1. Die neue Schwerpunktsetzung bei der Unterstützung für obdachlose Menschen in Erlangen wird zustimmend zur Kenntnis genommen.
2. Der Abschluss der als Anlage beigefügten Rahmenvereinbarung mit der Diakonie wird gebilligt.
3. Die Verwaltung wird beauftragt, die Streichung des Standorts „Wilhelmstraße“ aus der Anlage zur Satzung über die Verfügungswohnungen bei nächster Gelegenheit zu veranlassen.
In der Vergangenheit bestanden die Hilfen des
1. Übernachtungsheim Wöhrmühle
Für durchreisende Obdachlose besteht in der Wöhrmühle eine
Übernachtungsmöglichkeit an 365 Tagen im Jahr. In den Wintermonaten sind die
Räumlichkeiten zusätzlich tagsüber als Wärmestube geöffnet. Die Leiterin Frau
Ruff, ihr Ehemann und ihre Schwester sorgen nicht nur für einen ganzjährig
geöffneten Anlaufpunkt für Durchreisende, sondern auch für eine familiäre
Atmosphäre und – gegen ein geringes Entgelt – für ein Abendessen aus der Familienküche.
Das städtische Übernachtungsheim Wöhrmühle wird bereits seit 1929 betrieben,
sodass im letzten Jahr das 80jährige Jubiläum dieser städtischen Einrichtung
gefeiert werden konnte.
2. Verfügungswohnungen
Nach der geltenden Rechtslage ist die Stadt als Ordnungsbehörde zur
Unterbringung obdachloser Menschen verpflichtet. Während andere Kommunen diese
Verpflichtung durch Bereitstellung von Notunterkünften und Notschlafstellen,
oder durch die Anmietung von Pensionen erfüllen, hat die Stadt Erlangen seit
den 60iger Jahren von der GEWOBAU ca. 250 bis 300 Wohnungen und
Unterkunftsmöglichkeiten angemietet (sog. Verfügungswohnungen). Es handelt sich
dabei um überwiegend unmöblierte Wohnungen und Zimmer mit einfacher
Wohnqualität, die obdachlosen Menschen zur Verfügung gestellt werden. Die
Überlassung erfolgt nicht aufgrund eines Mietvertrages, sondern durch Zuweisung
aufgrund einer ordnungsrechtlichen Satzung – das „Entgelt“ ist in einer
gesonderten Gebührensatzung festgelegt. Da dieses Entgelt üblicherweise nicht
von allen Benutzern entrichtet wird ergibt sich im städtischen Haushalt in
diesem Bereich regelmäßig ein Defizit von ca. 500.000 bis 600.000 € pro Jahr,
nachdem seit etwa Ende der 90iger Jahre durch konsequentes Abschöpfen von
eventuell vorhandenen Einkünften und von allen Sozialtransferleistungen der
Kostendeckungsgrad deutlich verbessert werden konnte. In diesem Bereich waren
bisher zwei Verwaltungskräfte und drei Hausmeister beschäftigt, die für die
Belegung, Instandhaltung und Wiederherrichtung dieser Verfügungswohnungen tätig
waren.
Die Verfügungswohnungen sind zwar über weite Teile des Stadtgebietes verstreut. Es besteht jedoch trotzdem – mit allen damit verbundenen Nachteilen – eine relative Konzentration in solchen Stadtteilen, in denen aufgrund der vorhandenen Bausubstanz vorwiegend älterer und billiger Wohnraum gegeben ist. Darüber hinaus war auch in vielen Fällen eine hohe Stabilität der Bewohnerschaft festzustellen – nicht wenige leben seit mehreren Jahrzehnten in ihren Verfügungswohnungen (viele empfanden ihre Verfügungswohnungen als „Wohnungen von der Stadt“ und nicht als Notunterkünfte für den vorübergehenden Zustand der Obdachlosigkeit. Dementsprechend war es in der Vergangenheit auch kaum gelungen, die Anzahl der benötigten Verfügungswohnungen nennenswert zu reduzieren. Die Anzahl der Erlanger Verfügungswohnungen liegt – gemessen an der Einwohnerzahl – auch deutlich über dem Durchschnitt anderer bayerischer Städte.
3. Obdachlosenhilfeverein
Aufgrund eines, aus dem Stadtrat angeregten, Runden Tisches wurde vor nunmehr
11 Jahren der Obdachlosenhilfeverein Erlangen gegründet. Er ist ein
Zusammenschluss von zwei kirchlichen Obdachloseninitiativen, der örtlichen
Wohlfahrtsverbände und des
4. Neue Schwerpunkte
Durch die Einbindung aller drei Einrichtungen im
5. Zweite Chance Wohnungen
Als Erstes wurde deshalb nach Wegen gesucht, wie Bewohner von
Verfügungswohnungen verstärkt dazu animiert und dabei unterstützt werden
könnten, in normale Mietverhältnisse zu wechseln und so städtische
Verfügungswohnungen frei zu machen. Es wurde unter den Bewohnern der
Verfügungswohnungen verstärkt Ausschau gehalten nach solchen Personen und
Familien, deren persönliche und finanzielle Lebensumstände eigentlich einen
Wechsel in ein normales Mietverhältnis erlauben müssten. In vielen Fällen wurde
dabei festgestellt, dass frühere Vorfälle (z. B. alte Mietschulden, andere
Vorfälle aus früheren Zeiten) die Bereitschaft von Vermietern zum Abschluss
eines Mietvertrages verhinderten. Um diese Hürden zu überwinden und einen
Neuanfang zu ermöglichen, wurde in Gesprächen mit der GEWOBAU erreicht, dass
von der GEWOBAU eine Reihe von Wohnungen als sog. „2. Chance Wohnungen“
bereitgestellt wurden. Die Betroffenen erhalten dabei zunächst einen
Mietvertrag über ein Jahr mit dem Ziel, die „Mietfähigkeit“ der betroffenen
Personen, ihre Zuverlässigkeit und ihre Einbindung in die Hausgemeinschaft in
der Praxis zu erproben. Wenn sich dabei nach einem Jahr keine Probleme ergeben,
kann der einjährige in einen unbefristeten Mietvertrag umgewandelt werden. Auf
diese Weise konnten bisher (bis März 2010) insgesamt 18 Bewohner von Verfügungswohnungen,
davon 4 Familien, in normale Mietverhältnisse überführt werden. Das große
Entgegenkommen der GEWOBAU ist dabei ein wichtiger Baustein für diesen
Fortschritt.
6. Verstärkte sozialpädagogische Betreuung
Bei der Umsetzung dieses Projektes „2. Chance Wohnungen“ zeigte sich, dass der
Zugang und die Einflussnahme auf Bewohner von Verfügungswohnungen wesentlich
effizienter gestaltet werden kann, wenn er durch eine sozialpädagogische
Fachkraft unterstützt wird. Durch die Stellenplanentscheidung des Stadtrates
wurde uns ab Dezember 2008 die zusätzliche Beschäftigung einer Sozialarbeiterin
in diesem Aufgabenfeld ermöglicht. Durch ihre gezielte Betreuungsarbeit konnte
die Gesamtanzahl der in Verfügungswohnung lebenden Menschen, bzw. Haushalte
binnen 15 Monaten um jeweils ca. 15% verringert werden. Lebten Anfang 2009 noch
471 Menschen in Erlanger Notunterkünften, so waren es im März 2010 nur noch 388
Bewohnerinnen und Bewohner, davon 203 Männer, 125 Frauen, sowie 60 Kinder unter
14 Jahren in 35 Familien.
Zu dieser positiven Entwicklung hat nicht nur die Umsetzung von insgesamt 18 Personen (davon 4 Familien mit 3 Kindern) in 2. Chance Wohnungen beigetragen, sondern auch die Vermittlung des Wechsels – allein in der Zeit von Dezember 2009 bis März 2010 – von 34 Haushalten mit 52 Personen aus Verfügungswohnungen in Sozialwohnungen. Denn während der gesamten Zeit waren auch ständig Neuzugänge in den Verfügungswohnungen unterzubringen.
7. Auflösung der Unterkunft Wilhelmstraße
Durch diese erfolgreiche Betreuungs- und Vermittlungsarbeit ist es bereits
Mitte 2009 gelungen 15 nicht mehr benötigte Verfügungswohnungen an die GEWOBAU
zurückzugeben. Seit Ende März 2010 konnte sogar die Unterkunft Wilhelmstraße
komplett geschlossen werden. Dieser Standort (vorgesehen für alleinstehende
Männer) mit 31 Unterkünften und mit 43 Bewohnern galt bisher als das mit
Abstand schlechteste Wohnquartier. Alle bisherigen Bewohner der Wilhelmstraße
konnten in anderen Verfügungswohnungen, aber auch in regulären Sozialwohnungen mit
Mietvertrag oder in 2. Chance Wohnungen untergebracht werden.
8. Verstärkte Kooperation aller Abteilungen des
Zur Unterstützung dieser Bemühungen, Bewohner von Obdachlosenunterkünften
in reguläre Mietverhältnisse zu vermitteln und dadurch die Anzahl der
benötigten Verfügungswohnungen zu reduzieren, wurden auch verstärkt die
Möglichkeiten genutzt, durch ein abgestimmtes Vorgehen aller Abteilungen des
So konnten z. B. die SGB II-Sachbearbeiter (aber auch die SGB XII-Sachbearbeiter) angewiesen werden, einen Umzug von einer Verfügungswohnung in eine Mietwohnung immer als notwendig anzuerkennen und nicht – mangels Kenntnis der Umstände – abzulehnen. Des Weiteren hatte früher immer die Situation Schwierigkeiten bereitet, wenn – z. B. nach einer Haftentlassung – ein Neuzugang kurz vor Dienstschluss in eine Verfügungswohnung eingewiesen wurde und aus Zeitgründen keine Erstausstattung mit dem nötigsten Wohnungsmobiliar erfolgen konnte. Durch Absprache in einer gemeinsamen Dienstbesprechung der Abteilungen 501, 502 und 503 wurde jetzt zur Lösung dieser Problemlage eine Vereinbarung getroffen, wonach bei den Hausmeistern der Verfügungswohnungen für solche Fälle ein Vorrat an den nötigsten Einrichtungsgegenständen (Matratzen, Decken usw.) bereitgehalten wird, der dann später bei der Bewilligung der Erstausstattung durch SGB II- und SGB XII-Sachbearbeiter finanziell übernommen wird.
9. Vorbeugende Hilfe durch Unterstützung bei
Räumungsklagen
Als besonders wichtig und besonders effektiv hat sich in letzter Zeit eine
vorbeugende Unterstützung für alle Menschen erwiesen, die von einer
Räumungsklage betroffen sind – wobei gerade hier die abteilungsübergreifende
Kooperation, die durch den organisatorischen Status als Optionskommune
ermöglicht wird, besonders hilfreich sein kann. Bei der bisherigen Beratung von
Menschen die durch Räumungsklagen betroffen sind, hat sich herausgestellt, dass
die Aussichtslosigkeit der Situation für die Betroffenen durch den Abschluss
des Räumungsklageverfahrens enorm verschärft wird. Nach unseren Erfahrungen
kommt es durch den Abschluss des Räumungsverfahrens im Durchschnitt etwa zu
einer Verdreifachung des Schuldenstandes der betroffenen Familie (durch
Gerichtskosten, Anwaltskosten, Gerichtsvollzieherkosten, Kosten der
beauftragten Räumungsfirma). Wer ein solches Räumungsklageverfahren bis zum
Ende durchgemacht hat, steht vor einem deutlich größeren Schuldenberg mit
deutlich schlechteren Chancen jemals wieder „auf die eigenen Beine zu kommen“
und jemals wieder eine Obdachlosenunterkunft verlassen zu können. Umso
wichtiger ist es, gerade in solchen Fällen vorbeugend und präventiv
einzugreifen und einen Wechsel in eine Verfügungswohnung von Anfang an
vermeiden zu können.
Sowohl im SGB II wie auch im SGB XII finden sich hierfür gesetzliche Hilfsinstrumente
(z. B. Mietschuldenübernahme), die zwar nicht in allen Fällen, aber doch in
vielen Fällen bei der präventiven Unterstützung genutzt werden können und die –
mit Unterstützung anderweitiger Hilfsmöglichkeiten (Gespräche mit den
Stadtwerken wegen Stromschulden, städtische Hilfen in Form von „Maßnahmen
außerhalb des Sozialhilferechts“, finanzielle Hilfen durch Stiftungen usw.)
eine präventive Arbeit erleichtern und die Durchführung mancher Räumungsklage
bis zum bitteren Ende vermeiden können.
Auch zu dieser Problematik wurde eine gemeinsame Dienstbesprechung der SGB
II-Sachbearbeiter, der SGB XII-Sachbearbeiter und des Sachgebiets 503
Verfügungswohnungen durchgeführt mit dem Ziel, das Instrument der
Mietschuldenübernahme im SGB II und im SGB XII verstärkt auch im präventiven
Sinn für eine stärkere Vermeidung von Obdachlosigkeit zu nutzen. Weiter wurde
vereinbart unverzüglich die sozialpädagogische Betreuungskraft in 503 zu
kontaktieren, wenn sich Anzeichen für die Gefährdung des Mietverhältnisses eines
Hilfeempfängers zeigen. Gleichfalls wurde mit der GEWOBAU die Vereinbarung
getroffen, dass unsere sozialpädagogische Fachkraft in Abteilung 503 von
eventuellen Mietschwierigkeiten in jedem Einzelfall frühzeitig informiert wird,
noch bevor ein Antrag auf Räumungsklage ausläuft.
