Der Bericht der Verwaltung dient zur Kenntnis.
Glücksspiel
in Erlangen – eine Bestandsaufnahme aus
Sicht der Suchtberatung (Stand:
14.7.2011)
Definition: „Ein Glücksspiel liegt vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Die Entscheidung über den Gewinn hängt in jedem Fall vom Zufall ab, wenn dafür der ungewisse Eintritt oder Ausgang zukünftiger Ereignisse maßgeblich ist“ (GlüStV, §3 Abs. 1)
Heute: Glücksspiele
dürfen in Deutschland nur unter staatlicher Aufsicht und Kontrolle durch-
geführt werden (§ 284 StGB) und das Glücksspielmonopol des Staates soll dem
Zweck dienen, die natürliche Spielleidenschaft vor strafbarer Ausbeutung zu
schützen (BVerfG 1970; S 148)
daraus entstand der Glücksspielstaatsvertrag (01.01.2008 – 01.01.2012)
Zielsetzung: (§1 GlüStV)
· Verhinderung von Glücksspiel- und Wettsucht
· Schaffung von Grundlagen für eine Begrenzung des Glücksspielangebots
· Spielbetrieb in geordnete Bahnen lenken
· Ausweichen auf illegales Glücksspiel verhindern
· Gewährleistung von Jugend- und Spielerschutz
Jedoch: · Der Glücksspielstaatsvertrag greift nicht im Bereich der Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeiten, welche sich bevorzugt in der Gastronomie und in Spielhallen befinden · Grenzen des Glücksspielvertrages werden durch die Gewerbeordnung und Spielverordnung geregelt |
Prävalenz Pathologisches Glücksspiel – Deutschland:
Mehrere Untersuchungen (Bühringer, Buth & Stöver, BZgA
und H.J.Rumpf) sprechen von 150.000 bis
500.000 Menschen in Deutschland
Bayern: (die gleichen Autoren) 16.000 – bis ca. 45.000 Menschen
Erlangen: Zunahme der Anmeldungen in der Suchtberatung 2009/2010 um 53%
Wo: In Spielhallen
(Gaststätten / Restaurants)
Wer: In erster Linie Automatenspieler
Wer kommt in die
Beratung?
·
überwiegend
deutsche Männer mittleren Alters, Durchschnittsalter 36 Jahre
·
80%
Schulden- Mittel bei 35.000 € (in Erlangen = ca. 1,5 Mio. €)
·
spielen
an 13,7 Tagen im Monat, etwa 4,5 Stunden
·
über 90%
Diagnose pathologisches Glücksspiel
·
74,4%
davon Automatenspieler
·
überwiegend
Personen mit niedrigem oder ohne Schulabschluss
·
54%
ledig, 25% verheiratet, 20% getrennt lebend / geschieden, 1% verwitwet
·
komorbide
Störung: Depression, psychische Belastung, und substanzbezogene Störungen
·
Angehörige: jeder Spieler
belastet 10 bis 15 Personen in seinem Umfeld (Partner, Kinder und Eltern, Geschwister, Arbeitskollegen)
Folgen: In Erlangen
sind 400 – 600 Personen mittel- und unmittelbar davon betroffen
(aus Versorgungsstudie: LSG 4/2010)
Umfrage in Erlangen (Fußgängerzone April 2011)
Ergebnisse: 70% ist die Zunahme an Spielhallen nicht aufgefallen
41% denken, wir haben
weniger als 10 Spielhallen in Erlangen
58% sehen die Entwicklung negativ, 35%
gleichgültig
57% wollen eine
Regulierung
Spielhallen /
Spielautomaten in Bayern
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Anzahl der Spielhallen und Geldspielgeräte in Bayern |
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2006 |
2008 |
2010 |
Spielhallenkonzessionen |
1.097 |
1.221 |
1.540 |
Spielhallenstandorte |
769 |
793 |
869 |
Geldspielgeräte
in Spielhallen |
9.495 |
12.295 |
15.869 |
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Bestand an Geldgewinnautomaten in der Stadt
Erlangen in Spielhallen |
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2002: 80 |
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2005: 146 |
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08/2010: 326 |
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01/2011: 339 |
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zusätzlich sind im gesamten
Stadtgebiet Erlangen in Gaststätten/Restaurants u.a. nochmals 309
Geldgewinnautomaten vorhanden |
Dies
ergibt in der Summe ca. 650 Geldgewinnautomaten Erlangen hat 28 Spielhallen Einwohnerzahl pro Spielhallengerät Bayern 387,00 Erlangen 308,05 (nur in Spielhallen) Erlangen 162,03 (Spielhallen und Gaststätten) Erlangen ist „Spitze“ !!! |
Was hat die Novellierung
der Spielverordnung (2006) gebracht?
Die Theorie sieht so aus:
§ 13:
Mindestlaufzeit 5 sec., Höchsteinsatz 0,20 €, Höchstgewinn 2,00 €
§ 12;13: Maximalverlust 80 €/Std., Maximalgewinn 500 €/Std., Ø max. Stundenverlust 33 €.
Obligatorische Spielpause von 5 min., nach einer halben Stunde Spielbetrieb „Timeout“
§ 3: 12 Geldspielautomaten (vorher 10) pro Konzession bei geeigneter Grundfläche
3 Geldspielautomaten in gastronomischen Betrieben
Die Praxis sieht so aus: (Trümper – Feldstudie 2007)
53,1 %: kein Infomaterial liegt aus
26,7 %: verbotene Fungeräte
aufgestellt
v Einsätze von 2,4,5,10 oder 100 € sowie Gewinne von 6.000 € möglich
v Umwandlung der Geldeinsätze auf ein Punktekonto
v Gewinne werden angepriesen: „mehrere Tausend €
Gewinn möglich“
v Neue Gerätetypen auf einer Stufe mit Glücksspielautomaten
in Kasinos
v Im Punktemodus können Einzelspiele im 2- Sekunden-
Takt stattfinden
v In der obligatorischen „Timeout“ - Phase werden
Freispiele gewährt
Das Suchtpotenzial
von Geldspielautomaten |
Glücksspielsucht Erlangen 2011 – Bilanz
·
Die Beratungsstelle kommt ins Spiel, wenn es droht Sucht zu werden oder
bereits Sucht ist
·
wir bieten Informationsgespräche für Betroffene und Angehörige
·
wir bieten therapeutische Gespräche
·
wir vermitteln in stationäre Therapie und bieten auch ambulante Therapie
an
Wie kann die Politik (Bund/Länder/Kommune) reagieren
Ansatzpunkt 1: Ebene der Kommunen / Bundesländer
Erhöhung der Vergnügungssteuer
=> kein wirksames suchtpräventives Steuerungselement im Glücksspielbereich
Baunutzungsverordnung
=> Verschiebung der Problematik
Spielhallengesetz (Recht der Spielhallen)
(u.a. Regelungen zu Standorten, Geschäftszeiten, Größe, Anzahl etc.)
=> prinzipiell zu begrüßen, bedeutet letztendlich aber nur Symptombehandlung
BEWERTUNG:
als flankierende Maßnahme unter Umständen sinnvoll
Ansatzpunkt 2: Einstufung der Geldspielautomaten als Glücksspiel / Verstaatlichung des Automatenspiels
Mögliche
Konsequenzen
-
Flächendeckender Abbau aller Geldspielautomaten
aus gastronomischen Betrieben und Spielhallen
- Automatenspiel nur unter dem Dach der Spielbanken (vgl. Schweizer Modell)
- alternativ: Verstaatlichung des Automatenspiels (vgl. Norweger Modell)
BEWERTUNG:
in Deutschland aufgrund der vielschichtigen wirtschaftlichen
und politischen Interessen utopisch
Ansatzpunkt 3: Anwendung der Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrages auf das gewerbliche Automatenspiel
Ausgewählte Konsequenzen
-
Restriktionen in der Vermarktung (§ 5)
- Einbindung in ein glücksspielsegmentübergreifendes Sperrsystem (§ 8)
- Glücksspielaufsichtsbehörde als Kontrollorgan (§ 9)
- Begrenzung der Anzahl der Spielstätten (§ 10)
BEWERTUNG:
Etablierung eines Parallelmarktes in Form von B- Casinos
Zusätzliches Problem: Inklusion des Gastrobereiches
Ansatzpunkt 4: Modifizierung der
Veranstaltungsmerkmale / Entschärfung der Geräte
Ausgewählte
Maßnahmen
-
Verlangsamung der Spielgeschwindigkeit, um
Vereinnahmungstendenzen entgegenzuwirken
- Reduzierung der maximalen Verlustmöglichkeit (Orientierung am durchschnittlichen Brutto- stundenverdienst eines Arbeiters im produzierenden Gewerbe; ca. 16 € / Stunde)
- Entsprechende Begrenzung des Höchstgewinns (ca. 45 € / Stunde)
- Verbot von Merkmalsübertragungen und damit Unterbindung des Spielens um Gewinnpunkte
- Manueller Start jedes Einzelspiels, um ein paralleles Bespielen der Automaten zu erschweren
- Abschaffung von Geldscheinakzeptoren
- Einbindung von Pop-up Fenstern (Rückmeldung des Spielverhaltens, Warnhinweise etc.)
- Einführung einer Spielerkarte (nur in Kombination mit den o.g. Punkten sowie biometrischer Erkennung – wie etwa einem Fingerabdruck – sinnvoll, um Missbrauch vorzubeugen!)
BEWERTUNG
Erfolg versprechende Bekämpfung der Ursachen !
Resumee:
Die Steuerungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene sind derzeit begrenzt. Über das Bau – und Planungsrecht kann die Geeignetheit des Betriebsorts in Frage gestellt werden. In einer städtischen Satzung können Aspekte des Jugendschutzes, der Sperrzeiten, der Mindestabstände zwischen den Spielhallen , sowie die Begrenzung der Zahl der Spielautomaten in einer Halle definiert werden.
Aber auch die Änderung von Bebauungsplänen haben sich als sehr wirksames Mittel erwiesen die Ansiedlung von Spielhallen zu verhindern (Stadt Esslingen)
Da alle Groß- und Mittelstädte betroffen sind, ist ein abgestimmtes Vorgehen sinnvoll.
Ob vom Bundes- und Landesgesetzgeber Unterstützung zu erwarten ist, ist derzeit offen, da noch immer kein neuer Staatsvertrag ausgehandelt wurde.
Anlagen: