Betreff
Verabredung von Belegungsrechten mit Zahlung eines Mietzuschusses hier: CSU-Fraktionsantrag Nr. 231/2006 vom 28.11.2006 und zum Grundsatzbeschluss des Stadtrates Erlangen vom 30.07.2009
Vorlage
50/009/2010
Aktenzeichen
V/50/VOA 86-2249
Art
Beschlussvorlage

1. Der zwischen Sozialreferat und Gewobau ausgehandelte Vertrag über die Verabredung von 598 Belegungsrechten wurde zwischenzeitlich von der Rechtsabteilung des VDW Bayern (Verband der Wohnungswirtschaft) wie auch von den Finanzbehörden geprüft und abgesegnet. Der Vertrag zwischen Stadt und Gewobau zur Verabredung von Belegungsrechten kann deshalb in der vorgeschlagenen Fassung (siehe Anlage) unterschrieben und umgesetzt werden.

 

2. Durch den Einzug investiver Haushaltsreste aus dem Jahr 2008 und Neuveranschlagung im Ergebnishaushalt stehen für den nach § 2 des Vertrages von der Stadt in 2010 zu zahlenden Mietzuschuss in Höhe einer jährlichen Annuitätsrate von 345.844,48 € im Haushalt 2010 ausreichend Mittel zur Verfügung. Für die 19 Folgejahre ist der zu zahlende Mietzuschuss in der Finanzplanung zu berücksichtigen (6.571.045,12 €) und zu den jeweiligen Haushaltsberatungen anzumelden.


Nach langen und intensiven Verhandlungen zwischen der Sozialverwaltung, der Beteiligungsverwaltung und den Gewobau-Gremien hat der Stadtrat in seiner Sitzung am 30.07.2009 einstimmig beschlossen, eine Vereinbarung von Belegungsrechten an ca. 600 frei finanzierten Gewobau-Wohnungen zu realisieren, die gezielt für die Wohnungsversorgung für SGB II und SGB XII-Bezieher genutzt werden können. Dadurch sollte nicht nur das verfügbare Angebot an preiswertem Wohnraum für bedürftige Menschen in unserer Stadt deutlich erhöht werden. Dadurch sollte auch die Gewobau in die Lage versetzt werden, diese Wohnungen im unteren Preissegment unter Beibehaltung eines niedrigen Mietniveaus zeitgemäß – insbesondere energetisch – zu sanieren (insbesondere Ausstattung des Großteils der noch mit Einzelöfen beheizten Gewobau-Wohnungen mit zeitgemäßen und energiesparenden Zentralheizungen). Darüber hinaus soll durch dieses Projekt auch ein wichtiger Beitrag dazu geleistet werden, die Belastungen des städtischen Haushalts durch die steigenden KdU-Kosten für SGB II- und SGB XII-Transferleistungsempfänger mittel- und langfristig zu begrenzen. Seit dem Inkrafttreten der Sozialreformen in der 1. Hälfte dieses Jahrzehnts (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung – in Kraft seit 01.01.2003, Grundsicherung für Arbeitssuchende – in Kraft seit 01.01.2005) muss nämlich der städtische Haushalt die überwiegende finanzielle Hauptlast für die Miet- und Heizungskosten bedürftiger Haushalte tragen (derzeit 77,0%). Die Bereitstellung von preisgünstigem Wohnraum in ausreichender Menge wirkt sich deshalb mittel- und langfristig dämpfend auf die Belastungen des städtischen Haushaltes aus (Anmerkung Finanzreferat: Diese Behauptung kann rechnerisch unmittelbar nicht belegt werden – siehe Stellungnahme Finanzreferat).

