Betreff
Sachstandsbericht zum SGB II-Vollzug in Erlangen
Vorlage
50/060/2011
Aktenzeichen
V/50/VOA
Art
Beschlussvorlage

Die Sachstandsberichte von Sozialamt und GGFA zur Umsetzung des SGB II in der Stadt Erlangen werden zur Kenntnis genommen.


  1. Zahlenentwicklung

 

Bei der Anzahl der SGB II-Empfänger hat sich in Erlangen der erfreuliche Trend nach unten in den letzten Monaten weiter fortgesetzt (in etwa vergleichbar mit dem Bundestrend):

 

  • Bei der Anzahl der Bedarfsgemeinschaften wurde im September und Oktober 2011 erstmals die Schwelle von 2400 unterschritten.
  • Bei den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten wurde im Oktober 2011 erstmals die Schwelle von 3100 unterschritten.
  • Bei den Sozialgeldempfängern liegen wir seit August unter 1300 und haben im Oktober den Wert von 1279 erreicht.
  • Somit hat sich die Gesamtzahl der von Hartz IV-Leistungen abhängigen Personen in Erlangen seit Januar 2011 (4688 Personen) bis in den Oktober 2011 spürbar auf 4364 Personen verringert.

 

Ein anderes Bild ergibt sich bei der Anzahl der statistisch als Arbeitslose geführten Personen in Erlangen:

 

  • Die Anzahl der arbeitslosen SGB II-Empfänger stagniert seit etwa einem Jahr bei aktuell 1340 Personen. Die SGB II-Arbeitslosenquote beträgt unverändert 2,3 %.
  • Die Gesamtzahl der Arbeitslosen in Erlangen (SGB II und SGB III) hat sich im Laufe dieses Jahres spürbar verringert – die Gesamtarbeitslosenquote in Erlangen sank in diesem Zeitraum von 4,0 % auf nunmehr 3,5 %. Dieser Rückgang der Arbeitslosigkeit erfolgte praktisch ausschließlich im Bereich der Kurzzeitarbeitslosen nach SGB III.
  • Ein noch stärkerer Rückgang der Gesamtarbeitslosigkeit seit Januar diesen Jahres ist auch im Freistaat Bayern (von 4,8 % auf 3,3 %) und im Bund (von 7,9 % auf 6,5 %) zu beobachten.
  • Aus diesen Zahlen lässt sich aber auch entnehmen, dass wir in Erlangen bei den SGB II-Arbeitslosen offensichtlich bei einem festen Sockel angekommen sind, bei dem sich durch Arbeitsvermittlung nur noch schwer eine Verringerung der Arbeitslosenzahl erreichen lässt. Bei unseren Kunden steht überwiegend die Beseitigung schwerer Vermittlungshemmnisse im Mittelpunkt, bevor an eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration zu denken ist.

 

  1. Bildungs- und Teilhabeleistungen

 

Seit Einführung der neuen  Bildungs- und Teilhabeleistungen durch Gesetzesänderung von Ende März 2011 ist die Aufbauphase nunmehr weitgehend abgeschlossen. Dementsprechend setzt sich der Trend zu verstärkter Inanspruchnahme weiter fort. Festzustellen ist jedoch unverändert, dass

 

  • die Konstruktion der Ansprüche als nahezu ausschließlich individuelle Leistungsansprüche von Einzelpersonen über z.T. minimale Kleinbeträge einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand erfordert
  • dass die Inanspruchnahme durch Kinder aus Wohngeldfamilien nahezu doppelt so häufig erfolgt wie bei Kindern aus SGB II-Familien. Die anderen Rechtskreise (SGB XII, Kinderzuschlag, Asylbewerber, Geringverdiener) fallen zahlenmäßig dagegen kaum ins Gewicht
  • dass beim Mittagessen an Schulen und bei den KiTa-Ausflügen seit der Einführung der B+T-Leistungen eine deutliche Zunahme bzw. eine erfreulich hohe Nutzung festzustellen ist
  • dass die B+T-Leistung Lernförderung (Nachhilfe) sich als sehr problematisch und nicht effizient erwiesen hat. Wesentlich sinnvoller wäre es gewesen, das hierfür zur Verfügung stehende Geld pauschal an die Schulen zu geben mit der Verpflichtung, damit die innerschulische Lernförderung für schwächere Schüler mitzufinanzieren und zu verbessern
  • und dass bei der B+T-Leistung soziale und kulturelle Teilhabe weder die musische Betätigung noch die traditionellen Sportarten (Fußball, Handball) in größerem Umfang profitieren, sondern vielmehr Kampfsportarten.

