Die Sachstandsberichte von Sozialamt und GGFA zum SGB II - Vollzug werden zur Kenntnis genommen.

 

 


1. Tödlicher Angriff im Jobcenter Rhein - Kreis Neuss

 

Mit großer Betroffenheit wurde im September die Nachricht aus Nordrhein-Westfalen aufgenommen, wonach bei einer Messerattacke eines Kunden eine 32-jähirge Mitarbeiterin des Jobcenters Rhein - Kreis Neuss (gemeinsame Einrichtung) tödlich verletzt wurde.

 

Nachdem dies in den letzten Jahren bereits der zweite Todesfall in einem Jobcenter war, waren die Sicherheitsmaßnahmen im Jobcenter Erlangen bereits im Sommer überprüft und ausführlich mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen diskutiert worden. So war zum Beispiel kurz vorher eine Veranstaltung über Sicherheitsmaßnahmen am Arbeitsplatz mit der Erlanger Polizei durchgeführt worden.

 

 

2. Aktuelle Zahlenentwicklung

 

Bei der Entwicklung der SGB – II Empfängerzahlen in Erlangen sind keine Anzeichen für eine Verschlechterung der Situation, beziehungsweise des örtlichen Arbeitsmarktes festzustellen. Im Gegenteil sind sowohl die Empfängerzahlen, wie auch die Arbeitslosenzahlen zuletzt sogar leicht gesunken.

 

 

3. Neue Regelsätze ab 01.01.2013

 

 

Ende Oktober wurde die sogenannte Regelbedarfsstufen - Fortschreibungsverordnung 2013 im Bundesgesetzblatt veröffentlich. Danach werden die Regelbedarfsstufen im SGBII, im SGB XII und bei den sogenannten Analogleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ab dem 01.01.2013 um 2,26 % angehoben. Ab diesem Zeitpunkt gelten somit folgende Regelsätze:

 

 

Regelbedarfsstufe

derzeit

ab 01.01.2013

Stufe 1

alleinstehende, Alleinerziehende oder Lb deren Partner minderjährig ist

374 €

382 €

Stufe 2

Volljährige Partner in der Bedarfsgemeinschaft

337 €

345 €

Stufe 3

sonstige erwerbsfähige Angehörige über 18 Jahren

299 €

306 €

Stufe 4

sonstige erwerbsfähige Angehörige zwischen 15 und 18 Jahren

287 €

289 €

Stufe 5

Kinder zwischen 7 und 14 Jahren

251 €

255 €

Stufe 6

Kinder unter 7 Jahren

219 €

224 €

 

 

4. Bundesmittel im Jahr 2013

 

 

Ebenfalls Ende Oktober wurde im Bundeskabinett der Entwurf für den Bundeshaushalt 2013 beschlossen. Darin sind für den Bereich des SGB II folgende Ansätze vorgesehen: Während bei den SGB II Verwaltungskosten der Ansatz mit 4,05 Milliarden Euro die gleiche Höhe wie im Vorjahr aufweist, ist für die SGB II Eingliederungsmittel ein Rückgang von 4,4 Milliarden Euro auf nun mehr 3,9 Milliarden Euro in 2013 vorgesehen (also eine Kürzung um weitere 11 %)

 

Die endgültigen auf das Jobcenter der Stadt Erlangen entfallenden Bundesmittel in 2013 werden zwar erst nach der Verabschiedung des Bundeshaushalts verbindlich feststehen. Auf der Basis des jetzt beschlossenen Haushaltsentwurfs kann für die Arbeit im Jobcenter der Stadt Erlangen für 2013 jedoch vorerst mit der Zuteilung folgender Bundesmittel gerechnet werden (zur besseren Vergleichbarkeit und zur Verdeutlichung der überproportionalen Kürzungen bei den Eingliederungsmitteln werden auch die entsprechenden Zahlen der Vorjahre aufgeführt):

 

 

2013

2012

2011

2010

Verwaltungsmittel

2,87 Mio

2,91 Mio

3,06 Mio

3,14 Mio

Eingliederungsmittel

1,78 Mio

2,19 Mio

2,75 Mio

3,52 Mio

Bundesmittel gesamt

4,65 Mio

5,10 Mio

5,81 Mio

6,66 Mio

 

 

Wegen dieser erneuten überproportionalen Kürzung der Eingliederungsmittel des Bundes wird im kommenden Jahr das Ziel, die Eingliederungsmittel des Bundes möglichst vollständig auszuschöpfen, an Wichtigkeit gewinnen. Sozialamt und GGFA beabsichtigen daher für die bevorstehenden Haushaltsberatungen in der Stadt Erlangen gemeinsam einen Vorschlag einzubringen, der der GGFA bei der Bewirtschaftung der Eingliederungsmittel des Bundes eine Überziehungsgarantie zu Lasten des städtischen Haushaltes zusichern soll. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass – wie regelmäßig in den Vorjahren passiert – Bundesmittel nach Ablauf des Haushaltsjahres ungenutzt nach Berlin zurück gegeben werden müssen.

