Tariftreue- und Mindestlohnnachkalkulation von Vergaben
I. Die Vergaberichtlinien der Stadt Erlangen werden entsprechend der im Sachbericht unter Punkt 3 dargestellten Vorgehensweise ergänzt.
II. Der
Dringlichkeitsantrag der Erlanger Linken vom 18.2.2015 (028/2015) ist damit bearbei-
tet.
1. Die in Ziff. 1 des Dringlichkeitsantrags beantragte Vorgehensweise wäre vergaberechtlich unzulässig. Von den Bietern im Vergabeverfahren kann nur die Einhaltung von gesetzlich geregelten Mindestlöhnen sowie von für allgemein verbindlich erklärten Tarifverträgen gefordert werden.
Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) sowie das Mindestlohngesetz (MiLoG)
verpflichten die öffentlichen Auftraggeber, zu prüfen, ob der Bieter in der
Vergangenheit Ordnungswidrigkeiten nach diesen Gesetzen begangen hat,
insbesondere durch Nichtbezahlung des gesetzlich oder tariflich geschuldeten
Entgelts. Wird ein Verstoß festgestellt, z.B. anhand einer Auskunft aus dem
Gewerbezentralregister, so führt dies unter bestimmten Voraussetzungen zum
Ausschluss von der Vergabe.
Die Vergabehandbücher des Freistaats Bayern, die gemäß den
städtischen Vergaberichtlinien von der Verwaltung zu verwenden sind, enthalten
zwar Eigenerklärungen zur Tariftreue. Diese beschränken sich jedoch auf eine
deklaratorische Bestätigung der vorstehend beschriebenen Rechtslage. Die weitergehende
Forderung eines Auftraggebers, auch nicht für allgemeinverbindlich erklärte
Tarifverträge zu beachten, würde hingegen gegen die Entsenderichtlinie 96/71/EG
verstoßen, da dies zu einer Benachteiligung von potentiellen Bietern aus dem
EU-Ausland führen könnte.
2. Die zur Begründung der Ziff. 2 des Dringlichkeitsantrags angeführten Vorschriften (§ 16 Abs. 6 VOB/A bzw. VOL/A) betreffen zunächst einmal nur die sog. Auskömmlichkeitsprüfung. Dabei wird geprüft, ob der Preis in einem offenbaren Missverhältnis zum Angebot steht, auf einzelne Preisbestandteile kommt es dabei grundsätzlich nicht an. In anderen Bundesländern finden sich in Tariftreuegesetzen Regelungen, die in Bezug auf allgemeinverbindliche Tarife bzw. Mindestlöhne ausnahmsweise die Prüfung von Preisbestandteilen ermöglichen. In Bayern gibt es eine solche Regelung nicht. Dennoch ist eine Überprüfung der kalkulierten Lohnkosten bei lohnintensiven Aufträgen auch hier möglich und geboten. Grund dafür ist letztlich die Tatsache, dass die Stadt als Auftraggeberin gemäß § 14 des AEntG für die Verbindlichkeiten des beauftragten Unternehmens gegenüber dessen Beschäftigten auf Zahlung des gesetzlich vorgeschriebenen Lohns wie ein Bürge haftet.
Bei Reinigungsdienstleistungen wird
dies (auch bei der Stadt Erlangen) schon seit längerem praktiziert. Hier
orientiert man sich an der Praxis der Zollverwaltung, die davon ausgeht, dass
es bei einem Stundenverrechnungssatz, der mindestens 70 % über dem
vorgeschriebenen Nettolohn liegt, möglich ist, den vorgeschriebenen Lohn zu
bezahlen. Liegt der Stundenverrechnungssatz unter dieser Aufgreifschwelle, so
führt dies keinesfalls direkt zum Ausschluss des Bieters. Vielmehr muss der
Bieter zur näheren Aufklärung des Preises aufgefordert werden. Es ist dann
Sache des Bieters, zu beweisen, dass es ihm mit seiner Kalkulation möglich ist,
seinen Mitarbeitern den vorgeschriebenen Lohn zu bezahlen.
3. Im Gegensatz zu der vorstehend beschriebenen Vorgehensweise würde es einen unverhältnismäßigen Mehraufwand für die Bieter und für die Vergabestellen bedeuten, in jedem Fall von allen Bietern einen kalkulatorischen Nachweis der Auskömmlichkeit in Bezug auf gesetzlich vorgeschriebene Löhne zu fordern. Es wird stattdessen seitens der Verwaltung folgende Vorgehensweise vorgeschlagen:
- Im Rahmen der Eignungsprüfung wird – entsprechend den gesetzlichen Vorgaben - geprüft, ob es in der Vergangenheit bußgeldbewehrte Verstöße gegen das MiLoG oder das AEntG gegeben hat.
- Bei der Preisprüfung von Angeboten, bei denen ein Verstoß gegen das MiLoG oder das AentG in Betracht kommen (insbesondere lohnintensive Dienstleistungen wie Reinigung) findet zunächst eine Plausibilitätsprüfung statt. Im Baubereich ist ohnehin eine Aufgliederung der Einheitspreise in den Vergabeunterlagen enthalten.
- Stellt sich heraus, dass der Stundenverrechnungssatz so niedrig ist, dass die rechnerische Möglichkeit, gesetzlich geforderte Löhne zu zahlen, zweifelhaft ist, so wird der Bieter um Aufklärung gebeten.
- Kann vom Bieter nicht nachgewiesen werden, dass die Vergütung der gesetzlich vorgeschriebenen Löhne möglich ist, so erfolgt ein Ausschluss.