Betreff
Verkehrskonzept Innenstadt im Umfeld der Fußgängerzone – Ergebnisbericht zur Evaluation des Verkehrsverhaltens und weiteres Vorgehen
Vorlage
613/095/2016
Aktenzeichen
VI/61
Art
Beschlussvorlage

1.    Die Verwaltung wird beauftragt, die Fußgängerzone Hauptstraße zwischen Südliche Stadtmauerstraße und Wasserturmstraße als einjährigen Probebetrieb ganztägig für den Radverkehr freizugeben.

 

2.    Die Maßnahme soll mit einer öffentlichen Kampagne zur Förderung der gegenseitigen Rücksichtnahme begleitet werden. Das Konzept der Kampagne wird dem Ausschuss vor Umsetzung der Maßnahme zur Kenntnis vorgelegt.

 

3.    Die gutachterliche Empfehlung der Neuregelung des ruhenden Verkehrs in der Goethestraße mit Einführung von Lieferverkehrszonen soll im Rahmen der derzeitigen Bearbeitung des Meilensteins F des Verkehrsentwicklungsplanes weiter verfolgt werden.

 

4.    Nach Ablauf der Probephase ist über den Verlauf der Maßnahme zu berichten.

 


1.   Ergebnis/Wirkungen
(Welche Ergebnisse bzw. Wirkungen sollen erzielt werden?)

Anlass / Ausgangslage

 

Mit Beschlussvorlage 613/134/2013 legte die Verwaltung im Jahr 2013 ein erstes Konzept zur Ausweitung der Fußgängerzone im Rahmen des Verkehrskonzeptes Innenstadt vor. Als Beitrag zur Verkehrsberuhigung der Innenstadt sah das Konzept vor, die Nürnberger Straße (zwischen Henke- und Sedanstraße) und die Achse Kammererstraße / Apothekergasse / Halbmondstraße / Schlossplatz / Apfelstraße in die bestehende Fußgängerzone zu integrieren. Der Radverkehr sollte ohne zeitliche Einschränkung freigegeben werden, Lieferverkehr von 18:30 bis 10:30 Uhr (vgl. Anlage 1).

 

Die vorrangige Zielsetzung des Konzeptes war es, die in diesem Gebiet zuvor geltenden heterogenen Verkehrsregelungen zu harmonisieren. Durch eine Vereinheitlichung und Anpassung an die städtebaulichen und straßenräumlichen Gegebenheiten sollten die verkehrlichen Regelungen für die Verkehrsteilnehmer einfacher und nachvollziehbarer werden und so zu einem sichereren Verhalten beitragen.

 

Darüber hinaus sollte die Ausweitung der Fußgängerzone zu einer Steigerung der Aufenthaltsqualität für Fußgänger in der Innenstadt beitragen. Mit Ausweisung der Achse Kammererstraße / Apothekergasse / Halbmondstraße / Schlossplatz / Apfelstraße sah das Konzept vor, das Befahren und Beparken durch den MIV zu vermeiden und damit ein erhöhtes Platzangebot für Fußgänger und Radfahrer zu schaffen. Dem Fußverkehr sollte durch die Umwidmung auf genannter Achse sowie in der Nürnberger Straße südlich der Henkestraße Vorrang gewährt werden und somit eine Nutzung der vollen Breite der Fahrbahnen auch rechtlich ermöglicht werden. Der zugelassene Liefer-, Anwohner und Radverkehr wäre gemäß StVO verpflichtet, im gesamten Bereich Schrittgeschwindigkeit einzuhalten.

 

Die Ausweitung und gleichzeitige uneingeschränkte Freigabe der Fußgängerzone für den Radverkehr stellt daher für Fußgänger und Radfahrer einen Kompromiss dar. Eine gemeinsame Nutzung der Fußgängerzone erfordert zwar eine angepasste Fahrweise, ermöglicht aber zugleich eine deutlich bessere Erreichbarkeit innerstädtischer Ziele für den Radverkehr. Insgesamt wäre das vorgesehene Konzept so ein wichtiger Bestandteil zur Umsetzung des übergeordneten Verkehrskonzeptes Innenstadt, das langfristig eine Verkehrsberuhigung der Erlanger Innenstadt vorsieht.

