Betreff
Neufassung des Vertrages zwischen der Stadt Erlangen und der Gewobau über die Anmietung von Verfügungswohnungen
Vorlage
50/074/2012
Aktenzeichen
V/50/VOA - 2249
Art
Beschlussvorlage

1. Die Gewobau beabsichtigt umfassende Sanierungsmaßnahmen im Bereich der derzeit von der Stadt als Verfügungswohnungen genutzten Gebäude. Die Verwaltung wird ermächtigt für die nach Durchführung der Sanierung noch benötigten städtischen Verfügungswohnungen den Anmietungsvertrag in der vorgeschlagenen Fassung (siehe Anlagen) mit der Gewobau abzuschließen.

 

2. Die Gewobau garantiert allen bisherigen Bewohnern der betroffenen Verfügungswohnungen nach Abschluss der Sanierung die Möglichkeit eines Wiederbezugs einer Gewobau-Wohnung – möglichst im sanierten Bereich. Im Fall des Wiederbezugs als Mietwohnung wird auch der gleiche Mietpreis zugesichert, wie er im Anmietvertrag der Stadt (siehe Anlage 1) vorgesehen ist.


Durch notariellen Vertrag vom 05.11.1963 hat die Stadt Erlangen eine größere Anzahl städtischer Wohngebäude an die Gewobau verkauft und im gleichen Vertrag zur Unterbringung obdachloser Menschen wieder zurückgemietet. Die Stadt ist als Obdachlosenbehörde zur Unterbringung wohnungsloser Menschen gesetzlich verpflichtet. Während andere Kommunen diese Verpflichtung häufig durch Bereitstellung von Notunterkünften oder durch Anmietung von Pensionen erfüllen, hat die Stadt Erlangen ca. 300 Wohnungen (Verfügungswohnungen) von der Gewobau angemietet, in die obdachlose Menschen durch Bescheid eingewiesen werden. Unterkunftskosten werden von den Bewohnern – soweit möglich – auf satzungsrechtlicher Grundlage als Benutzungsgebühren erhoben.

 

Die Verfügungswohnungen sind zwar über weite Teile des Stadtgebietes verstreut. Es besteht jedoch trotzdem – mit allen damit verbundenen Nachteilen – eine relative Konzentration in solchen Stadtteilen (Bruck, Anger, Büchenbach), in denen aufgrund der vorhandenen Bausubstanz vorwiegend älterer und billiger Wohnraum vorhanden ist. Darüber hinaus war auch in vielen Fällen eine hohe Stabilität der Bewohnerschaft festzustellen – nicht Wenige lebten seit mehreren Jahrzehnten in ihren Verfügungswohnungen (viele empfanden ihre Verfügungswohnungen als „Wohnungen der Stadt“ und nicht als Notunterkünfte für den vorübergehenden Zustand der Obdachlosigkeit). Dementsprechend war es in der Vergangenheit auch kaum gelungen, die Anzahl der benötigten Verfügungswohnungen nennenswert zu reduzieren. Die Anzahl der Erlanger Verfügungswohnungen lag – gemessen an der Einwohnerzahl – auch deutlich über dem Durchschnitt anderer bayerischer Städte.

 

Da es sich um eine gesetzliche Pflichtaufgabe handelt und die Bewohner nach einer gewissen Zeit nicht einfach aus der Wohnung gewiesen werden können (Gefahr der erneuten Obdachlosigkeit) war das Sozialamt seit den 90er-Jahren bemüht, die durch diese Aufgabenerfüllung bedingte Haushaltsbelastung dadurch in Grenzen zu halten, dass eine möglichst konsequente Einnahmeerzielung bei den Benutzungsgebühren angestrebt wurde (insbesondere durch möglichst konsequente Abschöpfung bestehender Sozialleistungsansprüche der Bewohner). Diese Bemühungen waren auch durchaus erfolgreich und wurden seinerzeit auch ausdrücklich vom städtischen Rechnungsprüfungsamt anerkannt.