Wie sehr die Finanzierung der Unterkunftskosten für bedürftige Bevölkerungskreise zu einem Risikofaktor für kommunale Haushalte zu werden droht, ergibt sich eindrucksvoll aus dem jüngsten Forschungsbericht Nr. 142 des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, „Kosten der Unterkunft und die Wohnungsmärkte“, Bonn 2009. Die nachfolgende, diesem Forschungsbericht entnommene Grafik und Tabelle zeigen, dass die Kosten der Unterkunft – im Gegensatz zu allen anderen Kostenarten bei den SGB II-Leistungen - permanent und unaufhaltsam angestiegen sind. Während die Leistungsansprüche der SGB II Bedarfsgemeinschaften insgesamt (also einschließlich der Unterkunftskosten) im Zeitraum von 2005 bis 2008 sich um ca. 2.2 % verringert haben (monatliche Ausgaben in € pro Bedarfsgemeinschaft im Jahresdurchschnitt) sind bundesweit die KdU-Ausgaben pro Bedarfsgemeinschaft in diesem vier Jahreszeitraum permanent angestiegen um insgesamt 12,5 %.

 

 

 

Gerade wegen dieses permanenten Anstiegs derjenigen Transferleistungskosten, die nahezu ausschließlich (derzeit 77,0%) aus den Kommunalhaushalten zu finanzieren sind, ist das Bestreben besonders wichtig auf diesen Kostenblock vor Ort dämpfend einzuwirken. Dies kann am ehesten nur dadurch gelingen, wenn der Wohnungsmarkt für die betroffene Personengruppe durch ausreichend vorhandenen, preiswerten Wohnraum entlastet wird. Diesem Ziel dient der ausgehandelte Mietzuschuss mit Verabredung von Belegungsrechten für die kommenden 20 Jahre in allererster Linie (Anmerkung Finanzreferat: Dies funktioniert nur, wenn der „preiswerte Wohnraum“ nicht durch den Konzern Stadt bezahlt werden muss).

Nachdem zwischen Finanzreferat und Gewobau Einvernehmen in der Finanzierungsfrage erzielt werden konnte (Übernahme der jährlichen Annuitätsrate von 345.844,48 € für 20 Jahre durch die Stadt aus dem aufgenommenen, zinsgünstigem KFW-Darlehen), waren nur noch zwei Hürden zu klären: Die vertragsrechtliche Prüfung durch die Juristen des Verbandes der Wohnungswirtschaft, sowie die steuerrechtliche Prüfung durch die Finanzbehörden. Beide Prüfungen konnten mittlerweile mit positivem Ergebnis abgeschlossen werden.

In dem nunmehr zur Beschlussfassung vorgelegten Vertrag sind einvernehmlich zwischen Verwaltung und Gewobau ausverhandelte Lösungen zu folgenden Fragen enthalten:

 

·         Die Stadt verabredet für die Dauer von 20 Jahren Belegungsrechte an 598 frei finanzierten Gewobau-Wohnungen. Die namentliche Benennung dieser 598 Wohnungen erfolgt in einer angefügten Liste 1. Auf diese konkret aufgelisteten 598 Wohnungen bezieht sich die vertraglich von der Gewobau übernommene Sanierungspflicht. Darunter befindet sich auch der Großteil der Wohnungen aus dem Gewobau-Bestand, der noch mit Einzelöfen beheizt wird.

·         Da eine Neubelegung der Belegrechtswohnungen erst beim jeweils nächsten Mieterwechsel möglich ist und eine Nutzung der neu erworbenen Belegungsrechte unter Umständen sich sehr lange hinziehen kann, wurde eine Liste 2 mit weiteren ca. 2.100 frei finanzierten Gewobau-Wohnungen erstellt, die in einem vergleichbaren Preissegment liegen und die bei einem Mieterwechsel als Belegrechtswohnungen für Transferleistungsempfänger genutzt werden können. Dabei ist im Einzelfall sowohl für die Sozialverwaltung, wie auch für die Gewobau ein Vetorecht vereinbart. Unabhängig davon beziehen sich die Sanierungspflichten der Gewobau auf die konkret benannten 598 Wohnungen der Liste 1. Bei einer geschätzten Fluktuation von jährlich ca. 140 – 150 Mietparteien ermöglicht jedoch die Nutzung der Wohnungen aus der Liste 2, dass die Nutzung aller 598 Belegungsrechte durch Vermietung preisgünstigem Wohnraums an Transferleistungsempfänger in einem Zeitraum von ca. 4 Jahren in vollem Umfang realisiert werden kann.

·         Es wurde eine Einigung über die verwaltungstechnische Abwicklung der Wohnungsbelegung erzielt (Meldung des Freiwerdens einer Wohnung durch die Gewobau, Benennung von drei Wohnungssuchenden durch die Wohnungsverwaltung des Sozialamts, Beschränkung der Vermietung durch die Gewobau auf eine dieser drei benannten Mietparteien).

·         Beschränkung der Miethöhe auf anfänglich 4,95 € pro Quadratmeter kalt und Beschränkung von eventuellen Mieterhöhungen maximal auf das jeweilige Niveau der vom SGA festgesetzten Mietobergrenzen.

·         Durch ergänzende Festlegungen im Mietvertrag Sicherstellung von jährlichen Einkommensüberprüfungen der Belegrechtsmieter durch Abteilung 503, sodass zeitnah eine eventuelle Fehlbelegung festgestellt werden kann. Im Fall einer Fehlbelegung ist der Mieter jedoch nicht zum Auszug gezwungen, sondern kann in der Wohnung verbleiben. Stattdessen erhält die Gewobau die Möglichkeit die subventionierte Miete auf die Marktmiete anzuheben. Gleichzeitig verliert die Wohnung den Status einer Belegrechtswohnung und dieser Status der Belegrechtswohnung kann für die nächste freiwerdende Wohnung aus der Liste 1 oder 2 genutzt werden. Für die erleichterte praktische Handhabung wurde dabei zwischen Sozialverwaltung und Gewobau eine Schwankungsbreite zwischen 580 und 620 Wohnung vertraglich festgeschrieben.

·         Für den Fall einer Eigentumsübertragung ohne Weitergabe der vertraglichen Pflichten auf den neuen Eigentümer wird eine anteilige Kaufpreiserstattung des Belegungsrechts durch die Gewobau an die Stadt vorgesehen. Vorrangig soll jedoch keine anteilige Kaufpreiserstattung, sondern wenn irgend möglich eine Nutzung des Belegungsrechtes mithilfe anderweitiger Gewobau-Wohnungen aus der Liste 1 oder 2 erfolgen.

Sozialverwaltung und Gewobau sind der Überzeugung, dass mit dem vorgelegten Vertrag ein wesentlicher Beitrag zur Erreichung der wohnungspolitischen, sozialpolitischen, umweltpolitischen und finanzpolitischen Zielvorstellungen der Stadt geleistet wird. Mit einem wesentlich geringeren Finanzvolumen als er beim Bau von neuen - und vergleichsweise teuren – Sozialwohnungen erforderlich wäre, wird der verfügbare Bestand an kostengünstigem Wohnraum für bedürftige Bevölkerungskreise deutlich erhöht. Gleichzeitig wird die finanzielle Belastung des städtischen Haushalts, der für die Miet- und Heizungskosten von Transferleistungsempfängern überwiegend – derzeit übernimmt der Bund 23,0% der Miet- und Heizungskosten und partizipiert von dem zwischen Stadt und Gewobau zu schließenden Vertrag - aufzukommen hat, mittel- und langfristig kalkulierbar begrenzt. Schließlich wird auch ein wesentlicher Beitrag zur ökologischen Sanierung des Gewobau-Wohnungsbestandes – gerade im unteren Preissegment – geleistet. Zur fachtechnischen Begleitung dieser ökologischen Sanierung der betroffenen Gewobau-Wohnungsbestände ist das Umweltamt (Herr Dr. Seeberger) eingeschaltet und wird die Sanierungsarbeiten fachlich begleiten.

