1. Die Ausführungen der Verwaltung zur Jahresbilanz 2014 der Bildungs- und Teilhabeleistungen in der Stadt Erlangen werden zur Kenntnis genommen.
2. Die Vertreter der Stadt Erlangen in den Gremien des Bayerischen Städtetages sind aufgefordert, sich für eine sachgerechte Verteilung der B+T-Bundeserstattungen in Bayern einzusetzen.
Nach langen
Verhandlungen im Vermittlungsausschuss beschloss der Gesetzgeber im März 2011
das sog. Bildungs- und Teilhabepaket. Kindern und Jugendlichen aus
bedürftigen Familien (SGB II, SGB XII, Wohngeld, Kinderzuschlag, Asylbewerber)
sollten bestimmte Leistungen zusätzlich finanziert werden, die im Umfeld des
Schulbesuchs anfallen oder die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben
erleichtern.
Während in der
ersten Phase der Umsetzung die Bewältigung der äußerst bürokratischen
Verfahrensregelungen im Vordergrund stand, rücken mittlerweile
Finanzierungsprobleme mehr und mehr in den Mittelpunkt (siehe dazu unter 4.).
1. Gesamtbilanz 2014
Die Inanspruchnahme
ist auch im vierten Jahr der B+T-Leistungen angestiegen. Das gilt sowohl für
die Anzahl der Anträge auf B+T-Leistungen, wie auch für die Summe der bewilligten
und ausgezahlten B+T-Leistungen.
Eine genaue
Bezifferung der anspruchsberechtigten Kinder ist nicht möglich. Manche
B+T-Leistungen sind Kindern vorbehalten, die eine KiTa besuchen, manche gibt es
nur für Schulkinder, manche sind bis zum Alter von 18 Jahren möglich, andere
bis 25 Jahren. Aus der Anzahl der Anträge insgesamt lässt sich deshalb nicht
unmittelbar darauf schließen, ob alle anspruchsberechtigten Kinder mit den
B+T-Leistungen erreicht werden konnten. Dazu ist vielmehr eine genauere Analyse
der einzelnen B+T-Leistungen und der jeweiligen Gruppe der
anspruchsberechtigten Kinder erforderlich.
2. Die einzelnen B+T-Leistungen
Die als Anlage
beigefügten Grafiken zeigen die Entwicklung der finanziellen Inanspruchnahme
der einzelnen B+T-Leistungen in Erlangen in den Jahren 2011 bis 2014 – bezogen
allerdings nur auf die beiden Personengruppen, deren Aufwand aus dem
Bundeshaushalt erstattet wird (SGB II, sowie Wohngeld/Kinderzuschlag).
Die
Bundesfinanzierung der Schulsozialarbeit im Rahmen der B+T-Leistungen
ist zum 31.12.2013 ausgelaufen, so dass ab 2014 diese Einrichtung nur noch aus
kommunalen und aus Landesmitteln bestritten wird.
Das gleiche gilt für
die Mittagessenskosten in Kinderhorten, die der Bund ebenfalls nur bis
zum 31.12.2013 fördern wollte. Sinnvoller Weise haben daraufhin die meisten
Schulen in Erlangen die Mittagessensversorgung ihrer Schülerinnen und Schüler
auch dann in die eigene, schulische Verantwortung übernommen, wenn sie in den
Räumen eines benachbarten Kinderhortes erfolgt. So ist der deutliche Anstieg
der Kosten der Mittagessensversorgung in Schulen von 2013 auf 2014 zu erklären.
In der Summe dagegen
sind die Kosten der Mittagessensversorgung in Schulen und KiTas von 2013
auf 2014 nur unwesentlich angestiegen (um weniger als 1 %). Aus diesem Grund,
aber auch wegen der engen Einbindung von Schulen und Jugendamt bei der
Abwicklung dieser B+T-Leistung „Mittagessensversorgung in Schulen und KiTas“
kann angenommen werden, dass hier (inclusive des von der Stadt Erlangen
getragenen Eigenanteils) alle berechtigten Kinder weitestgehend erreicht
werden.
