Betreff
Aktueller Sachstand zu den Bundeserstattungen für die Kosten von Bildung- und Teilhabeleistungen
Vorlage
50/003/2014
Aktenzeichen
V/50/VOA T.2249
Art
Mitteilung zur Kenntnis

Die Ausführungen der Verwaltung werden zur Kenntnis genommen.


Anfang 2011 wurden vom Gesetzgeber die Bildungs- und Teilhabeleistungen (B+T) geschaffen, mit deren Hilfe für bedürftige Kinder aus verschiedenen Rechtskreisen (SGB II, SGB XII, Wohngeld, Kinderzuschlag, Asylbewerber, Geringverdiener) bestimmte Kosten für Klassen- oder Kita-Ausflüge, Schulbedarf, Schülerbeförderung, Lernförderung, Schul- oder Kita- Mittagessen sowie soziale und kulturelle Teilhabe aus Steuermitteln finanziert werden. Für die Umsetzung sind die Kommunen zuständig, deren Aufwand vollständig aus dem Bundeshaushalt erstattet wird.

 

Diese Kostenerstattung aus dem Bundeshaushalt erwies sich jedoch als schwierig und kompliziert, da seit der Föderalismusreform 2006 nach dem Grundgesetz direkte Finanzbeziehungen zwischen Bund und Kommunen im Normalfall nicht erlaubt sind. Für diese Bundeserstattungen musste folglich der Umweg über die Länderhaushalte gewählt werden, und zwar in Form einer prozentualen Anhebung der Bundeserstattung für den Unterkunftsaufwandes (KdU) der SGB II Bezieher, die ebenfalls vom Bund an die Länder geht und vom Land – entsprechend dem jeweils örtlichen KdU Aufwand – an die einzelnen Kommunen weiterverteilt wird.

 

Problem der landesinternen Weiterverteilung der Bundesmittel

 

Ein Problem dieses gewählten Erstattungsweges (prozentuale Anhebung der KdU Bundeserstattung) liegt darin, dass die landesinterne Weiterverteilung dieser Bundesmittel nach dem Maßstab des örtlichen KdU Aufwandes – und nicht nach dem Maßstab des örtlichen B+T Aufwandes - erfolgt. KdU Aufwand und B+T Aufwand fallen tatsächlich in örtlich sehr unterschiedlicher Höhe an, sodass die Weiterverteilung nach dem KdU Aufwand nicht sachgerecht ist und das Ziel einer vollständigen Erstattung der kommunalen B+T Ausgaben zwangsläufig verfehlt wird. Dies gilt insbesondere für solche Kommunen wie die Stadt Erlangen, die überdurchschnittlich hohe B+T Ausgaben aufweisen.

 

Hierzu einige Zahlenangaben zum Vergleich:

 

 

Stadt Erlangen

LHSt München

Stadt Nürnberg

Anteil am bayer. KdU-Aufwand 2012

0,94 %

25,2 %

11,2 %

Anteil am bayer. B+T-Aufwand 2012

1,57 %

14,94 %

11,95 %

Summe B+T-Aufwand 2012

439.100 €

4,173 Mio €

3,338 Mio €

Summe B+T-Erstattung 2012

481.700 €

12,982 Mio €

5,77 Mio €

 

 

Da eine landesinterne Weiterverteilung dieser B+T Bundeserstattung nach dem einzig sachgerechten Maßstab (nämlich dem jeweiligen örtlichen B+T Aufwand) nach Aussage des BayStMAS erst nach einer Änderung des BayAGSG möglich ist, hat sich die Stadt Erlangen mit einer entsprechenden Bitte an den Bayerischen Städtetag und an das Bayerische Sozialministerium gewandt. Mittlerweile ist das StMAS auch diesem Wunsch gefolgt und hat den Entwurf einer entsprechenden AGSG-Änderung ausgearbeitet und dem Bayerischen Kabinett vorgelegt. Eine Verabschiedung im Kabinett und eine anschließende Einbringung in den Landtag ist bisher jedoch gescheitert, weil die Staatskanzlei zwischenzeitlich eine „Paragraphenbremse“ vorgibt. Danach darf nur dann eine neue landesgesetzliche Regelung vorgeschlagen werden, wenn gleichzeitig die Abschaffung einer bestehenden landesgesetzlichen Regelung vorgesehen wird, um die Anzahl der Gesetze in Bayern nicht zu erhöhen. Die Stadt Erlangen hatte zwar auch diese Anforderung erfüllt und eine – unseres Erachtens – überflüssige landesgesetzliche Regelung zur Streichung vorgeschlagen (mit Unterstützung des StMAS). Darüber konnte jedoch bisher noch kein Einvernehmen in München erzielt werden.

 

Im Ergebnis wird die Stadt Erlangen in der Zwischenzeit mit erheblichen finanziellen Verlusten durch unzureichenden Erhalt von Mitteln aus der B+T Bundeserstattung belastet werden. Dagegen werden andere bayerische Städte und Landkreise, die nur eine unterdurchschnittliche Inanspruchnahme von B+T Leistungen in ihrer Kommune erreicht haben, durch zu hohe Bundeserstattungen „belohnt“.