Durch diese Absprachen soll zukünftig die Sicherstellung einer frühzeitigen
Beratung und der Einsatz einer vorbeugenden Unterstützung zur besseren
Vermeidung von Obdachlosigkeit gewährleistet werden. Dadurch wird aber
andererseits auch der Arbeitseinsatz unserer sozialpädagogischen Fachkraft in
der Abteilung 503, die schon bisher sehr intensiv beansprucht wurde, noch
deutlich erhöht. Aus unserer Sicht ist deshalb eine personelle Verstärkung
dringend geboten. Die Verwaltung beabsichtigt deshalb, den für den Stellenplan
2010 noch abgelehnten Verstärkungswunsch für den Stellenplan 2011 erneut
einzubringen und bittet die Stadtratsfraktionen schon jetzt um Unterstützung
für diese, dringend benötigte, personelle Verstärkung.
10. Hilfen bei der Überwindung besonderer sozialer
Schwierigkeiten nach § 67 SGB XII
Unabhängig davon, aus welchen Gründen die Situation der Obdachlosigkeit
eingetreten ist, zeigt sich immer wieder, dass zahlreiche betroffene Personen
aus eigener Kraft nicht dazu in der Lage sind, ihre sozialen Schwierigkeiten zu
überwinden. Für diesen Fall, dass „besondere Lebensverhältnisse mit sozialen
Schwierigkeiten verbunden sind…“ und die betroffenen Personen „…zur Überwindung
dieser Schwierigkeiten aus eigener Kraft hierzu nicht fähig sind…“ sieht § 67
SGB XII einen Rechtsanspruch auf Hilfeleistungen zur Überwindung dieser
Schwierigkeiten vor. Es handelt sich um einen relativ pauschal formulierten,
gesetzlichen Hilfeanspruch, der jedoch landesweit gerade für individuelle Hilfen
für obdachlose Menschen genutzt wird, wenn neben der Obdachlosigkeit noch
weiterer individueller Unterstützungsbedarf besteht. Ein solch besonderer,
individueller Unterstützungsbedarf existiert typischerweise für viele Bewohner
von Obdachlosenunterkünften, die z. B. suchtgefährdet sind oder aus anderen
Gründen „aus der Bahn geworfen“ wurden und nur mit zusätzlicher Unterstützung
wieder stabilisiert werden können.
Zur Realisierung und zur effizienten Verwirklichung dieses Rechtsanspruchs hat
das
11. Leistungen nach § 53 f. SGB XII
Nach den bisherigen Erkenntnissen gibt es unter den Bewohnern der Erlanger
Verfügungswohnungen eine Anzahl von ca. 30 – 40 Personen, die relativ häufig
und relativ regelmäßig zwischen einem Entzugsaufenthalt in der Bezirksklinik
und der Rückkehr in städtische Verfügungswohnungen hin und her wechseln. Es
handelt sich um stark suchtgefährdete Personen, die ohne besondere und wirksame
Unterstützung wohl kaum aus diesem Kreislauf ausbrechen können. Hier wären –
außerhalb der Klinikaufenthalte – stationäre oder teilstationäre Aufenthalte
angebracht, um diesen Kreislauf zu durchbrechen. Zuständig für die Organisation
und Finanzierung solcher stationärer oder teilstationärer Aufenthalte wäre der
Bezirk Mittelfranken. Nach den Regularien des Bezirks ist die Neuschaffung
solcher Unterstützungsangebote jedoch relativ schwierig zu erreichen (Bedarfsanerkennung
durch die PSAG als erste Stufe, Bedarfsanerkennung durch den Bezirk als zweite
Stufe und Organisation eines solchen Hilfeangebotes durch einen geeigneten
Träger). Angesichts der festgestellten Zahlen ist nach Auffassung der
Verwaltung ein solcher Bedarf für Leistungen nach dem § 53 SGB XII in
Erlangen durchaus gegeben. Die Verwaltung hat sich deshalb vorgenommen die
notwendigen Schritte zur Bedarfsanerkennung durch die PSAG und durch den Bezirk
in Angriff zu nehmen. Ein Erfolg dieser Bemühungen wird jedoch sicherlich nicht
kurzfristig, sondern nur mittelfristig erreichbar sein.
Abteilung <501>, <502>, <503>, <Diakonie/Herrn Falk>, <Obdachlosenhilfeverein/Herrn Ostermeier>, <GEWOBAU/Herrn Kamp> jeweils zur Kenntnis
Referat V zur Kenntnis
Anlagen: Rahmenvereinbarung
Konzeption