Betreff
Neue Kostenrechnung zum Sozialticket unter Einbeziehung der Kölner Studie hier: Dringlichkeitsantrag der Fraktion Grüne Liste Nr. 082/2012 vom 04.07.2012
Vorlage
50/087/2012
Aktenzeichen
V/50/VOA - 2249
Art
Beschlussvorlage
  1. Es sollten zunächst einmal die Auswirkungen und der Umfang der Inanspruchnahme der zum 01.01.2013 greifenden Rabattierung von ÖPNV-Tickets für SGB II- und SGB XII-Empfänger abgewartet und beobachtet werden. Die Verwaltung hat hierüber zu gegebener Zeit in den zuständigen Stadtratsgremien zu berichten.

 

  1. Die Vorlage dieses Erfahrungsberichtes ist dann mit einem Vorschlag zu ergänzen, ob die Vergabe einer Marktforschungsstudie zur Ermittlung der tatsächlichen Einnahmeverluste der ESTW erforderlich erscheint oder nicht.

 

Der Dringlichkeitsantrag der Fraktion Grüne Liste Nr. 082/2012 vom 04.07.2012 ist damit bearbeitet.


Mit dem Dringlichkeitsantrag Nr. 082/2012 vom 04.07.2012 wünscht die Fraktion Grüne Liste keine Veränderungen bei der, ab 01.01.2013 greifenden Rabattierung von ÖPNV-Tickets für SGB II- und SGB XII-Empfänger, wie sie in der Stadtratssitzung vom 26.04.2012 und in der SGA-Sitzung vom 27.06.2012 beschlossen wurde. Ziel des Dringlichkeitsantrages ist es vielmehr

·         dass den ESTW von der Stadt ein deutlich geringerer Betrag als die Summe der genutzten Rabattbeträge erstattet wird und

·         dass zur Ermittlung der tatsächlich bei den ESTW entstehenden rabattbedingten Mindereinnahmen eine begleitende Marktforschungsstudie nach Kölner Muster in Auftrag gegeben wird.

·         Weiter wird kritisiert, dass die Details der Rabattierung im SGA beschlossen wurden, ohne vorher den UVPA, als den für ÖPNV-Angelegenheiten zuständigen Fachausschuss zu beteiligen.

 

 

1.    Fehlende Beteiligung des UVPA

 

Im Stadtratsbeschluss vom 26.04.2012 war ausdrücklich festgelegt, dass die Details der Umsetzung und Einführung des Sozialrabattes im SGA zu beschließen sind. Dies ist erfolgt. Eine weitere, vorherige Befassung des UVPA war durch den Stadtrat nicht für erforderlich gehalten worden.

 

 

2.    Höhe der rabattbedingten Mindereinnahmen bei den ESTW

 

Nach der ursprünglichen Vorstellung (Ausgangspunkt im ESTW-Aufsichtsrat), die für den Jahreswechsel angestrebte Tarifanhebung durch ein Rabattangebot für Transferleistungsempfänger sozial abzufedern, war ursprünglich beabsichtigt die rabattbedingten Mindereinnahmen von den ESTW tragen zu lassen. Die Höhe der rabattbedingten Mindereinnahmen wurde dabei ausdrücklich als Summe aller in Anspruch genommenen Rabattfälle angegeben (siehe Seite 7 des ESTW-Sachberichtes für die Stadtratssitzung vom 29.03.2012).

 

Auf Verlangen der Aufsichtsbehörde wurde dann jedoch im endgültigen Stadtratsbeschluss festgelegt, dass die rabattbedingten Mindereinnahmen nicht von den Stadtwerken, sondern aus dem städtischen Haushalt zu tragen sind – ohne dass jedoch an der Art und Weise der Ermittlung der rabattbedingten Mindereinnahmen Änderungen vorgenommen wurden. Nach dem Stadtratsbeschluss war folglich klar, dass unter „rabattbedingten Mindereinnahmen“ die Summe aller in Anspruch genommenen Rabatte zu verstehen ist.

 

Eine abweichende Ermittlung der Höhe der rabattbedingten Mindereinnahmen – so wie von der Antragstellerin unter Hinweis auf das sogenannte Kölner Modell gewünscht – ist aber derzeit weder möglich, noch von der Verwaltung leistbar. Dies würde nämlich z. B. eine Beantwortung folgender Fragen durch die Verwaltung erfordern:

·         In wie vielen Fällen wird von den Berechtigten das Rabattangebot für welche Ticketart in Anspruch genommen?

