Betreff
Sachstandsberichte von Sozialamt und GGFA zum SGB II-Vollzug in der Stadt Erlangen
Vorlage
50/048/2011
Aktenzeichen
V/50/VOA - 2249
Art
Beschlussvorlage

Die Sachstandsberichte von Sozialamt und GGFA zum SGB II-Vollzug in Erlangen werden zur Kenntnis genommen.


1. Aktuelle Zahlenentwicklung

Nach einem leichten aber kontinuierlichen Rückgang in den letzten Monaten ist die Zahl der SGB II-Empfänger in Erlangen im Mai 2011 wieder leicht angestiegen, sodass für Erlangen wieder insgesamt 4.733 Personen im SGB II-Bezug registriert waren. Für die Verwaltung ist es nicht nachvollziehbar, inwieweit dieser Anstieg damit zusammenhängen könnte, dass von Seiten der BA zu diesem Zeitpunkt – zeitgleich mit der Veröffentlichung der ersten Kennzahlen nach § 48a SGB II – das Zähl- und Auswertungsverfahren umgestellt wurde. Nach dem neuen Verfahren werden z. B. die gemeldeten Datensätze nicht mehr der jeweils meldenden Stelle, sondern nach der Postleitzahl dem jeweiligen örtlichen Träger zugeordnet (laut BA-Statistik kann es dadurch zu einer geringfügigen Verschiebung von Fallzahlen kommen, die aber als nicht sehr groß eingeschätzt wird). Für uns ist dabei wichtig, dass z. B. die Gemeinde Buckenhof im Landkreis Erlangen-Höchstadt die gleiche Postleitzahl hat wie ein großer Teil der Stadt Erlangen. Eine Nachprüfung, ob eventuell SGB II-Bezieher aus Buckenhof jetzt als Leistungsbezieher in der Stadt Erlangen geführt werden, ist uns jedoch nicht möglich. Die BA-Statistik verweigert uns eine Rückspiegelung der verarbeiteten Erlanger Datensätze – auch zu Kontrollzwecken – unter Hinweis auf das Verbot der Datenweitergabe nach § 16 Bundesstatistikgesetz. Aus dem gleichen Grund ist es uns auch nicht möglich, die in den amtlichen Kennzahlen für die Stadt Erlangen ausgewiesene Integrationsquote daraufhin zu überprüfen, ob alle – oder eventuell nur ein Teil – der von uns gemeldeten Integrationen gewertet wurden.

 

Bei den Arbeitslosenzahlen (insgesamt und SGB II) und Arbeitslosenquoten dagegen hat sich der kontinuierliche Rückgang der letzten Monate auch im Mai 2011 fortgesetzt. Die Arbeitslosenquote in Erlangen beträgt damit im Mai 2011 insgesamt 3,7 % und im Rechtskreis SGB II 2,3 %.


 

2. Klagestatistik 2004 – 2010

Die Veröffentlichung der amtlichen Klagestatistik durch den Pressesprecher des Bundessozialgerichts über die nach wie vor zunehmende Belastung der Sozialgerichtsbarkeit durch SGB II-Verfahren gibt Anlass zu einem Vergleich der Entwicklung der SGB II-Klagen in Erlangen und im Bundesgebiet:

 

Entwicklung der gerichtlichen Rechtsbehelfe in der 1. Instanz, bundesweit und in Erlangen

 

Sozialgerichte

2005

2006

2007

2008

2009

2010

%-Anstieg
2005-2010

bundesweit

56.578

98.681

136.614

174.618

193.981

219.197

+287%

Erlangen

78

80

84

91

85

88

+ 13%

 

davon Klagen

bundesweit

40.852

72.748

104.360

137.374

153.218

179.675

+340%

Erlangen

55

65

76

75

72

74

+ 35%

 

davon Eilanträge

bundesweit

15.726

25.933

32.254

37.244

40.763

39.522

+151%

Erlangen

23

15

8

16

13

14

- 39%

 

Angesichts der geringen Anzahl von Erlanger Verfahren vor dem Landessozialgericht und dem Bundessozialgericht lohnt sich nur ein Vergleich der Zahlenentwicklung in der ersten Sozialgerichtlichen Instanz. Danach ist festzustellen, dass der Anstieg der gerichtlichen SGB II-Verfahren in Erlangen nur einem Bruchteil des Anstiegs bundesweit entspricht. Diese positive Entwicklung muss sicherlich auch der fachlich guten Arbeit aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Optionskommune Erlangen, insbesondere unserer Rechtsbehelfsstelle, zugeschrieben werden.

