Betreff
Geschwindigkeitsbeschränkung auf Tempo 30 km/h in der Spardorfer Straße aus Lärmschutzgründen
Vorlage
32-1/020/2015
Aktenzeichen
III/32-1
Art
Mitteilung zur Kenntnis

Der Bericht der Verwaltung dient zur Kenntnis.


Im Herbst 2014 haben verschiedene Bürger aus der Spardorfer Straße das Ausweisen einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h in der Spardorfer Straße beantragt. Begründet wurden die Anträge hauptsächlich mit der gesteigerten Lärmentwicklung.

Rechtslage

Nach § 45 Abs. 9 StVO sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend notwendig ist. Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung erheblich übersteigt. Nach der Verwaltungsvorschrift zu Zeichen 274 Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) sind Geschwindigkeitsbeschränkungen nur zulässig, wenn insbesondere Verkehrsbeobachtungen oder Unfalluntersuchungen dort ergeben haben, dass für den Fahrzeugführer die Eigenart des Straßenverlaufs nicht so erkennbar ist, dass er seine Geschwindigkeit von sich aus den Straßenverhältnissen anpasst. Eine besondere Gefahrenlage ist in der Spardorfer Straße nicht erkennbar, zudem ist das dortige Unfallgeschehen als unauffällig zu bezeichnen.

Auch für Geschwindigkeitsbegrenzungen aus Gründen des Lärmschutzes gelten die Einschränkungen des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO, d.h., die Anordnung ist nur möglich, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt.


Nach der Rechtsprechung des VGH München (Urteil vom 21.03.2012, Az. 11 B 10.1657) ist für die Bestimmung der erheblichen Beeinträchtigung durch Lärm von Folgendem auszugehen: „Die Grenze der zumutbaren Lärmbelastung, bei deren Überschreitung ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über Maßnahmen nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO besteht, ist nicht durch auf Rechtsetzung beruhende Grenzwerte festgelegt.

 

Auch durch die in den vorläufigen Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm (Lärmschutz-Richtlinien-StV) vom 23. November 2007  enthaltenen Schallpegel wird diese Grenze, wie der Verwaltungsgerichtshof im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entschieden hat nicht bestimmt. Ebenso wenig können die Vorschriften der Sechzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BImSchV) vom 12. Juni 1990 bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Lärmbelastung im Rahmen des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO unmittelbar angewendet werden. Diese Verordnung bestimmt durch Festlegung von Immissionsgrenzwerten die Schwelle der Zumutbarkeit von Verkehrslärm nämlich nur für den Bau und die wesentliche Änderung u.a. von öffentlichen Straßen.

Desgleichen gelten die Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes lediglich für planerische Maßnahmen bei der Linienführung und Trassierung (Lärmschutz durch Planung), für bauliche Maßnahmen an der Straße (aktiver Lärmschutz) und an lärmbetroffenen baulichen Anlagen (passiver Lärmschutz) beim Neubau und bei der wesentlichen Änderung von Straßen (Lärmvorsorge) und zur Verminderung der Lärmbelastung an bestehenden Straßen (Lärmsanierung) sowie für die Entschädigung wegen verbleibender Beeinträchtigungen.

Demgegenüber geht es bei § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO um straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen des Lärmschutzes für bestehende Straßen. Die Immissionsgrenzwerte des § 2 Abs. 1 der Verkehrslärmschutzverordnung können aber im Anwendungsbereich des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO als Orientierungspunkte für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze, deren Überschreitung die Behörde zur Ermessensausübung verpflichtet, herangezogen werden. Denn die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung bringen ganz allgemein die Wertung des Normgebers zum Ausdruck, von welcher Schwelle an eine nicht mehr hinzunehmende Beeinträchtigung der jeweiligen Gebietsfunktion, zumindest auch dem Wohnen zu dienen, anzunehmen ist. Eine Unterschreitung der Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung ist danach jedenfalls ein Indiz dafür, dass die Lärmbelastung auch die Zumutbarkeitsschwelle in straßenverkehrsrechtlicher Hinsicht nicht erreicht. Umgekehrt kommt bei einer Überschreitung dieser Immissionsgrenzwerte eine zur fehlerfreien Ermessensausübung verpflichtende Überschreitung der straßenverkehrsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle in Betracht.“

 

Auf dieser Rechtsprechung des VGH München hat die weitere Rechtsprechung aufgebaut. Aktuell ist rechtlich ein dreistufiges Vorgehen vorzusehen:

1.   Ein Anwohner hat gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO gegenüber der Straßenverkehrsbehörde in Wohngebieten keinen Anspruch bei Werten unterhalb von 59 dB(A) tags und von 49 dB(A) nachts.

2.   Es besteht ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung bei Werten, die darüber liegen, aber 70 dB(A) zur Tagzeit und 60 dB(A) zur Nachtzeit nicht überschreiten.

3.   Bei Werten von mehr als 70 dB(A) am Tage und 60 dB(A) in der Nacht, bei denen die Grenze zur Gesundheitsgefahr überschritten ist, besteht ein Anspruch auf Einschreiten.

 

Selbstverständlich muss sich jedoch, wie in der Rechtsprechung seit langem allgemein anerkannt und in § 1 Abs. 2 Nr. 2 16. BImSchV ebenfalls verankert, eine Erhöhung des Lärmpegels zum vorherigen Zustand um mindestens 3 dB(A) ergeben, damit man von einer wesentlichen Lärmbeeinträchtigung reden kann, sofern nicht die Grenzwerte zur Gesundheitsgefahr (70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts) überschritten werden.

Lärmsituation


Das Umweltamt hat die Lärmimmissionssituation in der Spardorfer Straße geprüft. Als Ergebnis war festzuhalten, dass die festgestellten Werte zwar die Werte unter Ziffer 1 (59 dB(A) tags und von 49 dB(A)) überschreiten, die Werte unter Ziffer 3 (70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts jedoch nicht erreicht werden. Damit besteht ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nach Ziffer 2.


 

Resümee


Um von einer wesentlichen Lärmbeeinträchtigung (Erhöhung um mindestens 3 dB(A)) sprechen zu können, müssten sich die Verkehrsmengen in der Spardorfer Straße zum vorherigen Zustand verdoppelt haben. Dies ist nicht der Fall, denn die Erhöhung der Verkehrsmengen in der Spardorfer Straße westlich Palmstraße betrug von 2010 auf 2013 weniger als 20 %. Zusammenfassend muss daher festgestellt werden, dass keine Rechtsgrundlage für eine Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in der Spardorfer Straße auf 30 km/h erkennbar ist. Zudem erfüllt die Spardorfer Straße eine wichtige Hauptverkehrsstraßenfunktion im örtlichen Straßennetz, so dass auch aus diesem Grunde eine Geschwindigkeitsbeschränkung nicht befürwortet werden kann.