hier: zum SPD-Fraktionsantrag Nr. 268/2014 vom 25.11.2014
Die Ausführungen der Verwaltung, sowie der Bericht aus der EStW Energiesparberatung werden zur Kenntnis genommen.
Der SPD-Fraktionsantrag Nr. 268/2014 vom 25.11.2014 ist damit bearbeitet.
Im Antrag Nr. 268/2014 vom 25.11.2014 spricht die SPD-Stadtratsfraktion
die Problematik der immer weiter ansteigenden Strom- und Heizungskosten an, die
insb. für Transferleistungsempfänger oft schwer zu finanzieren seien und zu
Stromsperren führen können. Solche Stromsperren seien jedoch als eine Bedrohung
der Menschenwürde anzusehen. Dabei wird auf das Programm
„Energieschuldenprävention“ der Stadt Nürnberg hingewiesen, das noch
erfolgreicher und weitergehender angelegt sei, als die ebenfalls als gut und
erfolgreich eingeschätzte kostenlose Beratungsstelle, die die EStW in Absprache
mit Sozial- und Umweltamt in Erlangen aufgebaut haben.
Konkret werden folgende Anträge gestellt:
- Es wird von
den EStW, bzw. vom Sozialamt eine Berichterstattung über die Energiesparberatung
und über die Entwicklung von Stromsperren in Erlangen erbeten.
- Es wird die
Einladung eines Vertreters der Stadt Nürnberg in den UVPA und in den SGA
zur Berichterstattung über das Nürnberger ESP-Programm erbeten, sowie die
Verwaltung beauftragt Vorschläge zur Übernahme des Nürnberger Programms
durch die Stadt Erlangen zu formulieren.
- Es wird eine
Reihe von detaillierten und konkreten Bedingungen formuliert, die nach
Auffassung der Antragstellerin erfüllt sein müssten, bevor von der EStW
eine Stromsperre in Erlangen durchgeführt werden darf.
- Es wird ein
generelles Verbot einer Sperre bei Erdgas und Trinkwasser in Erlangen
vorgeschlagen.
- Es wird die
Einführung der Möglichkeit einer Direktüberweisung von Abschlagszahlungen
durch das Jobcenter/Sozialamt in Erlangen gewünscht – inkl. Einführung eines
verpflichtenden Beratungstermins.
- Es wird
gewünscht, dass durch die GGFA bei den Erstausstattungen oder Ersatzbeschaffungen
für SGB II und SGB XII Bezieher möglichst nur energieeffiziente Geräte im
Sozialkaufhaus angeboten werden.
- Schließlich
wird gewünscht, dass für den Austausch energiefressender Altgeräte durch
energiesparende Neugeräte notfalls auch der Haushaltsposten „Maßnahmen
außerhalb des Sozialhilferechts“ in Anspruch genommen werden kann.
Zu 1.
Wunschgemäß wird ein Vertreter der EStW Energiesparberatungsstelle in die
SGA-Sitzung eingeladen, um mündlich über die Erfahrungen der Beratungsstelle
mit der Unterstützung für Transferleistungsempfänger zu berichten.
Ergänzend werden zu den Themen Energiekosten und Energiesperren von der
Verwaltung noch folgende Informationen angefügt:
- Zur
tatsächlichen Entwicklung der Energiepreise in Erlangen seit 2011 wird auf
die in der Anlage abgedruckte Tabelle verwiesen
·
Zur
Entwicklung der Anzahl der Stromsperren im Bereich der EStW
|
2012 |
2013 |
2014 |
angedrohte Sperren |
3.171 |
3.419 |
3.116 |
ausgefertigte Sperrzettel |
486 |
451 |
404 |
durchgeführte Sperren |
267 |
285 |
223 |
Der Zahlenunterschied zwischen
den „ausgefertigten Sperrzetteln“ und den tatsächlich durchgeführten Sperren
ist dadurch zu erklären, dass relativ häufig durch bestimmte Umstände (z.B.
kurzfristige Begleichung der Schulden, kein Zugang zum Zähler,
Fristverlängerung vor Ort eingeräumt usw.) von der Umsetzung der Sperre
abgesehen wird.
Bezogen auf die
Zahlen des Jahres 2013 wurden Stromsperren in der Stadt Erlangen (etwa 2
Sperren pro 1.000 Einwohner) nur etwa halb so oft verfügt, wie im bundesweiten
Vergleich (etwa 4 Sperren pro 1.000 Einwohner).
