Betreff
Aktuelle Ungereimtheiten beim Eingang staatlicher Erstattungszahlungen
Vorlage
50/011/2014
Aktenzeichen
V/50/VOA T. 2249
Art
Mitteilung zur Kenntnis

Die Ausführungen der Verwaltung werden zur Kenntnis genommen.


Der finanziell bedeutsamste Bereich des Sozialamtsbudgets (ca. 34 Millionen von insgesamt 46,8 Millionen Euro) ist die Umsetzung des SGB II. Die Kosten hierfür werden dem städtischen Haushalt überwiegend vom Bund erstattet, zum Teil (z.B. Kosten der Unterkunft und Heizung) sind sie jedoch aus dem städtischen Haushalt zu finanzieren. Angesichts der Größenordnung dieser staatlichen Erstattungszahlungen ist deren verlässlicher und zeitnaher Eingang für den städtischen Haushalt von großer Bedeutung.

 

In jüngster Zeit haben sich jedoch beim Eingang dieser staatlichen Erstattungszahlungen vermehrt Probleme ergeben, die auf Dauer eine schwere Belastung des Sozialamtsbudgets – und damit auch des städtischen Haushalts – bedeuten:

 

1. Bundesbeteiligung an den Kosten für Unterkunft und Heizung gem. § 46 Abs. 5 Satz 3 SGB II

 

Nach dieser Vorschrift beteiligt sich der Bund i.H.v. 27,6 % am KdU Aufwand für SGB II Leistungsbezieher. Diese Bundesbeteiligung macht derzeit für die Stadt Erlangen eine Summe von ca. 2,9 Millionen jährlich oder ca. 240.000 Euro monatlich aus, die zeitnah vom Land aus dem Bundeshaushalt abgebucht und an die Kommune weiterverteilt wird. Seit in Kraft treten des SGB II zum 01.01.2005 hat dieser Mechanismus ohne Probleme funktioniert.

 

Aufgrund einer Meinungsverschiedenheit zwischen Bund und Ländern hat der Bund mit Schreiben vom 09.04.2014 nahezu allen Bundesländern (auch Bayern) diese Ermächtigung zur Abbuchung aus dem Bundeshaushalt mit sofortiger Wirkung entzogen. In der Konsequenz ist das Land Bayern gezwungen ab sofort Monat für Monat die KdU Ausgaben sämtlicher bayerischer Kommunen einzeln zu ermitteln und dem Bund gesammelt in Rechnung zu stellen. Der Bund muss dann – im Rahmen seiner personellen Kapazitäten – die Abrechnung des Landes prüfen und anschließend die jeweilige Summe an das Land zur Weiterverteilung an die Kommunen überweisen. Im Ergebnis besteht damit das Risiko eines eventuell verzögerten Zahlungseingangs – bei einer Verzögerung z.B. um zwei Monate würde uns am Jahresende eine halbe Million Euro an Einnahmen fehlen.

 

Nach neuesten Informationen vom 22.7. soll jedoch angeblich der Bund dem Freistaat Bayern bereits mit Wirkung zum 21.5.2014 wieder die Möglichkeit des eigenständigen Mittelabrufs eingeräumt haben.

 

2. Bundeserstattung der laufenden Kosten des Jobcenters gem. § 6a Abs.5 und § 46 Abs.3 SGB II

 

Nach diesen Vorschriften erstattet der Bund die laufenden Kosten des Jobcenters in Höhe von 84,8 %. Die benötigten Mittel werden als monatliche Abschläge aus dem Bundeshaushalt abgebucht – anschließend wird eine Jahresabrechnung dem Bund zur Prüfung vorgelegt.

 

Anlässlich der Prüfung der Jahresabrechnungen für 2010 und 2011 kam der Bund zu der Feststellung, die Personalkosten zweier Jobcenter-Mitarbeiterinnen hätten nur teilweise abgerechnet werden dürfen und forderte die Stadt Erlangen zur Rückzahlung einer Summe von ca. 52.000 Euro auf. Nach Auffassung der Stadt lag jedoch keine Falschabrechnung vor, die Rückzahlung wurde deshalb verweigert. Nach den, vom Bund erlassenen Regeln der KoA-VV (Kommunalträgerabrechnungsverwaltungsvorschrift) hätte diese Streitfrage jetzt – wie in zahlreichen anderen Streitfällen geschehen – durch die Gerichte geklärt werden müssen.

 

In unserem Fall ging der Bund jedoch bundesweit erstmalig einen anderen Weg: anstatt die Streitfrage aus den Abrechnungen für die Jahre 2010 und 2011 gerichtlich klären zu lassen verweigerte uns der Bund im Dezember 2013 laufende Betriebsmittel für die Finanzierung des Jobcenters im Haushaltsjahr 2013 in mehr als dreifacher Höhe (ca. 170.000 Euro) – nicht ohne gleichzeitig zu betonen, dass die vorenthaltenen Betriebsmittel für das Jahr 2013 sofort in voller Höhe freigegeben würden, wenn die Stadt im Streit um die Abrechnungen 2010 und 2011 (ca. 52.000 Euro) nachgeben würde.