Die Schülerbeförderung
war in Bayern als B+T-Leistung noch nie relevant, da die anfallenden Kosten
durch das Bayerische Gesetz über die Schulwegkostenfreiheit praktisch vollständig
abgedeckt werden.
Beim Schulbedarf
(100 € pro Kind und ‚Schuljahr) ist als einziger B+T-Leistung von 2013 auf 2014
ein geringfügiger Rückgang ( - 3,2 %) festzustellen. Andererseits gibt es hier
die mit Abstand höchsten Antragszahlen überhaupt. Beides spricht für die,
bereits im letzten Jahr geäußerte Annahme, dass diese B+T-Leistung praktisch
für alle berechtigten Kinder in Anspruch genommen wird.
Das gleiche kann
aufgrund der hohen Antragszahlen für die B+T-Leistung „Mehrtägige Klassenfahrten“
angenommen werden. Beide Leistungen (Schulbedarf und Mehrtägige Klassenfahrten)
waren allerdings schon vor der Einführung des B+T-Pakets als gesetzliche Leistungen
vorhanden.
Sehr hohe
Antragszahlen sind auch bei den 1-Tagesausflügen in Schulen und KiTas zu
verzeichnen. Wegen des insgesamt sehr geringen Kostenvolumens fällt dieser
Posten in der Gesamtabrechnung allerdings kaum ins Gewicht, wobei der hohe
Verwaltungsaufwand gerade deshalb hier hinterfragt werden sollte.
Bei der Förderung
der sozialen und kulturellen Teilhabe gab es zwar auch in 2014 sowohl
bei den Antragszahlen, wie auch bei den ausgezahlten Summen (maximal 10 € pro
Monat) Steigerungen gegenüber dem Vorjahr. Die Vielzahl der denkbaren
Fördermöglichkeiten und der vergleichsweise bescheidene Kostenaufwand (knapp 5
% des gesamten B+T-Aufwandes) lassen jedoch vermuten, dass hier bei weitem noch
nicht alle dazu berechtigten Kinder diese Leistung ausschöpfen.
Am meisten ins Auge
fällt jedoch das Ergebnis bei der B+T-Leistung „Lernförderung“, wo auch
im Jahr 2014 wieder ein deutlicher Anstieg der teilnehmenden Kinder gelungen
ist. Neben der Nachhilfe durch private Anbieter kommt hier vor allem unser,
seit 2012 laufender Modellversuch Lernförderung zum Tragen. Dabei wird Nachhilfe
in schulischer Verantwortung und Trägerschaft für möglichst viele berechtigte
Kinder bereitgestellt und so das Erreichen schulischer Abschlüsse gerade für
arme Kinder unterstützt. Das Sozialamt ist stolz, mit diesem, auch in 2014 auf
weitere Schulen ausgedehnten, Modell Lernförderung einen wirksamen Beitrag zur
Erzielung von mehr Chancengleichheit im Bildungsbereich für Kinder aus armen
Familien leisten zu können – und damit auch einen Beitrag für einen späteren,
erfolgreichen Einstieg in den Arbeitsmarkt. Hervorzuheben ist aber auch das
Engagement der VHS (sie akquiriert die in den Schulen eingesetzten
Betreuungskräfte) und der beteiligten Schulen, die diese Möglichkeit konsequent
nutzen um ihren Schülerinnen und Schülern aus armen Familien diese zusätzliche
Unterstützung zu geben.
3. Anspruchsberechtigte Personengruppen
Bei den
anspruchsberechtigten Personengruppen dominieren die Kinder aus Familien im SGB
II-Bezug (ca. 70 % des Gesamtaufwandes) und die Kinder im Bezug von Wohngeld
oder Kinderzuschlagsgesetz (ca. 25 % des Gesamtaufwandes), wobei auch im Jahr
2014 eine überdurchschnittlich hohe Steigerung (+ 9 %) der Inanspruchnahme im
SGB II-Bereich registriert werden konnte. Für beide Gruppen wird der
B+T-Aufwand der Stadt Erlangen vom Bund vollständig an den Freistaat Bayern
erstattet (zum Problem der Weiterleitung dieser Gelder vom Land an die
bayerischen Städte und Landkreise – siehe unter 4.).
