Betreff
Sachstandsbericht zu den Bundeserstattungen für Bildungs- und Teilhabeleistungen
Vorlage
50/065/2016
Aktenzeichen
V/50/VO001 T.2249
Art
Beschlussvorlage

Die Ausführungen der Verwaltung werden zur Kenntnis genommen.


Mit Urteil vom 09.02.2010 hatte das Bundesverfassungsgericht eine Ergänzung der SGB II-Regelsätze für Kinder (bundesfinanziert) verlangt, da Bedarfe für Bildung und Teilhabe im Regelsatz überhaupt nicht berücksichtigt waren. Der Gesetzgeber entschied sich jedoch diese geforderten Ergänzungen nicht durch eine Erhöhung der bundesfinanzierten Kinderregelsätze umzusetzen, sondern durch Einführung der sogenannten Bildungs- und Teilhabeleistungen – auszuführen in der Eigenverantwortung der Kommunen und gegen volle Kostenerstattung aus dem Bundeshaushalt. Der Transportweg für diese Bundeserstattungen an die Kommunen läuft aus verfassungsrecht-lichen Gründen als erhöhte KdU-Bundesbeteiligung auf indirektem Wege über den Umweg der Länderhaushalte an die Kommunen.

 

Weil der vom Bund zu erstattende Bildungs- und Teilhabeaufwand örtlich sehr unterschiedlich hoch ausfällt, erlässt der Bund jährlich eine sogenannte Bundesbeteiligungsfeststellungsverordnung (BBFestV), in der die benötigte Erhöhung der KdU-Beteiligung des Bundes für jedes Bundesland gesondert und nach landesweiter Spitzabrechnung ausgewiesen wird. Dadurch soll sicher-gestellt werden, dass jedes Bundesland vom Bund ausreichende Erstattungsmittel erhält, damit bei der Weiterverteilung dieser Mittel an die Kommunen dieses Bundeslandes überall der jeweilige örtliche BuT-Aufwand vollständig erstattet werden kann.

 

Die neue BBFestV für 2016 ist im Juli in Kraft getreten. Danach erhält der Freistaat Bayern rückwirkend zum 01.01.2016 zur Weiterverteilung an die bayerischen Kommunen BuT-Bundeserstattungen in Höhe von 3,6 % (Vorjahr 3,4 %) der KdU-Ausgaben aller bayerischer Kommunen, weil in dieser Höhe im Vorjahr BuT-Ausgaben in allen bayerischen Kommunen angefallen sind. Die BBFestV 2016 ist in der Anlage abgedruckt.

Benachteiligung Erlangens bei der Verteilung der BuT-Bundeserstattungen seit 2013

Die überwiegende Mehrzahl der Bundesländer verteilt diese vom Bund erhaltenen BuT-Erstattungsmittel – entsprechend der gesetzlichen Zweckbestimmung – auch belastungsgerecht (also entsprechend dem jeweils örtlich angefallenen BuT-Aufwand) an die eigenen Kommunen weiter. Lediglich drei der 16 Bundesländer (neben dem Freistaat Bayern noch der Freistaat Sachsen und das Land Brandenburg) sind dazu nicht bereit. Das Land Bayern z. B. übernimmt für die Weiterverteilung den Landesdurchschnittswert aus der BBFestV und verteilt die vom Bund erhaltenen BuT-Erstattungen damit nach dem – sachlich falschen – Kriterium des örtlichen KdU-Aufwandes. Dieses im Ergebnis höchst ungerechte Verteilungskriterium wurde neuerdings sogar in der zum 01.06.2016 in Kraft getretenen Fassung des AGSG (Bayerisches Ausführungsgesetz zu den Sozialgesetzen) gesetzlich festgeschrieben. Die dagegen eingereichte Petition der Stadt Erlangen wurde vom bayerischen Landtag mehrheitlich verworfen.

