Betreff
Stromtarife für Leistungsempfänger nach SGB II und SGB XII
Vorlage
50/041/2015
Aktenzeichen
V/50/VOA T. 2249
Art
Beschlussvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Dem Vorschlag der Verwaltung wird zugestimmt. Die Leistungsempfänger nach SGB II und SGB XII werden sowohl durch den beigefügten Infoflyer, wie auch mündlich bei persönlichen Vorsprachen auf die Möglichkeiten eines Wechsels in den günstigsten Stromtarif der EStW hingewiesen.


Auf Wunsch von Herrn Stadtrat Dr. Richter sollte – nach dem Vorbild der Stadt Nürnberg – auch in Erlangen darauf hingewirkt werden, dass möglichst flächendeckend für alle Leistungsempfänger die Stromkostenabschläge an den Energieversorger EStW durch das Sozialamt direkt überwiesen werden. Zur Begründung wurde angeführt, dass in Nürnberg nach den Tarifbestimmungen der N-ERGIE solche Direktüberweisungen seitens des Sozialamtes als ausreichend für den Wechsel in den günstigeren Stromtarif anerkannt werden.

 

  1. Gesetzliche Ausgangslage

Nach der Intention des Gesetzgebers sollen die Leistungsberechtigten nach dem SGB II und SGB XII die Stromabschläge selbst an den Stromlieferanten zahlen (Wahrung der Selbstbestimmung des Hilfeempfängers, Verzicht auf unnötige Einschränkungen dieser Selbstbestimmung im Alltag).

Eine Direktzahlung an den Stromversorger darf nur auf ausdrücklichen Wunsch erfolgen (durch formlosen Antrag) oder dann, wenn die zweckentsprechende Verwendung der Gelder nicht anderweitig sichergestellt werden kann (§ 22 Abs. 7 SGB II). Dies trifft dann zu, wenn Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Stromversorgung führen könnten (§ 22 Abs. 7 Nr. 2 SGB II).

Im Jobcenter der Stadt Erlangen werden in ca. 15 % der Fälle die Stromabschläge direkt an die Stadtwerke überwiesen.

 

  1. Tarifsituation in Erlangen

Bei den EStW gibt es neben den Grundversorgungstarifen (Stichwort: Versorgungspflicht!) für Strom und für Gas sog. Sonderprodukte der ERconomy-Familie (Voraussetzung ist separater Vertragsabschluss). Ein neuer Kunde wird regelmäßig nicht automatisch in diesen günstigsten (ERconomy), sondern in den Grundversorgungstarif (ClassicER) eingeordnet.

Die Preisunterschiede zwischen beiden Tarifen liegen bei einem 1-Personen-Haushalt (durchschnittlicher Verbrauch etwa 1.500 kWh) bei etwa 21 € im Jahr und bei einem 3-Personen-Haushalt (durchschnittlicher Verbrauch etwa 3.500 kWh) bei etwa 49 € pro Jahr.

Jeder Kunde kann jedoch jederzeit auf Antrag vom ClassicER-Tarif in ein ERconomy Produkt wechseln. Voraussetzung hierfür ist, dass er für die Begleichung seiner Stromrechnungen eine Abbuchungserlaubnis (SEPA-Lastschriftmandat) unterschreibt.

Des Weiteren ist in Erlangen auch durch einfachen Antrag bei den EStW ein Wechsel in den günstigeren ERconomy-Tarif auch ohne Abbuchungsermächtigung möglich; allerdings wird in diesem Fall eine zusätzliche Verwaltungskostengebühr von 15,00 € im Jahr zusätzlich fällig, die den tariflichen Preisvorteil zu einem Teil wieder aufzehrt.

Fallen diese Voraussetzungen für diesen günstigsten Tarif weg (z.B. Konto nicht gedeckt und damit Abbuchung nicht möglich) dann erfolgt in Erlangen nicht automatisch eine Umstufung in den teureren ERClassic-Tarif. Der Kunde bleibt vielmehr dennoch im günstigeren ERconomy-Tarif, es fällt jedoch die zusätzliche Verwaltungskostengebühr von 15,00 € pro Jahr an (siehe oben).

Eine Überweisung der Stromkosten durch das Sozialamt erkennen die EStW (im Gegensatz zu Nürnberg) nicht als gleichwertige oder als Ersatzbedingung für die fehlende Abbuchungserlaubnis an. Wenn ein Kunde in den günstigsten ERconomy-Tarif eingestuft werden möchte, so ist dies jederzeit möglich gegen Erteilung einer Abbuchungserlaubnis oder gegen Anfall der zusätzlichen Verwaltungskostengebühr von 15,00 € pro Jahr. Dies gilt auch dann, wenn die Stromkosten vom Sozialamt überwiesen werden.

