Betreff
Weiterentwicklung des Gymnasiums
Vorlage
IV/036/2016
Aktenzeichen
IV
Art
Beschlussvorlage

Oberbürgermeister und Bildungsreferent werden aufgefordert, sich über den Bayerischen Städtetag um eine Änderung der Pläne des Kultusministeriums zu bemühen, welche die am Ende der Sachverhaltsdarstellung angesprochenen Probleme klärt oder beseitigt.

Der Bericht hat zur Kenntnis gedient.

 



Sachverhalt:

2011 erhielten in Bayern die ersten Schüler das Zeugnis der Allgemeinen Hochschulreife nach nur 8 Jahren am Gymnasium (G 8). Diese Reform stieß seit Einführung auf erhebliche Kritik und wurde in den Medien oft als „Turbo-Abi“ bezeichnet. Dabei werden vor allem der erhöhte Leistungsdruck und die dadurch bedingte Verdrängung außerschulischer Bildungsangebote kritisiert. Das Kultusministerium ließ daraufhin die Halbjahreszeugnisse untersuchen, stellte jedoch keinen zeugnisrelevanten Leistungsabfall fest. Allerdings wurden im neuen G 8 mündliche und schriftliche Prüfungen 1:1 gewichtet, während vorher die Gewichtung von mündlich und schriftlich 1:2 betrug. Diese Änderung steuert einem erkennbaren Leistungsabfall entgegen, weil die Schüler nun zwar schlechtere Ergebnisse bei schriftlichen Aufgaben abliefern, dies jedoch durch Mitarbeit im Unterricht oder Referate ausgleichen können. (Focus (dpa). 8. Februar 2010) 

Die Freien Wähler Bayern initiierten 2014 ein Volksbegehren, das die künftige Wahlfreiheit zwischen G8 und G9 forderte, wobei die genaue Ausgestaltung der längeren Schulzeit nicht identisch sein sollte mit dem alten G 9. Dabei trugen sich jedoch nur 2,9 % der Stimmberechtigten ein, so dass das Volksbegehren scheiterte. Die Kritik blieb jedoch erhalten. Bei den Modellversuchen zur erneuten Öffnung in Richtung auf eine neunjährige Gymnasialzeit an 47 Pilotschulen haben sich entgegen den niedrigeren Erwartungen des Ministeriums jeweils zwischen 60 und 70 % der Eltern und Schüler für eine verlängerte Schulzeit entschieden.

Am 27. 09. 2016 haben sich Kultusminister Dr. Spaenle, sein Amtschef Herbert Püls, der Leiter der Gymnasialabteilung Gremm und der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags Dr. Ulrich Maly zu einem „Dialog zur Weiterentwicklung des achtjährigen Gymnasiums“ getroffen. Dieser Dialog soll bereits Ende 2016 abgeschlossen werden. Danach sollen von Kabinett und Landtag die entsprechenden Reformen verabschiedet werden, die dann ab dem Schuljahr 2017/18 zur Verfügung stehen und ab 2018/19 umgesetzt werden sollen.

Eckpunkte der vom Kultusministerium angestrebten Reform sollen nach den vorliegenden Informationen sein:

  • Einheitlicher Rahmen mit Fächerkanon und Lehrplan PLUS
  • Einheitliche zweijährige Qualifikationsphase in der Oberstufe
  • Erwerb der Mittleren Reife nach der 10. Jahrgangsstufe
  • Die Möglichkeit zur Wiedereinführung einer 9-jährigen Gymnasialzeit auf individuellen Antrag der Schule, wenn diesen die „Schulfamilie“ (das Schulforum?) einstimmig stellt und der kommunale Sachaufwandsträger zustimmt.
  • Die Letztentscheidung möchte sich jedoch das Kultusministerium vorbehalten.

Auf die Frage aus dem Städtetag nach der finanziellen Beteiligung des Freistaats an den Mehrkosten erklärte das Ministerium, dass es aufgrund des kommunalen Ablehnungsrechts keine Konnexität erkennen könne. Eine etwaige Erhöhung der FAG-Zuweisung für die Investitionskosten wurde angesprochen, aber nicht konkretisiert.

Bei der bisherigen Sachlage ergeben sich für die Städte und damit auch für die Stadt Erlangen erhebliche Probleme:

  • Die Entscheidung für ein neunjähriges Gymnasium würde zusätzlich Räume erforderlich machen. Deren Einrichtung hinge nicht vom vorhandenen Platzangebot ab, sondern vom Willen der „Schulfamilie“. Mit den finanziellen Konsequenzen sollen die Städte offenbar allein gelassen werden.
  • Die „Schulfamilie“ (repräsentiert wohl durch das Schulforum) hat jedes Jahr eine andere Zusammensetzung. Damit ist unklar, für welchen Zeitraum deren Entscheidung gelten soll. Wenn die Entscheidung trotz des wiederholten personellen Wechsels dauerhafte Bindung auch für alle Folgejahre haben soll, ist die geforderte Einstimmigkeit der Antragstellung nicht sinnvoll begründet. Eine Annuität wäre für die Städte jedoch weder administrativ noch baulich umsetzbar.
  • Der erneute Umbau von Schulen, die erst vor kurzem auf einen Raumbedarf für 8 Schuljahre und die Anforderungen des Ganztagsbetriebs umgebaut wurden, würde erneut erhebliche Finanzmittel für Baumaßnahmen am Gymnasium erfordern. Nachdem das Schulsanierungsprogramm schon bisher einen Schwerpunkt auf gymnasiale Baumaßnahmen gelegt hat, ginge eine erneute Schwerpunktsetzung in diesem Bereich zu Lasten der anderen Schularten (vor allem der Grund- und Mittelschulen), was bildungs- wie sozialpolitisch nicht vertretbar ist.
  • Die Weigerung des Freistaats, einen Anwendungsfall für Konnexität zu akzeptieren, geht von der Fiktion aus, eine Stadt könne den einstimmigen Antrag von Schulleitung, Lehrern, Eltern und Schülern eines Gymnasiums einfach ablehnen. Die politische Auseinandersetzung über diese Frage wird vom Ministerium schlicht auf die Städte abgewälzt.

Dies bisherige Position des geht deshalb in wesentlichen Teilen zu Lasten der Städte, die deshalb grundlegende Änderungen der bisher bekannten Haltung des Freistaats fordern müssen.