 

 

Dieses Verfahren wurde in Erlangen bereits im Haushaltsjahr 2006 erfolgreich genutzt, als wegen einer verspäteten Beschlussfassung des Bundeshaushalts (vorgezogene Bundestagswahl) überraschende, unterjähirge Haushaltsbeschränkungen durch den Bund zu verkraften waren. Wenn sich dieses Verfahren erneut bewährt, könnte nach Auffassung der Verwaltung daran gedacht werden, eine solche Überziehungsgarantie zu Lasten des städtischen Haushalts jährlich auszusprechen – denn es ist ein bundesweites Problem, dass jedes Jahr Haushaltsmittel ungenutzt an den Bund zurück gegeben werden müssen, obwohl insgesamt deutlich zu wenig Bundesmittel für Eingliederungszwecke zur Verfügung stehen.

Die Gründe für diese unbefriedigende Situation liegen einerseits in haushaltstechnischen Einschränkungen bei der Bewirtschaftung der Bundesmittel, andererseits aber auch in der Tatsache, dass nicht alle Entwicklungen bei der Aktivierung und Integration der Kunden tatsächlich vorhersehbar sind. Mit einer städtischen Überziehungsgarantie könnte es jedoch der GGFA ermöglicht werden, die knappen Bundesmittel vollständiger auszuschöpfen als bisher.

 

 

5. Aktuelle Arbeitsmarktpolitische Diskussionen

 

Nicht zuletzt aufgrund der, seit 3 Jahren anhaltenden, massiven Kürzung der Eingliederungsmittel des Bundes hat sich in der Zwischenzeit in der Fachwelt eine rege arbeitsmarktpolitische Debatte entwickelt. Gleichzeitig wurden – bei einem weiterhin aufnahmefähigen Arbeitsmarkt – durch gesetzliche Änderungen der jüngeren Zeit die zur Verfügung stehenden arbeitsmarktpolitischen Instrumente sukzessive eingeschränkt und so längerfristig laufende Maßnahmen zur Förderung von langzeitarbeitslosen und arbeitsmarktfernen Kunden zurückgedrängt.

 

Insbesondere die kommunalen Spitzenverbände (Deutscher Städtetag und Deutscher Landkreistag) haben diese Thematik in neuen Positionspapieren aufgegriffen (siehe Anlagen). Darin wird die deutliche Sorge ausgedrückt, dass die zunehmende Konzentration auf das kurzfristige
Vermittlungsgeschäft von arbeitsmarktnahen Personen in den ersten Arbeitsmarkt dazu führt, dass die Betreuung und Unterstützung von arbeitsmarktfernen, langzeitarbeitslosen, gering qualifizierten, chronisch kranken, schwer behinderten oder Personen mit Migrationshintergrund zunehmend vernachlässigt werden muss. Gerade aus der Sicht der Kommunen, in denen diese benachteiligten Menschen leben, kann diese Vernachlässigung aber nicht akzeptiert werden.

 

Darüber hinaus entwickelt sich diese Diskussion innerhalb der kommunalen Spitzenverbände aber mittlerweile von einer Debatte über die richtige arbeitsmarktpolitische Strategie weiter hin zu einer Debatte über eine Weiterentwicklung der dafür im SGB II Bereich erforderlichen Eingliederungsinstrumente (siehe Anlage: Positionspapier des Deutschen Landkreistages zur Weiterentwicklung der gesetzlichen Eingliederungsinstrumente).

 

Schließlich kommt aus dem Bereich der Kommunalen Spitzenverbände in der jüngsten Zeit auch ein weiterer wichtiger Vorstoß: Mittlerweile wird sowohl vom Deutschen Städtetag wie auch vom Deutschen Landkreistag die Forderung erhoben, dass es den Jobcentern ermöglicht werden sollte nicht verbrauchte Eingliederungsmittel des Bundes am Jahresende in nächste Haushaltsjahr übertragen zu können. Diese Möglichkeit würde den Handlungsspielraum der Jobcenter deutlich erweitern – stößt aber bisher beim Bund auf keine Gegenliebe (das Ziel der Einsparung von Haushaltsmitteln scheint hier vorrangiger zu sein).

