Betreff
Mehr Sicherheit für Dechsendorfer Schulkinder und weiterer Passanten durch Tempo 30 oder Fußgängerüberweg in der Naturbadstraße; Antrag Nr. 132/2015 der ÖDP-Stadtratsgruppe vom 5.8.2015
Vorlage
32-1/028/2015
Aktenzeichen
III/32-1
Art
Beschlussvorlage

Die Ausführungen der Verwaltung werden zustimmend zur Kenntnis genommen.
Der Fraktionsantrag Nummer 132/2015 ist abschließend bearbeitet.


Mit Fraktionsantrag Nr. 132/2015 vom 5.8.2015 beantragt die ÖDP-Stadtratsgruppe die Einführung von "Tempo 30 km/h" auf der gesamten Länge der Naturbadstraße. Ersatzweise soll die Realisierung eines Fußgängerüberweges (FGÜ) Höhe Loheweg angestrebt werden. Begründet wird der Antrag mit einer Verbesserung der Verkehrssicherheit. Der mehrmalige Wechsel von Tempo 30 auf 50 km/h führe zu Unübersichtlichkeit und "stufenartigen Beschleunigungen" der Kraftfahrzeuge. Bezüglich vollständiger Begründung wird auf den als Anlage 1 beigefügten Antrag Bezug genommen.

 

Gegenwärtige Situation

 

In der Naturbadstraße ist im Bereich der Ortsdurchfahrt Dechsendorf zwischen Teplitzer Straße und Straße Brühl sowie zwischen Mistelweg und Campingstraße (Seeufer) die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h begrenzt, da hier durch punktuell auftretende Fahrbahnverengungen keine beidseitigen, durchgehenden Gehwege vorhanden sind.

 

Entlang des südöstlichen Seeufers Dechsendorfer Weiher bis zur Ortstafel am östlichen Seeende ist die zulässige Höchstgeschwindigkeit ebenfalls auf 30 km/h beschränkt, da hier ebenfalls keine Gehwege vorhanden sind und zudem der Streckenverlauf kurvig und unübersichtlich ist.

 

Die innerorts übliche zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gilt auf dem Teilstück zwischen Höhe Mistelweg und Teplitzer Straße. Dort sind beidseitig Hochbordgehwege vorhanden und die Strecke ist übersichtlich.

 

Rechtliche Situation

·         Tempo 30

Nach den einschlägigen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend notwendig ist. Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung erheblich übersteigt.

Nach der Verwaltungsvorschrift zu Zeichen 274 Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) 30 sind Geschwindigkeitsbeschränkungen nur zulässig, wenn insbesondere Verkehrsbeobachtungen oder Unfalluntersuchungen dort ergeben haben, dass für den Fahrzeugführer die Eigenart des Straßenverlaufs nicht so erkennbar ist, dass er seine Geschwindigkeit von sich aus den Straßenverhältnissen anpasst.

·         Fußgängerüberweg

Grundsätzlich stehen den Straßenverkehrsbehörden die von § 45 StVO vorgegebenen Mittel für Eingriffe in den fließenden Verkehr – auch in Form von Fußgängerüberwegen oder Fußgängersignalanlagen - zur Verfügung. Sie kommen beispielsweise aus Gründen der Verkehrssicherheit (§ 45 Abs.1 Satz 1 StVO) in Betracht, sind gemäß § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO aber nur dann zulässig, wenn aufgrund der örtlichen Verhältnisse eine besondere Gefahr der Beeinträchtigung geschützter Rechtsgüter besteht, die ein Einschreiten zwingend erforderlich macht.

Gerade der Fußgängerüberweg setzt voraus, dass auch die Nutzer in der Lage sind, mit den verkehrlichen Gegebenheiten zu Recht zu kommen, also z. B. die Geschwindigkeit herannahender Fahrzeug richtig einschätzen zu können, um sich durch richtiges Verhalten nicht selbst zu gefährden. Hierzu sind Erwachsene nicht stets und Kinder durch die geringere Erfahrung häufiger nicht ausreichend in der Lage. Der Fußgängerüberweg ist – im Vergleich zum Übergang mit Schulweghelfern – die weniger sichere Querungsmöglichkeit.

Laut einer aktuellen Unfallforschung der Versicherer verunglückten im Jahr 2012 gemäß amtlicher Statistik 5.206 Personen an Zebrastreifen (Fußgängerüberwegen), 22 davon tödlich. Die Unfallforschung der Versicherer (UDV) hat eine vergleichende Sicherheitsbewertung von 335 unterschiedlichen Querungsanlagen (Mittelinseln, Zebrastreifen mit und ohne Mittelinseln und Fußgängerampeln) in verschiedenen Städten des Bundesgebiets durchgeführt.

Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen, dass richtig geplante und ausgestattete Zebrastreifen eine, unabhängig von der Kraftfahrzeugbelastung, vergleichbare Sicherheit bieten können wie Fußgängerampeln, dazu aber die Einhaltung von Rahmenbedingungen dauernd sicher gestellt sein muss. Hierzu gehören:

-       Gute Erkennbarkeit durch auffällige Beschilderung und Markierung

-       Gute Sichtbeziehungen auf den Zebrastreifen und die Wartefläche (insbesondere durch effektives Freihalten von am Fahrbahnrand parkenden Fahrzeugen)

-       Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit

-       Zusätzliche Beleuchtung

-       Barrierefreie Gestaltung

Allerdings haben die Unfallforscher auch festgestellt, dass wenn auch nur eine der oben genannten Kriterien nicht eingehalten werden konnte, die „Unsicherheit“ von Fußgängerüberwegen zunahm. Deshalb sollte dann nach Auffassung der UDV auf die Anlage von Zebrastreifen aus Sicherheitsgründen verzichtet werden.


Anhörverfahren

Im Zuge des Anhörverfahrens wurden die Polizei, Abteilung Verkehrsplanung sowie das Tiefbauamt um fachliche Stellungnahme gebeten.

Die Polizei schließt sich der o. g. rechtlichen Einschätzung zum Tempo 30 ohne Einschränkung an und weist darauf hin, dass das Geschwindigkeitsmessgerät der Verkehrswacht Erlangen erst vor kurzem (Mo., 29.06.2015; 08:49 Uhr bis einschl. Fr., 03.07.2015; 07:00 Uhr) in der Naturbadstraße in Höhe Einmündung Loheweg, in Fahrtrichtung Osten installiert war. Von den Fahrzeugen die im o. g. Zeitraum von dem Messgerät erfasst worden waren blieben 99,7 Prozent innerhalb des Toleranzwertes (maximal 55 km/h). Lediglich 0,3 Prozent waren mit einer Geschwindigkeit von mehr als 55 km/h unterwegs gewesen.

Der mehrmalige Wechsel der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zwischen 30 und 50 km/h wird von der Polizei im Sinne der Verkehrssicherheit sogar als sinnvoll erachtet, da die gefahrene Geschwindigkeit aus diesem Grund wiederholt überprüft bzw. der Tachometer genauer im Blickfeld behalten werden muss. Ein durchgängiges Geschwindigkeitsniveau ist eher geeignet die gefahrene Geschwindigkeit bzw. den Tachostand nicht ständig zu überwachen.

Zum FGÜ weist die Polizei auf die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06), die unter Punkt 6.1.8 (Überquerung von Fahrbahnen durch Fußgänger) ausführen, dass Überquerungsanlagen - unabhängig von den verkehrlichen Belastungen - sinnvoll und zu empfehlen sind, wenn regelmäßig mit schutzbedürftigen Fußgängern wie z.B. Kindern und älteren Menschen zu rechnen ist. Im Anwesen Naturbadstraße 68 wurde vor einiger Zeit der integrative Montessorikindergarten "Eidechsen" eingerichtet. Der Kindergarten unterhält zwei Gruppen mit ca. 40 Kindern im Zeitraum von 07:00 Uhr bis 17:00 Uhr. Daher wird die Installation einer Querungshilfe für Fußgänger (Mittelinsel) im unmittelbaren Bereich des Kindergartens seitens der PI Erlangen-Stadt angeregt.


Das Tiefbauamt stimmt der o. g. rechtlichen Einschätzung uneingeschränkt zu und weist zusätzlich darauf hin, dass Beschwerden über Verkehrssicherheitsdefizite wie auch ein auffälliges Unfallgeschehen dort nicht bekannt sind. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass Mittel für einen FGÜ nicht zur Verfügung stehen und in kommenden Haushalten 2016 ff. bereitgestellt werden müssten.

Nach Mitteilung der Abteilung Verkehrsplanung wurden Ende September 2015 Verkehrserhebungen in diesem Bereich durchgeführt. Zum einen wurden die querenden Fußgänger in der morgendlichen Spitzenstunde von 6:50 Uhr bis 7:50 Uhr gezählt, zum anderen wurden die auf der Naturbadstraße fahrenden Kfz. (Anzahl und Geschwindigkeit) erfasst.

Die 24-Stunden-Zählung mit dem Radarmessgerät ergab eine Verkehrsbelastung von 3.258 Kfz mit einer Geschwindigkeit v85 % von 46 km/h in Richtung Ost bzw. 51 km/h in Richtung West. Während der o. g. morgendlichen Spitzenstunde wurden die Geschwindigkeiten der Kraftfahrzeuge per Lasermessung erfasst. Dabei konnte festgestellt werden, dass ein Großteil der Fahrzeuge zwischen 35 km/h und 45 km/h fährt. Nur wenige Kraftfahrzeuge überschritten die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h.

Die Abteilung Verkehrsplanung weist darauf hin, dass vor Ort mehrfach gefährliche Situationen beobachtet werden konnten. Diese entstanden meist durch eine verengte Fahrbahn aufgrund eines an der Haltestelle haltenden Busses, einem in Gegenrichtung und etwa mit zul. Höchstgeschwindigkeit fahrendem Fahrzeug sowie einem Schulkind, welches die Fahrbahn queren wollte. Auf Grund der schlechten Sichtverhältnisse - bedingt durch die leichte Kurve der Naturbadstraße und des haltenden Busses - mussten die Fahrzeuge abrupt die Geschwindigkeit drosseln.

