und Nachfragesituation weiter sehr genau beobachten und in den Grenzen des Kindeswohls bedarfsgerechte Angebote entwickeln will sowie in Einzelfällen kreativ gemeinsam mit den Betroffenen nach Lösungen suchen wird.

 

Die Ergebnisse der weiteren Expertengespräche und Arbeitgeberanhörungen durch das Jugendamt und die Geschäftsführung des Erlanger Bündnisses für Familien sowie die Angebote zur Randzeitenbetreuung und Kindernotfallbetreuung des Erlanger Bündnisses für Familien werden im Folgenden dargestellt. Damit wird dem neuen Fraktionsantrag der SPD, der inhaltsgleich mit den SPD-Anträgen von 2012 und 2013 ist, in vollem Umfang entsprochen.

 

2.   Auswertung weiterer Expertengespräche

 

Austauschgespräche mit Vertretern von Beratungsangeboten für Alleinerziehende – Bedarfssituation von Alleinerziehenden:

 

IBA – Integriertes Beratungsangebot für Alleinerziehende – war ein Projekt der GGFA, das aus Bundesmitteln gefördert wurde. Nach Abschluss der zweijährigen Projektphase wurde der Aus-tausch zwischen dem Jugendamt und den anderen Beteiligten, dem Fallmanagement für Alleinerziehende des Jobcenters GGFA, Vertretungen aus dem Netzwerk Alleinerziehender sowie der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Erlangen als regelmäßiger Arbeitskreis kontinuierlich fortgeführt. Ziel war, die Bedarfssituation von Alleinerziehenden insbesondere in Bezug auf Erschwernisse bei der Berufsausübung in Folge unzureichender Kinderbetreuungsangebote differenziert zu ermitteln und darzustellen. Besonders im Blick genommen wurde die Situation von Alleinerziehenden, die im unteren Lohnsektor beschäftigt sind oder Arbeit suchen, da gerade diese Tätigkeiten mit ungünstigen Arbeitszeiten verbunden sind. Die Austauschtreffen sollen regelmäßig fortgeführt werden.

 

Außerdem wurden auch Austauschgespräche mit dem Grünen Sofa, Zentrum für Alleinerziehende Erlangen e.V., geführt.

 

Nach den Rückmeldungen aus den Expertengesprächen erschweren insbesondere ungünstige Arbeitszeitbedingungen Alleinerziehenden die Berufsausübung bzw. die Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuung, z.B.:

 

     Kurzfristig wechselnde Arbeitszeiten, die eine verlässliche Planung behindern

     Wochenend- bzw. Sonntagsarbeit

     Schichtdienste

     Spätes Arbeitsende bzw. sehr früher Arbeitsbeginn

 

Als weitere schwierige Situation in Bezug auf die Kinderbetreuung wurde z.B. die Durchführung eines Praktikums bzw. einer Hosptiation genannt:

 

In Einzelfällen haben Alleinerziehende infolge dessen einen Betreuungsbedarf außerhalb der regulären Öffnungszeiten von Einrichtungen, die Betreuung ist jedoch meist nur punktuell nötig, wie z.B. gelegentlich an Wochenenden, an bestimmten Wochentagen für bestimmte Zeitfenster oder ist kurzfristig nötig für einen begrenzten überschaubaren Zeitraum (Praktikum).

Bei spätem Arbeitsende bzw. sehr frühen Arbeitsbeginn besteht hingegen ein regelmäßiger Kinderbetreuungsbedarf zu ungünstigen Zeiten.

 

Tatsächlich werden bestehende Betreuungsangebote für Krippenkinder mit längeren Öffnungszeiten jedoch an den Abenden kaum genutzt. Wie die Rückfrage bei der Städtischen Kinderkrippe Isarstraße 12 ergeben hat, die eine Betreuung bis 20 Uhr anbietet, wird Kinderbetreuung nach 18 Uhr kaum gebucht. Im Jahr 2014 wurden zwei Kinder bis 19 Uhr betreut, im Jahr 2015 ein Kind nach Absprache an einzelnen Tagen bis 19 Uhr und im Jahr 2016 liegt keine Buchung nach 18 Uhr vor. Die Betroffenen finden offensichtlich dann andere Betreuungslösungen in ihrem Umfeld.

 

Bei frühem Arbeitsbeginn scheinen die bestehenden Betreuungsangebote auszureichen. Auf das Stadtgebiet verteilt gibt es sowohl Krippen, wie auch Kindergärten und Horte die mindestens eine Betreuung ab 7 Uhr oder auch früher anbieten, siehe Anlage „Aktuelle Öffnungszeiten von Kindertageseinrichtungen“.

 

Schwierigkeiten bereiten berufstätigen Alleinerziehenden auch folgende Situationen:

 

     Regelmäßige Therapietermine  des Kindes (z.B. Logopädie, Ergotherapie, Sprachtherapie),
      wenn das Kind zu den Terminen begleitet werden muss

     Besuch von Sportangeboten oder Musikunterricht, wenn das Kind diese nicht alleine errei-
      chen/besuchen kann

 

Hier benötigen alleinerziehende Elternteile eine Begleitung ihres Kindes zu den Terminen durch eine dem Kind vertraute Person.