 

Dabei ist es interessant an die Historie zu erinnern: Bei Inkrafttreten des Hartz IV Gesetzes im Jahr 2005 war diese Möglichkeit der Übertragung nicht verbrauchter Haushaltsmittel ins nächste Haushaltsjahr ausdrücklich im Gesetz vorgesehen (bis zu 10 % des Gesamtbudgets aus Eingliederungsmitteln und Verwaltungsmitteln). Entsprechende Anträge der Jobcenter wurden jedoch seinerzeit vom BMAS generell mit der Begründung abgelehnt, die Bundeshaushaltsordnung lasse dies nicht zu (obwohl das Gesetz dies ausdrücklich erlaubte!). im Jahr 2010 schließlich wurde im Rahmen der SGB II Organisationsreform – quasi nebenbei – diese Möglichkeit der Mittelübertragung ersatzlos aus dem Gesetz herausgenommen. In der Gesetzesbegründung des Ministeriums fand sich die erstaunliche Erklärung, dass eine ausdrückliche gesetzliche Erlaubnis für eine solche Mittelübertragung nicht erforderlich sei, weil die Bundeshaushaltsordnung dies ohnehin jederzeit zulasse.

 

Im Interesse einer flexibleren Arbeit der Jobcenter und Interesse der betroffenen Langzeitarbeitslosen wäre es sehr zu wünschen, dass der Gesetzgeber sich dazu durchringt, diese Möglichkeit der Übertragung nicht verbrauchter Eingliederungsmittel wieder ausdrücklich zuzulassen.

 

6. Bildungs- und Teilhabeausgaben

 

Die Inanspruchnahme der seit 2011 ins Gesetz aufgenommenen Bildungs- und Teilhabeleistungen entwickelt sich in der Stadt Erlangen im laufenden Jahr erfreulich positiv. Neben der praktischen Handhabung durch die B und T – Stelle im Sozialamt dürfte dies vermutlich vor allem darauf zurückzuführen sein, dass einerseits die Stadt Erlangen den gesetzlich vorgeschrieben Eigenanteil beim Mittagessen in Schulen und Kitas als freiwillige Leistung selbst übernimmt und dass andererseits in Erlangen bereits ein breites Angebot an Ganztageseinrichtungen im Schul- und im Kita - Bereich vorhanden ist. Aufgrund der vorliegenden Zwischenergebnisse kann jedenfalls damit gerechnet werden, dass im laufenden Haushaltsjahr bei den Bildungs- und Teilhabeleistungen in der Stadt Erlangen tatsächlich werden, mehr Ausgaben anfallen als über die entsprechenden Bundeserstattungen an Einnahmen zurückfließen.

 

Der Verwaltung ist jedenfalls keine andere Kommune in Deutschland bekannt, bei der die Inanspruchnahme der Bildungs- und Teilhabeleistungen ähnlich positiv verläuft. Dabei sind die Auswirkungen des beschlossenen Modellversuchs „Lernförderung“, der zum Schuljahresanfang an vier Erlanger Schulen begonnen hat, noch gar nicht berücksichtigt. Auch ohne die Auswirkungen dieses Modellversuchs waren aber zum Beispiel die Ausgaben für Lernförderung (Nachhilfe) bis zum September bereits dreimal so hoch, wie im gesamten Jahr 2011.

 

Auch bei den Bildungs- und Teilhabeleistungen gibt es mittlerweile Vorstöße aus dem Bereich

der Kommunalen Spitzenverbände, die gesetzliche Erleichterungen für die Umsetzung vorschlagen (siehe Anlage: Reformvorschläge des Deutschen Landkreistages zu den Bildungs- und Teilhabeleistungen). Inzwischen gibt es auch erste Anzeichen dafür, dass möglicherweise noch in der laufenden Legislaturperiode vom Bundesarbeitministerium entsprechende Gesetzesänderungsvorschläge kommen könnten.

 

7. Revision der Bundeserstattungen für Bildungs- und Teilhabeleistungen

 

Nach § 46 Abs. 7 SGB II ist für die Höhe der Bundeserstattungen, mit denen die kommunalen Bildungs- und Teilhabeausgaben vollständig ausgeglichen werden sollen, im Frühjahr 2013 eine Revision vorgesehen. Im Vorfeld dieser anstehenden Revision zeichnen sich für die Stadt Erlangen sehr unerfreuliche Entwicklungen ab:

 