 

Aufgrund der bundesweiten Kritik aus den mit der Umsetzung befassten Stellen zeichnen sich gewisse Chancen ab, dass möglicherweise in Zukunft vielleicht doch eine Direktzahlung an die Eltern erlaubt werden könnte, wenn die Eltern nachgewiesenermaßen in Vorleistung getreten sind (nach der derzeitigen gesetzlichen Regelung ist dies generell nicht erlaubt). Ansonsten deuten die Signale aus Berlin (Runde Tische bei der Bundesarbeitsministerin zum Bildungs- und Teilhabepaket) darauf hin, dass derzeit immer noch keinerlei Bereitschaft besteht, die übermäßig verwaltungsaufwendige Konstruktion der Bildungs- und Teilhabeleistungen zu überdenken.

 

 

  1. Aktivitäten der Prüfungsorgane

 

  1. Bundesrechnungshof

 

In der Zeit vom 17. – 21. Oktober hat der Bundesrechnungshof in Erlangen eine örtliche Prüfung des „Arbeitgeberservice“ (Arbeitsvermittlung) durchgeführt. Der entsprechende Prüfungsbericht steht noch aus.

 

  1. Gesundheitsfonds (Krankenkassen)

 

Für die Zeit ab 07.11. hat sich der Betriebskrankenkassenverband Baden-Württemberg im Auftrag des Bundesversicherungsamtes (Gesundheitsfonds) gleich für 3 Wochen mit bis zu 7 Prüfern zu einer örtlichen Prüfung über die Abführung der Krankenkassenbeiträge angekündigt. Dazu mussten kistenweise auch abgeschlossene Fallakten aus dem Archiv herbeigeschafft werden. Die Prüfung dauert derzeit noch an.

 

  1. SGB II-Prüfgruppe beim BMAS

 

Nachdem die Jahresabschlüsse des Jobcenters bis einschließlich 2008 bereits abschließend geprüft sind, hat die Prüfgruppe beim BMAS signalisiert, dass bis zum Jahresende auch mit einem Prüfungsabschluss für die Jahresrechnung 2009 zu rechnen ist. Der Eingang des Prüfungsvermerks steht jedoch noch aus.

 

  1. Aktivitäten des Gesetzgebers

 

  1. Anpassung der Regelsätze zum 01.01.2012

 

Die „Regelbedarfsstufen Fortschreibungsverordnung 2012“ (RBSFV 2012) auf der Grundlage des § 138 Nr. 2 SGB XII wurde im Bundesgesetzblatt vom 26.10.2011 verkündet und tritt zum 01.01.2012 in Kraft. Danach steigt der Eckregelsatz für Alleinstehende von 364,-- auf 374,-- €. Wie bereits im letzten Sachstandsbericht informiert, steigen dagegen die Regelsätze für Kinder nur in geringerem Maße bzw. überhaupt nicht, weil bei der letzten Regelsatzberechnung hier eigentlich eine Kürzung hätte stattfinden müssen – aus Gründen des Bestandsschutzes auf eine solche Kürzung seinerzeit jedoch verzichtet wurde.

 

Diese Regelsatzerhöhung im SGB XII wurde´durch Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 20.10.2011 unverändert auch auf den Bereich des SGB II erstreckt. Damit steigen die Regelsätze für Hartz-IV-Empfänger ab dem 01.01.2012 im gleichen Umfang.

 

  1. Instrumentenreform

 

Das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen (Instrumentenreform) wurde Ende September vom Bundestag mit den Stimmen der Regierungskoalition beschlossen. Überraschenderweise wurde in der Sitzung des Bundesrates am 14.10.2011 diesem Gesetz nicht zugestimmt und der Vermittlungsausschuss angerufen. Zur Begründung wurde geltend gemacht, dass einige arbeitsmarktpolitischen Instrumente der SGB II-Stellen noch verbessert werden sollten. Da es sich jedoch um ein nicht zustimmungspflichtiges Gesetz handelt, gehen alle Beobachter davon aus, dass der Bundestag diesen Einspruch des Bundesrates überstimmen wird und das Gesetz somit zum 01.04.2012 in Kraft treten kann.

 

 

  1. Finanzielle Ausstattung in 2012

 

Die neue Eingliederungsmittelverordnung 2012, aus der sich die endgültigen Mittelzuweisungen aus dem Bundeshaushalt für die SGB II-Stellen ergeben werden, ist zwar noch nicht verkündet, da vorher der Bundeshaushalt 2012 beschlossen sein muss. Ende Oktober wurden wir jedoch bereits vom BMAS über die voraussichtlichen Mittelansätze 2012 informiert, wie sie sich aus dem derzeit zur Beratung vorliegenden Entwurf des Bundeshaushalts ergeben würden. Danach zeichnet sich folgende Mittelausstattung des Jobcenters Stadt Erlangen in 2012 im Vergleich zu 2010 und 2011 ab:

 

Verwaltungsmittel:

 

2010

2011

2012

3,14 Mio

3,06 Mio

2,9 Mio

 

 

Eingliederungsmittel (inkl. 50up-Mittel):

 

2010

2011

2012

3,522 Mio

2,751 Mio

2,192 Mio

 

 

Aus diesen Zahlen wird deutlich, wie stark der Bund zu Lasten der Arbeitsmarktintegration von Hartz IV-Empfängern seine Mittelzuteilung kürzt und damit seiner Verantwortung nicht gerecht wird:

 

Die zugewiesenen Verwaltungsmittel sinken von 2010 auf 2012 um 7,65 %. Nach der Eingliederungsmittelverordnung ist für die Zuteilung von Verwaltungsmitteln das maßgebliche Kriterium die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften. Betrachtet man die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften in Erlangen im letzten 2-Jahres-Zeitraum, so ist ebenfalls ein Rückgang der Anzahl der Bedarfsgemeinschaften in Erlangen um ebenfalls 7,65 % festzustellen. Demnach ist zuzugeben, dass die geplante Zuteilung an Verwaltungsmitteln für 2012 akzeptiert werden muss.

 

Anders sieht es bei den für 2012 eingeplanten Eingliederungsmitteln für die Arbeitsmarktintegration von Hartz-IV-Empfängern aus: Die zugeteilten Bundesmittel verringern sich hier von 2010 auf 2012 um 37,77 % - die Anzahl der erwerbsfähigen Hilfeberechtigten (maßgebliches Kriterium nach der Eingliederungsmittelverordnung für die Zuteilung von Eingliederungsmitteln) ist jedoch in Erlangen in den vergangenen 2 Jahren nur um 9,5 % gesunken. Hier sind überdimensionierte Kürzungen des Bundes festzustellen, die es im nächsten Jahr den SGB II-Stellen äußerst schwer machen werden, möglichst viele Hilfeempfänger möglichst effizient auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes vorzubereiten. Dies gilt umso mehr für die Integrationsarbeit in Erlangen, wo nur noch wenig direkt vermittelbare Kunden vorzufinden sind. Die Vorbereitung von Kunden mit schweren Vermittlungshemmnissen, die in Erlangen immer zahlreicher werden, ist jedoch langwierig und teuer. Mit den stark gekürzten Bundesmitteln wird es unausweichlich sein, dass ein immer größer werdender Teil der Kunden mit Integrationsmaßnahmen überhaupt nicht mehr bedient werden kann. Darüber hinaus ist auch zu vermuten, dass bundesweit eine ganze Reihe von freien Trägern und Bildungsträgern in finanzielle Schwierigkeiten geraten wird.