 

Seit 2008 ist das Sozialamt darüber hinaus verstärkt darum bemüht, durch aktive Betreuung und Unterstützung die Bewohner von Verfügungswohnungen dazu zu motivieren in reguläre Mietwohnungen zu wechseln, um dadurch die Anzahl der benötigten Verfügungswohnungen senken zu können. Dabei sind insbesondere folgende Maßnahmen zu nennen:

 

·        Einsatz einer sozialpädagogischen Fachkraft im Sozialamt (seit Januar 2012 auf zwei Stellen aufgestockt)

·        Mit Unterstützung der Gewobau Installierung des Projekts „Zweite-Chance-Wohnungen“ (befristete Mietverträge „zur Probe“ für Bewohner mit geringen Mietchancen auf dem Wohnungsmarkt)

·        Verstärkung von vorbeugenden Hilfen durch Unterstützung bei Räumungsklagen

·        Verstärkte Kooperation aller Abteilungen des Sozialamtes, insbesondere durch koordinierte bessere Nutzung von Hilfemöglichkeiten in den Sozialgesetzen (z. B. bei der Übernahme von Mietschulden, Übernahme von Umzugskosten, Hilfe bei der Wohnungserstausstattung usw.).

·        Durch das Engagement der Erlanger Kirchen, insbesondere der evangelisch reformierten Kirche, existiert seit Ende 2010 der „Sonderfonds gegen Armut und Obdachlosigkeit in Erlangen“, der – ebenso wie z. B. die Bürgerstiftung – auch in solchen Fällen weiterhelfen kann, in denen gesetzliche Hilfemöglichkeiten ausgeschöpft sind.

·        Ebenfalls seit 2010 gibt es die Möglichkeit für „Hilfen bei der Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten“ durch eine Sozialarbeiterin der Diakonie, die nach § 67 SGB XII vom Sozialamt finanziert wird.

·        Schließlich wurde auch immer auf eine enge Kooperation und Zusammenarbeit zwischen Sozialamt, dem städtischen Übernachtungsheim Wöhrmühle und externen Akteuren, wie z. B. dem Obdachlosenhilfeverein, geachtet.

 

Diese seit 2008 verstärkten Bemühungen des Sozialamtes zur aktiven Unterstützung der Bewohner von Verfügungswohnungen und zur Reduzierung der Anzahl der benötigten Verfügungswohnungen waren sehr erfolgreich. In der Zeit von 2008 bis Ende 2011 konnte die Anzahl der benötigten Verfügungswohnungen von 319 auf 261 Wohneinheiten reduziert werden. So konnte z. B. das Quartier in der Wilhelmstraße mit dem niedrigsten Wohnstandard komplett geschlossen und an die Gewobau zurückgegeben werden. Im gleichen Zeitraum von 2008 bis Ende 2011 hat sich die Anzahl der Bewohner von Verfügungswohnungen in Erlangen von 471 Personen auf 312 Personen verringert. Dieser starke Rückgang ist besonders der Tatsache geschuldet, dass es gelungen ist nahezu alle Familien mit Kindern aus den Verfügungswohnungen herauszubekommen und einen Wechsel in reguläre Mietverhältnisse zu erreichen.

 

Nicht zuletzt wegen zeitlich befristeter, aber ungewöhnlich günstiger Finanzierungsbedingungen hat sich die Gewobau im vergangenen Jahr dazu entschlossen, eine umfassende Sanierung des gesamten Bestandes an Verfügungswohnungen kurzfristig in Angriff zu nehmen. Dadurch wird nicht nur das Wohnniveau im Bereich unserer bisherigen Verfügungswohnungen auf ein zeitgemäßes Niveau angehoben werden. Es werden auch umweltpolitisch wichtige Fortschritte erzielt und die Entwicklung der betroffenen Stadtteile insgesamt wird positiv beeinflusst. Auf der anderen Seite wird diese Sanierungsmaßnahme zu einem deutlich höheren Mietzins führen müssen, den die Stadt an die Gewobau für die Anmietung von Verfügungswohnungen zahlt. Darüber hinaus wird dieses Sanierungsprojekt für die betroffenen Bewohner der Verfügungswohnungen eine Vielzahl von – zum Teil mehrmaligen – Umzügen mit sich bringen, die die Obdachlosenverwaltung und unsere Betreuungskräfte vor größte Herausforderungen stellen wird. Dies gilt umso mehr, als wir beabsichtigen, diese nicht vermeidbaren Umzüge als Gelegenheit zu nutzen, gleich verstärkte Umsetzungen in reguläre Mietwohnungen zu erreichen und die Anzahl der benötigten Verfügungswohnungen nach Ende der Sanierung erneut deutlich und spürbar zu reduzieren. Dadurch kann es dann erreicht werden, dass die höheren Mietkosten für die anschließend noch benötigten, sanierten Verfügungswohnungen gegenüber der derzeitigen Situation zu keiner höheren Haushaltsbelastung führt. Im Gegenteil ist nach den vorliegenden Kalkulationen sogar mit einer Reduzierung der direkt aus dem städtischen Haushalt zu tragenden Brutto-Mietkosten für die Verfügungswohnungen um ca. 115.000 € pro Jahr zu rechnen. Diese Einsparung muss jedoch zumindest vorerst im Budget des Sozialamts verbleiben, falls der Plan zur Reduzierung der Anzahl der benötigten Verfügungswohnungen von 243 vor der Sanierung auf dann 98 nach der Sanierung nicht aufgehen sollte und – wider Erwarten – doch noch weitere Verfügungswohnungen angemietet werden müssten.