 

3. Jahresbericht 2010 zum Benchmarking der Optionskommunen

Rechtzeitig zu dem, vom DLT am 06.06.2011 in Berlin veranstalteten „Tag der Optionskommunen“, an dem auch erstmals die zukünftigen 41 neuen Optionskommunen teilnahmen, wurde auch der schriftliche Jahresbericht 2010 des Benchmarkings der Optionskommunen vorgelegt. Seit Ende 2005 treffen sich dazu alle 67 Optionskommunen – aufgeteilt in sieben Vergleichsringe – einmal im Quartal um ihre jeweiligen Fallzahlen und Ergebnisse untereinander auszutauschen, gemeinsam zu analysieren und um vom Besten zu lernen. Der Jahresbericht 2010 wird an alle Ausschussmitglieder als Tischvorlage zur Kenntnis übergeben.

 

4. Stärkeres Engagement des Deutschen Städtetages für Fragen der Option

Nachdem die Anzahl der optierenden kreisfreien Städte mit Beginn des kommenden Jahres von bisher 6 auf dann 15 Städte anwachsen wird, zeigen sich Anzeichen für eine stärkere Bereitschaft des deutschen Städtetages, sich mehr als bisher um die Interessen und Anliegen optierender Kommunen zu kümmern. So hat der Deutsche Städtetag für den 27.06.2011 erstmals alle 15 künftigen Optionsstädte zu einem Treffen eingeladen, um die zukünftige Betreuungsarbeit für die Optionsstädte zu koordinieren.

 

Nachdem aus dem Kreis der kommunalen Spitzenverbände in der Vergangenheit lediglich der Deutsche Landkreistag sich um die speziellen Interessen von Optionskommunen sehr intensiv bemüht hat – und zwar unter Einschluss der bisher optierenden 6 kreisfreien Städte – wird es jetzt darauf ankommen, eine Konkurrenzsituation zwischen Städtetag und Landkreistag zu vermeiden und stattdessen möglichst eine einvernehmliche Kooperation beider Spitzenverbände anzustreben. Ein Hilfsmittel dazu könnte sein, wenn es gelingt, die 15 Optionsstädte in einem Benchmark-Vergleichsring zusammenzufassen (durch das Hinzukommen der 41 neuen Optierer steht eine Neuordnung bei der Zusammensetzung der Benchmark-Vergleichsringe zwingend bevor). Dadurch würde es nicht nur ermöglicht, die spezifischen Probleme von kreisfreien Städten im Rahmen der SGB II-Umsetzung intensiver zu erörtern. Dadurch würde sich auch für den Deutschen Städtetag ein unmittelbarer und direkter Zugang zu den Optionsstädten und zu ihren spezifischen fachlichen Problemstellungen erleichtern.

 

5. Zwischenbericht zur Umsetzung der Bildungs- und Teilhabeleistungen in Erlangen

 

In der Stadt Erlangen war die Antragsflut für Bildungs- und Teilhabeleistungen von Anfang an sehr hoch – wir werden geradezu mit Anträgen überschwemmt. Wir führen dies auf unsere frühzeitigen und umfassenden Informationsbemühungen zurück. Hinzu kamen jüngst noch 5 Informationsflyer, die für alle Besucher aufliegen.

 

Zahl der anspruchsberechtigten Kinder:

·       SGB II: ca. 2.000 Kinder

·       SGB XII: 10 Kinder

·       Wohngeld: ca. 500 Kinder

·       Kinderzuschlagskinder: Anzahl unbekannt, da noch keine Informationen von der Familienkasse vorliegen

·       Asylbewerberleistungskinder: ca. 30 Kinder (nach unserer Kenntnis haben Kinder von Asylbewerberleistungsfamilien nach § 2 – sog. Analogleistungen – von Haus aus einen Rechtsanspruch auf Bildungs- und Teilhabeleistungen, dies ist in Erlangen 1 Kind. Nach Beschluss unseres Sozialausschusses sollen aber auch alle anderen Asylbewerberkinder die gleichen Leistungen erhalten – notfalls auf Kosten des städtischen Haushalts).

 

Zahl der zentral in der SGB II-Stelle bearbeiteten Anträge:

Es liegen nur für einen Teilbereich statistische Angaben vor. Aus der beiliegenden Statistik der SGB II-Stelle zentral (Stand 09.06.2011) ergibt sich, dass derzeit Bildungs- und Teilhabeanträge für 502 SGB II, für 335 Wohngeldkinder, für derzeit 13 Kinderzuschlagskinder und für 10 Kinder ohne Transferleistungsbezug (sog. Minderbemittelte) vorliegen – also für insgesamt 850 Kinder.

