Die Ausführungen der Verwaltung werden zur Kenntnis genommen.
Mit Urteil vom 09.02.2010 hatte das Bundesverfassungsgericht eine
Ergänzung der SGB II-Regelsätze für Kinder (bundesfinanziert) verlangt, da
Bedarfe für Bildung und Teilhabe im Regelsatz überhaupt nicht berücksichtigt
waren. Der Gesetzgeber entschied sich jedoch diese geforderten Ergänzungen
nicht durch eine Erhöhung der bundesfinanzierten Kinderregelsätze umzusetzen,
sondern durch Einführung der sogenannten Bildungs- und Teilhabeleistungen –
auszuführen in der Eigenverantwortung der Kommunen und gegen volle
Kostenerstattung aus dem Bundeshaushalt. Der Transportweg für diese
Bundeserstattungen an die Kommunen läuft aus verfassungsrecht-lichen Gründen
als erhöhte KdU-Bundesbeteiligung auf indirektem Wege über den Umweg der
Länderhaushalte an die Kommunen.
Weil der vom Bund zu erstattende Bildungs- und Teilhabeaufwand örtlich
sehr unterschiedlich hoch ausfällt, erlässt der Bund jährlich eine sogenannte
Bundesbeteiligungsfeststellungsverordnung (BBFestV), in der die benötigte
Erhöhung der KdU-Beteiligung des Bundes für jedes Bundesland gesondert und nach
landesweiter Spitzabrechnung ausgewiesen wird. Dadurch soll sicher-gestellt
werden, dass jedes Bundesland vom Bund ausreichende Erstattungsmittel erhält,
damit bei der Weiterverteilung dieser Mittel an die Kommunen dieses
Bundeslandes überall der jeweilige örtliche BuT-Aufwand vollständig erstattet
werden kann.
Die neue BBFestV für 2016 ist im Juli in Kraft getreten. Danach erhält
der Freistaat Bayern rückwirkend zum 01.01.2016 zur Weiterverteilung an die
bayerischen Kommunen BuT-Bundeserstattungen in Höhe von 3,6 % (Vorjahr 3,4 %)
der KdU-Ausgaben aller bayerischer Kommunen, weil in dieser Höhe im Vorjahr
BuT-Ausgaben in allen bayerischen Kommunen angefallen sind. Die BBFestV 2016
ist in der Anlage abgedruckt.
Benachteiligung Erlangens
bei der Verteilung der BuT-Bundeserstattungen seit 2013
Die überwiegende Mehrzahl der Bundesländer verteilt diese vom Bund
erhaltenen BuT-Erstattungsmittel – entsprechend der gesetzlichen
Zweckbestimmung – auch belastungsgerecht (also entsprechend dem jeweils örtlich
angefallenen BuT-Aufwand) an die eigenen Kommunen weiter. Lediglich drei der 16
Bundesländer (neben dem Freistaat Bayern noch der Freistaat Sachsen und das
Land Brandenburg) sind dazu nicht bereit. Das Land Bayern z. B. übernimmt für
die Weiterverteilung den Landesdurchschnittswert aus der BBFestV und verteilt
die vom Bund erhaltenen BuT-Erstattungen damit nach dem – sachlich falschen –
Kriterium des örtlichen KdU-Aufwandes. Dieses im Ergebnis höchst ungerechte
Verteilungskriterium wurde neuerdings sogar in der zum 01.06.2016 in Kraft
getretenen Fassung des AGSG (Bayerisches Ausführungsgesetz zu den
Sozialgesetzen) gesetzlich festgeschrieben. Die dagegen eingereichte Petition
der Stadt Erlangen wurde vom bayerischen Landtag mehrheitlich verworfen.
Im Ergebnis wird das vom Bundesgesetzgeber gewünschte Ziel (vollständige
Erstattung des örtlichen BuT-Aufwandes in allen Kommunen aus Bundesmitteln)
massiv konterkariert: Bei diesem, in Bayern verwendeten Verteilungskriterium
werden Kommunen mit sehr hohem Mietniveau und mit geringem BuT-Aufwand massiv
bevorzugt, während Kommunen mit hohem BuT-Aufwand diesen nur teilweise
erstattet bekommen und den Rest aus kommunalen Haushaltsmitteln finanzieren
müssen (obwohl der Bund die entsprechenden Erstattungsmittel vollständig an das
Land aus-gezahlt hat). Dank der hohen Inanspruchnahme von BuT-Leistungen in
Erlangen (unter anderem auch wegen des Modells der optimierten Lernförderung)
fällt in der Stadt Erlangen ein hoher BuT-Aufwand an (2015: ca. 9,3 % des
örtlichen KdU-Aufwandes – Bundeserstattungen wurden vom Freistaat Bayern jedoch
nur in Höhe von 3,4 % an die Stadt Erlangen weiterverteilt). Demgegenüber hat
z. B. im Jahr 2015 der Landkreis Starnberg (BuT-Aufwand in Höhe von ca.
1,7 % des örtlichen KdU-Aufwandes) vom Freistaat Bayern knapp doppelt so
viel Bundeserstattungen erhalten, wie überhaupt an BuT-Aufwand im Landkreis
Starnberg angefallen ist. Auch die Landeshauptstadt München (BuT-Aufwand in
Höhe von ca. 2,8 % des örtlichen KdU-Aufwandes) hat im vergangenen Jahr bei der
Verteilung der Bundeserstattungen durch den Freistaat Bayern einen erheblichen
Gewinn von ca. 1,4 Mio. € gemacht. Seit Langem ist die Stadt bemüht durch
Kontakte mit Vertretern von Bund, Land und kommunalen Spitzenverbänden diese
Ungerechtigkeit bei der Verteilung der BuT-Bundeserstattungen in Bayern zu
beenden – bisher jedoch leider noch ohne Erfolg. Wie bereits erwähnt hat die
Mehrheit im bayerischen Landtag erst kürzlich diese ungerechte
Verteilungspraxis gesetzlich verankert. Dabei hat sich die bayerische
Staatsregierung nicht gescheut in der Gesetzesbegründung diese ungerechte
Regelung mit folgenden Worten zu rechtfertigen: „Es entspricht einem…speziell
bayerischen sozialpolitischen Anliegen, die Inanspruchnahme der Bildungs- und
Teilhabeleistungen zu steigern und Anreize für die Kommunen als Sozialleistungsträger
zu setzten, die Inanspruchnahme durch Beratungsleistungen zu unterstützen“ –
Landtagsdrucksache 17/9265
Ab 2017: Noch höhere
Benachteiligung der Stadt Erlangen ?
Durch folgende neue Entwicklung wird die gesamte Problematik ab dem Jahr
2017 noch erheblich verschärft: Am 16.06.2016 haben sich in Berlin die
Regierungschefs von Bund und Ländern darauf verständigt, dass der Bund
(vorläufig im Zeitraum 2016 – 2018) die Kosten der Unterkunft für anerkannte
Flüchtlinge komplett übernimmt – also auch den etwa 2/3 Anteil des
KdU-Aufwandes, der derzeit noch von den Kommunen zu tragen ist. Bei der
Verteilung dieser zusätzlichen Bundesmittel soll im Jahr 2016 der sogenannte
Königsteiner Schlüssel gelten – ab dem Jahr 2017 aber sollen diese zusätzlichen
Bundeserstattungen „mittels der aus dem BuT-Paket bekannten Mechanismen„ von
den Ländern an die Kommunen verteilt werden. Es droht also die Situation, dass
das in Bayern festgelegte ungerechte Verteilungskriterium auch bei der
Verteilung von Bundesmitteln zur Erstattung des örtlichen KdU-Aufwandes für
anerkannte Flüchtlinge wieder zum Tragen kommt und dadurch die Stadt Erlangen –
ebenso wie bei der Verteilung der Bundeserstattung des örtlichen BuT-Aufwandes
– erneut und ein zweites Mal massiv benachteiligt werden könnte.
Um dies zu verhindern hat der Oberbürgermeister unverzüglich sich in
einem ausführlichen Schreiben (siehe Anlage 2) an die bayerische
Sozialministerin, an alle örtlichen Bundes- und Landtagsabgeordneten, sowie an
die bayerischen kommunalen Spitzenverbände gewandt. Eine inhaltliche Antwort
hierzu ist bisher nur vom Bay. Städtetag eingegangen. Darin wird lediglich
fest-gestellt, dass in Bayern auch beim Ausgleich des örtlichen KdU-Aufwandes
für Flüchtlinge keine belastungsgerechte Verteilung der Bundeserstattungen
vorgesehen sei.
Anlagen: 1. BBFestV 2016
2. OBM-Schreiben vom 26.07.16 am Emilia Müller + Anlage 1
3. Schreiben vom Bay. Städtetag an OBM vom 28.08.16