 

Die drastische Kürzung der Eingliederungsmittel durch den Bund im Jahr 2012 wird uns in Erlangen in jedem Fall in unserem Maßnahmeprogramm zu schmerzhaften Einschnitten zwingen. Deshalb schlägt die Verwaltung im Rahmen des heute eingebrachten Haushaltsentwurfs für 2012 erstmals wieder städtische Zuschüsse in Höhe von 300.000,-- € an die GGFA zur ergänzenden Finanzierung von Maßnahmen der Arbeitsmarktintegration vor, obwohl dies eigentlich ausschließliche Aufgabe des Bundes wäre. Zur Finanzierung dieser städtischen Zuschüsse soll z.T. auch die Einführung des sogenannten Systems der Werkakademie beitragen. Im Einzelnen wird hierzu auf die heute vorgelegten Haushaltsunterlagen verwiesen.

 

 

  1. Überregionale Aktivitäten und Entwicklungen

 

Zum 01.01.2012 werden die 41 neu zugelassenen kommunalen Träger – unter ihnen auch 9 kreisfreie Städte – ihre Arbeit als Optionskommunen aufnehmen. Die Stadt Erlangen ist den Kolleginnen und Kollegen soweit wie möglich dabei durch Informationsaustausch behilflich. Die 6 neuen bayerischen Optionskommunen arbeiten bereits im Arbeitskreis Bayerischer Optionskommunen seit längerem voll integriert mit.

 

Die bundesweiten Treffen der – nicht mehr 67, sondern 108 – Optionskommunen finden mittlerweile bereits ebenfalls in der großen Runde statt. Erfreulicherweise erfolgen diese Termine mittlerweile auch nicht mehr nur in der Verantwortung des Deutschen Landkreistages, sondern unter gemeinsamer Verantwortung durch den Deutschen Landkreistag und den Deutschen Städtetag.

 

Auch bei den Benchmark-Vergleichsringen zeichnet sich ab, dass ab dem nächsten Jahr alle 108 Optionskommunen an dieser Vergleichsringarbeit teilnehmen werden. Allerdings ist es dazu noch erforderlich, dass die bisherigen 7 Vergleichsringe aufgelöst werden und die neuen 10 bis 11 Vergleichsringe in ihrer Zusammensetzung neu zusammengestellt werden müssen.

 

Die mit großen Erwartungen des BMAS verbundene Einführung von Kennzahlen der SGB II-Stellen sowie die Einführung von Zielvereinbarungen (zwischen Bund und Ländern bzw. BA sowie zwischen Ländern bzw. BA und den einzelnen SGB II-Stellen) läuft derzeit für 2012 nur schleppend. Obwohl der Beginn des Jahres 2012 kurz bevorsteht, gab es ein längeres Ringen zwischen Bund und Ländern über die Formulierung der Zielvereinbarungen und die Höhe der darin enthaltenen Zielvorgaben. Seit dem 9.11. ist uns nun zumindest die sog. Referenzwerte (vorgeschlagene Zielwerte) des BayStMAS für die Zielvereinbarung 2012 mit dem Jobcenter der Stadt Erlangen bekannt. Danach werden folgende Zielvorgaben vorgeschlagen:

 

·         Ziel 1 (Verringerung der Hilfebedürftigkeit): keine zahlenmäßige Zielvorgabe

·         Ziel 2 (Verbesserung der Integration in Erwerbstätigkeit): Erhöhung der Integrationsquote um 4,4 %

·         Ziel 3 (Vermeidung von langfristigem Leistungsbezug): Verringerung des Bestandes an Langzeitleistungsbeziehern um 3,7 %

 

In der Verwaltung ist die Meinungsbildung darüber noch im Gange, inwieweit es überhaupt möglich oder sinnvoll ist, über solche Zielvorgaben überhaupt in Verhandlungen einzutreten. Deshalb müssen hier zunächst die weiteren Gespräche mit dem Ministerium abgewartet werden.

 


Amt 50 zur Aufnahme in die Sitzungsniederschrift.

 

Jeweils in Kopie Amt 501/Fr. Werner und GGFA/H. Lindner sowie Ref. V/Fr. Dr. Preuß und Ref. II/H. Beugel jeweils zur Kenntnis.

 

Kopie Amt 50 zum Vorgang.