Betreff
Bericht zum Modellprojekt „Optimierte Lernförderung“ und zur Erstattung der Leistungen „Bildung und Teilhabe“
Vorlage
501/007/2016
Aktenzeichen
V/50/WM021 T. 2442
Art
Beschlussvorlage

Der Bericht der Verwaltung wird zur Kenntnis genommen.


Konzept des Modellprojektes „Optimierte Lernförderung“

 

Die Lernförderung ist eine der zum 01.01.2011 eingeführten Leistungen zur Bildung und Teilhabe.

Aufgrund der im ersten Schuljahr nach Einführung dieser Leistungen gemachten Erfahrungen wurde zum Schuljahr 2012/2013 das Modellprojekt „Optimierte Lernförderung“ entwickelt und zunächst in den drei Erlanger Mittelschulen und der Werner-von-Siemens-Realschule etabliert.

 

Inhaltliche Kernpunkte sind

·         anspruchsberechtigte Kinder mit Förderbedarf beantragen Lernförderung bei der Schule

·         soweit fachlich begründet, bestätigt die Schule Art und Umfang des Förderbedarfs in jedem Einzelfall

·         Anträge und Bestätigungen gehen zur Bewilligung an das Sozialamt (B+T-Stelle)

·         die Schule organisiert in eigener Verantwortung den Förderunterricht im benötigten Umfang und sorgt für die reibungslose Integration in den Schulbetrieb

·         die VHS stellt das benötigte zusätzliche und ausreichend qualifizierte Lehrpersonal

·         die Kosten für dieses Lehrpersonal und für sonst erforderliche Kosten werden als B+T-Leistungen vom Sozialamt übernommen (und dort wieder vom Bund erstattet)

 

Der Vorteil dieser Struktur besteht darin, dass

·         die bürokratischen Anforderungen sich für alle Beteiligten auf das unbedingt notwendige Maß beschränken

·         die Schule, die den Förderbedarf jedes einzelnen Schülers am besten kennt, die zusätzliche Lernförderung selbst organisieren kann

·         dadurch die Eltern entlastet werden

·         die Aufgaben „Personalbeschaffung“ von der VHS und „Finanzierung“ vom Sozialamt erledigt werden

Damit steht den Schulen ein wirksames Mittel zur zusätzlichen Lernförderung für praktisch alle Kinder aus armen Familien zur Verfügung, welches auch sehr flexibel – und gleichzeitig bürokratiearm – eingesetzt werden kann.

 

 

Refinanzierung der Leistungen der „Bildung und Teilhabe“ durch den Freistaat Bayern

Die Stadt Erlangen erbringt als zuständige Trägerin für Leistungen nach dem SGB II auch die in § 28 SGB II geregelten Leistungen der Bildung und Teilhabe (BuT-Leistungen). Die Aufgaben werden gem. Art. 2 Abs. 1 AGSG im übertragenen Wirkungskreis wahrgenommen und der Freistaat Bayern erstattet gem. Art. 3 AGSG die vom Bund an ihn erbrachten Erstattungsleistungen. Die Höhe der Erstattungsleistungen ergibt sich aus Art. 5 AGSG in Verbindung mit der entsprechenden Durchführungsverordnung.

§46 Abs. 6 – 8 SGB II sieht vor, dass der Bund die BuT-Leistungen für Leistungsempfänger nach dem SGB II und dem Wohngeldgesetz sowie für Bezieher von Kinderzuschlag zu 100 % erstattet. Allerdings erfolgt die Erstattung nicht durch den Bund direkt, sondern über das Land. Das Land verteilt die Erstattungsleistungen an die Kommunen.

 

Wie wiederholt berichtet, verteilt der Freistaat Bayern die Bundeserstattungen nicht belastungsgerecht (je nach örtlichem BuT-Aufwand des Vorjahres) auf die bayerischen Städte und Landkreise, sondern beabsichtigt die Erstattung in das Gesetz über den Hartz IV Belastungsausgleich mitaufzunehmen. Dies hätte zur Konsequenz, dass die Stadt Erlangen jeweils nur einen Bruchteil der tatsächlichen Aufwendungen für die BuT-Leistungen vom Freistaat Bayern erhalten würde.

 

Bereits seit dem Jahre 2013 werden – wie den Anlagen 1 und 2 zu entnehmen ist – die tatsächlichen Leistungen für Bildung und Teilhabe nur anteilig erstattet. Aus Anlage 3 sind die in den Jahren 2011 – 2015 tatsächlich aufgewendeten Kosten (aufgeschlüsselt nach den einzelnen Leistungen) zu ersehen.

 

Die Verwaltung wird die weitere Kostenentwicklung und deren Erstattung beobachten und dem Stadtrat berichten, ebenso über das Ergebnis der Behandlung der Petition im bayer. Landtag.

 

 

Entwicklung der Kosten der Lernförderung in Erlangen

 

Da die Aufwendungen für die Lernförderung im Jahr 2015 ca. 42% der gesamten BuT-Aufwendungen betrugen, gilt es insbesondere die Entwicklung dieser Kosten zu betrachten.

 

Die Kosten im Modellprojekt „Optimierte Lernförderung“, welche der beiliegenden Aufstellung (Anlage 4) entnommen werden können, sind vom Schuljahr 2012/2013 (163.400 €) zum Schul-jahr 2014/ 2015 (340.820 €) um fast 109 % gestiegen.

 

Ein evidenter Grund für diese Steigerung während dieser Zeitspanne war die Tatsache, dass aufgrund der sehr positiven Erfahrungen mit diesem Projekt jedes Schuljahr neue Schulen die Teilnahme an diesem Projekt beantragt haben und aufgenommen wurden. Dennoch hat sich die Anzahl der Kinder, welche über dieses Projekt gefördert werden, in dieser Zeitspanne „nur“ um 81%, d.h. von 182 Kindern auf 330 Kinder erhöht. Der prozentuale Anstieg der Kosten war wesentlich höher. Der Grund für die immense Kostensteigerung liegt damit auch in der durchschnittlich pro Kind erbrachten Lernförderung in Stunden. Insbesondere in den Mittelschulen war eine massive Erhöhung der Stundenzahl zu beobachten.

 

Folgende Gründe können für diese Kostenentwicklung benannt werden:

In den letzten beiden Jahren hat sich Zahl der zugewanderten Kinder mit Flüchtlingshintergrund verstärkt. Diese Kinder benötigen zur Beschulung eine intensivere Betreuung, da sie ohne Sprachkenntnisse und vorherige Sprachförderung und Sozialisation in den Grundschulen ankommen und beschult werden müssen.

  • Sogenannte Übergangsklassen für eben diese Kinder gibt es in den Jahrgangsstufen 1 und 2 nicht.
  • Aufgrund von nicht besetzten Lehrerstellen auf der einen Seite und dem krankheitsbedingten Ausfall von Lehrern auf der anderen Seite ist es für die Schulen nahezu unmöglich ohne die Nutzung unseres Modellversuchs das dringend erforderliche zusätzlich unterstützende Sprachförderangebot vorzuhalten.
  • Des Weiteren kommen im Laufe eines Schuljahres ständig neue Kinder in die Klassen. Auf-grund von häufig mangelnden Sprachkenntnissen, traumatischen Kriegserfahrungen und fehlender schulischer Sozialisation sind zusätzliche Förderangebote für diese „Quer-einsteiger“ sinnvoll.
  • Bereits bei der Einführung der Modellprojektes zeichnete sich ein generelles Problem ab: die Anzahl der Transferleistungsempfänger, deren Kinder Lernförderung in Anspruch nahmen, war wesentlich höher als die, die einen Antrag auf Lernförderung gestellt hatten. Es gestaltet sich aus unterschiedlichsten Gründen schwierig und aufwendig alle Eltern, deren Kinder einen tat-sächlichen Lernförderbedarf haben, zu erreichen und diese zur Antragstellung zu veranlassen. Insofern nehmen bei der Förderung in Kleingruppen auch immer wieder Schüler und Schüle-rinnen teil, die lediglich mangels Vorliegen eines konkreten Antrages nicht über das Projekt abgerechnet werden können.

 

 

Veränderte Vorgaben im Schuljahr 2015/2016

 

Aufgrund der dargestellten Kostenentwicklung auf der einen Seite und der geringen Erstattungsleistungen durch das Land Bayern auf der anderen Seite wurde die Verwaltung beauftragt die Kostenentwicklung unter Beachtung folgender Vorgaben verstärkt in den Blick zu nehmen:

 

  • Schulen, die neu an dem Projekt teilnehmen wollen, dürfen nicht abgewiesen werden
  • Lernförderung darf kein Ersatz für regulären Unterricht darstellen
  • Eine Reduktion der Kosten pro Kind muss angestrebt werden
  • Eine generelle Deckelung der Ausgaben ist kein geeignetes Instrument zur Reduktion der Kosten

 

Unter Beachtung dieser Vorgaben auf der einen Seite und der gesetzlichen Vorgaben auf der anderen Seite wurden von der Verwaltung Eckpunkte erarbeitet, mit den Schulleitern besprochen und ab dem Schuljahr 2015/2016 auch umgesetzt. 

