Betreff
Zweckentfremdungsverordnung für Wohnraum
hier: Fraktionsantrag Grüne Liste Nr. 025/2014 vom 10.02.2014
Vorlage
50/155/2014
Aktenzeichen
V/50/VOA T. 2249
Art
Beschlussvorlage

Die Ausführungen der Verwaltung werden zur Kenntnis genommen. Der Fraktionsantrag Grüne Liste Nr. 025/2014 vom 10.02.2014 ist damit bearbeitet.


Mit dem Fraktionsantrag Nr. 025/2014 beantragte die Stadtratsfraktion Grüne Liste den Erlass einer Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum durch die Stadt Erlangen nach dem Muster eines beigefügten Satzungsentwurfs (vermutlich Übernahme der aktuellen gültigen Wohnraumzweckentfremdungssatzung der Stadt München). Nach Auffassung der Antragsteller müsse der aktuell schwierigen Wohnungsmarktlage – insbesondere an bezahlbaren Mietwohnungen – mit einem umfassenden Maßnahme Paket entgegengewirkt werden. Eine der denkbaren Maßnahmen zur Entlastung des Wohnungsmarktes in Erlangen sei ein solcher Erlass einer Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum. Eine solche Satzung trage dazu bei, die Anzahl an leerstehenden Wohnungen bzw. deren widerrechtliche anderweitigen Nutzung zu reduzieren und somit diese dem Wohnungsmarkt wieder zur Verfügung zu stellen.

 

Fakt ist, dass der Wohnungsmarkt in Erlangen derzeit tatsächlich sehr angespannt ist, obwohl nach dem letzten Wohnungsbericht in der Stadt Erlangen in den letzten Jahren wesentlich mehr Neubauwohnungen entstanden sind, als z.B. in den anderen Städten der Metropolregion. Neben den Mietpreissteigerungen hat dazu sicherlich auch der rasante Anstieg der Studentenzahlen in Erlangen wesentlich beigetragen. Speziell bei preisgünstigem Wohnraum hat sich die Situation auch dadurch verschärft, dass in den letzten Jahren zahlreiche Sozialwohnungen aus der Bindung gefallen sind (derzeit gibt es in Erlangen bei insgesamt ca. 55.000 Wohnungen nur noch ca. 3.200 Sozialwohnungen). Die Stadt hat versucht dem entgegenzuwirken, indem der Stadtrat auf Drängen des Sozialamts im Jahr 2010 den Ankauf von Belegungsrechten beschlossen hat. Dadurch können für den Zeitraum von 20 Jahren 600 freifinanzierte und ökologisch sanierte Wohnungen aus dem Gewobau Bestand durch Kunden des Sozialamtes belegt werden bei einer vertraglich gesicherten Deckelung der Miethöhe auf max. der Höhe der jeweils geltenden Mietobergrenze. Diese 600 sog. Belegrechtswohnungen konnten in den vergangenen 4 Jahren komplett mit Kunden des Sozialamts belegt werden (ca. 150 Wohnungen pro Jahr), wobei die Anzahl der freiwerdenden und für eine Neubelegung zur Verfügung stehenden Wohnungen aufgrund der schwierigen Wohnungsmarktlage in letzter Zeit deutlich zurückgegangen ist (wenn eine neue Wohnung schwer zu bekommen ist, scheut man sich auch eher, eine bestehende Wohnung aufzugeben).

 

Bei öffentlich gefördertem Wohnraum (Sozialwohnungen) ist ein Zweckentfremdungsverbot automatisch durch die bestehenden gesetzlichen Vorschriften gesichert und die Nutzung von Sozialwohnungsraum für andere Zwecke von einer ausdrücklichen Erlaubnis des Sozialamts (Wohnungsamt) abhängig. Der vorliegende Fraktionsantrag zielt dagegen darauf ab, für den gesamten frei finanzierten und privaten Wohnraum in Erlangen außerhalb des Sozialwohnungsbereichs ein Verbot der Zweckentfremdung einzuführen und von der Erteilung einer ausdrücklichen Genehmigung durch das Wohnungsamt abhängig zu machen. Aus dem übergeordneten Interesse der Erhaltung von Wohnraum soll allen privaten Wohnungseigentümern in Erlangen untersagt werden, bestehenden Wohnraum anderen Nutzungen ohne ausdrückliche Erlaubnis des Wohnungsamtes zuzuführen. Darüber hinaus soll der längerfristige Leerstand von Wohnraum verhindert werden, die Nutzungsänderung von privaten Wohnraum soll versagt werden können, bzw. von der Bereitstellung von Ersatzwohnraum abhängig gemacht werden oder von Ausgleichszahlung abhängig gemacht werden.

 

Es liegt auf der Hand, dass ein derartiger Eingriff von den Eigentümern privaten Wohnraums in Erlangen als Einschränkung ihrer Eigentumsrechte empfunden wird, bzw. von der örtlichen Wirtschaft – besonders wohl von freiberuflich tätigen Personen und Unternehmen – als Einschränkung ihrer wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten empfunden werden könnte.

 

Darüber hinaus liegt ebenfalls auf der Hand, dass die Einführung einer solchen Zweckentfremdungsverbotssatzung einen gewissen bürokratischen Aufwand erfordert, der einen entsprechenden Einsatz an Personal- und Sachkosten zwingend erfordert. Denn es sind nicht nur Genehmigungen oder Versagungen auszusprechen, sondern auch sog. Negativatteste auszustellen, Ausgleichsmaßnahmen oder Ausgleichszahlungen anzuordnen, es sind sog. Negativatteste auszustellen, es sind entsprechende Außendienste zu organisieren und es sind schließlich entsprechende Ordnungswidrigkeitsverfahren durchzuführen und entsprechende Gerichtsverfahren zu begleiten, sowie die entsprechenden Haushaltsmittel bereitzustellen.