 

Modifiziertes Verkehrskonzept im Bereich der Fußgängerzone

 

Das ursprüngliche Konzept wurde in Öffentlichkeit und Politik kontrovers diskutiert. Dabei standen vor allem Sicherheitsbedenken im Miteinander von Fußgängern und Radfahrern im Vordergrund der Debatte. Insbesondere wurde eine erhöhte Gefährdung von älteren Menschen und Kindern durch Radfahrer in der Fußgängerzone befürchtet. Aber auch für den Radverkehr wurden Nachteile benannt: so sei die in Fußgängerbereichen vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit für Radfahrer nur schwierig einzuhalten und stünde besonders auf der Achse Kammererstraße / Apothekergasse / Halbmondstraße / Schlossplatz / Apfelstraße einem zügigen Vorankommen entgegen. Die vorgeschlagene Ausweichroute über die Goethestraße sei auf Grund des hohen Busaufkommens unattraktiv für Radfahrer und auch die Achse Güterbahnhofsstraße – Nägelsbachstraße sei keine adäquate Alternative.

 

Resultat der öffentlichen Diskussion sowie verschiedener Fraktionsanträge war daher, dass zunächst ein modifiziertes Verkehrskonzept im Umfeld der Fußgängerzone umgesetzt wurde. Als erster Umsetzungsschritt zur Ausweitung der Fußgängerzone wurde die für den Radverkehr wichtige Parallelachse Apfel- / Halbmond- / Kammererstraße von einem vormals Verkehrsberuhigten Geschäftsbereich (Tempo-20-Zone) in einen gemeinsamen Geh- und Radweg umgewandelt (vgl. 613/151/2013 und Anlage 2). Damit konnte erreicht werden, dass der Kfz-Verkehr die Achse nur noch während der Lieferverkehrszeiten befahren darf und damit dem Rad- und Fußgängerverkehr mehr Fläche zur Verfügung steht. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass das Einfahrts- und Parkverbot außerhalb der Lieferverkehrszeiten häufig missachtet wird (vgl. 613/191/2014).

 

Evaluation und Öffentlichkeitsarbeit

 

In Zusammenhang mit der Umsetzung des oben geschilderten modifizierten Konzeptes wurde die Verwaltung mit Beschluss 613/134/2013 beauftragt, eine Evaluation des Verkehrsverhaltens in der Innenstadt, insbesondere zwischen Radfahrern und Fußgängern, durchzuführen und eine öffentliche Kampagne zur Förderung der gegenseitigen Rücksichtnahme aller Verkehrsteilnehmer in der Innenstadt zu konzipieren.

 

Mit der Durchführung wurde das Planungsbüro Planungsgemeinschaft Verkehr PGV-Alrutz GbR beauftragt. Die Evaluation erfolgte unter folgender Zielstellung:

 

·         die Akzeptanz bestehender Verkehrsregelungen im Innenstadtbereich erfassen,

·         das Konfliktpotenzial zwischen Rad- und Fußverkehr bei verschiedenen straßenräumlichen und verkehrlichen Gegebenheiten erfassen und analysieren,

·         die verkehrlichen Einflüsse wie Lieferverkehr, Busverkehr, Parken von Kfz erfassen und in die Gesamtbetrachtung mit einbeziehen,

·         die Ergebnisse vor dem Hintergrund des aktuellen Erkenntnisstandes zum Radverkehr und der Aussagen der Regelwerke und verkehrsrechtlichen Anforderungen zu bewerten sowie

·         auf Grundlage der Befunde Handlungsempfehlungen in Hinblick auf eine Weiterentwicklung der verkehrlichen Regelungen in der Innenstadt abzuleiten.

Im Juni 2015 wurden hierzu an sieben Standorten im Bereich der Fußgängerzone Hauptstraße, Nürnberger Straße, Goethestraße und auf der Achse Apfel- / Halbmond- / Kammererstraße Verkehrsmengen erhoben sowie an fünf dieser Standorte zusätzlich Videobeobachtungen durchgeführt. Ergänzend standen Auswertungen von im Rahmen einer studentischen Abschlussarbeit durchgeführten Erhebungen (Januar / Februar 2014) zur Verfügung (Abschlussbericht liegt als Anlage 3 bei).

