Betreff
Neuerlass der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Stadt Erlangen (BGS/EWS)
Vorlage
30/051/2022
Aktenzeichen
III/30; VII/EBE
Art
Beschlussvorlage

Die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Stadt Erlangen (BGS/EWS) (Entwurf vom 07.09.2022, Anlage 1) wird beschlossen.


1   Anlass:


Wie auch der Bayerische Kommunale Prüfungsverband im Rahmen der aktuell laufenden überörtlichen Prüfung bestätigt hat, muss der Beitragsteil der Erlanger BGS/EWS in ihrer derzeitigen Fassung auf Basis der Entwicklung von Fachliteratur und Rechtsprechung zum Beitragsrecht aus den folgenden Gründen als nichtig erachtet werden:

 

a)    Fehlerhafte Außenbereichsregelung bzgl. Anrechnung von Keller- und Dachgeschossen: Stellt eine Beitragssatzung auf den Maßstab der zulässigen Geschossfläche ab, gilt im Außenbereich die tatsächliche Geschossfläche als zulässige Geschossfläche. Kellergeschosse sind voll hinzuzurechnen; Dachgeschosse sind hinzuzurechnen, soweit sie ausgebaut sind. Eine Einschränkung, dass nur ausgebaute Keller einzubeziehen sind, soweit sie Vollgeschosse sind, führt zur Nichtigkeit der Beitragssatzung (vgl. Urteil des VGH München vom 20.05.2019, Az. 20 B 18.1431).

b)    Erlanger Übergangsregelung in § 6 Abs. 2 BGS/EWS:
Die aktuelle Übergangsregelung in § 6 Abs. 2 ist sehr wahrscheinlich als nichtig zu betrachten (vgl. VG München, Urteil vom 26.07.2018 - M 10 K 16.3777, M 10 K 16.3784
;
(Hinweis: Der Vollzug der bisherigen Übergangsregelung wurde bereits aufgrund des Urteils des VGH München vom 13.07.2017 zum Thema „Verjährungshöchstgrenze“ ausgesetzt.)

 

2          Maßnahmen:


Die BGS/EWS soll daher im Teil „I. Kanalbaubeitrag“ neu erlassen werden.
Der Teil „II. Kanalbenutzungsgebühren“ soll inhaltlich unverändert bleiben; es wird lediglich der Verweis auf die GAB-Karte präzisiert (§ 11 Abs. 2).
Im Teil „III. Gemeinsame Regelungen“ sollen die Amtshandlungsgebühren (§ 17 Abs. 2) neu geregelt werden, um Amtshandlungen von Amt 63 nach der EWS künftig anhand der Baukosten bemessen zu können.

 

 

3          Änderungen im Einzelnen:

 

3.1       Außenbereichsregelung:

Die Regelung für die zulässige Geschossfläche im Außenbereich (bisher § 5 Abs. 7, nun § 5 Abs. 8) wurde dahingehend verändert, dass Kellergeschosse nun nicht mehr auf ihre Eigenschaft als Vollgeschoss i. S. d. Baurechts geprüft werden und ggf. nur herangezogen werden, soweit sie ausgebaut sind. Stattdessen werden Kellergeschosse nun mit der vollen Fläche herangezogen.
Die bisherige Anrechnungsregelung stellte auf die Vollgeschosseigenschaft bzw. den Ausbauzustand des Kellers ab, um Kellergeschosse im Innen- und Außenbereich gleichzustellen.
Nach dem o.g. Urteil des VGH München ist eine solche Anrechnungsregelung für den Außenbereich jedoch unwirksam und führt zur Nichtigkeit der Beitragssatzung. Stellt eine Beitragssatzung auf den Maßstab der zulässigen Geschossfläche ab, gilt im Außenbereich die tatsächliche Geschossfläche als zulässige Geschossfläche. Kellergeschosse sind demnach voll hinzuzurechnen, unabhängig von ihrer Eigenschaft als Vollgeschoss und vom Ausbauzustand. Eine abweichende Regelung würde mangels sachlichem Differenzierungsgrund zur Nichtigkeit führen.

 

3.2       Geänderte Übergangsregelung:

Der von der Rechtsprechung ab 2017 entwickelten Interpretation der Verjährungshöchstgrenze nach Art. 13. Abs. 1 Nr. 4 b) bb) 1. Spiegelstrich Kommunalabgabengesetz - KAG wird mit der neuen Formulierung von § 6 Abs. 2 (Entstehensregelung) und § 6 Abs. 3 (Anrechnungsregelung) entsprochen. Dabei wird der als abgegolten zu betrachtende Beitragstatbestand explizit definiert als Grundstücksfläche und zum 31.12.2012 vorhandene Geschossfläche; er entspricht damit im Wesentlichen dem, was bis zur KAG-Änderung 2014 in der Vollzugspraxis als abgegolten angerechnet wurde. Bei Fehlen einer solchen Definition geht die Rechtsprechung heute davon aus, dass der mit dieser Satzung erstmals rechtmäßig definierte Beitragstatbestand auch für die Vergangenheit abgegolten ist; bei Fehlen einer gesonderten Definition des abgegoltenen Vorteils scheidet eine Beitragsnacherhebung heute somit aus.
Die Entstehungsregelung greift die o.g. Verjährungshöchstgrenze nach KAG auf und stellt klar, dass Ergänzungsbeiträge nach dieser Satzung nur bis spätestens 20 Jahre nach Inkrafttreten der Satzung erhoben werden können. Anschließend gelten alle Altanschließer-Grundstücke als mit der zulässigen Geschossfläche abgegolten, auch wenn dort nie ein Ergänzungsbeitrag nacherhoben wurde und werden konnte.

Im Hinblick auf diese Verjährungshöchstgrenze wurde die bisherige 10%- Regelung gestrichen. Nach dieser Erlanger Sonderregelung war eine Beitragsnacherhebung nur dann möglich, wenn die neu hinzugekommene Geschossfläche mit mind. 10 % oder 100 m² erheblich war. Durch die Streichung dieses Schwellenwertes sollen möglichst alle Grundstücke nach dem aktuellen Beitragsmaßstab (zulässige Geschossfläche) veranlagt werden, an denen innerhalb der vom Gesetzgeber vorgegebenen 20-Jahres-Frist (bauliche) Änderungen vorgenommen werden und die damit einen Auslöser für die Beitragsnacherhebung liefern.


3.3       Weitere wesentliche Änderungen:

Ergänzung der Regelungen zur zulässigen Geschossfläche:

In den vergangenen Jahren wurden in Erlangen Bebauungspläne in Kraft gesetzt, die das Maß der baulichen Nutzung anhand Grundflächenzahl und Wandhöhe regeln. Die BGS/EWS sieht hierfür jedoch keine Berechnungsmöglichkeit der zulässigen Geschossfläche und des entsprechenden Beitrags vor. Die Rechtsprechung fordert hier Deckungsgleichheit zwischen BGS/EWS und vorhandenen Bebauungsplänen.

In § 5 Abs. 1 wird daher eine Regelung zur Ermittlung der zulässigen Geschossfläche auf Basis von Grundflächenzahl bzw. Grundfläche der baulichen Anlage und Wandhöhe aufgenommen. Der gewählte Teiler „3,5“ entspricht dabei systembedingt der Berechnung auf Basis von Grundstücksfläche und Baumassenzahl.

 

 

Vereinheitlichung mit der Mustersatzung:

Die Erlanger BGS/EWS weicht an einigen Stellen aus historischen Gründen strukturell von der Mustersatzung des Bayerischen Innenministeriums ab (z.B. o.g. Außenbereichsregelung in § 5 Abs. 7 bzw. Abs. 8). Mit dem vorliegenden Entwurf soll die Erlanger BGS/EWS soweit wie möglich der Mustersatzung angeglichen werden.