 

Diese – aus unserer Sicht rechtswidrige – Vorenthaltung von Bundesmitteln hat nicht nur zu einem negativen Budgetergebnis 2013 des Sozialamtsbudgets geführt. Aufgrund Stadtratsbeschluss vom 10.04.2014 hat die Stadt Erlangen auch gegen diese Vorenthaltung von Bundesmitteln beim Landessozialgericht Bayern am 9.5.2014 Klage gegen den Bund eingereicht.

 

3. Bundeserstattungen der Kosten für Bildung- und Teilhabeleistungen gem. §46 Abs.6 u. 7 SGB II

 

Der Bildungs- und Teilhabeaufwand der Kommunen nach § 28 SGB II und nach § 6b BKGG (also für Kinder von SGB II Empfängern, von Wohngeldempfängern und von Kinderzuschlagsempfängern) wird nach § 46 Abs. 6 SGB II vollständig aus Bundesmitteln erstattet - die entsprechenden Bundesmittel werden zweckgebunden an die Länder überwiesen, die das Geld an die jeweiligen Kommunen weiterverteilen. Damit das Geld bei den einzelnen Kommunen in der jeweils vorher ausgegebenen Höhe ankommt, ist für diese neugeschaffene Bundeserstattung eine entsprechende, einmalige Anpassung des landesrechtlichen Ausführungsgesetzes zum Sozialgesetzbuch (Verteilung nach dem örtlichen B+T-Aufwand des Vorjahres) notwendig.

 

Im Gegensatz zu anderen Bundesländern hat sich der Freistaat Bayern trotz aller Bemühungen noch nicht zu einer solchen Anpassung des Landesausführungsgesetzes durchringen können. Obwohl vom Bund im Laufe des Jahres 2014 die Gesamtsumme der Bildungs- und Teilhabeausgaben aller bayerischen Kommunen aus dem Jahr 2013 zur Weiterverteilung an den Freistaat Bayern überwiesen wird, kann die Stadt Erlangen für seinen nachgewiesenen B+T Aufwand aus dem Jahr 2013 (ca. 615.000 Euro) deshalb nur mit der Weiterleitung von Erstattungsmitteln des Bundes in 2014 i.H.v. ca. 278.000 Euro rechnen. Der Grund hierfür liegt allein in der Weigerung des Freistaats Bayern, für die Weiterverteilung dieser B+T Bundeserstattungen eine sachgerechte Verteilungsregelung in das bayerische Ausführungsgesetz aufzunehmen.

 

4. Bemühungen der Verwaltung

 

Zur Behebung dieser, in letzter Zeit gehäuft auftretenden Störungen beim Eingang staatlicher Erstattungsmittel steht die Verwaltung – insb. auch der Oberbürgermeister – in intensivem Kontakt mit den örtlichen Abgeordneten und mit den kommunalen Spitzenverbänden.

 

Bei den dabei entstehenden Briefwechseln zeigt sich jedoch immer wieder, dass die Durchsetzung gesetzlich klar geregelter Erstattungsansprüche von Kommunen zu einem mühevollen „Bohren dicker Bretter“ werden kann. Dies zeigt sich beispielhaft im Antwortschreiben der bayerischen Sozialministerin Emilia Müller vom 07.07.2014 an den Oberbürgermeister der Stadt Erlangen (bezogen auf den oben geschilderten Komplex Nr. 3):

 

  • Dort wird die Weigerung zur gesetzlichen Verankerung einer sachgerechten Verteilungsregelung für die B+T Bundeserstattungen (gem. dem jeweiligen örtlichen B+T Aufwand des Vorjahres) durch den Freistaat Bayern damit gerechtfertigt, dass die bayerische Staatsregierung sich entschlossen habe der Schaffung immer neuer Vorschriften „entschlossen entgegen zu wirken“ und deshalb eine „Paragraphenbremse“ neu eingeführt habe (es wird kein neues Gesetz mehr eingeführt, wenn nicht ein bestehendes Gesetz gleichzeitig abgeschafft wird).
  • Der schwarze Peter wird gleichzeitig den bayerischen kommunalen Spitzenverbänden zugeschoben, weil diese sich noch nicht zur Abschaffung eines anderen Gesetzes geäußert hätten.
  • Ein Rechtsanspruch der Kommunen auf sachgerechte Verteilung der Bundeserstattungen wird den Kommunen generell abgesprochen – darüber könne das Land nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten frei entscheiden.
  • Schließlich zweifelt die Staatsministerin grundsätzlich die Sinnhaftigkeit der im Bundesgesetz (§ 46 Abs. 6 u. 7 SGB II) festgeschriebenen vollständigen Erstattung der kommunalen B+T Ausgaben an (es sei „strukturell problematisch, die politischen Entscheidungsträger vor Ort in die Lage zu setzen, auf fremde Rechnung, also ohne jedes finanzielle Eigenrisiko, unlimitierte sozialpolitische Wunschvorstellungen umsetzen zu können“).
  • Schließlich wird die Verweigerung der korrekten Weiterleitung von Bundesmitteln mit einem unschlagbaren Argument begründet: „Auch in anderen Bereichen erfüllen die Kommunen soziale Aufgaben ohne Vollkostenerstattung“.

 

Die Verwaltung und der Oberbürgermeister werden in ihren Bemühungen nicht nachlassen, dass wir möglichst bald wieder zu einem geregelten, zeitnahen und sachgerechten Eingang staatlicher Erstattungsmittel im Sozialbereich kommen.

 


Anlagen: