Betreff
Sachstandsbericht zum Prozess der Neuorganisation von Arbeit ERlangen aufgrund des Urteils des BSG vom 03.09.2020
Vorlage
55/026/2021
Aktenzeichen
Amt 55
Art
Mitteilung zur Kenntnis

Der Bericht der Verwaltung dient zur Kenntnis.


Ausgangssituation:

Das Bundessozialgericht (BSG) hat in einem Urteil vom 03.09.2020, Az.: B 14 AS 24/17 R festgestellt, eine Aufteilung der beiden zentralen Teilaufgaben des SGB II – der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit und der Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts, Alg2 – auf zwei verschiedene Stellen verstoße gegen den Grundsatz der „Leistungen aus einer Hand“. Nach dem BSG enthält das SGB II keine Befugnis für eine optierende Kommune zur Übertragung aller Leistungen zur Eingliederung in Arbeit auf ein kommunales Tochterunternehmen, wie eine AöR.

Die GGFA AöR kann demnach im Bereich der Eingliederung von Leistungsbeziehenden von Alg2 in den Arbeitsmarkt nicht hoheitlich handeln. Mitarbeitende der GGFA können somit insbesondere keine Verwaltungsakte und Bescheide rechtssicher erlassen. Rechtmäßig kann dies nur im hoheitlichen Bereich des Jobcenters, dieser ist auf das Amt 55 beschränkt, geschehen.

Eine Neuorganisation der Grundsicherung für Arbeitssuchende innerhalb der zkT, Stadt Erlangen ist unumgänglich. Nur wenn alle Leistungen des SGB II - auch rechtlich-organisatorisch - aus einer Hand erbracht werden, geschieht dies rechtskonform und verschafft den Mitarbeitenden in den zugehörigen Abteilungen FM, PAV und IM wieder hoheitliche Handlungskompetenz.

 

Problematik:

Nach dem Urteil des BSG muss – übertragen auf bayerische, bzw. Erlanger Verhältnisse, ein Jobcenter als Teil der Stadtverwaltung (etwa Amt oder Eigenbetrieb) geschaffen werden. Die Rechtmäßigkeit eines Jobcenters kann in Bayern, mangels entsprechender landesrechtlicher Vorschriften, nicht durch Bildung einer Gesamt-AöR, „Arbeit ERlangen“, hergestellt werden. Nach dem Bayerischen Gesetz zur Ausführung der Sozialgesetze gehört die Erfüllung der Aufgabe des SGB II durch die Kommunen zu deren übertragenen Wirkungskreis. Nach Art 87 BayGO sollen Aufgaben aus dem übertragenen Wirkungskreis grundsätzlich nicht auf Kommunalunternehmen (=AöR) weiterübertragen werden.

 

Aktueller Sachstand:

Die Stadtspitze schloss sich dieser Sichtweise an und hat die Option einer Zusammenführung der Teilleistungen des SGB II in einer künftigen Gesamt-AöR verworfen. Mithin stehen grundsätzlich zwei Organisationsformen, Amt oder Eigenbetrieb zur Wahl.

 

Es wurde eine Arbeitsgruppe zur Entscheidungsvorbereitung eingesetzt. Die Leitung liegt bei Ref V. Mitglieder sind: Vorstand GGFA, zugleich Amtsleiter 55; Führungskräfte von Amt 55 und AöR; Beteiligungsmanagement; PMin OBM; Amtsleitung Rechtsamt; Abteilungsleitung Organisation des Personalamts und der Vorsitzende der Personalvertretung der GGFA.

 

Die Arbeitsgruppe hat den Auftrag, zu bestimmen, welche die rechtkonforme und dabei möglichst geeignete neue Organisationsform von Arbeit ERlangen sein kann.

Die Arbeitsgruppe wägt ab, welche Bewertungskriterien hinsichtlich der Eignung mit welchem Gewicht herangezogen werden. Insbesondere ist zu berücksichtigen, wie der BgA künftg in die jeweilige Organisation integriert oder optimal an sie angebunden werden kann. Denn, neben weiteren Entscheidungskriterien, spielt die Erhaltung der Vorteile einer Verknüpfung von Beratung und Bewilligung von Eingliederungsleistungen im Jobcenter mit der Entwicklung flexibler und passgenauer Maßnahmen durch den Maßnahmenträger innerhalb einer Organisationseinheit (System der Selbstvornahme, das von Erlangen maßgeblich mitentwickelt wurde) eine maßgebliche Rolle.

 

Bislang fanden drei Arbeitsgruppensitzungen am 04. und 20.05.2021 sowie am 21.6.21 statt. In der ersten Sitzung wurde entschieden, dem bayerischen Innenministerium die Frage, ob, im besonderen Fall des SGB II, auch Eigenbetriebe kommunalrechtlich für die Wahrnehmung von Aufgaben aus dem übertragenen Wirkungskreis geeignet seien, zur Einschätzung vorzulegen. Auf das entsprechende Schreiben (Anlage 1) an das Ministerium wird Bezug genommen. Eine Rückantwort liegt zwischenzeitlich vor und wurde in der Arbeitsgruppe am 21.6. diskutiert und eingeordnet. Im Nachgang wird ein Gesprächstermin mit dem Bayerischen Ministerium für Arbeit und Soziales vereinbart.

 

Weiter wird durch eine Unterarbeitsgruppe eine Nutzwertanalyse erstellt, in die alle relevanten Bewertungskriterien für die Eignung der neuen Organisationsform einfließen können. Sie soll die Entscheidungsfindung zwischen einem Vorschlag für die Umsetzung in der Kernverwaltung (Amt) oder, wenn rechtlich zulässig, in Form des Eigenbetriebs unterstützen.

 

Zeitplan, weiteres Vorgehen:

Voraussichtlich im Oktober soll dem Stadtrat eine Beschlussvorlage mit einer Empfehlung zur neu zu schaffenden Organisationsform zugeleitet werden. Bei rechtlicher Zulässigkeit des Eigenbetriebs können, insbesondere unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Nutzwertanalyse, prinzipiell auch beide Organisationsformen als alternative Beschlussvorschläge aufgenommen werden.

 

Die Umsetzung des Stadtratsbeschlusses soll im Lauf des Jahres 2022 so weit vorangetrieben werden, dass die neue Organisationsform zum Jahresbeginn 2023 ihre Arbeit aufnehmen kann.

 


Anlagen: Schreiben an das bay. Innenministerium vom 06.05.2021