·         In wie vielen Fällen davon handelt es sich um Personen, die bereits zuvor ohne Rabattangebot den ÖPNV mit welcher Ticketart und in welcher Häufigkeit benutzt haben (sogenannte Tarifumsteiger)?

·         In wie vielen Fällen handelt es sich dabei um Personen, die vorher ohne Rabattangebot den ÖPNV nicht genutzt haben (sogenannter Neuverkehr oder Mehrverkehr)?

·         In wie vielen Fällen lassen sich sogenannte „Schwarzfahrer“ (in Köln angeblich ein relativ hoher Anteil) durch das Rabattangebot dazu bewegen von der Möglichkeit des Erwerbs eines vergünstigten ÖPNV-Tickets Gebrauch zu machen?

·         Entsteht eventuell durch die Nutzung des Rabattangebotes ein so hoher Mehrverkehr, dass die ESTW zum Einsatz zusätzlicher Busse mit den entsprechenden Kostenfolgen gezwungen sind?

 

Es ist unschwer zu erkennen, dass weder die Verwaltung noch die ESTW dazu in der Lage gewesen wären, diese Fragen einigermaßen realitätsnah zu beantworten. Es hätte deshalb wenig Sinn gemacht – so wie von der Antragstellerin gewünscht – im Anschluss an den Stadtratsbeschluss vom 26.04.2012 zu diesen Fragen erst einmal mit den ESTW in Verhandlungen einzutreten.

 

 

3.    Die Forderung nach einer begleitenden Marktforschungsstudie nach Kölner Beispiel

 

Es ist der Antragstellerin zuzugestehen, dass für die Zukunft diese Möglichkeit einer begleitenden Marktforschungsstudie theoretisch besteht. Nicht zuletzt aus der, dem Fraktionsantrag beigefügten Anlage (Ergebniszusammenfassung einer Studie des Verkehrsverbundes Rhein-Sieg GmbH) ergibt sich, dass die finanzwirksamen Auswirkungen eines solchen Rabattangebotes nicht einfach pauschal geschätzt werden können und auch nicht aus anderen Untersuchungen einfach übernommen werden können, sondern dass vielmehr in jedem Einzelfall hinreichend lange und hinreichend ausführliche Untersuchungen, Messungen und Zählungen erforderlich sind. So ist z. B. die konkrete Höhe des eingeräumten Rabattes in unserem Fall deutlich niedriger als z. B. in Köln. Folglich dürfte auch in Köln ein wesentlich stärkerer Anreiz zur Änderung des Mobilitätsverhaltens (Mehrverkehr, Tarifumsteiger, Rückgang von Schwarzfahrern) zugrunde gelegen haben, sodass die Ergebnisse der Kölner Untersuchung auf keinen Fall einfach auf Erlangen übertragen werden können (dies scheint jedoch die Antragstellerin anzustreben).

 

Wenn eine Übertragung der Kölner Ergebnisse auf die Erlanger Rabattierung nicht möglich ist, so müsste für Erlangen eine eigene Studie mit allem dazugehörigen Aufwand veranlasst werden. In der Anlage zum Fraktionsantrag wird der erforderliche Kostenaufwand für eine solche begleitende Marktforschungsstudie auf mindestens 100.000,00 € geschätzt. Diese Kosten müssten logischerweise vom Besteller – also von der Stadt Erlangen – getragen werden.

 

Bei dieser Sachlage – geschätzte Gesamtsumme der pro Jahr in Anspruch genommenen Rabatte in Erlangen: ca. 130.000,00 €, geschätzte Gutachtenskosten zur genaueren Ermittlung der Rabattauswirkungen bei den ESTW: ca. 100.000,00 € - rät die Verwaltung dringend dazu, zunächst die ersten Erfahrungen über den Umfang der Inanspruchnahme des Erlanger Rabattierungsmodells abzuwarten (ca. ein bis zwei Jahre). Wenn dann genauere Informationen über den Umfang der Inanspruchnahme des ÖPNV-Rabatts in Erlangen vorliegen, lässt sich besser entscheiden, ob der relativ große Aufwand für eine begleitende Marktforschungsstudie zur genaueren Ermittlung der finanziellen Auswirkungen des Rabatts im Haushalt des Verkehrsträgers sich wirklich lohnt oder nicht.


Anlagen:        Dringlichkeitsantrag der Fraktion Grüne Liste Nr. 082/2012 vom 04.07.2012

Ergebniszusammenfassung der Untersuchung des Verkehrsverbundes Rhein‑Sieg GmbH aus dem Jahr 2007

                        Protokollvermerk aus der Sitzung des Stadtrates Erlangen vom 26.04.2012

                        SGA-Beschluss vom 27.06.2012