Daneben gibt es noch
eine vergleichsweise geringe Anzahl von berechtigten Kindern aus Familien im
SGB XII-Bezug (ca. 0,5 % des Gesamtaufwandes), deren B+T-Leistungen aus dem
städtischen Haushalt zu finanzieren sind.
Schließlich bleiben
als B+T-Berechtigte noch die Kinder von Asylbewerbern (ca. 4,5 % des
Gesamtaufwandes). Wie alle anderen Kosten für Asylbewerber sind auch die Kosten
der B+T-Leistungen für Asylbewerberkinder vom Freistaat Bayern zu erstatten.
Angesichts des deutlichen Anstiegs der Asylbewerberzahlen in 2014 sind auch in
Erlangen Anzahl und Aufwand an B+T-Leistungen für diese Personengruppe deutlich
gestiegen.
4. Die finanzielle Bilanz 2014
Während es für die
vorleistungspflichtigen Kommunen im ersten Jahr 2011 noch eine großzügig
bemessene Pauschalerstattung des Bundes gab, werden die B+T-Ausgaben seit 2012
spitz abgerechnet. Aus verfassungsrechtlichen Gründen erfolgt aber keine
direkte Abrechnung zwischen Bund und Kommune. Der Bund erstattet vielmehr den
Ländern - umgerechnet in eine landesweite KdU-Erstattungsquote – die Summe aus
dem Bundeshaushalt, die die Kommunen des jeweiligen Landes im Vorjahr
tatsächlich für B+T-Leistungen ausgezahlt hatten.
Aufgabe des Landes
wäre es nun lediglich, diese vom Bund erhaltene Erstattungssumme – anteilig
nach dem jeweils örtlichen B+T-Aufwand des Vorjahres – auf die einzelnen Kommunen
des Landes weiter zu verteilen. Entsprechend der, in anderen Bundesländern
längst üblichen Verwaltungspraxis wäre diese Aufgabe sehr einfach zu erledigen:
Wenn z.B. der in der Stadt Erlangen in 2014 angefallene B+T-Aufwand einen
Anteil von 5 % des gesamtbayerischen B+T-Aufwandes in 2014 ausmacht, so müsste
im Jahr 2015 aus den vom Bund an den Freistaat Bayern überwiesenen
B+T-Erstattungszahlungen ebenfalls ein Anteil von 5 % an die Stadt Erlangen
weitergereicht werden. Dazu müsste lediglich – wie in anderen Bundesländern
längst geschehen – eine entsprechende Verteilungsregelung in den Art. 3 AGSG
eingefügt werden.
Dazu hat sich jedoch
das BayStMAS bisher nicht bereitgefunden:
Zur Begründung wird
von München vorgebracht, eine solche Verteilungsregelung sei rechnerisch zu
kompliziert, zu aufwändig und würde das Landesamt für Statistik überfordern
Darüber hinaus macht
das Ministerium in München geltend, die Weiterverteilung der Bundeserstattungen
an die bayerischen Städte und Landkreise könne allein nach dem freien Ermessen
des Ministeriums gestaltet werden
Schließlich stünde
einer Ergänzung des Art. 3 AGSG auch die sog. „Paragrafenbremse“ entgegen, die
von der damaligen Staatskanzleichefin Haderthauer vorgegeben worden sei (danach
sollen neue gesetzliche Regelungen in Bayern grundsätzlich erst dann erlassen
werden dürfen, wenn gleichzeitig ein bestehendes Gesetz abgeschafft wird –
damit die Anzahl der in Bayern geltenden Paragrafen nicht ansteigt).
Durch diese
Untätigkeit des BayStMAS und durch die fehlende sachgerechte Verteilungsregelung
wurden die B+T-Erstattungen des Bundes nun schon im zweiten Jahr in Folge in
Bayern nach einem unkorrekten Maßstab unter die bayerischen Städte und
Landkreise verteilt. Weil in Erlangen die B+T-Leistungen überdurchschnittlich
in Anspruch genommen werden und deshalb hier ein außergewöhnlich hoher
B+T-Aufwand anfällt, wird die Stadt Erlangen durch die falsche Verteilung der
Erstattungsmittel das zweite Jahr in Folge finanziell erheblich benachteiligt.