 

Aus Sicht der Verkehrsplanung sprechen folgende Aspekte für eine Reduzierung der erlaubten Geschwindigkeit auf 30 km/h:

-       Geringere Lärmbelastung durch niedrigeres Geschwindigkeitsniveau und weniger Beschleunigungsgängen

-       Kontinuität der Geschwindigkeitsregelung im Straßenverlauf und bessere Verständlichkeit

-       Vermeidung der oben beschriebenen Gefahrensituationen und damit Erhöhung der Schulwegsicherheit

Gegen eine Reduzierung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h sprechen nach Einschätzung der Abteilung Verkehrsplanung die rechtlichen Aspekte der StVO (§ 45 Abs. 9 StVO).

 

Hinsichtlich der gewünschten Querungshilfe für Fußgänger Höhe Loheweg wurde durch die Verkehrsplanung in einem ersten Schritt die generelle Notwendigkeit einer Überquerungsanlage laut den RASt anhand der Grafik für Einsatzbereiche von Überquerungsanlagen überprüft. Dabei wurde von folgenden Ausgangsdaten ausgegangen:

-       Etwa 24 Fußgänger in der maßgeblichen Spitzenstunde (Zählung vom 17.9.15)

-       Verkehrsmengen im Gesamtquerschnitt während der Spitzenstunde von 254 Kfz.

-       Zulässige Höchstgeschwindigkeit 50 km/h

Aus der als Anlage 2 beigefügten Matrix geht hervor, dass anhand der o. g. Kriterien keine Maßnahmen erforderlich sind und ein FGÜ nicht empfohlen werden kann. Auf Grund der schlechten Sicht- sowie der beengten Platzverhältnisse wäre ein FGÜ im näheren Umfeld der Einmündung Loheweg nur schlecht realisierbar. In beigefügter Darstellung (Anlage 3) wird deutlich, dass aufgrund der Lage der Haltestellen der FGÜ in diesem Bereich nicht sinnvoll bzw. sicher angeordnet werden kann. Das Vorbeifahren an haltenden Bussen müsste baulich verhindert werden. Ebenfalls verdecken wartende Busse die Sichtfelder auf querende Fußgänger. Bei Prüfung der Sichtdreiecke wurde von der Abteilung Verkehrsplanung weiterhin festgestellt, dass bereits die laut den Richtlinien für die Errichtung von Fußgängerüberwegen geforderte generelle Erkennbarkeit des FGÜ für Kfz. (ab 100 Meter Entfernung) nicht gewährleistet werden kann.

Resümee

Eine durchgängige Reduzierung auf 30 km/h kann nach Straßenrecht nicht ohne zwingenden Grund veranlasst werden, zumal der Straßenzug Naturbadstraße als Kreisstraße für den überörtlichen Verkehr vorgesehen ist und ein entsprechender Verkehrsfluss gewährleistet sein muss. Mit den bereits vorhandenen Beschränkungen hat die Verkehrsbehörde ihren Ermessensspielraum im Hinblick auf die "besonderen Verhältnisse" im Sinne des § 45 Abs. 9 StVO schon sehr großzügig ausgelegt. Die rechtlichen Voraussetzungen, die eine durchgängige Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h in der Naturbadstraße im Bereich der Ortsdurchfahrt Dechsendorf rechtfertigen würden, liegen nach Einschätzung der Verwaltung und der Polizei nicht vor. Zudem belegen die Messungen der Verkehrswacht sowie der Abteilung Verkehrsplanung, dass die Fahrzeugführer die Geschwindigkeiten durchaus an die bestehenden Verkehrsverhältnisse anpassen.

Auf Grund der von der Verkehrsplanung beobachteten Gefahrensituationen im Zusammenhang mit haltenden Bussen hat die Verkehrsbehörde das Blinken an der dortigen Bushaltestelle für Busse angeordnet. Das Blinken der sich der Bushaltestelle nähernden bzw. wartenden Busse hat zur Folge, dass anfahrende Busse mit Warnblinklicht nicht überholt werden dürfen sowie eine Vorbeifahrt an wartenden Bussen nur in Schritttempo zulässig ist.

Nach den Richtlinien für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen (R-FGÜ 2001) setzt die Anordnung eines Fußgängerüberweges u. a. voraus, dass der Fußgängerüberweg gut erkennbar ist und die Verkehrsmengen (Fußgänger- bzw. Kfz.-Aufkommen) bestimmte Werte erreichen. Mit nur 24 Fußgängern in der maßgeblichen Spitzenstunde wird der erforderliche Wert von mindestens 50 Querungen bei Weitem nicht erreicht. Zudem sind die Sichtverhältnisse teilweise stark eingeschränkt, so dass die Einrichtung eines FGÜ auf Grund der fehlenden gesetzlichen Voraussetzungen nicht umgesetzt werden kann.

 


Anlagen:        Anlage 1 Fraktionsantrag 132/2015
                        Anlage 2 Matrix für Einsatzbereiche von Überquerungsanlagen
                        Anlage 3 Darstellung Sichtverhältnisse