Bei den in einzelnen beantragten Leistungen fällt auf, dass im Rechtskreis Wohngeld deutlich häufiger Anträge gestellt werden als für SGB II-Kinder. Die Leistung Mittagessen ist in der vorliegenden Statistik deutlich unterrepräsentiert (über das Mittagessen in Kindertagesstätten wird bei uns durch das Jugendamt entschieden, das ohnehin nach SGB VIII für bedürftige Kinder über die Befreiung von Kindergartengebühren entscheiden muss. Von daher wird bei Zusammenführung der Daten für das Mittagessen in Kitas die Anzahl der Leistungsfälle noch deutlich steigen. Bei der Leistung Schulbeihilfe ist zu berücksichtigen, dass ein Anlass für Leistungen zeitlich erst im August/September zum Schuljahresbeginn eintreten wird. Berücksichtigt man diese Tatsachen und orientiert sich an der Anzahl der beantragten Leistungen im Verhältnis zur Anzahl der begünstigten Kinder, so dürften wir bereits zum jetzigen Zeitpunkt nahe an der 100 %-Grenze stehen.

 

Bestimmendes Thema ist bei uns der unverhältnismäßig große und kaum zu rechtfertigende bürokratische Aufwand. Als Beispiel sei hier nur das zwingende Antragserfordernis für Bildungs- und Teilhabeleistungen genannt. Es ist bekannt, dass manche SGB II-Empfänger mit den Details der bürokratischen Erfordernissen nicht sehr vertraut sind. Wir sind schon froh, wenn die Leistungsempfänger rechtzeitig ihren Wiederholungsantrag stellen. Dabei benutzen viele die ausgelegten Formulare oder laden sich die Formulare aus dem Internet herunter, wobei des Öfteren die Formulare zur Beantragung von Bildungs- und Teilhabeleistungen vergessen werden. So kommt es, dass mancher Betroffene erst auf die unterbliebene Antragsstellung für Bildungs- und Teilhabeleistungen aufmerksam wird, wenn seinem Kind in der Schule das Mittagessen verweigert wird, bis sie merken, dass sie vergessen haben einen Antrag auf Bildungs- und Teilhabeleistungen zu stellen. Wir überlegen uns derzeit Wege, um dies von vorneherein möglichst zu verhindern. Aus dem Kreis von sozialen Organisationen und Verbänden beginnt bereits Kritik an den vorgeschriebenen Erbringungsformen laut zu werden. So wird geltend gemacht, insbesondere das Gutscheinsystem sei „Ausgrenzung pur“.

Die Teilhabeleistung von 10 € pro Monat, begrenzt auf die Geltungsdauer des zugrunde liegenden Leistungsbescheides, erweist sich insbesondere für Sport- und Kulturvereine als sehr bürokratisch und umständlich. Die Vereine, die in ihrer Mitgliederverwaltung eine Abrechnung mit Jahresbeiträgen gewohnt sind, werden für Kinder aus Transferleistungsempfängerfamilien zur Umstellung auf „Barzahlung monatlich“ gezwungen. Die Vereine haben uns zwar zugesichert, diese nötige Flexibilität aufzubringen. Jedoch sind bereits jetzt Anzeichen erkennbar, dass die Angebotspalette der Vereine sich so ändern könnte, dass die Bildungs- und Teilhabeleistungen finanziell möglichst vollständig und möglichst ohne großen Aufwand abgeschöpft werden können. So scheint es Überlegungen zu geben, von Seiten der Vereine Feriencamps und Ferienveranstaltungen für Bildungs- und Teilhabekinder zum Preis von 60 € anzubieten. Dies würde es ermöglichen sämtliche, mit einem SGB II-Leistungsbescheid ausgegebenen sämliche 6 10€-Gutscheine zusammen abschöpfen zu können und sich damit die Schwierigkeiten in der Mitgliederverwaltung (Jahresbeiträge) ersparen zu können. Gleichzeitig ist damit jedoch auch die Gefahr verbunden, dass erneut eine gravierende Ausgrenzung von Kindern aus Transferleistungsempfängerfamilien stattfindet, da Veranstaltung und Preis gezielt auf diesen Kundenkreis ausgerichtet ist.

Wir erleben auch immer wieder, dass die Bearbeitung der Bildungs- und Teilhabeleistungen bei den betroffenen Familien zu viel Frust und Ärger führt. Viele Eltern nutzen z. B. erfreut die Möglichkeit für Nachhilfeunterricht, um ihren Kindern jede mögliche Unterstützung und Förderung angedeihen zu lassen. Sie sind dann umso enttäuschter, wenn wir ihre Anträge auf Nachhilfefinanzierung ablehnen müssen, weil ihre Kinder in der Schule nicht schlecht genug sind (Nachhilfekosten dürfen nur finanziert werden, wenn das Vorrücken in die nächste Klasse gefährdet ist).