Es wird deshalb empfohlen, den Vertragsentwurf in der vorgelegten Fassung zu billigen.

 

 

 

 

 

Stellungnahme des Finanzreferates:

In der Stadtratsvorlage vom 30.07.2009 ist auf der letzten Seite eine Tabelle mit den finanziellen Auswirkungen von drei Varianten für den städtischen Haushalt. Diese Tabelle wird mit dem jetzt bekannten Mietzuschuss fortgeschrieben (Aufwand im Verlauf der 20 Jahre):


 

 

Variante 1
Vermietung ohne Sanierung und ohne Belegungsrechte

Variante 2
Vermietung mit Sanierung, aber ohne Belegungsrechte

Variante 3
Vermietung mit Sanierung und mit städt. Zuschuss inkl. Belegungsrechte

Vom städt. HH zu tragender 75%-Anteil

53.266.086,00 €

56.062.206,00 €

49.281.615,00 €

+ städt. Mietzuschuss

-

-

6.916.889,60 €

= Gesamtaufwand Stadt

53.266.086,00 €

56.062.206,00 €

56.198.504,60 €

+ vom Bund zu tragender 25%-Anteil

17.755.362,00 €

18.687.402,00 €

16.427.205,00 €

= Gesamtaufwand

71.021.448,00 €

74.249.608,00 €

72.625.709,60 €

 

Bewertung der Tabelle:

·         Die Aufwendungen für die ökologische Sanierung (Variante 2) rechnen sich finanziell nicht aus der Reduzierung der Heizkosten, sondern müssen durch Mieterhöhung bzw. städt. Mietzuschuss mitfinanziert werden.

·         Die GEWOBAU leistet bei Variante 3 einen Mietverzicht in Höhe von 0,97 €/qm; hochgerechnet auf 20 Jahre sind dies 9.040.788,00 €. Dafür erhält sie von der Stadt knapp 7 Mio. € Zuschuss und kann den Mieteingang ohne jegliches Mietausfallwagnis kalkulieren. Auf den ersten Blick beteiligt sich die GEWOBAU mit 2 Mio. € Mietverzicht, der kalkulatorisch durch den Wegfall des Mietausfallrisikos weitgehend ausgeglichen wird.

 

Finanzwirtschaftliches Fazit:

·         Aus Sicht der Kämmerei sind die skeptischen Erwartungen hinsichtlich der finanziellen Konsequenzen für den Konzern Stadt und speziell den städtischen Haushalt – leider so – eingetreten.

·         Für den städt. Haushalt ergibt sich bei der favorisierten Variante 3 durch dieses Projekt keine unmittelbare Einsparung. Bestenfalls mittelbar durch Einhaltung der Mietobergrenze von 4,95 €/qm in anderen Objekten, in denen KdU-Kosten zu tragen sind. Ursächlich ist dafür die Beteiligung des Bundes an den KdU-Kosten; anders ausgedrückt: sie sorgt dafür, dass dieses Mietzuschusskonstrukt sich für den Konzern Stadt unmittelbar niemals rechnen kann und wird.

·         Finanziell profitiert bei Variante 3 weder GEWOBAU noch Stadt, sondern der KdU-Zuschussgeber Bund!

 

 


Anlagen:        Vertrag der Stadt mit der Gewobau

                        Wohnungslisten

                        Einverständniserklärung des Mieters zur Einkommensüberprüfung

                        Übersicht über die geltenden Einkommensgrenzen

                        CSU-Fraktionsantrag Nr. 231/2006 vom 28.11.2006

                        Grundsatzbeschluss des Stadtrates vom 30.07.2009

 

 

 

Jeweils in Kopie an <Referat II>, <Referat II/Beteiligungsmanagement>, <Referat V>, <Amt 20>, <Amt 31/Herrn Dr. Seeberger>, <Abteilung 503>, <Gewobau/Herrn Kamp>, <Gewobau/Herrn Gerngroß> jeweils zur Kenntnis