 

 

2.   Programme / Produkte / Leistungen / Auflagen
(Was soll getan werden, um die Ergebnisse bzw. Wirkungen zu erzielen?)

Ergebnisse und Handlungsempfehlungen des Gutachtens zur Evaluation des Verkehrsverhaltens in der Fußgängerzone

 

Als Kernergebnisse der Erhebungen aus dem Jahr 2014 sowie der aktuellen Untersuchung ist festzuhalten dass:

 

  • Das verkehrliche Miteinander zwischen Fußgängern und Radfahrern in den untersuchten Bereichen gut funktioniert. Es konnte beobachtet werden, dass sich Radfahrer gegenüber Fußgängern überwiegend rücksichtsvoll verhalten und so verlief der Großteil der Interaktionen völlig störungsfrei.

 

  • Nur sehr vereinzelt konnten kritische Situationen, die eine abrupte Verhaltensanpassung seitens der Radfahrer oder Fußgänger erforderten, beobachtet werden.

 

  • Die Hauptprobleme in den untersuchten Strecken sind auf den ruhenden und fließenden Kfz-Verkehr zurückzuführen. Insbesondere in der Kammerer- und Goethestraße wurden deutliche Behinderungen durch Liefer- und ruhenden Verkehr ausgelöst.

 

  • Keine der drei untersuchten Nord-Süd Verbindungen stelle laut Aussage des Gutachters alleine ein ausreichendes Angebot für das hohe Radverkehrsaufkommen auf der verkehrlich wichtigen Nord-Süd-Verbindung dar.

 

  • Des Weiteren lassen die Ergebnisse auf eine gute Akzeptanz der bisher geltenden Regeln schließen, da eine starke Verlagerung der Radfahrströme von der Hauptstraße in die Parallelachsen während der Sperrzeit der Fußgängerzone für den Radverkehr beobachtet werden kann.

 

Aufbauend auf diesen Ergebnissen spricht sich der Gutachter für eine Änderung der derzeitigen Regelung aus und sieht dafür zunächst folgenden Maßnahmen vor:

 

·         Eine ganztägige Freigabe der Fußgängerzone Hauptstraße zwischen Südliche Stadtmauerstraße und Wasserturmstraße für den Radverkehr wird angeregt. Dies soll im Rahmen einer einjährigen Versuchsphase umgesetzt werden und durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit begleitet werden, die sowohl die neue Regelung kommunizieren als auch an die gegenseitige Rücksichtnahme appellieren soll. Zusätzlich sollen begleitende Verkehrsverhaltensbeobachtungen erfolgen, die eine verlässliche Aussage zur Verträglichkeit der Regelung bieten.

 

·         Um die teilweise beobachteten erheblichen Behinderungen durch Lieferverkehr und widerrechtliches Parken in der Apfel- / Halbmond- / Kammererstraße sowie der Goethestraße einzuschränken, sind stärkere Kontrollen des ruhenden Verkehrs erforderlich. Um Behinderungen durch in zweiter Reihe parkenden Lieferverkehr zu verhindern, wird zudem die Schaffung von Lieferverkehrszonen in der Goethestraße angeregt.

 

·         Noch abzuwägen sei dagegen, ob eine Erweiterung der Fußgängerzone auf die östliche Parallelachse und die südliche Nürnberger Straße erfolgen soll. Einerseits werden die Regelungen dadurch einheitlicher und somit leichter vermittelbar und auch die Eingriffsmöglichkeiten bei Zuwiderhandeln anderer Verkehrsteilnehmer sind besser. Andererseits könnten Radfahrer dies als Verschlechterung auffassen, da für diese in Fußgängerzonen Schrittgeschwindigkeit gilt. Aus Gutachtersicht sollte daher mit der Erweiterung der Fußgängerzone abgewartet werden wie sich die Regelung innerhalb des Versuchszeitraumes bewährt und ggf. bei positiver Erfahrung in einem zweiten Schritt erfolgen.

Die ersten Ergebnisse und Handlungsempfehlungen des Gutachterbüros PGV-Alrutz wurden bereits am 15.10.2015 bei einer gemeinsamen Begehung des Planungsbereiches vorgestellt und mit den anwesenden Vertretern des Seniorenbeirates, des ADFC, des Zentrums für Selbstbestimmtes Leben Behinderter e.V, der Polizei, des Projektmanagementes „Aktive Zentren“, den zuständigen Fachdienststellen sowie einigen Stadtratsmitgliedern diskutiert (Protokoll liegt in Anlage 3 bei).

 

Dabei bildete die Empfehlung zur probeweisen Freigabe der Hauptstraße den Kernpunkt der Diskussion. Das Für und Wider des Vorschlages in Hinblick auf die Konsequenzen für den Fuß- als auch den Radverkehr wurde intensiv abgewogen. Trotz genannter Bedenken äußerten sich die Anwesenden positiv gegenüber dem Vorhaben. Dem Vorschlag einer einjährigen Versuchsphase zur Freigabe der Fußgängerzone Hauptstraße zwischen Südliche Stadtmauerstraße und Wasserturmstraße für den Radverkehr wurde Seitens der anwesenden Interessensvertreter des Seniorenbeirates und des Zentrums für Selbstbestimmtes Leben Behinderter e.V. zugestimmt und auch von der Polizei wurde die vorgeschlagene Probephase begrüßt. Einigkeit herrschte bei allen Anwesenden darüber, dass die Kampagne zur gegenseitigen Rücksichtnahme als Begleitmaßnahme zwingend erforderlich ist.

 

3.   Prozesse und Strukturen
(Wie sollen die Programme / Leistungsangebote erbracht werden?)

Basierend auf den positiven Ergebnissen des Gutachtens zur Evaluation des Verkehrsverhaltens im Bereich der Fußgängerzone und der einheitlichen Zustimmung durch Vertreter des Meinungsträgerkreises Innenstadt wird die Verwaltung beauftragt, die Fußgängerzone Hauptstraße zwischen Südliche Stadtmauerstraße und Wasserturmstraße für den Radverkehr in einer einjährigen Probephase ganztägig für den Radverkehr freizugeben.

Gleichzeitig wird eine öffentliche Kampagne ausgearbeitet, um die erforderliche Rücksichtnahme der Radfahrer gegenüber den Fußgängern zu erzielen und auch bei den Fußgängern um Verständnis für die neue Regelung zu werben. Das Konzept der Kampagne wird dem Ausschuss im Vorfeld der Umsetzung der Maßnahme vorgestellt. Für die Erstellung eines Logos und Slogans für die Kampagne sind Haushaltsmittel in Höhe von 4.046 € erforderlich.

 

Zur Bewertung der Maßnahme und ggf. weiteren Umsetzungsschritten wird das Verkehrsverhalten während der Probephase weiterhin evaluiert. Im Anschluss der Probephase wird der Ausschuss über die Ergebnisse dieser Evaluation informiert.

 

Ein Konzept zur Neuordnung des ruhenden Verkehrs in der Goethestraße mit dem Ziel, Ladezonen für den Lieferverkehr zu schaffen, wird im Rahmen des Meilensteines F des Verkehrsentwicklungsplanes konkretisiert.


 

4.   Ressourcen
(Welche Ressourcen sind zur Realisierung des Leistungsangebotes erforderlich?)

Investitionskosten:

bei IPNr.:

Sachkosten:

€ 4.046 €

bei Sachkonto:

Personalkosten (brutto):

bei Sachkonto:

Folgekosten

bei Sachkonto:

Korrespondierende Einnahmen

bei Sachkonto:

Weitere Ressourcen

 

 

Haushaltsmittel

             werden nicht benötigt

             sind vorhanden auf IvP-Nr.      

                        bzw. im Budget auf Kst/KTr/Sk   543222/613090/51100061

                   sind nicht vorhanden


Anlagen:

 

Anlage 1 Verkehrsregelungen Bestand Januar 2013 und ursprüngliches Konzept zur Ausweitung der Fußgängerzone

 

Anlage 2 Ausweisung eines gemeinsamen Geh- und Radweges auf der Achse Kammererstraße / Apothekergasse / Halbmondstraße / Schlossplatz / Apfelstraße als erste Maßnahme zur Umsetzung des Verkehrskonzeptes Innenstadt

 

Anlage 3 Abschlussbericht Evaluation des Verkehrsverhaltens in der Fußgängerzone und Kampagne zur gegenseitigen Rücksichtnahme im Verkehr (PGV-Alrutz GbR)