Oberbürgermeister und Bildungsreferent
werden aufgefordert, sich über den Bayerischen Städtetag um eine Änderung der
Pläne des Kultusministeriums zu bemühen, welche die am Ende der
Sachverhaltsdarstellung angesprochenen Probleme klärt oder beseitigt.
Der Bericht hat zur Kenntnis gedient.
Sachverhalt:
2011 erhielten in Bayern die ersten Schüler
das Zeugnis der Allgemeinen Hochschulreife nach nur 8 Jahren am Gymnasium (G
8). Diese Reform stieß seit Einführung auf erhebliche Kritik und wurde in den
Medien oft als „Turbo-Abi“ bezeichnet. Dabei werden vor allem der erhöhte
Leistungsdruck und die dadurch bedingte Verdrängung außerschulischer
Bildungsangebote kritisiert. Das Kultusministerium ließ daraufhin die
Halbjahreszeugnisse untersuchen, stellte jedoch keinen zeugnisrelevanten
Leistungsabfall fest. Allerdings wurden im neuen G 8 mündliche und schriftliche
Prüfungen 1:1 gewichtet, während vorher die Gewichtung von mündlich und
schriftlich 1:2 betrug. Diese Änderung steuert einem erkennbaren
Leistungsabfall entgegen, weil die Schüler nun zwar schlechtere Ergebnisse bei
schriftlichen Aufgaben abliefern, dies jedoch durch Mitarbeit im Unterricht
oder Referate ausgleichen können. (Focus (dpa). 8. Februar 2010)
Die Freien Wähler Bayern initiierten 2014
ein Volksbegehren, das die künftige Wahlfreiheit zwischen G8 und G9 forderte,
wobei die genaue Ausgestaltung der längeren Schulzeit nicht identisch sein
sollte mit dem alten G 9. Dabei trugen sich jedoch nur 2,9 % der
Stimmberechtigten ein, so dass das Volksbegehren scheiterte. Die Kritik blieb
jedoch erhalten. Bei den Modellversuchen zur erneuten Öffnung in Richtung auf
eine neunjährige Gymnasialzeit an 47 Pilotschulen haben sich entgegen den
niedrigeren Erwartungen des Ministeriums jeweils zwischen 60 und 70 % der
Eltern und Schüler für eine verlängerte Schulzeit entschieden.
Am 27. 09. 2016 haben sich Kultusminister
Dr. Spaenle, sein Amtschef Herbert Püls, der Leiter der Gymnasialabteilung
Gremm und der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags Dr. Ulrich Maly zu einem
„Dialog zur Weiterentwicklung des achtjährigen Gymnasiums“ getroffen. Dieser
Dialog soll bereits Ende 2016 abgeschlossen werden. Danach sollen von Kabinett
und Landtag die entsprechenden Reformen verabschiedet werden, die dann ab dem
Schuljahr 2017/18 zur Verfügung stehen und ab 2018/19 umgesetzt werden sollen.
Eckpunkte der vom Kultusministerium
angestrebten Reform sollen nach den vorliegenden Informationen sein:
- Einheitlicher Rahmen mit Fächerkanon
und Lehrplan PLUS
- Einheitliche zweijährige
Qualifikationsphase in der Oberstufe
- Erwerb der Mittleren Reife nach der 10.
Jahrgangsstufe
- Die Möglichkeit zur Wiedereinführung
einer 9-jährigen Gymnasialzeit auf individuellen Antrag der Schule, wenn
diesen die „Schulfamilie“ (das Schulforum?) einstimmig stellt und der
kommunale Sachaufwandsträger zustimmt.
- Die Letztentscheidung möchte sich jedoch
das Kultusministerium vorbehalten.
Auf die Frage aus dem Städtetag nach der
finanziellen Beteiligung des Freistaats an den Mehrkosten erklärte das
Ministerium, dass es aufgrund des kommunalen Ablehnungsrechts keine Konnexität
erkennen könne. Eine etwaige Erhöhung der FAG-Zuweisung für die
Investitionskosten wurde angesprochen, aber nicht konkretisiert.
Bei der bisherigen Sachlage ergeben sich für
die Städte und damit auch für die Stadt Erlangen erhebliche Probleme:
- Die Entscheidung für ein neunjähriges
Gymnasium würde zusätzlich Räume erforderlich machen. Deren Einrichtung
hinge nicht vom vorhandenen Platzangebot ab, sondern vom Willen der
„Schulfamilie“. Mit den finanziellen Konsequenzen sollen die Städte
offenbar allein gelassen werden.
- Die „Schulfamilie“ (repräsentiert wohl
durch das Schulforum) hat jedes Jahr eine andere Zusammensetzung. Damit
ist unklar, für welchen Zeitraum deren Entscheidung gelten soll. Wenn die
Entscheidung trotz des wiederholten personellen Wechsels dauerhafte
Bindung auch für alle Folgejahre haben soll, ist die geforderte
Einstimmigkeit der Antragstellung nicht sinnvoll begründet. Eine Annuität
wäre für die Städte jedoch weder administrativ noch baulich umsetzbar.
- Der erneute Umbau von Schulen, die erst
vor kurzem auf einen Raumbedarf für 8 Schuljahre und die Anforderungen des
Ganztagsbetriebs umgebaut wurden, würde erneut erhebliche Finanzmittel für
Baumaßnahmen am Gymnasium erfordern. Nachdem das Schulsanierungsprogramm
schon bisher einen Schwerpunkt auf gymnasiale Baumaßnahmen gelegt hat,
ginge eine erneute Schwerpunktsetzung in diesem Bereich zu Lasten der
anderen Schularten (vor allem der Grund- und Mittelschulen), was bildungs-
wie sozialpolitisch nicht vertretbar ist.
- Die Weigerung des Freistaats, einen
Anwendungsfall für Konnexität zu akzeptieren, geht von der Fiktion aus,
eine Stadt könne den einstimmigen Antrag von Schulleitung, Lehrern, Eltern
und Schülern eines Gymnasiums einfach ablehnen. Die politische
Auseinandersetzung über diese Frage wird vom Ministerium schlicht auf die
Städte abgewälzt.
Dies bisherige Position des geht deshalb in
wesentlichen Teilen zu Lasten der Städte, die deshalb grundlegende Änderungen
der bisher bekannten Haltung des Freistaats fordern müssen.