Betreff
Schaffung eines "Ortes der Erinnerung" an die Ermordung von Menschen mit psychischer Erkrankung der Heil- und Pflegeanstalt Erlangen;
Zwischenbericht zu Antrag 001/2015 der CSU-Fraktion, SPD-Fraktion, Fraktion Grüne Liste, FDP-Fraktion sowie der Erlanger Linken, der ödp und der FWG im Erlanger Stadtrat, und Antrag 022/2019 der Fraktion Grüne Liste
Vorlage
13/298/2019
Aktenzeichen
OBM/13
Art
Beschlussvorlage

1.    Der Bericht der Verwaltung zum aktuellen Stand der Arbeit des Beirats zur Errichtung einer Gedenkstätte für die „Euthanasie“-Opfer wird zur Kenntnis genommen.

2.    Der Stadtrat schließt sich der Empfehlung des Beirats an, eine Gedenkstätte im östlichsten Teil des Gebäudes Schwabachanlage 10 einzurichten (siehe Anlage 1, blaue Markierung) und eine entsprechende Konzeption zu erstellen.

3.    Die Verwaltung wird beauftragt, gemeinsam mit den Partnern im Beirat mit der inhaltlichen Vorbereitung eines Gedenkorts zu beginnen. Im ersten Schritt beinhaltet dies die Erstellung einer Projektskizze in Abstimmung mit dem Beirat bis September 2019. Die dafür notwendigen Haushaltsmittel werden aus dem Budget des Bürgermeister- und Presseamts getragen.

4.    Die Aufarbeitung der NS-Verbrechen, die in Erlangen begangen wurden und die Frage, wie das Gedenken an die Ermordung von Menschen mit psychischer Erkrankung gestaltet werden kann, ist eine Angelegenheit, die die ganze Stadtgesellschaft betrifft. Die Verwaltung wird beauftragt, im Stadtrat zeitnah und regelmäßig über die Arbeit des Beirats zu berichten. Die Verwaltung wird beauftragt, die Öffentlichkeit in geeigneter Weise in die Vorbereitung des Gedenkorts einzubeziehen.

5.    Der Stadtrat unterstützt das gemeinsame Forschungsprojekt des Stadtarchivs und des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, mit dem die NS-„Euthanasie“ in Erlangen ausgehend von den Geschehnissen in der HuPfla erstmals umfassend wissenschaftlich aufgearbeitet werden soll. Derzeit gibt es nach einer Absprache im Ältestenrat Gespräche zwischen Stadt, Bezirk Mittelfranken mit Bezirksklinikum sowie der Friedrich-Alexander-Universität und dem Universitätsklinikum über die Finanzierung des Projekts. Unter der Voraussetzung, dass sich die anderen Akteure ebenfalls an der Finanzierung beteiligen, beteiligt sich die Stadt Erlangen gemäß der Absprache im Ältestenrat mit etwa einem Drittel an den Kosten. Die Bereitstellung der erforderlichen Haushaltsmittel ist für das Haushaltsjahr 2019 zu beantragen bzw. zu den Haushalten 2020 und ggf. 2021 anzumelden.

6.    Der Fraktionsantrag der GL 022/2019 ist damit bearbeitet.

 


 


1.   Sachbericht

 

Im Jahr 2015 haben alle im Stadtrat vertretenen Fraktionen und Gruppierungen die Schaffung eines „Ortes der Erinnerung“ an die Ermordung von Menschen mit psychischer Erkrankung der Heil- und Pflegeanstalt Erlangen beantragt und die Verwaltung gebeten, dazu in den Dialog zu treten (Fraktionsantrag 001/2015).

 

Die Stadt hat in der Folge einen Beirat zur Errichtung einer Gedenkstätte für die „Euthanasie“-Opfer ins Leben gerufen. Dem Beirat gehören die Universität, das Universitätsklinikum, der Bezirk Mittelfranken, das Bezirksklinikum und die Stadt Erlangen sowie weitere Organisationen, z.B. das Zentrum für Selbstbestimmtes Leben Behinderter e.V., das Max-Planck-Institut und die jüdische Kultusgemeinde, an. Der Beirat tagte seit Februar 2017 insgesamt zehn Mal, zuletzt am 28. Februar und am 15. März 2019.

 

Aufgabe des Beirates ist es, ein angemessenes Gedenken für die Opfer zu entwickeln und zu gestalten. In den vergangenen Monaten befasste sich der Beirat auf aktueller wissenschaftlicher Basis mit Konzepten und Orten des Erinnerns. Diskutiert wurden dabei unter anderem folgende Aspekte:

 

·         Soll der zu schaffende Gedenkort mehr als ein reiner Erinnerungsort sein und wenn ja, wie kann es gelingen, beim Gedenken den Blick auch auf aktuelle und künftige medizinethische Fragen zu richten?

·         Wie authentisch muss ein Gedenkort sein und welche Rolle spielen dabei historische Gebäude? Wie kann es gelingen, an einem historischen Ort, welcher heute und künftig eine derart zentrale Funktion für Forschung und Wissenschaft einnimmt, angemessen zu erinnern? Reicht es aus, an und mit Orten, an denen Täter ihre Entscheidungen über die Opfer der NS-„Euthanasie“ getroffen haben, zu erinnern? Oder braucht es für ein angemessenes Erinnern auch einen Ort mit Bezug zu den Opfern?

·         Welche Aufgaben soll ein öffentlicher Gedenkort innerhalb der städtischen und universitären Erinnerungskultur erfüllen?

 

Am 20. November 2018 wurden diese und weitere Aspekte im Rahmen einer Podiumsdiskussion öffentlich diskutiert. Dabei wurden durch Vertreter verschiedener Gedenkstätten verschiedene Formen der Erinnerungsarbeit vorgestellt und im Anschluss diskutiert. Schon in dieser ersten Veranstaltung verfestigte sich der Eindruck, dass das Gebäude Schwabachanlage 10 als einziges noch erhaltenes Gebäude der HuPfla, welches mit den Opfern in Verbindung steht, ein Symbolort von großer Bedeutung für das Gedenken ist. In der Folge rückte das Universitätsklinikum von der Notwendigkeit des vollständigen Abrisses des Gebäudes Schwabachanlage 10 ab (vgl. Vorlage 13/283/2018), um dem Beirat und der Stadtgesellschaft eine ergebnisoffene Diskussion über die Verortung der Gedenkstätte zu ermöglichen.

 

In der Zwischenzeit gab es erste Gespräche mit Bund und Land, denen zufolge die Einrichtung eines Gedenkorts gute Aussichten auf finanzielle Förderung hätte. Voraussetzung ist zunächst die Erstellung einer Projektskizze bis September 2019. Die Verwaltung strebt die Erstellung an und steht dazu bereits in Kontakt mit Experten für Gedenkorte, die dabei unterstützen können. Derzeit ist davon auszugehen, dass die Kosten die Summe von 15.000 Euro nicht übersteigen. Über die Finanzierung führt die Verwaltung derzeit Gespräche mit weiteren Partnern.


 

Im Lichte der aktuellen Entwicklungen hat das Universitätsklinikum gegenüber der Stadt erklärt, dass es an der Einrichtung eines Gedenkorts im östlichsten Teil des Gebäudes Schwabachanlage 10 mitwirkt. Somit eröffnet sich nun eine sehr konkrete Perspektive für einen authentischen Gedenkort, welcher vielen zuletzt diskutierten Anforderungen gerecht würde. Zudem besteht die Möglichkeit, den Ausbau des Forschungscampus weiter voranzutreiben. Der Beirat hat die genannten Entwicklungen im Rahmen seiner Sitzungen am 28. Februar und am 15. März diskutiert und empfiehlt die Einrichtung eines Gedenkorts im östlichsten Teil des Gebäudes Schwabachanlage 10 (in Anlage 1 blau markiert).

 

Wie zuletzt in Vorlage 13/283/2018 dargestellt, ist das Nordgelände des Universitätsklinikums Gegenstand umfassender Planungen zur Ansiedelung weiterer Einrichtungen der medizinischen Spitzenforschung, die zu Ausbau und Profilierung des Medizinstandorts Erlangen beitragen. Bisher sahen diese Planungen den vollständigen Abriss des Gebäudes Schwabachanlage 10 vor. Der Stadtrat hat die Vorhaben mit Vorlage 611/155/2016 zur Kenntnis genommen und mit großer Mehrheit begrüßt.

