1. Die Ausführungen der Verwaltung zur Jahresbilanz 2013 der Bildungs- und Teilhabeleistungen in der Stadt Erlangen werden zur Kenntnis genommen.
2. Die Verwaltung wird beauftragt sich mit einer Initiative gemäß dem Vorschlag in der Ziffer 5 dieser Vorlage an den Bayerischen Städtetag zu wenden.
Nach langen Verhandlungen im Vermittlungsausschuss beschloss der
Gesetzgeber im März 2011 das sogenannte Bildung- und Teilhabepaket. Kindern und
Jugendlichen aus bedürftigen Familien (SGB II, SGB XII, Wohngeld,
Kinderzuschlag, Asylbewerber) sollten bestimmte Leistungen zusätzlich
finanziert werden, die im Umfeld des Schulbesuchs anfallen oder die Teilhabe am
gesellschaftlichen Leben erleichtern.
Während in der ersten Phase der Umsetzung die Bewältigung der äußerst
bürokratischen Verfahrensregelungen im Vordergrund stand (in 2013 gab es hierzu
eine Gesetzesnovelle, die aber nur marginale Vereinfachungen brachte), rücken
mittlerweile Finanzierungsprobleme, sowie die Frage in den Mittelpunkt, in wie
weit das angestrebte Ziel erreicht wird, die Chancengleichheit im Bildungswesen
und die gesellschaftliche Teilhabe für arme Kinder zu verbessern.
1. Gesamtbilanz 2013
Obwohl bereits in den Vorjahren 2011 und 2012
in Erlangen eine überdurchschnittlich häufige Inanspruchnahme der B- und T-
Leistungen zu verzeichnen war, konnte diese in 2013 noch einmal erheblich
gesteigert werden (siehe Anlage 1):
·
Die
Anzahl der Anträge auf B- und T- Leistungen erhöhte sich gegenüber dem Vorjahr
um ein Drittel auf nunmehr fast 5.600
·
Die
Summe der bewilligten und ausgezahlten B- und T- Leistungen konnte um knapp 40
% gesteigert werden und betrug im Jahr 2013 in Erlangen über 720.000,- € gegenüber
ca. 515.000,- € in 2012 und ca. 372.000,- € in 2011.
2.
Anspruchsberechtigte Personengruppen
Bei den begünstigten Personengruppen fallen
zahlenmäßig vor allem die Kinder aus SGB II- Familien ins Gewicht, sowie auch
die Kinder von Wohngeldbeziehern, die in der Vergangenheit B- und T- Leistungen
relativ häufiger in Anspruch genommen hatten:
·
Es ist
erfreulich, dass in 2013 bei der Gruppe der SGB II- Kinder eine wesentlich höhere
Steigerung bei der Nutzung von B- und T- Leistungen (+ 55 %) zu verzeichnen
war, als bei der Gruppe der Wohngeld- Kinder (+10 %)
·
Auffällig
ist darüber hinaus die deutlich intensivere Inanspruchnahme des B- und T-
Pakets durch Kinder von Asylbewerbern. Die ausgezahlten Leistungen für diesen
Personenkreis stiegen von ca. 3.700,- € in 2012 auf fast 27.000,- € im Jahr
2013 und leisten somit einen wirksamen Beitrag zur besseren Integration von
Asylbewerber- Kindern in Erlangen.
3. Die
einzelnen Leistungsarten
Der Katalog der B- und T- Leistungen umfasst
im Wesentlichen die Kosten für Ausflüge und Mittagessen in Schulen und Kitas,
sowie Schulbedarf, Nachhilfe und soziale, kulturelle Teilhabe. Die Grafiken auf
den Anlagen 2 und 3 zeigen die Entwicklung der finanziellen Inanspruchnahme
dieser einzelnen B- und T- Leistungen in Erlangen in den Jahren 2011 bis 2013
(bezogen allerdings nur auf die beiden größten Personengruppen, also der Kinder
im SGB II- Bezug, sowie der Kinder aus Wohngeld und Kinderzuschlag beziehenden
Familien).