 

Nach Auffassung der Verwaltung ist deshalb vor einer entsprechenden Entscheidung über den Erlass einer Zweckentfremdungssatzung sorgsam zwischen den notwendigen Eingriffen gegenüber privaten Wohnungseigentümern und Gewerbetreibenden einerseits, dem erforderlichen Verwaltungsaufwand andererseits, sowie dem möglichen Nutzen und der möglichen Entlastung für den Wohnungsmarkt sorgsam abzuwägen. Das Wohnungsamt hat deshalb ausführliche Erkundigungen eingezogen über

  • den möglichen Entlastungseffekt, den eine solche kommunale Wohnraumzweckentfremdungssatzung für die Entlastung des örtlichen Wohnungsmarktes in Erlangen bewirken könnte und
  • die mögliche Belastung für den städtischen Haushalt, die ein solcher Beschluss einer kommunalen Zweckentfremdungssatzung zwangsläufig mit sich bringen würde.

 

Zur möglichen Entlastung für den Wohnungsmarkt in Erlangen wurden ausführliche Erkundigungen bei dem Bauaufsichtsamt, dem Statistikamt und der Wirtschaftsförderung eingeholt. Nach Einschätzung der Wirtschaftsförderung ist derzeit keinerlei Bedarf und keinerlei Nachfrage nach einer Umnutzung von Wohnraum in Gewerbenutzung festzustellen; denn es ist derzeit genügend leerstehender Büroraum am Markt verfügbar. Im Bauaufsichtsamt ist bereits jetzt jede Umnutzung von Wohnraum in gewerblicher Nutzung gesondert zu genehmigen – es besteht darüber jedoch keine auswertbare Statistik. In Zusammenarbeit zwischen Bauaufsichtsamt und Statistikamt wurden jedoch alle in Frage kommenden Bauakten der letzten zwei Jahre 2012 und 2013 daraufhin überprüft. Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass lediglich folgende drei Fälle von Umnutzungen von Wohnraum in diesen beiden Jahren stattgefunden haben:

  • in einem Fall wurden 10 Wohnungen zu Hotelzimmern umgewidmet
  • in einem Fall wurden 2 Wohnungen zu Büros umgenutzt, allerdings nur zeitlich begrenzt
  • in einem Fall wurde ein Wintergarten von 40 qm² für die Nutzung durch eine Kindertagesstätte freigegeben.

 

Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass die real vorgenommenen Umnutzungen von Wohnraum in Erlangen in den letzten beiden Jahren sich in einem sehr bescheidenen Umfang bewegen. Aus derzeitiger Sicht würde die Einführung einer Zweckentfremdungssatzung dementsprechend auch nur einen sehr geringen Beitrag zur Entlastung des Wohnungsmarktes in Erlangen bringen können.

 

Zur Einschätzung des erforderlichen Aufwandes wurden nähere Erkundigungen bei der Stadt München eingeholt (unseres Wissens die einzige Stadt in Bayern, die eine derartige kommunale Zweckentfremdungssatzung praktiziert). In der Stadtverwaltung München existiert hierzu eine eigene Abteilung mit ca. 25 Mitarbeitern, davon 8 Mitarbeiter im Außendienst. Die Aufgabenstellung dieser Abteilung Wohnraumerhaltung beschäftigt sich ca. zu 2/3 mit den Aufgaben der kommunalen Zweckentfremdungssatzung und zu ca. 1/3 mit der Aufgabe Vollzug von kommunalen Erhaltungssatzungen. Mit dem Vollzug der Wohnraumzweckentfremdungssatzung sind somit in München ca. 17 Mitarbeiter beschäftigt – umgerechnet auf die Größenverhältnisse von Erlangen würde dies die Neuschaffung von ca. 1,5 bis 2 Planstellen bedeuten. Nach Auskunft der Kollegen aus München erfordert der Vollzug der kommunalen Zweckentfremdungssatzung für privaten Wohnraum nicht nur einen erheblichen Verwaltungsaufwand für Genehmigungen, Ablehnungen, Negativatteste, Ersatzzahlungen und Anordnung von Ersatzwohnraum sondern auch für die Überwachung dieser Anordnungen, für den Außendienst und für langwierige Ordnungswidrigkeitsverfahren und Klageverfahren. Im Ergebnis ist somit ein nicht unerheblicher zusätzlicher Verwaltungsaufwand für den Vollzug einer solchen kommunalen Zweckentfremdungssatzung unvermeidbar.

 

Bei Abwägung des potenziell möglichen Nutzens für die Entlastung des örtlichen Wohnungsmarktes einerseits und des zwingend notwendigen, zusätzlichen Verwaltungsaufwandes und Haushaltsaufwandes für den Vollzug einer kommunalen Zweckentfremdungssatzung spricht sich die Verwaltung deshalb dafür aus, dem vorliegenden Fraktionsantrag nicht zu folgen.

 


Anlagen:        1. Fraktionsantrag Grüne Liste Nr. 025/2014 vom 10.02.2014

                        2. Fraktionsantrag Grüne Liste Nr. 025/2014 vom 10.02.2014 Anlage