 

Die von der Gewobau geplanten Sanierungsmaßnahmen im Bereich der Verfügungswohnungen umfassen insgesamt zehn Gebäude an drei verschiedenen Standorten und stellen sich im Einzelnen wie folgt dar:

 

·        Im Bereich Marienstraße/Goldwitzerstraße sind vier Gebäude mit derzeit insgesamt 80 Wohnungen betroffen (Baujahr 1957). Nach Modernisierung dieser vier Gebäude ist die Sanierung in dem gesamten Areal abgeschlossen. In zwei Gebäuden in der Marienstraße werden 42 Einzimmerwohnungen entstehen. Alle Wohnungen erhalten eine eigene Nasszelle mit Dusche und haben eine Größe von ca. 35 m². Die zwei weiteren Gebäude werden für Familien umgebaut. Hier entstehen zwölf Drei- und zwölf Vierzimmerwohnungen. Diese Wohnungen erhalten auch neue Vorstellbalkone.

 

·        Im Bereich Zeißstraße/Eggenreuther Weg sind drei Gebäude mit derzeit insgesamt 77 Wohnungen betroffen (Baujahr 1960). Auch in diesem Gebiet wurde die Nachbarbebauung bereits in den vergangenen Jahren modernisiert. In diesen drei Gebäuden entstehen zehn Ein-, 42 Zwei- und elf Dreizimmerwohnungen. Alle Wohnungen erhalten auch hier ein eigenes Bad, die Zwei- und Dreizimmerwohnungen auch Vorsatzbalkone.

 

·        Im Bereich Max-Planck-Straße/Heinrich-Hertz-Straße sind ebenfalls drei Gebäude mit derzeit insgesamt 86 Wohnungen betroffen (Baujahr ebenfalls 1960). Hier entstehen 47 Ein- und 46 Zweizimmerwohnungen mit identischer Ausstattung wie im Bereich Eggenreuther Weg/Zeißstraße.

 

·        Die Grundrisse der Wohnungen in allen drei Bereichen weisen erhebliche Mängel auf und müssen deshalb grundlegend überarbeitet werden. Die kleineren Wohnungen verfügen über kein eigenes Bad. Die WC-Anlagen befinden sich in den Treppenhäusern. Die größeren Wohnungen haben meist aneinandergereihte, gefangene Zimmer, sodass umfangreiche und aufwendige Umbauarbeiten notwendig sind.

 

·        Der vorgesehene Sanierungsstandard umfasst: Wärmedämmung an Außenwänden, Dach und Kellerdecken; Einbau einer Zentralheizung mit Warmwasserversorgung; neue Fenster, neue Bäder; neue Elektroinstallation; neue Türen und Fußböden; Maler- und Fliesenarbeiten. Für alle Gebäude wird versucht, den KfW-Standard 100 zu erreichen, d.h. Niedrigenergiehausstandard nach EnEV 2009. Die Energieversorgung der Gebäude erfolgt voraussichtlich über Erdgas. Alle Heizzentralen sollen im Contracting von den ESTW betrieben werden.

 

·        Der Gesamtbestand umfasst vor der Sanierung insgesamt 243 und nach der Sanierung insgesamt 222 Wohnungen, wobei uns die Gewobau bei der konkreten Planung hinsichtlich der für spätere Verfügungswohnungen besonders benötigten Kleinwohnungen für Einpersonenhaushalte besonders entgegengekommen ist. In unmittelbarer Nähe zum Familienzentrum in Büchenbach kann darüber hinaus neuer Wohnraum für Familien geschaffen werden.