 

Eine weitere Schwierigkeit liegt in dem Problem der Datenübermittlung nach § 51b SGB II zur Arbeitsmarktstatistik. Nach der gesetzlichen Regelung handelt es sich bei den Bildungs- und Teilhabeleistungen um sog. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 19 SGB II). Sie unterfallen dadurch der Datenübermittlungspflicht an die BA nach § 51b SGB II, konkretisiert durch § 1 Abs. 2 Nr. 2 der Verordnung zur Erhebung der Daten nach § 51b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (§ 51b-Verordnung). Dadurch und nach den Vorgaben der BA-Statistik ist es erforderlich, dass jede einzelne Bildungs- und Teilhabeleistung für jede einzelne leistungsberechtigte Person für jeden Monat gesondert in die Software eingegeben und an die BA übermittelt werden muss – und zwar jede Gutscheinerteilung, Leistungsbewilligung, Auszahlung und Abrechnung usw. und zwar jeweils auch rückwirkend für jeden einzelnen Bedarfszeitraum. Durch dieses personenbezogene Datenübermittlungserfordernis wird jegliche Vereinfachungsmöglichkeit in der Bewilligungsphase faktisch im Nachhinein wieder vollständig ausgehebelt. Für uns bedeutet das z. B. dass wir die Entscheidungen des Jugendamtes beim Mittagessen in Kitas oder dass wir Sammelabrechnungen anderer Leistungserbringer (Caterer in Schulen, Sportvereine, Kulturvereine usw.) nicht einfach abrechnen können, sondern dass wir zusätzliches Personal einstellen müssten, um solche Leistungen aus Sammelrechnungen nachträglich personenscharf für jedes einzelne Kind in die SGB II-Software eingeben müssten. Im Ergebnis wird durch diese übermäßige, vermeidbare Bürokratie aber keine größere Klarheit geschaffen: Die Arbeitsmarktstatistik der BA summiert diese Leistungen nämlich lediglich als Gesamtsumme auf, gibt aber keine Auskunft darüber, welche Bildungs- und Teilhabeleistungen das betroffene Kind in welchem Zeitraum tatsächlich erhalten hat (die Statistik gibt nur die Geldsumme des betreffenden Monats wieder). Aus unserer Sicht wäre es dringend notwendig, die Einzeldaten der Bildungs- und Teilhabeleistungen aus der Datenübermittlungspflicht des § 51b SGB II herauszunehmen, da wir nur unnötigerweise zu zusätzlichem Personalaufwand gezwungen werden. Ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn ergibt sich aus dieser Arbeitsmarktstatistik für niemanden, denn die Politik und die Öffentlichkeit ist nicht daran interessiert, ob Max Müller im Juni 2011 37,50 € oder 62,80 € an Bildungs- und Teilhabeleistungen erhalten hat. Die Politik und die Öffentlichkeit ist vielmehr daran interessiert zu erfahren, wie viele Kinder aus dem Rechtskreis des SGB II im Juni 2011 welche Bildungs- und Teilhabeleistungen in welcher Gesamthöhe (oder in welcher durchschnittlichen Höhe) erhalten haben. Diese Zahlen wird die Politik und die Öffentlichkeit nicht durch die Arbeitsmarktstatistik erhalten. Diese Zahlen wird die Politik und die Öffentlichkeit nur über die jährliche Abrechnung der Ausgaben für Bildungs- und Teilhabeleistungen erhalten, die die Kommunen den Ländern gegenüber zu erstellen haben und die die Länder gem. § 46 Abs. 8 Satz 4 und 5 SGB II gegenüber dem Bund abzugeben haben. Diese Abrechnung ist von den Kommunen ohnehin in jedem Fall und unabhängig von der Arbeitsmarktstatistik der BA zu erstellen. Diese Abrechnungsstatistik nach § 46 Abs. 8 SGB II ist auch wesentlich aussagekräftiger als die Arbeitsmarktstatistik der BA, weil es wesentlich mehr und klarere Informationen über den Umfang und das Ausmaß der Nutzung von Bildungs- und Teilhabeleistungen wiedergibt. Die zusätzlichen Personalaufwendungen zur Erfüllung der 51b-Pflichten sind deshalb auch fachlich überflüssig. Deshalb sollte dringend angestrebt werden, die Bildungs- und Teilhabeleistungen aus der Datenübermittlungspflicht nach § 51b SGB II herauszunehmen. Das Bildungs- und Teilhabepaket belastet uns ohnehin über die Maßen mit Bürokratie – dann sollte man wenigstens bemüht sein, zumindest überflüssige Bürokratie vermeiden zu können.

 


Anlagen:        1. Statistik zu Bildungs- und Teilhabeanträgen

                        2. Eckwerte zum SGB II-Leistungsbezug

                        3. Monatlicher Mittelverbrauch

                        4. Sachstandsbericht der GGFA