·
Beim
Schulbedarf (100,- € pro Schuljahr) und bei mehrtägigen Klassenfahrten kann aufgrund
der Antragszahlen davon ausgegangen werden, dass mittlerweile nahezu alle berechtigten
Kinder diese Leistungen in Anspruch nehmen. Beide Leistungen waren allerdings schon
vor der Einführung des B- und T- Pakets als gesetzliche Leistungen vorhanden.
·
Die
Finanzierung 1-tägiger-Ausflüge wird ebenfalls sehr häufig in Anspruch genommen
(hohe Steigerungsrate besonders bei Kita- Ausflügen). Wegen der relativ
geringen Kosten fällt dieser Posten in der Gesamtabrechnung allerdings kaum ins
Gewicht
·
Die
Kosten für Mittagessen in Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen sind
lediglich in den Schulen in nennenswertem Umfang gestiegen. Aufgrund der engen
Einbindung von Schulen und Jugendamt bei Bewilligung und Abwicklung dieser B-
und T- Leistung kann aber vermutet werden, dass hier ebenfalls der berechtigte
Personenkreis weitestgehend erreicht wird
·
Die
Schülerbeförderung war in Bayern als B- und T- Leistung noch nie relevant, da
die hierbei anfallenden Kosten durch das Bayerische Gesetz über
Schulwegkostenfreiheit praktisch vollständig abgedeckt werden
·
Bei der
Förderung der sozialen und kulturellen Teilhabe gab es sowohl bei den Antragszahlen,
wie auch bei den ausgezahlten Kosten (max. 10,- € pro Monat) zwar nennenswerte
Steigerungen zu verzeichnen. Die Vielzahl der denkbaren Fördermöglichkeiten und
der vergleichsweise bescheidene Kostenaufwand, der dabei anfiel, lässt jedoch
vermuten, dass hier noch bei weitem nicht alle Kinder diese B- und T- Leistung
ausschöpfen, die dazu berechtigt wären
·
Am
Auffälligsten ist jedoch die Entwicklung bei der B- und T- Leistung
„Lernförderung“. Hier ist von 2012 auf 2013 ein Anstieg der eingesetzten Gelder
von ca. 45.000,- € auf über 190.000,- € zu verzeichnen. Dies ist das Ergebnis
unseres „Modellversuchs Lernförderung“, bei dem zum ersten Mal ein volles
Schuljahr in die Statistik einging. Hier wird Nachhilfe in schulischer
Verantwortung und Trägerschaft für möglichst viele berechtigte Kinder
bereitgestellt und so das Erreichen schulischer Abschlüsse gerade für arme Kinder
unterstützt. Das Sozialamt ist stolz, mit diesem Modell „Lernförderung“ einen
wichtigen Beitrag zur Erzielung von mehr Chancengleichheit für Kinder aus armen
Familien im Bildungsbereich leisten zu können – und damit auch einen Beitrag
für einen späteren, erfolgreichen Einstieg in den Arbeitsmarkt. Hervorzuheben
ist aber auch das Engagement der beteiligten Schulen, die diese Möglichkeiten
konsequent nutzen, um ihren Schülerinnen und Schülern aus armen Familien diese
zusätzliche Unterstützung zu geben.
4. Die
finanzielle Bilanz 2013
Die finanzielle Bilanz der B- und T-
Leistungen 2013 in Erlangen zeigt einen positiven, aber auch einen negativen
Aspekt.
Positiv zu werten ist der erneute, deutliche
Anstieg bei der Inanspruchnahme der B- und T- Leistungen, der sich in einem ebenso
deutlich erhöhten Finanzaufwand zeigt (siehe Anlage 4):
·
Für die
individuellen B- und T- Sachleistungen, die nach dem Gesetz zu 100 % aus dem
Bundeshaushalt erstattet werden, wurden in Erlangen im Jahr 2013 insgesamt ca.