 

 

Eckpunkte für die Umsetzung der Lernförderung ab dem Schuljahr 2015/2016

 

Der Grundsatzbeschluss vom 16.05.2012 mit den dort formulierten Regelungen hat weiterhin Gültigkeit. Daneben werden folgende Eckpunkte beschlossen:

 

 

Leistungserbringung und Leistungsumfang

 

(1)  Der Bedarf an Lernförderung nach §28 Abs. 5 SGB II, §34 Abs. 6 SGB XII und § 6b BKGG wird durch die Schule festgestellt und organisiert. Dabei handelt es sich um eine über das schulische Angebot hinausgehende, angemessene, geeignete und zusätzlich erforderliche Lernförderung, zur Erreichung der nach schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele.

(2)  Die Organisation der Lernförderung erfolgt durch die Schule und in der Regel in Gruppenunterricht. Die Gruppe sollte dabei aus drei bis fünf Personen bestehen. In Ausnahmefällen kann nach der Entscheidung der Schulleitung auch eine Einzelförderung erfolgen.

(3)  Die Lernförderung i.S.d. der gesetzlichen Bestimmungen sollte i.d.R. einen Umfang von einer Stunde pro Woche und Fach in den Hauptfächern (Deutsch, Mathematik, Eng-lisch) nicht übersteigen. Beim Vorliegen besonderer Umstände und entsprechender pädagogischer Einschätzung kann im Einzelfall hiervon abgewichen werden. 

(4)  Die Lernförderung wird grundsätzlich für die Dauer von 6 Monaten bewilligt. Bei erforderlicher Lernförderung über diesen Zeitraum hinaus ist eine erneute Begründung der Notwendigkeit der Lernförderung vorzulegen.

(5)  Die Lernförderung kann am Nachmittag, aber auch parallel zum Unterricht stattfinden. Die Frage der Organisation muss sich an der Schülerstruktur orientieren und obliegt der Schulleitung.

(6)  Die Schulen sind aufgefordert, bei berechtigten Kindern, die an der optimierten Lernförderung teilnehmen, aber keinen Antrag abgegeben haben, diesen über geeignete Umwege einzufordern (ASB, AWO, etc.)

 

 

Personal

 

(1)  Die Schule gewährleistet selbst, dass für die Lernförderung persönlich und fachlich geeignetes Personal eingesetzt wird.

(2)  Die Gewinnung von geeignetem Personal (sog. Pädagogen in Bildungsarbeit), die Koordination und die Abrechnung mit dem Jobcenter durch die Volkshochschule Erlangen haben sich sehr bewährt. Eine Kooperation mit vhs Erlangen wird auch weiterhin befürwortet. 

 

 

Vergütung

 

(1)  Gem. §28 Abs. 5 SGB II sind die angemessenen Kosten zu übernehmen. Angemessen sind die Kosten dann, wenn sie im Rahmen der örtlichen Angebotsstruktur auf kostengünstige Anbieter-strukturen zurückgreifen.

(2)  Bei den Honorarkosten - im Rahmen des Modellprojektes „Optimierte Lernförderung“ - wird bei den Honorarsätzen unterschieden, ob es sich um Gruppen- oder Einzelunterricht handelt. Grund hierfür ist, dass bei Gruppenunterricht die Förderung durch die Leistungen „Bildung und Teilhabe“ pro teilnehmenden Schüler/in erfolgt. Ausgehend von schulpädagogisch ausgebildeten Fachkräften werden folgende Honorare bis zur nachstehend genannten Höhe als angemessen anerkannt:

·         Bei Lernförderung in Kleingruppen (bis zu max. 5 Schüler/innen) 10 € je Schulstunde

·         Bei Einzelförderung von Schülern oder Schülerinnen max. 30 € je Schulstunde

 

 

Erfolgskontrolle durch Evaluation

 

Gleichzeitig wurde mit der vhs und den Schulen eine Evaluation des Projektes im laufenden Schuljahr 2015/2016 vereinbart.

 

Derzeit wird das Projekt zwar sehr positiv bewertet, diese Bewertung basiert allerdings in erster Linie auf subjektiven Rückmeldungen der Schulleitungen:

 

  • Eine Entlastung der Lehrkräfte ist deutlich spürbar
  • Die Pädagogen in der Bildungsarbeit bringen „frischen Wind“ mit in die Schulen und werden von den Schülern sehr gut akzeptiert
  • Es wird eine gute Lehr- und Lernatmosphäre geschaffen
  • Es ist eine sehr gezielte Förderung der Schüler möglich

Unabhängig von dieser Einschätzung der Schulen erfolgt im Schuljahr 2015/2016 eine Evaluation durch den Lehrstuhl für Pädagogik und Medienpädagogik der Universität Erlangen; die Zu-stimmung des staatlichen Schulamtes für dieses Projekt liegt vor. Im Rahmen dieser Evaluation sollen Schulleiter befragt, Schüler interviewt und auch Noten und Schulabschlüsse verglichen werden.

 

Eine Präsentation der Ergebnisse ist für den Herbst 2016 geplant.

 

 

Entwicklung im Schuljahr 2015/2016

 

Im Schuljahr 2015/2016 nehmen folgende Schulen am Modellprojekt teil:

 

  • Hermann-Hedenus-Mittelschule
  • Eichendorff – Mittelschule
  • Ernst-Penzoldt-Mittelschule
  • Werner-von-Siemens-Realschule
  • Pestalozzischule
  • Max-und Justine-Elsner-Schule
  • Mönauschule
  • Loschge-Grundschule (seit Oktober 2015)
  • Grundschule Erlangen-Büchenbach (seit Januar 2016)
  • Hermann-Hedenus-Grundschule (seit Februar 2016)

 

Der Anlage 4 können die Kosten pro Schuljahr für das Modellprojekt „Optimierte Lernförderung“ entnommen werden. In den vergangenen drei Schuljahren sind die Kosten wie bereits beschrieben massiv gestiegen. Trotz der mit den Schulen vereinbarten Eckpunkte werden die Gesamtkosten im Projekt erneut in erheblichem Maße ansteigen. Eine Hochrechnung der Kosten für das Schuljahr 2015/2016 (siehe Tabelle) ergibt Kosten für dieses Schuljahr in Höhe von ca. 623.650 €.

 

Von diesen Kosten entfällt ein Betrag in Höhe von  244.340 € auf Kinder, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen. Diese Leistungen werden nach den Bestimmungen des Asylbewerberleistungsgesetzes in voller Höhe vom Land an die Kommune erstattet und fließen damit nicht in die beschriebene Bundeserstattung nach §46 Abs. 6 – 8 SGB II.

 

Da die Leistungen nach dem AsylBLG vom Land erstattet werden, die Kosten nach dem SGB XII 3. Kapitel (1.700 €) ohnehin kommunal finanziert werden, ist ein Betrag von 377.610 € für die Bundeserstattung BuT anzumelden.

 

Dieser weicht nicht erheblich von den Aufwendungen im Schuljahr 2014/2015 ab.

 

 

Zum heutigen Zeitpunkt können bezgl. der Entwicklung der Kosten im Schuljahr 2014/2015 folgende Aussagen getroffen werden:

 

  • Die massive Steigerung der Kosten ist in erster Linie der Lernförderung der Flüchtlingskinder geschuldet; diese Kosten werden der Stadt vollständig erstattet.
  • Es ist unstreitig, dass diese aufgrund fehlender Deutschkenntnisse zweifellos einen wesentlich höheren Förderbedarf haben als andere Kinder
  • Diese Kinder bedürfen zwangsläufig, in zahlreichen Fällen Einzelunterricht
  • Die durchschnittliche Stundenzahl pro Kind steigt proportional mit der Anzahl der Flüchtlingskinder pro Schule; diese benötigen eine Förderung in einem wesentlichen größeren Umfang
  • Die Kostensteigerung, die über die BuT-Erstattung geltend zu machen ist, beruht in erster Linie in der Aufnahme neuer Schulen in das Projekt.

 

Im Übrigen ist das Gesetzesverfahren im Freistaat noch nicht abgeschlossen und die Petition noch nicht behandelt.

 

 

 

 


Anlagen:        1. Statistik B+T-Leistungen

                        2. Entwicklung der B+T-Bundeserstattungen

                        3. Kostenvergleich Mittagessen und BuT

                        4. Entwicklung nach Schuljahren

                        5. Antwortschreiben Hr. Herrmann

                            Antwortschreiben Hr. Albrecht