 

Im Ergebnis wird das vom Bundesgesetzgeber gewünschte Ziel (vollständige Erstattung des örtlichen BuT-Aufwandes in allen Kommunen aus Bundesmitteln) massiv konterkariert: Bei diesem, in Bayern verwendeten Verteilungskriterium werden Kommunen mit sehr hohem Mietniveau und mit geringem BuT-Aufwand massiv bevorzugt, während Kommunen mit hohem BuT-Aufwand diesen nur teilweise erstattet bekommen und den Rest aus kommunalen Haushaltsmitteln finanzieren müssen (obwohl der Bund die entsprechenden Erstattungsmittel vollständig an das Land aus-gezahlt hat). Dank der hohen Inanspruchnahme von BuT-Leistungen in Erlangen (unter anderem auch wegen des Modells der optimierten Lernförderung) fällt in der Stadt Erlangen ein hoher BuT-Aufwand an (2015: ca. 9,3 % des örtlichen KdU-Aufwandes – Bundeserstattungen wurden vom Freistaat Bayern jedoch nur in Höhe von 3,4 % an die Stadt Erlangen weiterverteilt). Demgegenüber hat z. B. im Jahr 2015 der Landkreis Starnberg (BuT-Aufwand in Höhe von ca. 1,7 % des örtlichen KdU-Aufwandes) vom Freistaat Bayern knapp doppelt so viel Bundeserstattungen erhalten, wie überhaupt an BuT-Aufwand im Landkreis Starnberg angefallen ist. Auch die Landeshauptstadt München (BuT-Aufwand in Höhe von ca. 2,8 % des örtlichen KdU-Aufwandes) hat im vergangenen Jahr bei der Verteilung der Bundeserstattungen durch den Freistaat Bayern einen erheblichen Gewinn von ca. 1,4 Mio. € gemacht. Seit Langem ist die Stadt bemüht durch Kontakte mit Vertretern von Bund, Land und kommunalen Spitzenverbänden diese Ungerechtigkeit bei der Verteilung der BuT-Bundeserstattungen in Bayern zu beenden – bisher jedoch leider noch ohne Erfolg. Wie bereits erwähnt hat die Mehrheit im bayerischen Landtag erst kürzlich diese ungerechte Verteilungspraxis gesetzlich verankert. Dabei hat sich die bayerische Staatsregierung nicht gescheut in der Gesetzesbegründung diese ungerechte Regelung mit folgenden Worten zu rechtfertigen: „Es entspricht einem…speziell bayerischen sozialpolitischen Anliegen, die Inanspruchnahme der Bildungs- und Teilhabeleistungen zu steigern und Anreize für die Kommunen als Sozialleistungsträger zu setzten, die Inanspruchnahme durch Beratungsleistungen zu unterstützen“ – Landtagsdrucksache 17/9265

Ab 2017: Noch höhere Benachteiligung der Stadt Erlangen ?

Durch folgende neue Entwicklung wird die gesamte Problematik ab dem Jahr 2017 noch erheblich verschärft: Am 16.06.2016 haben sich in Berlin die Regierungschefs von Bund und Ländern darauf verständigt, dass der Bund (vorläufig im Zeitraum 2016 – 2018) die Kosten der Unterkunft für anerkannte Flüchtlinge komplett übernimmt – also auch den etwa 2/3 Anteil des KdU-Aufwandes, der derzeit noch von den Kommunen zu tragen ist. Bei der Verteilung dieser zusätzlichen Bundesmittel soll im Jahr 2016 der sogenannte Königsteiner Schlüssel gelten – ab dem Jahr 2017 aber sollen diese zusätzlichen Bundeserstattungen „mittels der aus dem BuT-Paket bekannten Mechanismen„ von den Ländern an die Kommunen verteilt werden. Es droht also die Situation, dass das in Bayern festgelegte ungerechte Verteilungskriterium auch bei der Verteilung von Bundesmitteln zur Erstattung des örtlichen KdU-Aufwandes für anerkannte Flüchtlinge wieder zum Tragen kommt und dadurch die Stadt Erlangen – ebenso wie bei der Verteilung der Bundeserstattung des örtlichen BuT-Aufwandes – erneut und ein zweites Mal massiv benachteiligt werden könnte.

 

Um dies zu verhindern hat der Oberbürgermeister unverzüglich sich in einem ausführlichen Schreiben (siehe Anlage 2) an die bayerische Sozialministerin, an alle örtlichen Bundes- und Landtagsabgeordneten, sowie an die bayerischen kommunalen Spitzenverbände gewandt. Eine inhaltliche Antwort hierzu ist bisher nur vom Bay. Städtetag eingegangen. Darin wird lediglich fest-gestellt, dass in Bayern auch beim Ausgleich des örtlichen KdU-Aufwandes für Flüchtlinge keine belastungsgerechte Verteilung der Bundeserstattungen vorgesehen sei.

 

 

 

 

 

 


Anlagen:             1. BBFestV 2016

                               2. OBM-Schreiben vom 26.07.16 am Emilia Müller + Anlage 1

                               3. Schreiben vom Bay. Städtetag an OBM vom 28.08.16