-       Ausgangslage

Im Vermittlungsgausschuss in Berlin wurde seinerzeit im Jahr 2011 Einigkeit darüber erzielt, dass die Umsetzung der Bildungs- und Teilhabeleistungen eine kommunale Aufgabe ist und dass die entsprechenden Kosten zu 100 % vom Bund durch Erstattungen aus dem Bundeshaushalt ausgeglichen werden. Da die exakte Höhe der kommunalen Bildungs- und Teilhabeausgaben damals logischerweise noch nicht bekannt war, wurde auf Grundlage einer Schätzung die Höhe der Bundeserstattung für die Jahre 2011 und 2012 mit einem Satz von 5,4 % der jeweiligen Kosten der Unterkunft in jeder Kommune festgelegt. Dieser Umweg über die Länderhaushalte war erforderlich, weil nach der Föderalismusreform das Grundgesetz keine unmittelbaren Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Kommunen erlaubte. Gleichzeitig wurde im Gesetz festgelegt, dass im Frühjahr 2013 auf der Basis der tatsächlichen Bildungs- und Teilhabeausgaben des Jahres 2012 eine Spitzabrechnung vorzunehmen ist und die Höhe der Bundeserstattungen ab 01.01.2013 auf die Summe beschränkt werden muss, die bundesweit den tatsächlichen B und T - Ausgaben des Vorjahres entspricht. Dieses Bestreben des Bundes, dass nur so viel vom Bund erstattet werden soll, wie auch im Vorjahr tatsächlich ausgegeben wurde, ist nachvollziehbar und logisch.

 

-       Frage der Rückwirkung

Mittlerweile ist uns ein erster Verordnungsentwurf des Bundes zur Durchführung dieser Revision nach § 46 Abs. 7 SGB II bekannt geworden. Danach strebt der Bund nicht nur eine Spitzabrechnung und Anpassung der Bundeserstattungen ab dem 01.01.2013 an – so wie es das Gesetz vorsieht. Viel mehr möchte der Bund – entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung – darüber hinaus auch eine nachträgliche Spitzabrechnung für das Haushaltsjahr 2012 vornehmen, mit entsprechenden Rückforderungen an die Länder. Der Bund beruft sich dabei auf angebliche mündliche Zusicherungen der Ministerpräsidenten im Vermittlungsausschuss. Eine solche Regelung würde jedoch dem geltenden Gesetzestext eindeutig widersprechen. Es bleibt abzuwarten, wie sich hier die politische Meinungsbildung in Berlin entwickelt.

 

 

-       Bundeserstattungen ab 2013

Im dementsprechenden Verordnungsentwurf des Bundes ist auch für die Zeit ab 2013 zur Bemessung der Höhe der Bundeserstattungen für Bildungs- und Teilhabeleistungen der Kommunen weiterhin ein bundeseinheitlicher Prozentsatz an den jeweiligen Kosten der Unterkunft vorgesehen – völlig unabhängig davon, ob im jeweiligen Bundesland überdurchschnittlich hohe oder unterdurchschnittlich niedrige B und T – Ausgaben angefallen sind.

 

-       Aber auch bei der landesinternen Weiterverteilung der Bundeserstattungen vom Land an die Kommunen zeichnet sich in Bayern keinerlei Bereitschaft für eine differenzierte, sachgerechte Mittelverteilung ab. Sowohl vom Bayerischen Arbeits- und Sozialministerium, wie auch von den Bayerischen Kommunalen Spitzenverbänden wurde hingegen signalisiert, dass man die Berechtigung des Anliegens zwar grundsätzlich anerkenne, dass man jedoch zur Vermeidung eines angeblich übermäßigen Verwaltungsaufwandes auf eine differenzierte, sachgerechte Mittelverteilung vom Land zu den Kommunen verzichten möchte. Die zwingende Folge wird sein, dass die Stadt Erlangen – mit überdurchschnittlich starker Inanspruchnahme der Bildungs- und Teilhabeleistungen – deutlich weniger Bundeserstattungen ab 2013 erhalten wird. Die erfolgreiche Arbeit würde also finanziell bestraft und die Bildungs- und Teilhabeausgaben müssten in Erlangen zu einem erheblichen Anteil künftig aus kommunalen Haushaltsmitteln finanziert werden – obwohl der Bund sich zur hundertprozentigen Kostenerstattung verpflichtet hat. Es bleibt abzuwarten, ob die Weigerung von Bund und Land, sich der Mühe einer verursachungsgerechten Weiterleitung der Erstattungsgelder zu entziehen, aufrecht erhalten bleibt oder nicht. Im schlimmsten Fall werden wir gewärtigen müssen, dass Haushaltsüberlegungen auch vor Ort zu einer stärkeren Zurückhaltung bei der Bewilligung von Bildungs- und Teilhabe - Leistungen führen könnten. Im Ergebnis würde dies nicht nur dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers widersprechen, sondern auch den Interessen der betroffenen Kinder aus armen Familien und unseren Bemühungen zur Armutsbekämpfung.

 


Anlagen:        Eckwerte

                        Aktueller Mittelverbrauch

                        Arbeitsmarktpolitisches Positionspapier DStT

                        Arbeitsmarktpolitisches Positionspapier DLT

Gesetzesvorschläge des DLT zur Entbürokratisierung des B+T-Pakets

            Sachstandsbericht der GGFA