 

Mit Bescheid vom 12.09.2017 wurde dem Abbruch des westlichen Bauteils des Gebäudes Schwabachanlage 10 zur Errichtung des Zentrums für Physik und Medizin (ZPM) mit Baubeginn zugestimmt (Teilabbruch 1, in Anlage 1 rot markiert). Der Teilabbruch 2 (in Anlage 1 gelb markiert) wurde im Januar 2019 genehmigt. Derzeit konkretisieren die Bauherren die Planungen für die jeweiligen Gebäude (das ZPM sowie das Translational Research Center 4), um anschließend entsprechende Bauanträge einreichen zu können. Das Universitätsklinikum hat weiterhin großes Interesse auch an der Errichtung der Translational Research Center 2 und 3, deren Baukörper gemäß den bisherigen Planungen im Bereich des nach den Teilabbrüchen 1 und 2 verbleibenden Gebäudeteils der HuPfla (in Anlage 1 orange markiert) liegen. Für diesen verbleibenden Gebäudeteil liegen der Stadtverwaltung derzeit keine Anträge vor, ein entsprechendes Verfahren wäre von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängig.

 

Der östlichste Teil des Gebäudes Schwabachanlage 10 (Anlage 1, blau markiert) wurde aus baulicher und kultureller Sicht bereits ersteingeschätzt. Der Erhalt des genannten Gebäudeteils erscheint aus baulicher Sicht machbar. Das Zusammenspiel mit den umgebenden Forschungsgebäuden stellt eine architektonische Aufgabe dar. Aus kultureller Sicht könnte der Gedenkort (im historischen Gebäude) durch seine Lage (zwischen modernen Gebäuden – TRC, Internistisches Zentrum, Hörsäle) genau die Irritation auslösen, die ein Gedenkort benötigt, um zu wirken – dies war eine der zentralen Aussagen der Podiumsdiskussion am 20. November 2018. Der östlichste Teil des Gebäudes Schwabachanlage 10 umfasst rund 550 Quadratmeter Nutzfläche. Er erscheint damit einerseits ausreichend groß für einen qualitätsvollen Gedenkort. Andererseits wäre ein Gedenkort in dieser Größenordnung auch nachhaltig zu betreiben. Zum Vergleich: Die Dauerausstellung des Stadtmuseums umfasst etwa 600 Quadratmeter. Der nach den Teilabbrüchen 1 und 2 verbleibende Gebäudeteil umfasst ca. 3200 Quadratmeter.

 

Weiterhin hat der Beirat erste Überlegungen zur Frage der Trägerschaft eines Gedenkorts angestellt. Dies betrifft nicht nur Konzeption und Einrichtung eines Gedenkorts einschließlich ggf. notwendiger baulicher Maßnahmen, sondern auch den späteren Betrieb. Ganz unterschiedliche Modelle sind dabei denkbar und werden in den kommenden Monaten konkretisiert. Der Stadtrat wird auch mit dieser Thematik wieder befasst.

 

Die Aufarbeitung der NS-Verbrechen, die in Erlangen begangen wurden und die Frage, wie das Gedenken an die Ermordung von Menschen mit psychischer Erkrankung gestaltet werden kann, ist eine Angelegenheit, die die ganze Stadtgesellschaft betrifft. Dementsprechend groß war und ist die öffentliche Resonanz auf das Thema in den vergangenen Monaten. So waren zum Beispiel die beiden Vorträge sowie die Filmvorführung, die vom Zentrum für Selbstbestimmtes Leben Behinderter und vom Selbstverwalteten Zentrum Wiesengrund durchgeführt wurden, sehr gut besucht.


 

Die Stadtverwaltung wird gemeinsam mit den Partnern im Beirat in den kommenden Monaten mit der inhaltlichen Vorbereitung für einen Gedenkort beginnen. Dies gliedert sich in zwei Teile. Zunächst ist eine Projektskizze zu erstellen (siehe oben). Anschließend ist das Konzept für den Gedenkort zu erarbeiten. Bei der Vorbereitung von Gedenkorten kommt der Einbindung der Öffentlichkeit große Bedeutung zu. Schon im Rahmen der Erstellung der Projektskizze streben Verwaltung und Beirat an, mit den beteiligten Experten Möglichkeiten zu entwickeln, die Öffentlichkeit in geeigneter Weise in die Erstellung einzubeziehen. Die Einbeziehung der Öffentlichkeit wird aber auch bei der späteren Erarbeitung des Konzepts für den Gedenkort eine wichtige Aufgabe sein.

 

Das Stadtarchiv und das Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg bereiten derzeit ein gemeinsames Forschungsprojekt vor, mit dem die NS-„Euthanasie“ in Erlangen ausgehend von den Geschehnissen in der HuPfla erstmals umfassend wissenschaftlich aufgearbeitet werden soll. Das Projekt geht dabei weit über die Geschehnisse in der HuPfla hinaus und untersucht auch „Beteiligung und Handlungsspielräume städtischer Eliten, lokaler und regionaler Verwaltungsinstanzen, universitärer Leitung und Wissenschaftler bei Planung und Durchführung der NS-‚Euthanasie‘ in Erlangen“ (vgl. Anlage 2). Das Forschungsprojekt soll im Herbst 2019 beginnen und ist zunächst auf zwei Jahre angesetzt. Ergebnisse sollen in die Vorbereitung des Gedenkorts einfließen. Dabei spielt die Herstellung einer breiten Öffentlichkeit eine große Rolle. Ergebnisse sollen öffentlich präsentiert und zur Diskussion gestellt werden. Die Projektkosten belaufen sich von Seiten des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg nach derzeitigen Informationen auf 350.000 Euro. Derzeit gibt es nach einer Absprache im Ältestenrat Gespräche zwischen Stadt, Bezirk Mittelfranken mit Bezirksklinikum sowie der Friedrich-Alexander-Universität und dem Universitätsklinikum über die Finanzierung des Projekts. Unter der Voraussetzung, dass sich die anderen Akteure ebenfalls an der Finanzierung beteiligen, beteiligt sich die Stadt Erlangen gemäß der Absprache im Ältestenrat mit etwa einem Drittel an den Kosten. In dieser Konstellation würde der städtische Anteil 120.000 Euro nicht übersteigen.

 

Es ist darüber hinaus von verschiedenen Stellen vorgesehen, in den kommenden Monaten Veranstaltungen durchzuführen, um dem Thema in der Öffentlichkeit Präsenz zu verschaffen. Beispielsweise sind dies:

 

·         Das Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der FAU führt am 1./2. April 2019 eine Tagung mit dem Titel „Medizintäter. Ärzte und Ärztinnen im Spiegel der NS-Täterforschung“ durch.

·         Die Max-Planck-Gesellschaft strebt an, das geplante Zentrum für Physik und Medizin der Öffentlichkeit vorzustellen.

·         Gemeinsam mit dem Bezirksklinikum strebt die Stadtverwaltung an, eine Veranstaltung zum Gedenken an die Befreiung der letzten Insassen der Hupfla durch US-amerikanische Soldaten durchzuführen.

·         Vom 30.6.2019 bis zum 6.1.2020 wird im Stadtmuseum die Ausstellung „Barrieresprung. Leben mit Behinderung“ zu sehen sein. Sie beschäftigt sich in historischer und aktueller Perspektive mit dem Thema Inklusion und den Lebenswirklichkeiten von Menschen mit Behinderung. Auch die Geschichte der HuPfla ist Thema.

 

2.   Ressourcen
(Welche Ressourcen sind zur Realisierung des Leistungsangebotes erforderlich?)

Investitionskosten:

bei IPNr.:

Sachkosten:

bei Sachkonto:

Personalkosten (brutto):

bei Sachkonto:

Folgekosten

bei Sachkonto:

Korrespondierende Einnahmen

bei Sachkonto:

Weitere Ressourcen

 

 


 

Haushaltsmittel

              werden nicht benötigt

              sind vorhanden im Budget Amt 13 (Projektskizze, max. 15.000 Euro)

                    sind nicht vorhanden (Forschungsprojekt, 120.000 Euro)


Anlagen:       

Anlage 1: Lageplan

Anlage 2: Forschungsprojekt: NS-„Euthanasie“ in Erlangen

Anlage 3: Antrag 001/2015

Anlage 4: Antrag 022/2019