So sank die Erstattungsquote, die - angesichts des vollständigen Kostenersatzes
durch den Bund – eigentlich etwa 100 % betragen müsste, in Erlangen für 2013
auf nur noch ca. 74 % und für 2014 lediglich auf noch ca. 41 % (ob und in
welchem Umfang noch ein Nachschlag aus einer evtl. Revision für 2014 zu
erwarten ist, ist derzeit noch nicht absehbar). Gleichzeitig sorgt aber diese
Untätigkeit des BayStMAS dafür, dass andere Kommunen in Bayern, bei denen ein
vergleichsweise geringer B+T-Aufwand angefallen ist, vom Freistaat völlig
unberechtigter Weise beschenkt werden – nämlich mit zu hohen Erstattungszahlungen,
die z.T. deutlich höher liegen als der tatsächlich örtlich angefallene
B+T-Aufwand!
Alle bisherigen Bemühungen
der Stadt Erlangen, das BayStMAS zu einer Beendigung dieser Ungerechtigkeit zu
veranlassen, haben bisher zu keinem Erfolg geführt. Im Gegenteil: Nach eigener
Aussage will das Ministerium in dieser Angelegenheit nur noch mit den
Kommunalen Spitzenverbänden verhandeln (dort sitzen aber auch Vertreter von
Städten, die bisher „beschenkt“ werden).
Die Vertreter der
Stadt Erlangen in den Gremien des Bayerischen Städtetages sind deshalb
besonders gefordert, auf eine entsprechende Meinungsbildung im BayStädtetag
hinzuwirken (zumal nach jüngster Aussage des BayStMAS gerade die Städte
Augsburg und Nürnberg sich angeblich einer sachgerechten Verteilungsregel für
die Weiterleitung der B+T-Bundeserstattungen in Bayern widersetzen sollen).
5. BSG-Urteil vom 10.03.2015 zur Revision 2012
Darüber hinaus ist
beim Thema der Verteilung von BuT-Bundeserstattungen in jüngster Zeit eine
gewisse neue Bewegung entstanden: mit Urteil vom 10.03.2015 (Urteilsgründe noch
nicht veröffentlicht) hat das Bundessozialgericht einer Klage der Länder
Nordrheinwestfalen, Niedersachsen und Brandenburg gegen den Bund stattgegeben,
bei der es um die BuT-Bundeserstattungen für 2012 ging. Nach dem
Gesetzeswortlaut gab es für die Jahre 2011 und 2012 als Bundeserstattung eine
feste Pauschale – erst ab 2013 sollte es zwischen Bund und Ländern eine
Spitzabrechnung über die Bundeserstattung für die von den einzelnen Kommunen
ausgegebenen BuT-Ausgaben geben. Entgegen dem Gesetzeswortlaut hatte der Bund
durch Mitteleinbehalt jedoch eine nachträgliche rückwirkende Spitzabrechnung
für das Jahr 2012 vorgenommen. Dies hat das Bundessozialgericht jetzt für
rechtswidrig angesehen mit der Folge entsprechender Rückzahlungen für das Jahr
2012 (so erhält z. B. die Landeshauptstadt München bei BuT-Ausgaben in 2012 in
Höhe von knapp 4 Mio. Euro dann wieder BuT-Erstattungen des Bundes für 2012 in
Höhe von knapp 13 Mio. Euro – auf Grund der hohen BuT-Ausgaben in der Stadt
Erlangen werden wir nur mit einer Rückerstattung von ca. 44.000 Euro für 2012
rechnen können). Allerdings ist meines Erachtens durch dieses Urteil auch die
bisher eingespielte Praxis des Bundes in Frage gestellt, jedes Jahr eine nachträgliche
rückwirkende BuT-Erstattungsabrechnung für das jeweilige Vorjahr durch den Bund
zu erhalten. Hier bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten.
Anlagen: 1. Kostenvergleich BuT-Leistungen 2011-2014
2. Statistik BuT-Leistungen 2014
3. BuT-Erstattungen 2011-2014