 

·        Da in Bestand der Gewobau kaum mehr Ausweichwohnungen zur Verfügung stehen, wird erst das leerstehende Gebäude in der Zeißstraße saniert, um dieses dann für die Umsetzung zu nutzen. Ein Verbleiben in der alten Wohnung ist für die Bewohner wegen der starken Grundrissveränderungen nicht möglich. Das Betreuungs- und Umzugsmanagement wird deshalb alle Beteiligten vor große Herausforderungen stellen. Nach Fertigstellung der Gebäude werden die gesamten Außenanlagen neu gestaltet.

 

·        Die Investitionskosten für die Sanierungsmaßnahme inklusive der umfangreichen Grundrissänderungen belaufen sich nach aktueller Kostenschätzung auf rund 14,4 Millionen Euro. Die Maßnahme wird fast vollständig aus dem bayerischen Modernisierungsprogramm finanziert. Unter Berücksichtigung dieser günstigen Finanzierung errechnet sich für alle Objekte nach der Sanierung eine Kaltmiete von 4,95 € pro Quadratmeter, die dann auch für die künftig noch benötigten Verfügungswohnungen zu vereinbaren ist.

 

·        Nach den Planungen der Verwaltung und nach dem vorgeschlagenen Entwurf des neuen Anmietvertrages mit der Gewobau zur Anmietung von Verfügungswohnungen (siehe Anlage) werden dann voraussichtlich nach der Sanierung noch 98 Verfügungswohnungen an den betroffenen Standorten benötigt. Die Verwaltung geht davon aus, dass die vorhandenen Haushaltsmittel nicht mehr im bisherigen Umfang benötigt werden, um die Miete für die reduzierte Anzahl von Verfügungswohnungen mit einer Kaltmiete von 4,95 € pro Quadratmeter zu finanzieren (die voraussichtlich eingesparte Summe von ca. 115.000 € sollte jedoch vorerst als „Sicherheitsreserve“ im Amtsbudget verbleiben, falls wider Erwarten tatsächlich doch mehr Verfügungswohnungen angemietet werden müssen). Mit den entsprechenden Nebenkosten ohne Heizung werden dann auch die neuen Verfügungswohnungen die derzeit geltenden Mietobergrenzen für SGB II-Empfänger und SGB XII‑Empfänger einhalten können.

 

·        Daneben werden insgesamt 124 Wohnungen ihren Status als „Verfügungswohnung“ verlieren und für eine Vermietung durch die Gewobau an wohnungsberechtigte Sozialmieter zur Verfügung stehen. Dies gilt insbesondere für den Standort Büchenbach (in unmittelbarer Nähe zum neuen Familienzentrum), wo nach der Sanierung gezielt eine Reihe von Wohnungen für Alleinerziehende und Familien mit Kindern zusätzlich zur Vermietung bereitstehen werden.

 

Die geplante Sanierung wird nicht nur zu einer erheblichen baulichen Verbesserung in den betroffenen Bereichen führen. Sie wird auch zu einer städtebaulichen Aufwertung der jeweiligen Quartiere beitragen. Weiter werden die eingeplanten energetischen Sanierungsmaßnahmen einen wichtigen umweltpolitischen Beitrag leisten. Die Verwaltung ist schließlich auch bestrebt, die anstehenden Umzüge zum Anlass zu nehmen eine weitere, deutliche Reduzierung der benötigten Anzahl an Verfügungswohnungen zu erreichen durch verstärkte Vermittlung von Bewohnern in reguläre Mietverhältnisse.

 

Die Gewobau plant mit den Sanierungsmaßnahmen umgehend noch im Frühjahr zu beginnen (die günstigen Finanzierungskonditionen sind bereits seit Ende 2011 gesichert). Voraussetzung für den Beginn der Sanierungsmaßnahmen ist aber der Abschluss des neuen Vertrages mit der Stadt über die Anmietung der dann 98 Verfügungswohnungen an diesen Standorten. Die Verwaltung schlägt deshalb vor den Abschluss des neuen Mietvertrages in der in der Anlage abgedruckten Fassung zu billigen.

 


Anlagen:         Entwurf des neuen Mietvertrages mit der Gewobau über die Anmietung von Verfügungswohnungen