Die Ausführungen der Verwaltung werden zur Kenntnis genommen.
Seit 2011 gibt es die neue Sozialleistung der Bildungs- und
Teilhabeleistungen (B+T Leistungen), mit deren Hilfe Kindern aus armen Familien
die gesellschaftliche Teilhabe in Bildung, Kultur und Sport erleichtert werden
soll. Von Anfang an hatte sich der Bund dazu verpflichtet, den ausführenden
Kommunen den dabei anfallenden B+T Aufwand vollständig zu ersetzen. In den
Jahren 2011 und 2012 – als man die Höhe dieses Aufwandes noch nicht abschätzen
konnte – erfolgte dies durch eine großzügig bemessene Pauschalzahlung des
Bundes. Seit 2013 wird eine jährliche Spitzabrechnung nach den Regelungen des §
46 Abs. 6 – 8 SGB II durchgeführt. Dabei wird der gesamte B+T Aufwand, der im
Vorjahr in jedem einzelnen Bundesland angefallen ist, in eine KdU Landesquote
umgerechnet. Der sich daraus ergebende Betrag wird vom Bund zur
Weiterverteilung an die Kommunen dieses Bundeslandes an das jeweilige Land
ausgezahlt.
Während in den anderen Bundesländern die belastungsgerechte
Weiterverteilung dieser Bundeserstattungen an die Kommunen problemlos
funktioniert (es musste lediglich im jeweiligen Landesausführungsgesetz der
sachgerechte Verteilungsmaßstab „je nach dem örtlichen B+T Aufwand im Vorjahr“
eingefügt werden), ist dies in Bayern nicht der Fall. Der Freistaat Bayern war
bisher nicht dazu bereit, im Art. 3 AGSG den sachgerechten Verteilungsmaßstab
einzufügen. In der Folge werden in Bayern die vom Bund vollständig an das Land
überwiesenen B+T Bundeserstattungen nicht belastungsgerecht an die bayerischen
Kommunen verteilt, sondern vielmehr nach dem fachlich unzutreffenden
Verteilungsmaßstab „örtlicher KdU Aufwand im laufenden Jahr“.
Die Folge ist, dass ¼ der bayerischen Kommunen – trotz eines nur geringen
B+T Aufwandes, bzw. wegen eines hohen KdU Aufwandes – vom Freistaat Bayern zum
Teil deutlich mehr B+T Erstattungen erhalten, als sie überhaupt für B+T Leistungen
ausgegeben hatten. Dagegen erhalten ¾ der bayerischen Kommunen vom Freistaat
ihren B+T Aufwand nur zum Teil erstattet. Besonders hart wird dabei die Stadt
Erlangen betroffen: aus den vollständig vom Bund überwiesenen B+T
Erstattungsmitteln erhielt die Stadt Erlangen vom Freistaat Bayern im Jahr 2014
nur 41,3 % ihres B+T Aufwandes aus dem Vorjahr erstattet. Nach den jetzt
vorliegenden Prognosen für das laufende Haushaltsjahr 2015 wird diese
Erstattungsquote in der Stadt Erlangen sogar auf ca. 23 % absinken.
Über die weiteren Entwicklungen in dieser Problematik, die sich in den
letzten Monaten ergeben haben, wird im Folgenden berichtet:
- Weiterer
Anstieg der B+T Ausgaben bundesweit
Anfang Mai hat der Bund den Entwurf der neuen Bundesbeteiligungs-Festlegungsverordnung
2015 – BBFestV 2015 – vorgelegt. Auf der Basis der zu Grunde gelegten
Spitzabrechnung für die B+T Ausgaben 2014 werden darin für das laufende Haushaltsjahr
2015 die Länderquoten für die B+T Bundeserstattungen festgelegt.
Danach ist der bundesweite B+T Aufwand von 3,5 % im Jahr 2013 auf 3,8 %
im Jahr 2014 angestiegen (gemessen am jeweiligen KdU Aufwand). Die
entsprechenden Werte für den Freistaat Bayern sehen einen Anstieg von 3,2 % auf
3,4 %. Dabei fällt eine breite Spreizung der einzelnen Landeswerte auf (von 2,7
% für Sachsen-Anhalt bis zu 7,3 % für Hamburg). Eine isolierte Betrachtung der
Werte für die Stadt Erlangen ergibt, dass Erlangen ziemlich gleichauf auf dem
Niveau von Hamburg liegt.
Erfahrungsgemäß ist damit zu rechnen, dass Bundestag und Bundesrat diesen
Entwurf der BBFestV 2015 unverändert in Kraft setzen werden. Damit würde im
laufenden Haushaltsjahr ein Betrag als B+T Bundeserstattung vom Bund an den
Freistaat Bayern überwiesen werden, der 3,4 % des gesamtbayerischen KdU Aufwands
entspricht.
- Das Urteil
des Bundessozialgerichts vom 10.03.2015
Obwohl nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut für die Jahre 2011 und 2012
eine pauschale Erstattungszahlung durch den Bund erfolgen soll und eine
Spitzabrechnung zur Bemessung der Bundeserstattungen erst mit Wirkung zum
Haushaltsjahr 2013 im Gesetz vorgesehen ist, hat der Bund gegen den Widerstand
der betroffenen 14 Länder eine Spitzabrechnung bereits für 2012 vorgenommen
(durch entsprechende Einbehaltungen auch zwangsweise durchgesetzt). Gegen diese
Vorgehensweise haben stellvertretend drei Bundesländer (Nordrhein-Westfalen,
Niedersachsen, Brandenburg) Klage gegen den Bund erhoben und laut
abschließendem Urteil des Bundessozialgerichts vom 10.03.2015 auch obsiegt. Die
vom Bund nach der Spitzabrechnung für 2012 vorgenommenen Einbehaltungen, aber
auch die aus der nachträglichen Abrechnung 2012 erfolgte Nachzahlungen des
Bundes, müssen folglich jetzt vollständig rückabgewickelt werden.
Für die Stadt Erlangen hat dies folgenden – insgesamt negativen – Effekt:
die auf Erlangen entfallende geringfügige Einbehaltung des Bundes in Höhe von
ca. 45.000,00 € wurde bereits vom Bund über das Land nachgezahlt. Aus der vom
Bund ebenfalls vorgenommenen, vom BSG jedoch ebenfalls für rechtswidrig
erklärten, nachträglichen Abrechnung für 2012 hatte die Stadt Erlangen
seinerzeit einen besonders hohen Anteil von ca. 175.000,00 € abbekommen (weil
auch nach Auffassung des BayStMAS die Stadt Erlangen durch das fehlerhafte
Verteilungssystem in Bayern besonders krass benachteiligt werde). Diese,
seinerzeit erhaltene Nachzahlung von 175.000,00 € muss nach dem Urteil des BSG
jetzt jedoch wieder zurück überwiesen werden. Die Bayerische Staatsverwaltung
hat dazu bereits entsprechende Aufrechnungserklärungen abgegeben, sodass sich
diese Rückzahlung als Sondereffekt besonders negativ auf das Einnahmeergebnis
2015 der Stadt Erlangen auswirken wird.
- Rechtsgutachten
In den letzten Sitzungen des SGA wurde regelmäßig über diese eklatante
finanzielle Benachteiligung der Stadt Erlangen bei der Verteilung der B+T
Bundeserstattungen ebenso berichtet, wie über die Briefwechsel mit den
maßgeblichen staatlichen Stellen und den kommunalen Spitzenverbänden. So hatte
z.B. Frau Staatsministerin Emilia Müller ausdrücklich schriftlich mitgeteilt,
dass der Freistaat Bayern rechtlich nicht dazu verpflichtet sei, die B+T
Bundeserstattungen sachgerecht – also belastungsgerecht – auf die bayerischen
Kommunen zu verteilen. Die Verteilung liege vielmehr im freien Ermessen des
Ministeriums.
In der letzten SGA Sitzung wurde deshalb hierzu eine juristische
Stellungnahme des Rechtsamts eingefordert. Diese Stellungnahme vom 09.04.2015
liegt mittlerweile vor und kommt zum Ergebnis, dass eine Klage keine Aussicht
auf Erfolg habe. Das Ziel einer belastungsgerechten Verteilung der B+T
Bundeserstattungen in Bayern könne nicht auf gerichtlichem Weg, sondern nur
durch politische Einflussnahme bei den maßgeblichen staatlichen Stellen und den
kommunalen Spitzenverbänden erreicht werden.
- Entwicklungen
beim Bayerischen Städtetag
Gerade hier waren jedoch unsere Bemühungen in letzter Zeit nicht von
Erfolg gekrönt – obwohl durch diese nicht sachgerechte Verteilungsregelung
insgesamt ¾ der bayerischen Städte und Landkreise finanziell benachteiligt
werden (wobei diese Benachteiligung bei der Stadt Erlangen am massivsten zu
Tage tritt). Wie bei uns erst Ende Mai bekannt wurde hat nämlich der Vorstand
des bayerischen Städtetages bereits mit Schreiben vom 11.05.2015 sein
förmliches Einverständnis mit der unbefristeten Weitergeltung der derzeitigen,
nicht belastungsgerechten Verteilungsregelung der bayerischen Sozialministerin
gegenüber übermittelt (siehe Anlage).
Hintergrund dieser überraschenden Entscheidung des Vorstands des
bayerischen Städtetages dürfte sein, dass das BayStMAS vorrangig das Ziel
verfolgt, eine ersatzlose Abschaffung des seit 2005 bestehenden Hartz IV
Belastungsausgleichs zu erreichen (Zweck dieses Hartz IV Belastungsausgleichs,
aus dem eine Minderheit von bayerischen Städten und Landkreisen hohe staatliche
Zuwendungen erhält auf die man nicht verzichten möchte, ist es ursprünglich,
die Hartz IV bedingte Wohngeldentlastung im Landeshaushalt an die kommunale
Ebene weiterzugeben, die stattdessen seit Hartz IV die zusätzliche KdU
Belastung zu tragen hat). Um die Zustimmung der kommunalen Ebene zu einem
ersatzlosen Wegfall dieses, für einige sehr lukrativen, Hartz IV
Belastungsausgleichs zu erzwingen, behauptet – offenkundig wahrheitswidrig –
das bei StMAS, dass eine gesetzliche Änderung zur Sicherstellung einer
belastungsgerechten B+T Erstattungsmittelverteilung in Bayern nur möglich oder
zumutbar sei, wenn gleichzeitig der Hartz IV Belastungsausgleich entfällt.
Auf diese Weise bleibt die ungerechte Verteilung der B+T
Erstattungsmittel in Bayern – und damit die gravierende finanzielle
Benachteiligung der Stadt Erlangen – weiter
als taktisches Druckmittel für das BayStMAS erhalten. Der Vorstand des
bayerischen Städtetages dagegen möchte wiederum lieber die lukrativen Zuwendungen
aus dem Hartz IV Belastungsausgleich weiter erhalten und nimmt dafür lieber die
weitere Benachteiligung von ¾ der bayerischen Kommunen bei der Verteilung der
B+T Erstattungsmittel in Kauf. Zur Erinnerung: die Stadt Erlangen gehört zu der
Mehrheit der bayerischen Kommunen, die derzeit aus dem Hartz IV
Belastungsausgleich keinen Cent erhalten.
- Kalkulation
für 2015
Die Stadt Erlangen will sich trotzdem auch weiterhin bemühen, die
mittlerweile verfahrene Lage zu ändern und zu einer Beendigung dieser massiven
finanziellen Benachteiligung zu kommen. Damit sind jedoch die Möglichkeiten auf
Verwaltungsseite ausgeschöpft – gefordert sind jetzt die Politik und die
Vertreter der Stadt Erlangen in den Gremien der kommunalen Spitzenverbände.
Aus diesem Grund hat der Oberbürgermeister am 03.06.2015 bereits
entsprechende Anschreiben an Herrn Ministerpräsident Seehofer, sowie an den
Präsidenten des Bayerischen Städtetages gerichtet (siehe Anlage).
Nachdem mittlerweile auch die im laufenden Jahr zu erwartenden B+T
Bundeserstattungen einigermaßen verlässlich kalkuliert werden können, wurde
dabei auch auf die sich abzeichnende, besonders krasse Benachteiligung der
Stadt Erlangen im Jahr 2015 hingewiesen. Diese besonders krasse Benachteiligung
– auch bedingt durch den Sondereffekt aus dem BSG Urteil vom 10.03.2015, siehe
oben unter 2. – ergibt sich aus der, als Anlage beigefügten Übersicht über die
B+T-Ausgaben und B+T-Erstattungen Erlangens im Zeitraum 2011 bis 2015. Aber
auch ohne diesen Sondereffekt würde die Erstattungsquote für die Stadt Erlangen
im Jahr 2015 auf nur noch ca. 38 % absinken – allein in diesem Haushaltsjahr
müsste die Stadt Erlangen (ohne Sondereffekt) ein Defizit von ca. 530.000,00 €
hinnehmen.
Im gesamten Zeitraum der bisherigen Spitzabrechnung 2013 bis 2015 wurden
somit der Stadt Erlangen B+T-Bundeserstattungen in Höhe von insgesamt 1,3 Mio €
vom bayerischen Sozialministerium vorenthalten! Dies kann aus Sicht der
Verwaltung nicht akzeptabel sein!
Anlagen: 1. Übersicht B+T-Erstattungen in Erlangen 2011 bis 2015
2. BBFestV 2015 – Entwurf
3. Gutachten des Rechtsamtes
4. Schreiben des BayStT vom 11.5.2015
5. OBM-Schreiben vom 3.6.2015 an Herrn Ministerpräsidenten