- Bei der
Bearbeitung der Problematik von Energieschulden muss bei Kunden des
Jobcenters (SGB II-Bezieher) folgende rechtliche Differenzierung beachtet
werden:
- Bei
einer Nachzahlungspflicht aufgrund eines Mehrverbrauchs von Energie im
Abrechnungszeitraum trotz Zahlung der geforderten Abschläge: hier handelt
es sich um einen vom Regelsatz umfassten Bedarf, der bei Unabweisbarkeit
(z.B. bei drohender Stromsperre, wenn keine Ratenzahlung an das Versorgungsunternehmen
möglich ist) über ein Darlehen nach § 24 Abs. 1 SGB II (Kostenträger
Bund) abgedeckt werden kann.
- Bei
Schulden aus Rückständen aus nichtgeleisteten Vorauszahlungen oder
Abschlägen: diese Energieschulden können als Darlehen nach § 22 Abs. 8
SGB II übernommen werden (Kostenträger Kommune), soweit dies zur Sicherung
der Unterkunft oder bei vergleichbarer Notlage gerechtfertigt ist. In der
Praxis des Jobcenters Erlangen wird dies z.B. immer dann bejaht, wenn
eine Sperre der Strom- und Gasversorgung unmittelbar bevorsteht und
Kleinkinder oder kranke/behinderte Menschen in der Bedarfsgemeinschaft
leben. Vor einer Kostenübernahme selbstverschuldeter Nachforderungen muss
der Leistungsberechtigte jedoch vergeblich versucht haben, sich aus
eigener Kraft zu helfen. Zu den Anstrengungen gehört der Nachweis, dass
das Energieversorgungsunternehmen eine Ratenzahlung ablehnt und der
Betroffene auch durch den Einsatz von Schonvermögen nicht im Stande ist,
die Schulden zu begleichen.
- Bei
Nachforderungen für Heizkosten: diese sind nicht als klassische Energieschulden
zu werten, da sie im Rahmen der Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 SGB II
als Zuschuss zu übernehmen sind (Kostenträger Kommune). Mit Gas heizen in
Erlangen nur sehr wenige Leistungsempfänger. Die Abrechnungen in diesen
Fällen sind durchwegs nachvollziehbar und Probleme nicht bekannt.
- Zur
allgemeinen Beratungspraxis im Jobcenter Erlangen: die
Energieberatungsstelle der Stadtwerke ist den Sachbearbeitern des
Jobcenters bekannt. Die Mitarbeiter der Energieberatungsstelle haben sich
und ihre Arbeit schon mehrmals in den Abteilungsbesprechungen vorgestellt.
Ein erneuter Austausch, wird – aufgrund der hohen Fluktuation bei der
Mitarbeiterschaft – bei Bedarf immer wieder wiederholt. Im Jobcenter
liegen auch entsprechende Flyer der Beratungsstelle aus. Bei auffälligen hohen
Stromabschlägen oder auch bei nicht erklärbaren Stromrechnungen werden die
Bürger generell an die Energieberatungsstelle verwiesen.
- Zur
Möglichkeit der Direktüberweisung von Stromabschlägen an die Stadtwerke:
nach dem Gesetz sollen die Leistungsberechtigten im Rahmen der Selbsthilfe
die Stromabschläge grundsätzlich selbst an den Stromlieferanten zahlen.
Eine Direktzahlung an den Stromversorger darf nach dem Gesetz nicht gegen
den Willen des Betroffenen erfolgen, außer wenn die zweckentsprechende
Verwendung der Gelder nicht anderweitig sichergestellt werden kann (§ 22
Abs. 7 SGB II). Dies trifft dann zu, wenn Energiekostenrückstände
bestehen, die zu einer Unterbrechung der Stromversorgung führen können (§
22 Abs. 7 Nr. 2 SGB II). Vom Jobcenter der Stadt Erlangen wird derzeit in
insgesamt 361 Fällen (ca. 14 % aller Bedarfsgemeinschaften) der Abschlag
für Stromkosten direkt an die Stadtwerke überwiesen.
- Auswertung
der Fälle von Stromschulden bei SGB II-Beziehern in der Stadt Erlangen:
für die Kalenderjahre 2012 und 2013 wurden Auswertungen erstellt, in wie
vielen Fällen Stromschulden (differenziert nach den unterschiedlichen
Rechtsgrundlagen und damit Kostenträgern) tatsächlich übernommen wurden.
Insoweit wird auf die als Anlage abgedruckten Tabellen über Fallzahlen und
den jeweiligen finanziellen Aufwand verwiesen (jeweils maßgeblich sind die
Spalten „Stromschulden kommunal“ gem. § 22 Abs. 8 SGB II und die Spalte
„Stromdarlehen“ gem. § 24 Abs. 1 SGB II). Aussagen, ob bei den
ausgewerteten Fällen die Stromsperre nur angedroht und nicht verhängt
wurde oder bereits verhängt war, können in diesem Zusammenhang nicht getroffen
werden. Zusammenfassend kann jedoch festgestellt werden, dass die absoluten
Zahlen von 2012 (47) auf 2013 (38) um fast 20 % zurückgegangen sind,
während das dafür benötigte finanzielle Kostenvolumen von 2012 (15.079,10
€) auf 2013 (17.930,20 €) um ca. 16 % gestiegen ist.