616.000,- € ausgegeben, gegenüber ca.
439.000,- € in 2012 und ca. 307.000,- € im Jahr 2011
·
Die
anfallenden Verwaltungskosten sowie die Aufwendungen für Schulsozialarbeit und
Hort- Mittagessen wurden ebenfalls zu 100 % aus dem Bundeshaushalt erstattet
(nach dem seinerzeitigen Kompromiss im Vermittlungsausschuss sind allerdings
die Bundeszahlungen für Schulsozialarbeit und Hort- Mittagessen zum 31.12.2013
ausgelaufen)
·
Hinzu
kommen die individuellen Sachleistungen für Kinder von Asylbewerbern und SGB
XII- Empfängern mit über 29.000,- € in 2013 (2012: ca. 7.000,- €, 2011: ca.
4.000,- €), die ganz oder teilweise aus anderen staatlichen Töpfen erstattet
werden
·
Rechnet
man dann noch die Übernahme des gesetzlich verlangten 1 € Eigenanteils der
begünstigten Kindern für die Teilnahme am Mittagessen in Schulen oder Kinderbetreuungseinrichtungen
durch die Stadt Erlangen hinzu (rein freiwillige Leistung der Stadt in Höhe von
ca. 198.000,- € im Jahr 2013), so kommt man auf einen Gesamtkostenaufwand für
B- und T- Leistungen in Erlangen in Höhe von beachtlichen ca. 1,2 Millionen
Euro im Jahr 2013.
Negativ zu werten ist bei dieser finanziellen
Bilanz dagegen die Tatsache, dass die gesetzlich vorgesehene 100 %-ige
Kostenerstattung aus dem Bundeshaushalt zwar beim Land ankommt. Die
landesinterne Weiterverteilung dieser Gelder an die einzelnen Städte und
Landkreise Bayerns ist aber noch nicht geregelt und funktioniert deshalb auch
noch nicht annähernd. Dadurch werden gerade Kommunen wie Erlangen (mit
überdurchschnittlich hoher Inanspruchnahme von B- und T- Leistungen und damit
hohem B- und T- Kostenaufwand) finanziell hart bestraft.
·
Nach §
46 Absätze 6-8 SGB II erstattet der Bund den Kommunen die individuellen B- und
T- Sachleistungen für die Kinder zu 100 %, deren Eltern SGB II, Wohngeld oder
Kinderzuschlagsleistungen beziehen. Dies hat in Erlangen im Jahr 2013 einen Kostenaufwand
615.525,76 € verursacht.
·
Tatsächlich
gingen 2013 bei der Stadt Erlangen für diesen Zweck aber lediglich Bundesmittel
in Höhe von 278.965,80 € ein. Da die Bundeserstattungen des laufenden Jahres
für jedes Bundesland jeweils so bemessen werden, dass der landesweite B- und T-
Aufwand des Vorjahres zu 100 % erstattet wird, müsste Erlangen eigentlich in
2014 mit einer Nachzahlung an Bundesmitteln durch das Land Bayern in Höhe von
336.559,96 € rechnen können
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Diese
bedarfsgerechte, nachträgliche Weiterverteilung der Bundesmittel durch das Land
an die einzelnen Bayerischen Kommunen erfordert jedoch eine gesonderte landesgesetzliche
Regelung (deren Notwendigkeit im vergangenen Jahr lange Zeit sowohl vom
BayStMAS, wie auch von den bayerischen kommunalen Spitzenverbänden überhaupt
bestritten wurde – Kommunen mit geringem B- und T- Aufwand könnten so nämlich
finanziell profitieren zu Lasten der Kommunen mit hohem B- und T- Aufwand).
Soweit bekannt arbeitet das StMAS zwar derzeit an einer entsprechenden
Landesregelung, die ihr doch vorrangig wenig Verwaltungsaufwand verursachen
soll – das Erreichen der 100 %-igen Kostenerstattung bei den einzelnen Kommunen
wird jedoch im Ministerium als nachrangig betrachtet.
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Zu
verdanken haben wir diese unübersichtliche Situation einer Entscheidung der letzten
großen Koalition (einem sogenannten „GroKo-Deal“), die in der
Föderalismus-Reform von 2006 das Grundgesetz so geändert hat, dass direkte
Finanzbeziehungen zwischen Bund und Kommunen im Regelfall nicht erlaubt sind.
Eine unmittelbare Erstattung der kommunalen B- und T- Ausgaben aus dem
Bundeshaushalt ist somit nach dem Grundgesetz nicht möglich. Um trotzdem eine
Kostenerstattung durch den Bund zu erreichen musste deshalb der Umweg über die
Länderhaushalte gewählt werden (konkret: eine entsprechende Erhöhung der KdU-
Bundeserstattungen, die ebenfalls zunächst an die Länder gezahlt wird und dann
von den Ländern an ihre Kommunen weiterverteilt wird). Die Höhe des örtlichen
B- und T- Aufwandes fällt jedoch in den einzelnen Kommunen nicht nur in höchst
unterschiedlicher Höhe an – sie entwickelt sich auch von Jahr zu Jahr in höchst
unterschiedlichem Umfang. Um zu einer echten Kostenerstattung in allen
bayerischen Städten und Landkreisen zu kommen ist deshalb eine gesonderte
landesrechtliche Verteilungsregelung unerlässlich.
5.
Initiative beim Bayerischen Städtetag
In dieser Situation wäre es hilfreich
Unterstützung durch den Bayerischen Städtetag zu erhalten (das BayStMAS hat
seine Bereitschaft angedeutet, entsprechende Anregungen der kommunalen
Spitzenverbände aufzugreifen).
Die Verwaltung schlägt deshalb vor, dass sich
der SGA, bzw. die Stadt Erlangen, mit folgenden Forderungen formell an den
Bayerischen Städtetag wendet:
·
Der
Bayerische Städtetag möge sich beim BayStMAS dafür einsetzen, dass die landesinterne
Regelung zur Weiterverteilung der B- und T- Bundeserstattungen an die
Bayerischen Städte und Landkreise so gestaltet wird, dass vorrangig eine
möglichst vollständige Kostenerstattung des jeweiligen örtlichen B- und T-
Kostenaufwandes des Vorjahres erreicht wird. Kommunen in Bayern, die eine
überdurchschnittlich intensive Inanspruchnahme der B- und T- Leistungen erreicht
haben, dürfen für diese erfolgreiche Arbeit nicht finanziell bestraft werden.
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Im
Gegenzug sollte sich der Bayerische Städtetag auch dafür verwenden, dass der
seit 2005 gezahlte sogenannte Hartz IV- Belastungsausgleich (landesweit
jährlich ca. 90 Millionen Euro), der die Einführung des Hartz IV- Gesetzes für
die Kommunen finanziell abfedern sollte und der sich aus den Hartz IV bedingten
Wohngeldeinsparungen des Landes speist, nach 10 Jahren nunmehr abgeschafft
werden sollte. Die Berechnung dieses Hartz IV- Belastungsausgleichs ist sehr
verwaltungsaufwändig und sehr wenig zielgenau, denn er begünstigt gerade die
Kommunen, die ohnehin eine relativ geringe Sozialhilfebelastung zu tragen
haben. Stattdessen sollten diese Landesmittel entweder pauschal dem kommunalen
Finanzausgleich zusätzlich zugeschlagen werden – oder besser: zur Aufstockung
der sozialen Wohnungsbauförderung in Ballungsgebieten in Bayern verwendet
werden.
Anlagen: 1. Gesamtbilanz der B- und T- Leistungen 2013 in Erlangen
2. Kostenvergleich Mittagessen 2011 bis 2013
3. Kostenvergleich allgemeine B- und T- Leistungen 2011 bis 2013
4. Finanzielle Bilanz der B- und T- Leistungen 2011 bis 2013