 

Problemverschärfung durch Rückforderungen des Bundes

 

Die negativen Auswirkungen auf den Haushalt der Stadt Erlangen werden durch zusätzliche Rückforderungen des Bundes noch erheblich verschärft:

 

Die Höhe der B+T Erstattung betrug 2011 und 2012 pauschal 5,4 % des jeweiligen KdU Aufwandes. Nach dem Gesetzeswortlaut sollte erstmals „rückwirkend zum 01.01.2013“ eine Spitzabrechnung in der Weise stattfinden, dass der Bund in 2013 jedem Bundesland so viel erstattet, wie die Kommunen dieses Landes im Vorjahr tatsächlich an B+T Aufwand hatten. Das Land Bayern sollte also im Jahr 2013 soviel Bundesmittel zur Weiterleitung an die bayerischen Kommunen erhalten, wie von den Bayerischen Kommunen im Jahr 2012 für B+T Leistungen ausgegeben wurde. Bis hierhin hatten wir „nur“ das Problem, dass für diese landesinterne Weiterverteilung wegen der „Paragraphenbremse“ noch keine sachgerechte Verteilungsregelung in Bayern zustande gekommen ist.

 

Jetzt aber fordert der Bund zusätzlich eine Rückzahlung der Bundeserstattungen aus 2012, die in 2012 nicht für B+T Leistungen ausgegeben wurden – entgegen dem Gesetzeswortlaut und entgegen der Rechtsauffassung der Länder und der kommunalen Spitzenverbände (es geht hier bundesweit um eine Rückforderung des Bundes von 288 Millionen Euro, davon gegenüber Bayern in Höhe von 20,3 Millionen Euro). Da die Länder dieser Aufforderung des Bundes nicht Folge leisteten, hat der Bund mit Schreiben vom 09.04.2014 allen Bundesländern (außer Hamburg und Bremen) die Ermächtigung zum Mittelabruf nach dem sog. HKR Verfahren mit sofortiger Wirkung entzogen.

 

Auswirkungen des HKR Entzugs

 

Das HKR Verfahren hatte es bisher ermöglicht, dass die Länder die fälligen Bundeserstattungen (sowohl KdU Erstattungen, wie auch B+T Erstattungen) zeitnah aus dem Bundeshaushalt abbuchen konnten. Diese Abbuchungsmöglichkeit ist jetzt vom Bund entzogen worden.

 

Dies hat unmittelbar zwei Konsequenzen:

 

  • wie die anderen betroffenen Bundesländer muss auch Bayern ab sofort Monat für Monat die KdU Ausgaben und die B+T Ausgaben sämtlicher Kommunen des Landes einzeln ermitteln und dem Bund gesammelt in Rechnung stellen. Der Bund muss dann – im Rahmen seiner personellen Kapazitäten – die Abrechnungen der Länder prüfen und anschließend die jeweilige „Summe“ an die Länder überweisen. Das heißt: es wird ab sofort zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen beim Eingang der Bundeserstattungen kommen. Im Fall der Stadt Erlangen geht es um Einnahmen von monatlich ca. 250.000 Euro. Verzögert sich die Bearbeitung im BMAS nur um zwei Monate, wird uns am Jahresende eine halbe Million Euro an Einnahmen fehlen.
  • Darüber hinaus wird das BMAS zunächst seine Rückforderungen aus 2012, deren Berechtigung von den Ländern bestritten wird, aufrechnen und damit die Bundeserstattungen zunächst erheblich reduzieren. Wir müssen folglich damit rechnen, für eine gewisse Zeit – evtl. für einige Monate – überhaupt keine oder nur sehr geringe Bundeserstattungen zu erhalten. Wegen der nach wie vor fehlenden, sachgerechten Verteilungsregelung zur landesinternen Weiterverteilung der Bundeserstattungen in Bayern droht sogar die Gefahr, dass uns diese Aufrechnung des BMAS weitaus stärker treffen könnte als es sachgerecht wäre (da andere bayerische Kommunen im Jahr 2012 wegen geringer B+T Ausgaben deutlich höhere Überschüsse erzielt haben, deren Aufrechnung durch den Bund jetzt umso längere Zeit zu einem Ausfall von Erstattungszahlungen des Bundes an Bayern führt – siehe die Zahlen in der Tabelle auf Seite 1 dieser Vorlage). Dadurch würde die Stadt Erlangen wegen ihrer guten Ergebnisse bei der Inanspruchnahme der B+T Leistungen doppelt bestraft werden.

 

Es bleibt abzuwarten, wann die Verantwortlichen in Bund und Land endlich die berechtigten Interessen der Kommunen besser berücksichtigen:

 

  • das Land Bayern muss dringend eine sachgerechte landesinterne Verteilungsregelung schaffen für die Verteilung der Bundesmittel zur Erstattung der kommunalen B+T Ausgaben
  • der Bund sollte aufhören, seine Meinungsunterschiede mit den Ländern auf dem Rücken der kommunalen Haushalte durch Verzögerung und Vorenthaltung von Bundeserstattungen auszutragen. Von einigen Ländern wurde nun Klageerhebung gegen dieses einseitige „Fakten schaffen“ durch das BMAS angekündigt – Bayern überlegt noch.

 


Anlagen: