Betreff
Zur Frage der Errichtung eines Pflegestützpunktes in Erlangen hier: Zum Antrag der CSU-Stadtratsfraktion Nr. 129/2008 vom 17.06.2008
Vorlage
50/018/2010
Aktenzeichen
V/50/VOA - 86 2249
Art
Beschlussvorlage

1. Dem Vorschlag der Verwaltung, im Einvernehmen mit dem Landkreis ERH, dem Bezirk Mittelfranken und den beteiligten örtlichen Pflegekassen unter Federführung der Errichtungsbeauftragten SBK, auf die Errichtung eines Pflegestützpunktes in der Stadt Erlangen zu verzichten, wird beigetreten. Die entsprechende Interessensbekundung der Stadt Erlangen vom Dezember 2009, die fristgerecht gegenüber der AOK Bayern abgegeben wurde, wird hiermit zurückgenommen.

2. Der CSU-Fraktionsantrag Nr. 129/2008 vom 17.06.2008 ist damit abschließend bearbeitet.


Durch das Pflegeweiterentwicklungsgesetz des Bundes vom 01.07.2008 wurden die Pflegekassen nicht nur verpflichtet, bei sich selbst für die eigenen Mitglieder eine Pflegeberatung bereitzustellen (§ 7a SGB XI). Die Pflegekassen wurden darüber hinaus auch im neuen § 92c SGB XI verpflichtet, gemeinsam mit den örtlichen und überörtlichen Sozialleistungsträgern und Seniorenämtern in Form von örtlichen Pflegestützpunkten eine unabhängige und wettbewerbsneutrale Pflegeberatung zu organisieren, in denen umfassende, vernetzte und wohnortnahe Auskunft, Beratung und Hilfen rund um das Thema Pflege bereitgestellt, bzw. vermittelt werden kann.

 

Allerdings konnte sich der Gesetzgeber letztlich nicht zu einem unbedingten Errichtungsauftrag an die Kassen durchringen – der Auftrag an die Pflegekassen zur Errichtung von Pflegestützpunkten war vielmehr an zwei Bedingungen geknüpft:

 

·      Das jeweilige Bundesland musste für seinen Zuständigkeitsbereich einen förmlichen Errichtungsauftrag erlassen (dieser erging für Bayern in Form einer Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung am 30.10.2009) und

·      zwischen den Kassen und den sonstigen Beteiligten (insbesondere den Kommunen) musste vor Ort eine Vereinbarung über Kostenverteilung und Kostentragung abgeschlossen werden.

 

Zur Vorstrukturierung dieser notwendigen Vertragsabschlüsse auf der örtlichen Ebene fanden im Zeitraum von Dezember 2008 bis Oktober 2009 Verhandlungen zwischen der Arbeitsgemeinschaft der Kranken- und Pflegekassenverbände in Bayern und den bayerischen kommunalen Spitzenverbänden statt, die mit dem Abschluss einer Rahmenvereinbarung zur Errichtung und zum Betrieb von Pflegestützpunkten nach § 92c SGB XI im Freistaat Bayern vom 30.10.2009 endeten. In dieser Rahmenvereinbarung war die Höhe des kommunalen Kostenanteils zwar offen gelassen – während die kommunalen Spitzenverbände maximal eine 1/3-Kostenbeteiligung der Kommunen vorsehen wollten, bestanden die Kassen auf einer kommunalen Kostenübernahme von 50%. Darüber hinaus wurde in der Rahmenvereinbarung festgelegt, dass die Kosten für Personal, das in den Pflegestützpunkt entsandt wird, vollständig vom entsendenden Träger zu finanzieren ist. Eine Kostenaufteilung soll nur hinsichtlich der anfallenden Sachkosten erfolgen.

 

In der Stadt Erlangen besteht insoweit eine, von vielen anderen Kommunen abweichende Ausgangssituation, als eine gut funktionierende und fachkundige, kommunale Pflegeberatung die bereits seit 2002 existiert. Sie wurde seinerzeit auf Wunsch des Seniorenbeirats eingerichtet und erfüllt im Hinblick auf Fachkunde, Trägerunabhängigkeit, Neutralität usw. alle Anforderungen, die an einen Pflegestützpunkt gerichtet werden. Auch alle weiteren Beratungsfelder, wie Behindertenberatung, Beratung zur Wohnungsanpassung, Seniorenberatung, Sozialhilfeberatung usw., werden in der Stadtverwaltung Erlangen durch Beschäftigte der Abteilungen 502, 503 und 504 bereits heute abgedeckt. Nach den Festlegungen der Rahmenvereinbarung ist jedoch klar, dass bei Einbringen dieser städtischen Personalkapazitäten in einen Pflegestützpunkt eine finanzielle Entlastung der Stadt dadurch nicht denkbar ist (Personalkosten müssen weiter voll von dem entsendenden Träger getragen werden). Bei Errichtung eines Pflegestützpunktes bestünde für die Stadt Erlangen sogar im Gegenteil das Risiko, sich an den Raum- und Sachkosten der Pflegeberatungskräfte nach § 7a SGB XI beteiligen zu müssen, die in diesem Fall von Seiten der Kassen in den Pflegestützpunkt entsandt würden.

 

Darüber hinaus hat sich sehr schnell gezeigt, dass im Fall der Errichtung eines Pflegestützpunktes weitere, zusätzliche Sachkosten ausgelöst und von der Stadt mitfinanziert werden müssten, die ohne eine solche Errichtung überhaupt nicht anfallen würden:

 

·      Von Seiten der Pflegekassen wird für erforderlich gehalten ein neues, umfangreiches und teures Softwaresystem speziell für diesen Zweck zu erwerben (inklusive dauerhafter Lizenz- und Pflegekosten). Eine solche einheitliche Software für alle Pflegestützpunkte (für jeden Beratungskunden wäre zunächst ein 17seitiges Statistikformular auszufüllen) macht aus Sicht der Stadt nur Sinn, wenn es für die landesweite Evaluation benötigt wird, oder wenn es für die interne Weiterverrechnung von Kosten innerhalb der einzelnen Pflegekassen benötigt würde. Für die Durchführung des Beratungsgeschäfts wäre eine solche umfangreiche Datenerhebung und Datenerfassung dagegen kontraproduktiv.

·      Darüber hinaus wurde auch die Notwendigkeit gesehen, für alle Pflegestützpunkte in Bayern ein einheitliches Logo entwerfen und anschaffen zu lassen. Auch dies würde unnötige Mehrkosten bedeuten, an denen sich die Stadt Erlangen im Fall der Errichtung eines Pflegestützpunktes beteiligen müsste.

 

Schließlich ist als weiteres Problem noch die unmissverständliche Forderung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales aufgetaucht, im Fall der Errichtung eines Pflegestützpunktes müsse zwingend die bestehende Fachstelle für pflegende Angehörige räumlich in diesen Pflegestützpunkt integriert werden – andernfalls sei mit einer Absenkung der staatlichen Förderung für diese Fachstelle für pflegende Angehörige zu rechnen. Entgegen der Vorstellung des Ministeriums ist jedoch der Standort der Fachstelle für pflegende Angehörige in Erlangen (Haus Dreycedern) als optimal anzusehen. Eine räumliche Integration in den Pflegestützpunkt (z. B. im Rathaus) würde eine drastische Verschlechterung der Raumsituation für diese wichtige Einrichtung in Erlangen bedeuten. Auf ausdrückliche telefonische Nachfrage hat das Ministerium dagegen bestätigt, dass sich an der staatlichen Förderung der Fachstelle für pflegende Angehörige in Erlangen dann nichts ändern wird, wenn es nicht zu einer Errichtung eines Pflegestützpunktes in Erlangen käme, weil dann keine räumliche Integration mehr gefordert werden könne.

 

 

 

Nachdem im Dezember 2009 – innerhalb der vom Ministerium gesetzten Frist – das grundsätzliche Interesse der Stadt Erlangen an der Errichtung eines Pflegestützpunktes bekundet wurde, sind vor Ort Gespräche mit den örtlichen Pflegekassen unter der Federführung der Errichtungsbeauftragen SBK, unter Beteiligung des Landkreises und des Bezirkes Mittelfranken Gespräche aufgenommen worden. Aufgrund der oben genannten Argumente (Sondersituation in der Stadt Erlangen durch ein bereits existierendes, vollwertiges und umfassendes Pflegeberatungsangebot) waren sich schließlich alle Beteiligten einig, dass

 

·      das existierende Pflegeberatungsangebot der Stadtverwaltung Erlangen bereits jetzt allen Anforderungen genügt und eine qualitative Verbesserung durch Errichtung eines Pflegestützpunktes nicht zu erwarten ist

·      durch Errichtung eines Pflegestützpunktes nur unnötige zusätzliche Sach- und Raumkosten entstünden, die wiederum einen zusätzlichen Abrechnungs- und Kostenverteilungsaufwand verursachen würden und

·      dass durch einen Verzicht auf die Errichtung eines Pflegestützpunktes eine Gefährdung der staatlichen Bezuschussung für die Fachstelle für pflegende Angehörige in Erlangen vermieden werden kann.

In dieser Auffassung waren sich alle beteiligten Sozialleistungsträger und alle beteiligten Pflegekassen einig, wie aus dem in der Anlage beigefügten Protokoll ersichtlich ist. Zur Optimierung der Zusammenarbeit werden für die Zukunft regelmäßige Treffen der Pflegeberatungen der Kassen und der Stadt Erlangen vereinbart.

 

Die Verwaltung schlägt deshalb vor, auf die Errichtung eines Pflegestützpunktes in Erlangen zu verzichten und die vorsorglich ausgesprochene Interessensbekundung wieder zurückzunehmen.

 

Das Interesse an der Errichtung eines Pflegestützpunktes scheint auch insgesamt in Bayern sehr gering zu sein. Bei insgesamt 96 kreisfreien Städten und Landkreisen in Bayern war vom Staatsministerium ursprünglich vorgesehen gewesen, in einer ersten Welle 60 Pflegestützpunkte zu errichten. Dieses Ziel dürfte bei weitem verfehlt werden, nachdem lediglich von 15 Kommunen eine vorsorgliche Interessenbekundung erklärt wurde.

 

 

 

Kopie an <SBK/Frau Fellenstein> zur Kenntnis und zum Weiteren

Jeweils in Kopie an <Referat V>, an <504/Herrn Gößmann> und an <504/Frau Cramer> jeweils zur Kenntnis

 


Anlagen:    1: CSU-Fraktionsantrag Nr. 129/2008 vom 17.06.2008

                    2. Protokoll der SBK zur Veranstaltung „Pflegestützpunkt in der Stadt Erlangen“