 

Austauschgespräch mit dem Betreuungsteam Känguru und Pinguin beim DHB, Netzwerk Haushalt, OV Erlangen - Betreuungsbedarf in Notfallsituationen:

 

Kurzfristig und für begrenzte Zeiträume wird Kinderbetreuung außerhalb von Einrichtungen gelegentlich von folgenden Personenkreisen benötigt:

     Neu zugezogene Familien

     Familien mit wenig sozialem Netz

     Alleinerziehende

Für diese Personenkreise ist es schwierig, kurzfristig eintretende Notfälle oder auch besondere Situationen zu überbrücken, wie z.B.:

 

     Familie mit einem schwer kranken Kind. Ein Elternteil begleitet das kranke Kind häufig bei
      Krankenhausaufenthalten oder ambulanten Therapien. Der andere Elternteil kann aufgrund
      seiner Arbeitszeiten die Betreuung des Geschwisterkindes zu Hause außerhalb der Öff
      nungszeiten des Kindergartens nicht vollständig gewährleisten.

 

     Eine Mutter von vier Kindern erkrankt plötzlich (Beinbruch), jedoch besteht kein Anspruch
      auf Haushaltshilfeleistungen durch die Krankenkasse. Der berufstätige Vater kann auf
      Grund seiner beruflichen Termine die Kinderbetreuung nicht vollständig übernehmen.

 

Zusammenfassung der Expertenbefragungen:

 

In den allermeisten der beschriebenen Situationen werden vor allem individuelle auf den konkreten Bedarf zugeschnittene Lösungen benötigt. Kinderbetreuung außerhalb der Öffnungszeiten der Kindertageseinrichtungen wird von den beschriebenen Personenkreisen gelegentlich, in bestimmten Zeitfenstern, flexibel und wohnortnah benötigt.

 

Die Anforderung einer solchen hohen Flexibilität und die Vorhaltung von Angeboten, die nur hin und wieder genutzt werden, sind institutionell jedoch schwer umsetzbar. Die beschriebenen Bedarfssituationen können nicht vollständig durch längere Öffnungszeiten von Kindertageseinrichtungen abgedeckt werden.

 

Angebote des Erlanger Familienbündnisses bieten jedoch Unterstützung für o.g. Bedarfssituationen, wie nachfolgend (Punkt 5) noch dargestellt wird:

 

3.   Arbeitgeberbefragung

 

Große Erlanger Arbeitgeber wie die Firma Siemens und die Universität sind Partner im Erlanger Bündnis für Familien. Mit ihnen, sowie der IHK und unter Beteiligung vom DHB, Netzwerk Haushalt, und der Kirche fanden in einem eigenen Arbeitskreis Austauschgespräche zum Thema „Randzeitenbetreuung/Kinderbetreuung in Notsituationen“ statt. Siemens und Universität meldeten zurück, dass die eigenen Beschäftigten keine zeitlich erweiterten Betreuungsangebote benötigen. Die bestehenden Kindertageseinrichtungen in Erlangen sowie die eigenen Einrichtungen bzw. Angebote decken den vorhandenen Kinderbetreuungsbedarf für Kinder der eigenen Beschäftigten ab. Die angebotenen Öffnungszeiten reichen laut Siemens und der Universität/des Universitätsklinikums aus bzw. werden durch eigene zusätzliche Kinderbetreuungsangebote für Randzeiten optimal ergänzt. Der Familienservice der Universität und des Universitätsklinikums stellt seinen Beschäftigten und Studierenden für Betreuungsbedarfe außerhalb der Öffnungszeiten einen Betreuer*innen-Pool mit ca. 80 Betreuungskräften zur Verfügung, über den zeitnah und flexibel Kinderbetreuung angeboten werden kann. Die IHK bestätigt die punktuellen Betreuungsbedarfe für die Kinder von alleinerziehenden Berufstätigen, wie sie in den IBA-Gesprächen formuliert wurden, bringt aber auch vor, dass viele Arbeitgeber gerade im Einzelhandel bei der Aufstellung der Dienstpläne die Wünsche der Beschäftigten mit Kinder gut berücksichtigen.

 

4.   Position der Familienbündnisse

 

Die lokalen Bündnisse für Familie engagieren sich bundesweit für eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Eltern wollen und sollen verantwortungsvoll für ein ausreichendes Einkommen ihrer Familie sorgen. Auch das Erlanger Bündnis für Familie setzt sich dafür ein, dass Eltern sich qualifizieren können und Arbeit finden, um ihre Familien gut versorgen zu können und dass die Rahmenbedingungen für eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf ausgebaut werden.

