Betreff
Wärmespeicher;
Fraktionsanträge Nr. 180/2020 der FDP-Fraktion sowie Nr. 198/2020 der SPD, Grünen Liste, Erlanger Linke, ÖDP und Freien Wähler
Vorlage
III/008/2020
Aktenzeichen
III/ EStw
Art
Beschlussvorlage

Der Bericht der Verwaltung wird zur Kenntnis genommen.

 

Der Antrag Nr. 180/2020 der FDP sowie der gemeinsame Antrag Nr. 198/2020 der SPD, Grünen Liste, Erlanger Linke, ÖDP und Freien Wähler sind damit bearbeitet.

 


Laut beiden Fraktionsanträgen soll sinngemäß, ein Wärmespeicher die Strom- und die Wärmeerzeugung zeitlich entkoppeln und so bei erhöhtem Strombedarf die ggf. überschüssige Wärme im Speicher „zwischenlagern“.

 

Das Heizkraftwerk (HKW) der ESTW ist in der Regel, entsprechend den Anforderungen primär Wärme zu liefern, wärmegeführt. Das HKW erzeugt die Wärme entsprechend dem aktuellen Wärmebedarf.

 

Anders als in anderen Anwendungsfällen, wo überschüssige Wärme, z.B. aus der Müllverbrennung, über dem aktuellen Bedarf der Abnehmer zur Verfügung steht, besteht in Erlangen kein Potential „Überschusswärme“ in einen Wärmespeicher einzuspeisen. Ein Wärmespeicher kann nur dann Sinn machen, wenn überschüssige Wärme (z.B. auch Industrieabwärme) anfällt, die zu bestimmten Zeiten nicht im Fernwärmenetz abgesetzt werden kann. Diese Möglichkeiten gibt es aber nicht in nennenswertem Umfang in Erlangen.

 

Die nachrangige Stromerzeugung im Kraft-Wärme-Kopplungs(KWK)-Prozess orientiert an der Lastspitzenabdeckung im Erlanger Stromversorgungsnetz oder an dann erzielbaren Erträgen in der Stromvermarktung zu dann auch attraktiven Preisen. Bei unattraktiven Strompreisen oder wenn viel Strom aus erneuerbaren Energien im vorgelagerten Netz vorhanden ist, weil die Sonne scheint und der Wind weht, erzeugt das HKW weniger bis nahezu keinen Strom.

 

Ein nennenswerter Beitrag der Wirtschaftlichkeit des HKW beruht nun darauf, dass aber die Strombezugsleistung, die von vorgelagerten Netzbetreibern zur Verfügung gestellt und bezogen wird, reduziert wird. Es sind kurzzeitige damit auch teure Lastspitzen zu vermeiden.

Die Stadt Erlangen hat eine maximale Strombezugsleistung von ca. 115 MW. Das derzeitige, im Rahmen eines Optimierungsprozesses selbst gesteckte Ziel der ESTW ist es, nur ca. 87 MW zuzukaufen und den Rest selbst durch lokale Stromerzeugung abzudecken. Sobald sich die von den Vorlieferanten bezogenen Leistung dem Wert ca. 87 MW nähert, greifen bei ESTW verschiedene betriebliche Mechanismen: Ein wesentlicher Baustein ist dabei die Leistung der HKW-Anlagen hochzufahren oder weitere zusätzlich in Betrieb zu nehmen.

Beim Leistungsbezug sind die sogenannten ‚Viertelstundenwerte‘ (die eben alle 15 Minuten gemessen werden) entscheidend. In der Regel muss dann ein Spitzenwert nur 15, 30 oder 60 Min. gehalten werden. Diese Zeitperiode konnte bisher immer von ESTW-Netz abgedeckt werden. Das Fernwärmenetz diente dann als großer Pufferspeicher für die zusätzliche Wärme und wird damit für eine gewisse Zeitspanne kontrolliert ‚überheizt‘. Bei einer Temperaturerhöhung des Fernwärmenetzes um 10 Kelvin und bei einem Wasserinhalt von ca. 7.300 m³ könnte das Netz kurzfristig 85 MWh Wärme aufnehmen.

 

Um Stromspitzenbezüge wirksam abfangen bzw. vermeiden zu können, wurde unter anderem auch das neue BHKW 2018 in der Bunsenstraße errichtet. Es bietet durch die Betriebsweise der dort verwendeten Gasmotoren die Möglichkeit hohe Leistungen sehr schnell betriebsbereit zur Verfügung zu stellen und bei gleichzeitig hoher Stromerzeugung deutlich weniger Wärme zu erzeugen als die anderen HKW-Anlagen. Das BHKW könnte 10 h in Volllast betrieben werden, um das Potential der Netztemperaturanhebung auszuschöpfen. Damit lässt sich jede auftretende Stromspitze deutlich wirtschaftlicher abfahren.

Ein Wärmespeicher wird für diese Betriebssituation daher nicht als notwendig erachtet.

 

Eine weitere Einsatzmöglichkeit ist den immer häufiger auftretenden negativen Börsen-Strom-preisen entgegenzuwirken. In der Regel treten negative Strompreise am Wochenende bei geringem, allgemeinem Strombedarf der Verbraucher, insbesondere der Industrie und der Gewerbebetriebe und gleichzeitig hoher Einspeisung regenerativer Energien auf. Hier könnte es Sinn machen, den Speicher während der Woche bei attraktiven Strompreisen zu beladen und am Wochenende alle Erzeugungseinheiten abzuschalten, um den Speicher wieder zu entladen. Das bedeutet aber, der Speicher muss auch dementsprechend groß dimensioniert werden. Als theoretisch denkbares Szenario haben die ESTW das berechnet: Repräsentativ wurden zwei Wochenenden der letzten Heizperiode ausgewählt bzw. mit mittleren Tagestemperaturen um 0°C zu Grunde gelegt. In der Zeit von Freitag-Mittag, gegen 12.00 Uhr bis zum Montag-Morgen gegen ca. 6.00 Uhr besteht ein Wärmebedarf von 5.500 MWh. Das wäre dann der Wärmebedarf, den sinnvollerweise auch der Speicher aufnehmen können sollte. Im ursprünglichen Kohlebunker wäre dann ein Wärmespeicher mit einem Durchmesser von ca. max. 40 m denkbar (siehe nachfolgendes Bild).

 

Bei einer maximalen Speichertemperatur von 100 °C und einer Endladung des Speichers bis 60 °C müsste der Speicher eine Höhe von ca. 90 m haben. Das würde jedoch stadtplanerisch kaum durchsetzbar sein. Selbst, wenn man das unterstellt erforderliche Volumen kleiner auswählt: ein solcher Speicher benötigt, um eine wirksame thermische Schichtung des Speichermediums hinzubekommen, eine in Erlangen weithin sichtbare Höhe.

Der betriebswirtschaftliche Nutzen eines solchen Speichers wurde bisher bei ESTW nicht präzise berechnet. Bei den hohen zu erwartenden Kosten durch Bau und erforderliche Sicherheitstechnik wegen des heißen Speichermediums und bei den derzeit überschaubaren Zeitspannen des Vorhandenseins eines negativen Strompreises wird sich aber höchst wahrscheinlich keine Wirtschaftlichkeit darstellen lassen.

 

In der Quintessenz ist klar, dass ein Wärmespeicher in Erlangen zu keinerlei tatsächlicher CO2-Einsparung führt, sondern sogar durch die Verluste des Speichers (Einspeicherung/Speicherung (Verweildauer)/Ausspeicherung) zu einer Erhöhung von CO2 führen könnte. Sinnvoller wäre es daher aus Sicht der ESTW, die Investitionen in CO2-reduzierte/-reduzierende oder -freie Erzeugung zu stecken.

 


Anlagen:        Fraktionsanträge Nr. 180 und Nr. 198/2020