- Entsprechend dem Fraktionsantrag Nr. 91/2011 wird die Verwaltung beauftragt in einer der nächsten SGA-Sitzungen durch Verantwortliche des zuständigen Bezirks Mittelfranken einen Überblick über die bestehenden Hilfe- und Beratungsangebote für Menschen mit psychischer Erkrankung bzw. Behinderung in Erlangen geben zu lassen. Der SPD-Fraktionsantrag Nr. 91/2011 vom 26.07.2011 gilt damit als bearbeitet.
- Der Sachstandsbericht Hilfe zur Pflege im ambulanten Bereich – und damit in der Zuständigkeit der Stadt Erlangen – wird zur Kenntnis genommen. Der SPD-Fraktionsantrag Nr. 92/2011 vom 26.07.2011 gilt damit als bearbeitet.
Zukünftige Entwicklung
Auf Basis der 12.
koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung wurde vom Statistischen Bundesamt
ermittelt, dass die Anzahl der Pflegebedürftigen durch den absehbaren demographischen
Wandel in Deutschland in den nächsten Jahrzehnten erheblich ansteigen wird.
Waren es im Jahr 2007 noch 2,2 Millionen Pflegebedürftige, steigt die Anzahl in
der Prognose für das Jahr 2020 um 29 % auf 2,9 Millionen Menschen an. Im
Jahr 2030 wird die Personenzahl schon bei 3,4 Millionen liegen und sich bis
2050 voraussichtlich auf 4,5 Millionen erhöhen.
Als Hauptursache für die
Zunahme der Pflegebedürftigkeit wird die, auch durch den medizinischen
Fortschritt bedingte, steigende Anzahl älterer Menschen gesehen. Der Anteil der
älteren Altersklassen wird sich deutlich erhöhen und damit auch die
Wahrscheinlichkeit der Pflegebedürftigkeit zunehmen.
Daneben ist auch mit dem Anstieg demenziell Erkrankter
insbesondere im Alter ab 85 Jahren zu rechnen. Bis zum Jahr 2050 wird von einer
Verdopplung der an Demenz erkrankten Personen ausgegangen.
Im Bereich der ambulanten
Hilfe zur Pflege ist bereits jetzt festzustellen, dass Leistungsberechtigte
zunehmend Sachleistungen statt Pflegegelder der HzP a.v.E. in Anspruch nehmen.
Insbesondere bei der privaten Pflege von Personen mit speziellen Erkrankungen,
wie der Demenz, kann es zu Situationen der Überforderung kommen, sodass auf
professionelle Pflegeleistungen zurückgegriffen werden muss.
Unabhängig von speziellen
Krankheitsbildern ist generell mit weniger familiärer Unterstützung zu rechnen.
Die Erwerbstätigkeit von Frauen, die eher die Pflege von Angehörigen
übernehmen, nimmt zu, sodass sie nicht mehr im selben Maße für pflegerische
Tätigkeiten zur Verfügung stehen. Der daraus zunehmende Bedarf an
professionellen Hilfen betrifft Familien bzw. Personen sowohl mit als auch ohne
deutsche Staatsangehörigkeit.
Zuständigkeitsregelung in Bayern
Bis 2007 war in Bayern die
Eingliederungshilfe innerhalb von Einrichtungen (stationär und teilstationär)
Aufgabe des überörtlichen Trägers Bezirk, während die Hilfe außerhalb von
Einrichtungen (ambulant) in den Zuständigkeitsbereich der örtlichen Träger,
also der kreisfreien Städte und Landkreise, fiel.
Seit 2008 hat sich diese
relativ klare Zuständigkeitsregelung verwischt: seit diesem Zeitpunkt wurde die
Eingliederungshilfe für Behinderte komplett (stationär, teilstationär,
ambulant) in Bayern bei den Bezirken als überörtliche Träger konzentriert – mit
entsprechenden Auswirken auf die Zuständigkeit bei der Hilfe zur Pflege. Denn
zahlreiche Empfänger von Eingliederungshilfe (psychisch Kranke und körperlich
oder seelisch Behinderte) beziehen gleichzeitig Leistungen der Hilfe zur
Pflege. Um für diese Personen eine Doppelzuständigkeit des örtlichen und
überörtlichen Trägers zu vermeiden und eine Hilfeleistung aus einer Hand sicherzustellen,
wurde gleichzeitig eine Regelung getroffen, wonach für fast alle Empfänger von
Eingliederungshilfe (zuständig seit 2008 ausschließlich der Bezirk) eventuell
zu leistende Hilfen zur Pflege ebenfalls nur noch vom Bezirk erbracht werden
(sog. Annexzuständigkeit). In der Zuständigkeit des örtlichen Trägers Stadt
Erlangen sind somit nur diejenigen Empfänger von Hilfe zur Pflege verblieben,
die ambulante Hilfen zur Pflege benötigen und die nicht gleichzeitig Ansprüche
auf Eingliederungshilfe haben. Durch diesen Zuständigkeitswechsel sind die
Ausgaben für Hilfe zur Pflege im Haushalt der Stadt Erlangen von ca. 1,44 Mio.
€ im Jahr 2007 gesunken auf ca. 0,44 Mio. € im Haushaltsjahr 2008.
Diese
Zuständigkeitsänderung in Bayern steht im Gegensatz zur Entwicklung in fast allen
anderen Bundesländern. In den meisten anderen Bundesländern herrschte in den
letzten Jahren ein Trend zur Zuständigkeitsverlagerung in den Bereichen
Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege in umgekehrter Richtung – nämlich vom
überörtlichen Träger auf den örtlichen Träger – vor, zum Teil (wie z. B. in
Niedersachsen) wurden Mittelbehörden sogar komplett abgeschafft. Auch in
Baden-Württemberg wurde in den letzten Jahren die Zuständigkeit für
Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege komplett auf die örtliche Ebene
verlagert.
Es kann nicht verwundern,
dass die gesplittete Zuständigkeitsregelung in Bayern in der Praxis Probleme
schafft. So ist zurzeit gerade z. B. der Bezirk Mittelfranken bestrebt – wohl
nicht zuletzt bedingt durch die harte Kritik der Kommunen an den drastischen
Steigerungen der Bezirksumlage – bestimmte Ausgaben, wie z. B. die Kosten für
die Anschaffung eines Treppenliftes für Rollstuhlfahrer, generell auf die
örtliche Ebene abzuwälzen – ohne Rücksicht auf seine eigene Annexzuständigkeit
(Welcher Rollstuhlfahrer hat nicht gleichzeitig Anspruch auf Leistungen der
Eingliederungshilfe für Behinderte?). So sucht man derzeit auch in anderen
Bundesländern nach einer klareren und praktikablen Zuständigkeitsregelung. In
Hessen wird z. B. das sog. Altersgrenzenmodell diskutiert (Hilfeempfänger von 0
– 18 Jahren: Zuständigkeit des örtlichen
In Bayern ist das
zuständige Arbeits- und Sozialministerium angeblich bestrebt, auch die letzte
örtliche Zuständigkeit in der Hilfe zur Pflege ambulant (Empfänger von Hilfe
zur Pflege, die noch zu Hause leben und nicht behindert sind) auf die Bezirke
zu verlagern. Nach Auffassung der Verwaltung wäre diese Lösung für den
betroffenen Personenkreis kontraproduktiv und in keiner Weise sachgerecht. Denn
es handelt sich bei diesem Personenkreis ausschließlich um Menschen, die nur
einen vergleichsweise geringen Pflegebedarf ausweisen (ca. 70 % dieser Personen
sind in keiner Pflegestufe eingestuft) und die oftmals lediglich einen Bedarf
an hauswirtschaftlicher Hilfe benötigen. In dieser Situation, wo es bei den zu
organisierenden Hilfen ausschließlich auf die gute Kenntnis der örtlichen
Unterstützungsangebote und der örtlich vorhandenen Netzwerke ankommt, kann es
für die Betroffenen nur kontraproduktiv sein, diese
Entscheidungszuständigkeiten an den Bezirk zu verlagern. Der Vorwurf an die
Kommunen, sie hätten ihre ambulanten Hilfen nicht ausgebaut und würden sogar
versuchen, Kosten auf die Bezirke abzuwälzen, ist nicht nur sachlich
unzutreffend, sondern auch unlogisch: denn über den Bezug von
Eingliederungshilfe – und damit das Greifen der Annexzuständigkeit des Bezirks
– entscheiden nicht die Kommunen, sondern allein der Bezirk.
Zahlen zum Bezug von Hilfe zur Pflege in Erlangen
Unterscheidung
ambulant/stationär
·
8,8 von 1 000
Einwohnern bezogen stationäre
Leistungen nach dem SGB XI durch die Pflegekassen (Pflegeversicherung)
·
10,4 von 1 000
Einwohnern bezogen 2009 ambulante
Leistungen nach dem SGB XI durch die Pflegekassen (Pflegeversicherung)
·
Dagegen
erhielten nur 0,77 von 1 000 Einwohnern in Erlangen Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII, wobei der Großteil (70 %) in
keiner Pflegestufe zugeordnet ist und damit keine Leistungen der
Pflegeversicherung erhält.
Unterscheidung nach der
Art der erhaltenen Leistung durch die Pflegekasse (SGB XI)
·
45 % der Hilfeempfänger
sind stationär betreut
·
20,1 % der
Hilfeempfänger sind ambulant betreut
·
34 % der
ambulant betreuten Hilfeempfänger beziehen ausschließlich Geldleistungen.
Zahlenangaben zu den Empfängern von Leistungen der
Hilfe zur Pflege nach SGB XII durch die Stadt Erlangen
Im Vergleich zu anderen
Großstädten Deutschlands ist die Dichte der Leistungsbezieher in der Hilfe zur
Pflege und die damit verbundenen Ausgaben unterdurchschnittlich hoch (nur 0,77
von 1 000 Einwohnern).
·
Fallzahlen: 2009:
69 Personen
2010: 81 Personen
·
Durchschnittlicher
jährlicher Bruttoaufwand pro Fall: 2009:
ca. 3.950,00 €
2010: ca. 3.300,00 €
·
Gesamtaufwand im
städtischen Haushalt: 2009:
ca. 274.000,00 €
2010:
ca. 266.000,00 €
·
Eingesetztes
Personal: ca.
0,3 Planstellen
Altersaufteilung der Leistungsbezieher Hilfe zur Pflege SGB
XII jeweils bezogen auf 1000 altersgleiche Einwohner
2010 2009
Unter 65 Jahren 0,4 0,4
65 bis unter 75 Jahren 1,7 1,3
75 bis unter 85 Jahren 2,9 2,3
Über 85 Jahren 3,4 2,4
Leistungsempfänger der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII ambulant sind zu 55,1 % Männer und zu 44,9 % Frauen.
Leistungsempfänger der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII ambulant sind zu 82,7 % Deutsche und zu 17,3 % Nichtdeutsche.
Leistungsempfänger der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII ambulant sind zu 82,7 % in einer Pflegeversicherung versichert, 17,3 % sind in keiner Pflegeversicherung versichert.
18,5 % der Leistungsempfänger 2010 der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII ambulant werden ausschließlich privat von Verwandten oder nahestehenden Personen gepflegt. 2009 waren es noch 20.3 %.
77,8 % der
Leistungsempfänger 2010 der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII ambulant erhalten
Beihilfen zur Pflegeleistung; 22,2 % erhalten reines Pflegegeld.
Die Leistungsgewährung für ambulante Hilfe zur Pflege ist ähnlich wie die ambulante Eingliederungshilfe geprägt durch einen hohen Beratungsbedarf und eine enge Zusammenarbeit der Leistungsbezieher mit der leistungsgewährenden Stelle. Die Betroffenen nehmen die umfassende Beratung vor Ort, die oftmals auch zusammen mit der Pflegeberatung der Stadt Erlangen zusammen angeboten wird, intensiv in Anspruch. Ca. 70% der Leistungsbezieher von Hilfe zur Pflege sind in keiner Pflegestufe eingestuft. Dies bedeutet, dass der Bedarf an Hilfe zur Pflege bzw. Pflegeleistungen niedrig ist und die Betroffenen meist noch sehr gut in der Lage sind, ihre Pflege selbst zu organisieren und zu beantragen. Eine Antragstellung und Beratung vor Ort ist hier das einzig sinnvolle und kommt den gesundheitlich beeinträchtigten Bürgern zu Gute.
Auch die enge
Zusammenarbeit mit den Leistungsanbietern und die Ortskenntnis der Sachbearbeitung
führt hier zu einer qualitativ hochwertigen Leistungsgewährung. Aus diesen
Gründen erscheint die derzeit in Bayern diskutierte Verlagerung auch dieser
Zuständigkeit auf die Bezirke als nicht sachgerecht und für die betroffenen
Menschen als kontraproduktiv.
Zum SPD-Fraktionsantrag Nr. 91/2011 vom 26.07.2011
Die hier aufgeworfene Problematik (Versorgung von Menschen mit psychischer Erkrankung bzw. Behinderung in Erlangen) betrifft ausschließlich Fragen, für die der Bezirk Mittelfranken zuständig ist. Den Sozial- und Gesundheitsausschuss der Stadt Erlangen mit diesen Fragen zu befassen macht gleichwohl Sinn und sollte deshalb durch Einladung der verantwortlichen Bezirksvertreter Anfang kommenden Jahres erfolgen.
Anlagen: SPD-Fraktionsantrag
Nr. 91/2011 vom 26.07.2011
SPD-Fraktionsantrag Nr. 92/2011 vom 26.07.2011