 

 

 

Das Engagement hat zwei Zielrichtungen:

 

Auf der einen Seite geht es darum, ausgehend von den individuellen konkreten Bedarfen praxistaugliche Kinderbetreuungslösungen mit zu gestalten. Auf der anderen Seite engagieren sich die Familienbündnisse für die Förderung einer familienorientierten Personalpolitik in Unternehmen. Familienbündnisse unterstützen Unternehmen dabei, gute Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Bedürfnissen von Familien und Kindern Rechnung tra-gen und nicht einseitig nur die größtmögliche Flexibilität der Arbeitnehmer einfordern.

 

5.   Angebote des Erlanger Familienbündnisses zur Unterstützung besonderer Kinderbe-treuungsbedürfnisse

 

Das Erlanger Bündnis für Familien engagiert sich dafür, Familien mit wenig sozialem Netz vor Ort und Alleinerziehende, die nicht auf familiäre Hilfe zurückgreifen können, zu unterstützen und bedarfsgerechte flexible Einzellösungen für Kinderbetreuung mit zu gestalten. Es ist aus Sicht des Erlanger Familienbündnisses wichtig, Betreuungslücken für Alleinerziehende, vorwiegend Frauen, zu schließen, um gerade Nachteile in der Berufsbiografie von Frauen zu vermeiden. Unbestritten haben auch Familien mit wenig sozialem Netz einen besonderen Kinderbetreuungsbedarf, besonders, wenn sie kurzfristig in eine Notsituation geraten.

 

Durch die konstruktive Kooperation vieler Partner im Erlanger Bündnis für Familie sind wertvolle Projekte und Angebote entstanden.

 

Känguru und Pinguin sind Angebote, die beim DHB Erlangen Netzwerk Haushalt, Partner im Erlanger Bündnis für Familien, angesiedelt sind.

 

Känguru bietet berufstätigen Eltern, wenn ihr Kind plötzlich krank wird, eine schnelle Notfallbetreuung  ihres Kindes zu Hause. Alle Erlanger Familien können dieses Angebot nutzen. Durch die Subventionierung durch die beteiligten Unternehmen (Siemens, Universität, Universitätsklinikum, Areva) bzw. durch das Erlanger Bündnis für Familien müssen die Eltern einen Stundensatz von nur 6,50 € selbst aufbringen. Dieser kann bei nachweislich geringem Einkommen durch einen weiteren Zuschuss des Familienbündnisses auf die Hälfte reduziert werden. Känguru soll ausgebaut werden und weitere Notsituationen  bzw. Unterstützungsbedarfe abdecken. Der Ausbau erfolgt unter der Voraussetzung, dass weitere Betreuungskräfte gewonnen werden können. Das Angebot ist deshalb auch nicht beliebig erweiterbar, da es schwierig ist, Betreuungskräfte zu gewinnen, die unter den vorliegenden Rahmenbedingungen so flexibel arbeiten wollen.

 

Pinguin bietet bei dienstlicher Verhinderung flexible Kinderbetreuung außerhalb der Kita-Öffnungszeiten. Die Nutzung ist begrenzt auf Beschäftigte von Uni, Uni-Klinik und AREVA.

Das Projekt Familienpatenschaften ist angebunden an den Kinderschutzbund. Familienpaten unterstützen Familien und gerade auch Alleinerziehende, denen das soziale Netz fehlt oder die in schwierigen Lebenssituationen sind. Sie helfen auch bei der Kinderbetreuung, sind aber nicht als Betreuungskräfte zu sehen, die man für bestimmte Zeiten „buchen“ kann, sondern bieten den Fa-milien umfassende kontinuierliche Unterstützung und sind Ansprechpartner  für diese in unter-schiedlichen Bereichen, dem jeweiligen Bedarf der Familien entsprechend (Erziehungsfragen, Lernunterstützung, Haushaltsorganisation etc.). Aktuell laufen 46 Familienpatenschaften im Projekt.

 

Eine neue Kooperation mit dem Familienservice der Universität ermöglicht es dem Erlanger Familienbündnis, den Betreuer*innenpool des Familienservices der Universität/des Universitätsklinikums für Anfragen von Alleinerziehenden mit Kinderbetreuungsbedarf in Randzeiten mit zu nutzen. Die Anfrage ist an die Geschäftsführung des Erlanger Bündnisses für Familien zu stellen, die diese dann an den Familienservice der Universität weiterleitet. Dort wird dann abgefragt, ob eine Betreuungskraft verfügbar ist und den Einsatz übernimmt.

 

 

 

Eine weitere Unterstützungsmöglichkeit ist ein finanzieller Zuschuss für Alleinerziehende für selbst organisierte Einzellösungen zur Kinderbetreuung, die über eine Spende der Bürgerstiftung realisiert werden kann. Voraussetzung ist, dass die Kinderbetreuung wegen der beruflichen Qualifizierung bzw. Berufsausübung erforderlich ist und der alleinerziehende Elternteil über zu wenig Einkommen verfügt, die Kinderbetreuung selbst zu finanzieren.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Anlagen: 3 Tabellen zur Öffungszeit