 

  1. Behandlung im SGA am 06.10.2015

Da nach den in Erlangen geltenden EStW Tarifbestimmungen eine Direktüberweisung der Stromkostenabschläge durch das Sozialamt – im Gegensatz zu den Tarifbestimmungen der N-ERGIE in Nürnberg – nicht zu einem Wechsel in den günstigsten Tarif führen kann, schlug die Verwaltung in der Vorlage für den SGA am 06.10.2015 vor, der Anregung von Herrn Stadtrat Dr. Richter (Hinwirkung auf eine möglichst flächendeckende Direktüberweisung der Stromkostenabschläge durch das Sozialamt) nicht zu folgen.

Stattdessen sollten nach dem Verwaltungsvorschlag die Leistungsempfänger durch einen (mit den EStW abgestimmten) Infoflyer und durch mündliche Beratung auf die in Erlangen gegebenen, einfacheren Möglichkeiten eines Wechsels in den günstigsten Stromtarif hingewiesen werden (einfacher Antrag auf Tarifwechsel gegen Gebühr oder Erteilung einer Abbuchungserlaubnis).

Auf Wunsch von Herrn Stadtrat Dr. Richter wurde über diese Vorlage jedoch nicht entschieden. Sie wurde vielmehr nur als eingebracht angesehen. Insb. wurde die Verwaltung aufgefordert durch Nachverhandlungen mit den EStW zu erreichen, dass

  • die in Erlangen geltenden Stromtarife – entsprechend den N-ERGIE Tarifen – so geändert werden, dass eine Direktüberweisung der Stromabschläge durch das Sozialamt für einen Wechsel in den günstigsten Stromtarif als ausreichend angesehen wird (zuständig für eine solche Entscheidung wäre allein der EStW-Aufsichtsrat) oder
  • zumindest, dass die Verwaltungskostengebühr von 15,00 €, die dann anfällt wenn die Abbuchung der Stromabschläge wegen fehlender Deckung des Kontos scheitert, bei Stromkunden im SGB II oder SGB XII Bezug generell von den EStW nicht in Rechnung gestellt wird, bzw. generell von den EStW übernommen wird.

 

  1. Ergebnis der Nachverhandlungen

Wunschgemäß wurde über diese Ziele mit den Erlanger Stadtwerken gesprochen:

  • zu einer Änderung der Tarife wurde keine Bereitschaft signalisiert – die Entscheidung hierüber sei alleine dem Aufsichtsrat vorbehalten
  • der generelle Verzicht auf die evtl. anfallende Verwaltungsgebühr von 15,00 € bei Sozialleistungsempfängern, wird von den EStW abgelehnt. Die Erbringung von Sozialleistungen wäre steuerlich als verdeckte Gewinnausschüttung zu werten, da sie nicht Aufgabe der EStW, sondern Aufgabe der Stadt sei.

 

  1. Erneuter Vorschlag der Verwaltung

Nach allem schlägt die Verwaltung erneut vor den Anregungen von Herrn Stadtrat Dr. Richter nicht zu folgen, da die in Erlangen geltenden Tarifbestimmungen den gewünschten Wechsel in den günstigsten Stromtarif allein durch Direktüberweisung der Stromabschläge durch das Sozialamt nicht bewirken können. Dies ist vielmehr nur möglich durch einfachen Antrag des Kunden an die EStW auf Tarifwechsel oder durch Einräumung einer Abbuchungserlaubnis durch den Kunden.

Darüber hinaus wäre eine Realisierung der Vorstellungen von Herrn Stadtrat Dr. Richter auch für alle Beteiligten in mehrfacher Hinsicht nachteilig:

  • die Leistungsempfänger sollen wie andere Einkommensbezieher auch selbst und eigenverantwortlich mit ihren vorhandenen Mitteln wirtschaften und mögliche Einsparungen selbst realisieren können
  • beim Ausscheiden aus dem Hilfebezug würde die Abschlagszahlung durch das Sozialamt automatisch enden. Es bestünde somit die Gefahr, dass mit dem Ausscheiden aus dem Hilfebezug automatisch die zusätzliche Verwaltungsgebühr von 15,00 € anfällt.
  • Nicht alle Leistungsempfänger beziehen ihren Strom von den EStW. Bei jeder Antragstellung müsste deshalb zusätzlich der jeweilige Stromversorger ermittelt und in die Datensätze eingegeben werden
  • Die zu leistenden Stromabschläge werden regelmäßig jährlich neu festgesetzt entsprechend dem tatsächlichen Verbrauch des Vorjahres. Es ergäbe sich demnach ein permanenter Änderungsbedarf bei den einzugebenden Abschlagszahlungen – und damit gleichzeitig auch das Risiko von Überzahlungen, die wiederum zu zusätzlichem Verwaltungsaufwand durch Rückforderungen oder Aufrechnungen führen würden.
  • Der Überblick des Kunden über den jeweils für die Direktüberweisung des Abschlags einbehaltenen Betrag, der die an den Kunden auszubezahlende Leistungssumme mindert, würde schwieriger und intransparenter (was erfahrungsgemäß häufig zu vermeidbaren Streitigkeiten führt).

 


Anlagen:        1. Flyer „Strom“ der Erlanger Stadtwerke