- Auswertungen
zu den Nachforderungen für Heizkosten sind nicht möglich, da diese im
Monat der Fälligkeit den Bedarf für die Kosten der Unterkunft erhöhen und
daher nicht separat ausgewiesen werden.
- Hinzuweisen
ist weiter darauf, dass eine enge Zusammenarbeit und ein rascher Informationsaustausch
zwischen Jobcenter und den Stadtwerken schon immer praktiziert wird, um
Fälle von Stromsperren möglichst zu reduzieren, bzw. zu verhindern.
Ähnlich positive Wirkungen werden im Bereich von Mietschulden auch bereits
durch die enge Zusammenarbeit mit der GeWoBau erzielt. Besonders hilfreich
ist in beiden Bereichen auch der Einsatz des, seit 2008 aufgebauten sozialpädagogischen
Dienstes in der Abt. 503, der seinerseits besonders eng vernetzt mit dem
„Sonderfonds gegen Armut und Obdachlosigkeit in Erlangen“ zusammenarbeitet
und auf diesem Weg in vielen Fällen praktisch weiterhelfen kann -
unabhängig von den engen Möglichkeiten der sozialhilferechtlichen
Vorschriften. Gerade im Bereich der Stromschulden hat sich im letzten Jahr
beim sozialpädagogischen Dienst, bzw. beim Sonderfonds eine deutliche
Steigerung der Anzahl der Hilfefälle ergeben. Aus Sicht des Sozialamts ist
dieser Weg der Unterstützung aber gerade deshalb besonders hilfreich und
effizient, weil die Betroffenen hier ganzheitliche Unterstützung erfahren
– ohne die Beschränkung auf sozialhilferechtliche Befugnis-Normen und mit
Blick auf eine nachhaltige Überwindung der Notlage.
Zu 2.
ESP-Programm in der Stadt Nürnberg
Von der gewünschten Einladung eines Vertreters der Stadt Nürnberg zur
Vorstellung des Nürnberger ESP-Programms mit dem Ziel der Übernahme dieses
Programms durch die Stadt Erlangen wurde Abstand genommen. Zum einen ist
festzustellen, dass sowohl hinsichtlich von Art und Umfang der
Beratungsdienstleistungen, wie auch hinsichtlich des Umfangs der
Beratungserfolge in Erlangen und Nürnberg durchaus vergleichbar gute Effekte
und Erfolge erzielt werden (siehe z.B. EN Bericht vom 27.02.2013 für Erlangen
und NN Bericht vom 25.03.2014 für Nürnberg). Darüber hinaus ist das Nürnberger
ESP-Programm von der organisatorischen Struktur und von der Finanzierung so
angelegt, dass eine Übernahme durch die Stadt Erlangen nicht möglich, bzw.
nicht sinnvoll erscheint. So steht die EStW-Beratungsstelle in Erlangen z.B.
für alle Bürger der Stadt offen und wird finanziell vollständig von den
Erlanger Stadtwerken getragen. Dem gegenüber ist das Nürnberger ESP-Programm auf
bestimmte Stadtteile beschränkt, da ein Teil der Finanzierung über das
Bund-Länder-Programm „soziale Stadt“ erfolgt. Die Beratungstätigkeit in
Nürnberg wird von 8 professionellen, freiberuflich tätigen Beratern
durchgeführt (in Erlangen durch kompetente EStW Fachleute), dementsprechend
verursacht das Nürnberger ESP-Programm einen erheblichen Finanzbedarf im
städtischen Haushalt (kommunale Mittel des Sozialamts, sowie des Umweltreferats)
die insgesamt bei weitem nicht ausreichend sind und Jahr für Jahr durch
akquirierte Spendenmittel in erheblichem Umfang aufgestockt werden müssen (in
Zweifel von Versorgungsunternehmen oder aus der Versicherungswirtschaft). Im
Einzelnen wird hierzu auf die ausführliche Darstellung des Nürnberger
Sozialamtes für die Sitzung des Nürnberger Sozialausschusses vom 02.07.2009
verwiesen.
Das Angebot der Energieberatung in Erlangen durch fachkompetente EStW
Beschäftigte und auf Kosten der EStW erscheint im Gegenteil wesentlich
effizienter und „schlanker“ als die Nürnberger Lösung, freiberufliche Kräfte
einzusetzen, dies über das Sozialamt zu organisieren und den dafür benötigten
Finanzaufwand zum Teil über den städtischen Haushalt und zum Teil über
Spendenakquise bereitzustellen.