 

Amtshandlungsgebühren:

Auf Anregung von Amt 63 sollen die Amtshandlungsgebühren nach der EWS neu geregelt und vom Kostenverzeichnis zum Kostengesetz entkoppelt werden. Mit der Aufnahme eines entsprechenden konkreten Gebührentatbestandes in die Beitrags- und Gebührensatzung wird es möglich, die Amtshandlungsgebühren für die Zulassung von Grundstücksentwässerungsanlagen auf Grundlage der Baukosten ohne die Bindung an die Obergrenze eines Gebührenrahmens zu bemessen. Dies wird dem tatsächlichen Aufwand in Amt 63, insbesondere bei großen und komplexen Bauvorhaben, deutlich besser gerecht. Im Übrigen sollen sich die Amtshandlungsgebühren im Vollzug der EWS künftig am Kommunalen Kostenverzeichnis zur Kostensatzung der Stadt Erlangen orientieren, auf deren Basis die Gebührenerhebung für hoheitliche Tätigkeiten im eigenen Wirkungskreis erfolgt. Als Auffangregelung für darin nicht explizit aufgeführte Kostentatbestände bleibt der allgemeine Gebührenrahmen von 5 € bis 25.000 € bestehen.

 

Rückwirkendes Inkrafttreten zum 01.01.2013:

Da die derzeitige BGS/EWS im Beitragsteil aus den o.g. Gründen als nichtig zu erachten ist, verfügt die Stadt Erlangen derzeit nicht über gültiges Satzungsrecht. Es ist daher möglich, die BGS/EWS zu einem vergangenen Zeitpunkt in Kraft treten zu lassen, da nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bezüglich nichtiger Satzungsregelungen kein Vertrauensschutz für Betroffene entstehen kann, so dass eine Rückwirkung der Neuregelung zulässig ist. Damit eröffnet sich die Chance, insbesondere solche Beitragsvorgänge aufzugreifen und zu veranlagen, die zuletzt aufgrund der Unvereinbarkeit der Erlanger Übergangsregelung (§ 6 Abs. 2) mit der zum Art. 13 KAG ergangenen Rechtsprechung des VGH München seit 2017 ausgesetzt werden mussten. Dies würde eine erhebliche Gerechtigkeitslücke in der Beitragserhebung schließen, die nach Ende der zurückliegenden Beitragsnacherhebung (2008 – 2012) entstanden ist.

Der Stichtag 01.01.2013 wurde gewählt, weil viele der in 2017 aufgrund der neuesten Rechtsprechung des VGH München zurückgestellten Beitragsvorgänge noch auf Baumaßnahmen mit Fertigstellung im Jahr 2013 basierten.

 

Die damit zu erzielenden Beitragseinnahmen würden die Schmutz- und Niederschlagswassergebühren für alle Erlanger Gebührenzahler merklich und nachhaltig senken.

 

Das rückwirkende Inkrafttreten zum 01.01.2013 beschränkt sich auf den Beitragsteil der Satzung. Der Teil „II. Kanalbenutzungsgebühren“ wird inhaltsgleich und der Teil „III. Gemeinsame Regelungen“ wird hinsichtlich der geänderten Amtshandlungsgebühren (§ 17 Abs. 2) zum 01.01.2023 in Kraft gesetzt, um einen leicht verständlichen Schnitt der Vollzugspraxis zum Jahreswechsel zu ermöglichen.

 

4.   Klimaschutz:

 

Entscheidungsrelevante Auswirkungen auf den Klimaschutz:

 

             nein

 

 

5.   Haushaltsmittel

              werden nicht benötigt

              sind vorhanden auf IvP-Nr.      

                        bzw. im Budget auf Kst/KTr/Sk        

                    sind nicht vorhanden


Anlagen:
Anlage 1: Entwurf der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Stadt Erlangen (BGS/EWS) vom 07.09.2022 inkl. Gebietsabflussbeiwertkarte vom 10.12.2014 (Anlage 1 zur BGS/EWS) und Kostenverzeichnis zu § 17 Abs. 2 (Anlage 2 zur BGS/EWS)

Anlage 2: Synoptische Darstellung der vorgeschlagenen Änderungen