Zu 3.
Die Möglichkeit der Versorgungsunternehmen zur Durchsetzung ausstehender
Zahlungsforderungen Sperrmaßnahmen beim Bezug von Strom, Gas oder Wasser
vorzunehmen ist vom Gesetzgeber in den entsprechenden Lieferbestimmungen
ausdrücklich vorgesehen (§ 19 Abs. 2 StromGVV, § 19 Abs. 2 GasGVV, § 30 Abs. 2
AVBWasserV). Weitere Voraussetzung ist in allen Fällen lediglich, dass der
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in allen Einzelfällen gewahrt sein muss. Die
grundsätzliche Zulässigkeit solcher Bezugsunterbrechungen zur Durchsetzung
ausstehender Zahlungen wurde von der Rechtsprechung auch mehrfach ausdrücklich
bestätigt.
Nach unseren Erfahrungen wird von den EStW auch tatsächlich vor jeder
Verhängung einer Bezugssperre in jedem Einzelfall der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz überprüft. Eine derart differenzierte
Selbstbeschränkung, wie unter Ziffer 3 des Fraktionsantrages beschrieben, sehen
die EStW allerdings nicht als zielführend an. Da die Kunden bei Vornahme der
Sperre tagsüber oft nicht zu Hause sind, müsste eventuell mehrmals und auch am
Abend der Kunde angefahren werden. Die Kosten für einen zusätzlichen
Mitarbeiter bzw. Vergütungen außerhalb der Arbeitszeit erscheinen jedoch nicht
wirtschaftlich finanzierbar und zielführend. Allerdings befinden sich Sozialamt
und EStW im Gespräch um ein gemeinsames Informationsschreiben zu entwerfen, das
die betroffenen Haushalte ausdrücklich auf evtl. bestehende
Unterstützungsmöglichkeiten des Sozialamtes (inkl. des sozialpädagogischen
Dienstes) hinweist und die betroffenen Haushalte auffordert, diese eventuell
bestehenden Unterstützungsmöglichkeiten des Sozialamtes zur Vermeidung einer
Bezugssperre in Anspruch zu nehmen.
Zu 4.
Für die Vereinbarung eines generellen Verbotes einer Bezugssperre von
Erdgas und Trinkwasser wird von EStW und Sozialamt kein Bedarf gesehen. Nach
Aussage der EStW erfolgen Gassperren erfahrungsgemäß maximal 2-3 mal im Jahr
und Wassersperren erfahrungsgemäß ca. 5-8 mal pro Jahr. Entsprechende Fälle bei
SGB II-Empfängern sind dem Sozialamt nicht bekannt. Hinzu kommt für den Bezug
von Trinkwasser, dass die entsprechenden Kosten in der Regel vom
Grundstückseigentümer und nicht vom Mieter zu bezahlen sind und somit im
Regelfall das Klientel des Sozialamts nicht betroffen ist.
Zu 5.
Zur Nutzung der Möglichkeit einer Direktüberweisung von Abschlagszahlungen
durch das Jobcenter oder das Sozialamt wird auf die obigen Ausführungen unter
Ziffer 1 verwiesen. Daraus wird deutlich, dass von dieser Möglichkeit im
Sozialamt – im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben - bereits intensiv Gebrauch
gemacht wird.
Zu 6.
Nach Auskunft aus dem Sozialkaufhaus der GGFA ist sichergestellt, dass
alle dort angebotenen Elektrogeräte die Energieeffizienzklasse A aufweisen.
Eine bessere Klasse würde zu hohe Anschaffungskosten verursachen.
Zu 7.
Selbstverständlich wird schon immer im Sozialamt auch der Haushaltsposten
„Maßnahmen außerhalb des Sozialhilferechts“ unter anderem auch zur Vermeidung
von Energiesperren oder zur Anschaffung energiesparender Neugeräte verwendet.
Es erfolgt allerdings keine Beschränkung dieses Haushaltspostens auf derartige
Ausgaben. Da im realen Leben so vielgestaltige Notlagen entstehen, die nur
durch Unterstützungsmöglichkeiten außerhalb der sozialhilferechtlichen
Bestimmungen zu lösen und zu beheben sind, kann eine solche Beschränkung des
Haushaltspostens auf die Finanzierung energiesparender, neuer Haushaltsgeräte
nicht verantwortet werden.
Anlagen: 1. Entwicklung Energiepreise seit 2011
2. Ausgaben Darlehen
3. Fallzahlen Darlehen